OLG München: Einleitung eines Spruchsverfahrens - Fristwahrung
OLG München, Beschluss vom 8.2.2010 - 31 Wx 148/09, rkr.
Leitsatz
Die Frist zur Einleitung eines Spruchverfahrens wird nur durch den rechtzeitigen Eingang eines Antrags bei einem zumindest zunächst örtlich zuständigen Gericht gewahrt.
SpruchG §§ 2, 4 Abs. 1
Sachverhalt
I. Der Antragsteller zu 4.) beantragte als Aktionär der D. AG mit Sitz in Augsburg die Bestimmung der angemessenen Barabfindung durch das Gericht, nachdem die Hauptversammlung am 7.8.2008 die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre auf den Hauptaktionär beschlossen hatte.
Die Antragsschrift ging am 9.1.2009 beim Landgericht Augsburg ein. Die Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister war am 13.10.2008 erfolgt, deren Bekanntmachung am 14.10.2008. Nach gerichtlichem Hinweis auf seine Unzuständigkeit, Zustellung der Antragsschrift und Anhörung des Antragsgegners verwies das Landgericht Augsburg antragsgemäß mit Beschluss vom 20.02.2009 das Verfahren an das Landgericht München I. Dort gingen die Akten am 25.02.2009 ein. Mit Beschluss vom 06.11.2009 wies das Landgericht unter anderem diesen Antrag als unzulässig zurück, denn die Einreichung beim örtlich unzuständigen Gericht wahre die Frist des § 4 Abs. 1 SpruchG nicht.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers zu 4.). Er ist der Auffassung, in entsprechender Anwendung von § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO komme auch dem beim unzuständigen Gericht eingereichten Antrag fristwahrende Wirkung zu.
Aus den Gründen
II. Die zulässige sofortige Beschwerde des Antragstellers zu 4.) ist nicht begründet.
1. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 i. V. m. § 1 Nr. 3 SpruchG kann der Antrag auf gerichtliche Entscheidung über die Bestimmung der Barabfindung von Minderheitsaktionären nur binnen drei Monaten seit dem Tag gestellt werden, an dem die Eintragung des Übertragungsbeschlusses im Handelsregister bekannt gemacht worden ist. Nachdem die Bekanntmachung der Eintragung am 14.10.2008 erfolgt ist, endete die Antragsfrist mit Ablauf des 14.01.2009. Der Eingang des Antrags beim Landgerichts Augsburg am 09.01.2009 wahrt die Antragsfrist nicht, weil das Landgericht Augsburg nach § 2 Abs. 4 Satz 1 SpruchG i. V. m. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GZVJu von Anfang an nicht für das hier vorliegende Spruchverfahren zuständig war und der Eingang bei dem örtlich von Anfang an allein zuständigen Landgericht München I erst nach Fristablauf erfolgte.
Eine entsprechende Anwendung des § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO kommt nicht in Betracht, denn nach dem Regelungszusammenhang der spezialgesetzlichen Norm des § 4 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SpruchG kann die Frist zur Einleitung eines Spruchverfahrens nur durch den Eingang eines Antrags bei einem zumindest zunächst zuständigen Gericht gewahrt werden (vgl. OLG Frankfurt NZG 2009, 1225; OLG Düsseldorf NZG 2005, 719; Simon/Leuering SpruchG § 4 Rn. 32; Hüffer AktG 8 Aufl. Anhang § 305 § 4 SpruchG Rn. 5; Klöcker/Frowein, SpruchG § 4 Rn. 13; Heidel/Weingärtner Aktienrecht und Kapitalmarktrecht 2. Aufl. § 4 SpruchG Rn. 11, 12; KölnKomm SpruchG/Wasmann § 4 Rn. 6; MünchKommAktG/Kubis 3. Aufl. § 4 SpruchG Rn. 11; a.A. Spindler/Stilz/Drescher AktG § 4 SpruchG Rn. 9).
Zwar hat der Bundesgerichtshof zur Rechtslage vor Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes entschieden, dass auch der bei einem unzuständigen Gericht eingereichte Antrag auf Einleitung eines Spruchverfahrens die Antragsfrist im Falle einer späteren Verweisung an das zuständige Gericht entsprechend § 281 Abs. 2 Satz 3 ZPO wahre (BGHZ 166, 329 = NZG 2006, 426; ablehnend Hirte EWiR 2006, 255; Mennicke BB 2006, 1242). Die Entscheidung lässt offen, ob § 281 ZPO auch in Verfahren nach dem Spruchverfahrensgesetz entsprechend angewandt werden könne.
Nach Einführung der Regelung des § 4 Abs. 1 SpruchG ist jedoch keine Regelungslücke mehr vorhanden, die zu einer analogen Anwendung des § 281 ZPO führen könnte.
Der Gesetzgeber hat in § 4 Abs. 1 Satz 2 SpruchG die Verfristungsfolge für Anträge an (zunächst zuständige und schließlich) unzuständige Gerichte spezialgesetzlich geregelt. Er hat dabei ausdrücklich diejenigen Fälle zu Gunsten des Antragstellers entschieden, in denen die (endgültige) Zuständigkeit zweifelhaft oder schwer erkennbar ist. Im Umkehrschluss ist daraus zu folgern, dass in allen anderen Fällen nur die Einreichung des Antrags beim zuständigen Gericht fristwahrend wirkt (vgl. Münch- KommAktG/Kubis § 4 SpruchG Rn. 11 a. E.; Mennicke BB 2006, 1243; Hirte EWiR 2006, 256).
Aus diesem Grund kann für das Spruchverfahren nichts daraus hergeleitet werden, dass in Familien- und Insolvenzsachen die Vorschrift des § 281 ZPO entsprechend angewendet wird. Auch verfassungsrechtliche Normen, insbesondere die durch Art. 14 GG gewährleistete Eigentumsgarantie, zwingen nicht zu einer entsprechenden Anwendung des § 281 ZPO in Spruchverfahren. Innerhalb der Antragsfrist von drei Monaten ist es ohne weiteres möglich, das zuständige Gericht zu ermitteln. Im Übrigen werden die Rechte der nicht unmittelbar am Verfahren beteiligten Antragsberechtigten nach § 6 SpruchG durch den gemeinsamen Vertreter gewahrt, der auch hier bestellt ist. Die Entscheidung wirkt für und gegen alle (§ 13 SpruchG). Ohne Erfolg verweist die Beschwerde darauf, dass die Zuständigkeitskonzentration in Spruchverfahren in einzelnen Länderverordnungen geregelt ist. Die entsprechende Ermächtigungsnorm findet sich in § 2 Abs. 4 SpruchG, die aufgrund dieser Vorschrift erlassenen Zuständigkeitsverordnungen der einzelnen Länder sind ohne weiteres zugänglich.
2. Es erscheint angemessen, dass der Antragsteller die Gerichtskosten seiner erfolglosen Beschwerde trägt (§ 15 Abs. 2 Satz 2 SpruchG).
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 17 Abs. 1 SpruchG i. V. m. § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG. § 13a Abs. 1 FGG bleibt jedenfalls für das Beschwerdeverfahren auch nach Inkrafttreten des Spruchverfahrensgesetzes anwendbar (vgl. OLG Düsseldorf AG 2009, 667/671 m. w. N.; Simon/Winter SpruchG § 15 Rn. 103 m. w. N.; weitergehend MünchKommAktG/Kubis § 15 SpruchG Rn. 21; Köln- KommSpruchG/Rosskopf § 15 Rn. 53). Nach § 13a Abs. 1 Satz 2 FGG sind grundsätzlich die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels dem Rechtsmittelführer aufzulegen. Für eine Abweichung hiervon besteht kein Anlass; der Antragsteller zu 4.) verfolgt seinen unzulässigen Antrag mit der Beschwerde erfolglos weiter.
Die Festsetzung des Geschäftswerts für das Beschwerdeverfahren folgt aus § 15 Abs. 1 Satz 2 SpruchG. Der dort zwingend vorgeschriebene Mindestwert ist auch maßgeblich für Verfahren, die die Zulässigkeit eines Antrags betreffen (OLG Frankfurt NZG 2009, 1225 m. w. N.).