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Wirtschaftsrecht
26.06.2008
Wirtschaftsrecht
: Einleitung eines Musterverfahrens nach dem KapMuG

BGH, Beschluss vom 21.4.2008 - II ZB 6/07

Volltext des Beschlusses: //BB-OnlineBBL2008- - unter www.betriebs-berater.de

Leitsätze

1. Ein Musterverfahren ist nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KapMuG einzuleiten, wenn bis zum Ablauf der dort genannten Frist zehn gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gestellt worden sind. Diese Anträge müssen nicht in zehn getrennten Prozessen gestellt worden sein. Es reicht vielmehr aus, wenn zehn einfache Streitgenossen jeweils einen auf die Durchführung des Musterverfahrens gerichteten Antrag gestellt haben. Die Möglichkeit einer Zurückweisung dieser Anträge wegen Prozessverschleppung nach § 1 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 KapMuG bleibt unberührt.

2. In das Klageregister ist gemäß § 2 Abs. 1 KapMuG jeder einzelne Musterfeststellungsantrag einzutragen, auch wenn mehrere Streitgenossen jeweils gleichlautende Anträge gestellt haben.

Sachverhalt

Die vierzehn Kläger des bei dem Landgericht Augsburg anhängigen Ausgangsverfahrens (1 O 4341/04) verlangen von den Beklagten Schadensersatz wegen fehlerhafter Ad-hoc-Mitteilungen. Neun Kläger haben dazu jeweils einen Musterfeststellungsantrag gestellt. Im Klageregister ist daraufhin „ein" Antrag bekannt gemacht worden. Innerhalb von vier Monaten nach der Bekanntmachung sind gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge in vier weiteren Verfahren von insgesamt 60 Klägern gestellt worden.

Das Landgericht hat „den" Musterfeststellungsantrag zurückgewiesen. Die dagegen von den Klägern zu 3, 9, 12 und 13 eingelegte sofortige Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben (OLG München, ZIP 2007, 649). Die dagegen gerichtete, von dem Beschwerdegericht zugelassene Rechtsbeschwerde der Kläger zu 3, 9, 12 und 13 hatte Erfolg.

Aus den Gründen

            Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde

4          II. ... 1. Das Beschwerdegericht hat ... zutreffend angenommen, dass gegen die Zurückweisung eines Musterfeststellungsantrags nach § 4 Abs. 4 KapMuG die sofortige Beschwerde gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft ist (ebenso Möllers/Weichert, NJW 2005, 2737, 2739; a.A. Fullenkamp in Vorwerk/Wolf, KapMuG § 4 Rdn. 36). Danach findet die sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen statt, die eine mündliche Verhandlung nicht erfordern und durch die ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt, § 128 Abs. 4 ZPO.

            Fehlerhafte Auslegung des § 4 Abs. 4 KapMuG durch das Berufungsgericht

5          2. Dem Beschwerdegericht ist aber nicht zu folgen in der Annahme, „der" Musterfeststellungsantrag - richtig: die Musterfeststellungsanträge - sei(en) vom Landgericht zu Recht nach § 4 Abs. 4 KapMuG zurückgewiesen worden.

6          Zur Begründung hat das Beschwerdegericht ausgeführt: Innerhalb von vier Monaten nach der Bekanntmachung des Antrags seien nicht in mindestens neun weiteren Verfahren gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gestellt worden, wie es § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KapMuG für den Erlass eines Vorlagebeschlusses voraussetze. Dass in vier Verfahren von insgesamt 60 Klägern derartige Anträge gestellt worden seien, reiche nicht aus. Es komme nicht auf die Zahl der Antragsteller an, sondern auf die Zahl der Verfahren, in denen Anträge gestellt worden seien.

7          Das beruht auf einer einseitig formale Gesichtspunkte in den Vordergrund stellenden fehlerhaften Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KapMuG.

8          Nach § 4 Abs. 1 KapMuG führt das Prozessgericht durch Beschluss einen Musterentscheid herbei, wenn in dem bei ihm anhängigen Verfahren der zeitlich erste Musterfeststellungsantrag gestellt worden ist und innerhalb von vier Monaten nach seiner Bekanntmachung in mindestens neun weiteren Verfahren gleichgerichtete Musterfeststellungen beantragt worden sind. Der Wortlaut dieser Norm ist - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - nicht eindeutig. Erheben mehrere Personen gemeinsam eine Klage, ohne dass - wie auch hier nicht - die Voraussetzungen der notwendigen Streitgenossenschaft nach § 62 ZPO vorliegen, so kommt für jeden Kläger gemäß § 61 ZPO ein selbständiges Prozessrechtsverhältnis zustande. Die mehreren Prozessrechtsverhältnisse sind durch die - einfache - Streitgenossenschaft lediglich zu einem äußerlich einheitlichen Verfahren miteinander verbunden. Der Sache nach handelt es sich aber um selbständige Verfahren (BGHZ 8, 72, 78; BGH, Urt. v. 17.3.1989 - V ZR 233/87, BB 1989, 1227 = WM 1989, 997, 998; v. 26.5.1994 - IX ZR 39/93, BB 1994, 1751 = ZIP 1994, 1121, 1122, insoweit in BGHZ 126, 138 nicht abgedruckt; MünchKommZPO/Schilken, 3. Aufl. § 59 Rdn. 22; Zöller/Vollkommer, ZPO 26. Aufl. § 61 Rdn. 8).

            Bei einer Streitgenossenschaft ist unter "Verfahren" das jeweilige einzelne Prozessrechtsverhältnis zu verstehen

9          Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 1 KapMuG spricht für eine Berücksichtigung jedes einzelnen von mehreren einfachen Streitgenossen gestellten Musterfeststellungsantrags. Danach wird durch den Musterfeststellungsantrag das Verfahren nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz in Gang gesetzt, das bei Vorliegen der weiteren gesetzlichen Voraussetzungen zu dem Vorlagebeschluss nach § 4 KapMuG führt. Die Textteile „in einem ... Verfahren" umschreiben lediglich einen Teil der materiellen Voraussetzungen der Klageverfahren, in denen überhaupt nach dem Gesetz ein Musterbescheid in Betracht kommt, enthalten aber keine Aussage über die Zahl der notwendigen Prozesse, wie das Beschwerdegericht meint. Stellen demnach zwei oder mehr Streitgenossen jeweils einen solchen Antrag, handelt es sich um eigenständige Anträge, über die auch jeweils gesondert entschieden werden muss.

10        Auch nach Sinn und Zweck des Gesetzes ist § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KapMuG so auszulegen, dass bei einer Streitgenossenschaft unter "Verfahren" das jeweilige einzelne Prozessrechtsverhältnis zu verstehen ist, die Voraussetzungen für einen Vorlagebeschluss also schon dann erfüllt sind, wenn insgesamt mindestens zehn Kläger jeweils einen zulässigen Musterfeststellungsantrag gestellt haben (ebenso LG Stuttgart, ZIP 2006, 1731, 1732 siehe dazu Sen.Beschl. v. 25.2.2008 - II ZB 9/07 z.V.b. = BB 2008, 855 m. BB-Komm. Widder, BB 2008, 855; LG Berlin, Beschl. v. 28.11. 2006 - 10a O 119/05, veröffentlicht im Klageregister; LG Frankfurt am Main, Verfügung v. 13.2.2007, unveröffentlicht; Reuschle, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz 2005, S. 33; Schneider, BB 2005, 2249, 2252; D. Assmann in Festschrift Vollkommer, 2006, S. 119, 130; Gundermann/ Härle, VuR 2006, 457, 458; Gängel/Gansel in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht 2. Aufl. § 4 KapMuG Rdn. 2; a.A. KG, Hinweisbeschl. v. 18.9.2007 - 4 SCH 2/06 KapMuG, veröffentlicht im Klageregister; Fullenkamp a.a.O. § 4 Rdn. 11).

11        Mit der Einführung des Musterverfahrens hat der Gesetzgeber die Möglichkeit schaffen wollen, in Verfahren, die Kapitalmarktinformationen oder Angebote nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz zum Gegenstand haben und damit i.d.R. eine Vielzahl von Personen betreffen, verallgemeinerungsfähige Tatsachen- und Rechtsfragen in einem möglichst frühen Stadium mit Bindungswirkung für alle Verfahren zu klären und dadurch den Schutz der Kapitalanleger zu verbessern (Begr. zum Regierungsentwurf, BT-Drucks. 15/5091, S. 35 ff.; Sen.Beschl. v. 3.12.2007 - II ZB 15/07, ZIP 2008, 137). Ein Bedürfnis für eine derartige Klärung besteht unabhängig davon, ob die Anleger jeweils gesondert Klage erhoben haben oder in einfacher Streitgenossenschaft klagen. Die Entscheidung für den einen oder anderen Weg hängt häufig von Zufälligkeiten ab. Eine subjektive Klagenhäufung in Anlegerschutzsachen ist - trotz der jeweils auf den Einzelfall abzustellenden Prüfung der Ursächlichkeit etwaiger fehlerhafter Kapitalmarktinformationen (vgl. Sen.Urt. v. 9.5.2005 - II ZR 287/02, BB 2005, 1644 = ZIP 2005, 1270, 1274 ‑ EM.TV) - zwar häufig, aber nicht stets unzweckmäßig. Letztlich nimmt dies auch das Beschwerdegericht an, indem es darauf hinweist, es stehe den Klägern frei, nach Zurückweisung ihres Musterfeststellungsantrags eine Prozesstrennung nach § 145 ZPO zu beantragen und dann, wenn die Prozesse getrennt sind, neue Musterfeststellungsanträge zu stellen. Damit fordert es unzutreffend die Einhaltung bestimmter Formalien, missachtet jedoch das berechtigte Interesse der Kläger, in Streitgenossenschaft zu klagen und sich damit Kostenvorteile zunutze zu machen.

            Diesem Auslegungsergebnis steht die Systematik des KapMuG nicht entgegen

12        Die Systematik des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes steht diesem Auslegungsergebnis nicht entgegen. Allerdings werden nach § 2 Abs. 1 KapMuG die Musterfeststellungsanträge im Klageregister öffentlich bekannt gemacht, ohne dass dabei Angaben zu der Person des jeweiligen Antragstellers zu machen sind. Das ist indessen nicht erforderlich, weil nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 KapMuG und den allgemeinen Grundsätzen des Prozessrechts jeder zulässige Musterfeststellungsantrag gesondert einzutragen ist. Deshalb kann - anders als das Beschwerdegericht meint - nicht die Gefahr entstehen, dass unklar bliebe, wie viele Personen derartige Anträge gestellt haben.

13            Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts muss bei dieser Auslegung ein Musterverfahren nicht notwendigerweise schon dann durchgeführt werden, wenn in einem einzigen (Gesamt-)Verfahren zehn Streitgenossen - im Übrigen zulässige - Musterfeststellungsanträge stellen. In einem solchen Fall können die Musterfeststellungsanträge vielmehr wegen Prozessverschleppung nach § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 KapMuG zurückgewiesen werden, wenn die Durchführung eines Musterverfahrens zu einer unnötigen Verfahrensausweitung statt einer Verfahrensvereinfachung führen würde. Der Sinn des Musterverfahrens liegt nämlich darin, Massenverfahren zu vereinfachen, nicht dagegen Einzelverfahren unnötig zu verzögern.


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BB-Kommentar

Peter Gundermann, RA,Kanzlei Tilp Rechtsanwälte, Kirchentellinsfurt

„Der BGH erleichtert das Erreichen des Quorums und damit die Durchführung eines Musterverfahrens"


Problem

Der II. Zivilsenat hatte über die Rechtsbeschwerde verschiedener Kläger gegen den Beschluss des Senats für Kapitalanleger-Musterverfahren des OLG München vom 9.2.2007 - W (KapMu) 1/06, ZIP 2007, 649 ff., zu entscheiden und zu klären, ob der Erlass eines Vorlagebeschlusses und das hierfür gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KapMuG zu erreichende Quorum davon abhängt, dass in zehn verschiedenen Verfahren gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gestellt werden oder es genügt, dass zehn Antragsteller möglicherweise in nur einem einzigen Verfahren innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten ab Bekanntmachung des ersten Musterfeststellungsantrags im elektronischen Klageregister jeweils gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge stellen.

Im zu entscheidenden Fall hatten neun Kläger in einem Verfahren vor dem LG Augsburg, Az. 1 O 4341/04, jeweils einen Musterfeststellungsantrag gestellt. Im Klageregister wurden jedoch nicht neun Anträge, sondern nur „ein" Antrag bekannt gemacht. Innerhalb von vier Monaten nach der Bekanntmachung wurden in vier weiteren Verfahren von insgesamt 60 Klägern gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge gestellt. Das LG München I hat „den" Musterfeststellungsantrag gemäß § 4 Abs. 4 KapMuG zurückgewiesen, da nach Bekanntmachung „des ersten Musterfeststellungsantrags" nur in vier weiteren Verfahren Musterfeststellungsanträge gestellt wurden. Die dagegen von einigen Klägern eingelegte sofortige Beschwerde blieb vor dem OLG München erfolglos. Die Rechtsbeschwerde zum BGH wurde zugelassen.

Entscheidung

Der BGH hob die Entscheidung des OLG München insoweit auf, als zum Nachteil der Rechtsbeschwerdeführer entschieden wurde und befand, dass das OLG München § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KapMuG fehlerhaft auslegte, weil es einseitig formale Gesichtspunkte in den Vordergrund stellte. Anders als das OLG München hielt der zweite Zivilsenat des BGH den Wortlaut des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KapMuG - „...in mindestens neun weiteren Verfahren..." - nicht für eindeutig. Erheben nämlich mehrere Personen gemeinsam eine Klage, ohne dass die Voraussetzungen der notwendigen Streitgenossenschaft nach § 62 ZPO vorliegen, so kommt für jeden Kläger gemäß § 61 ZPO ein selbstständiges Prozessrechtsverhältnis zustande. Die mehreren Prozessrechtsverhältnisse sind durch die - einfache - Streitgenossenschaft lediglich zu einem äußerlich einheitlichen Verfahren miteinander verbunden. Der Sache nach handelt es sich aber um selbstständige Verfahren (BGHZ 8, 72, 78; BGH, Urteil vom 17.3.1989 - V ZR 233/87, WM 1989, 997; Urteil vom 26.5.1994 - IX ZR 39/93, ZIP 1994, 1121, 1122; Schilken, in: MüKo, ZPO, 3. Aufl., § 59 Rn. 22; Vollkommer, in: Zöller, ZPO-Kommentar, 26. Aufl., § 61 Rn. 8).

Der Wortlaut des § 1 Abs. 1 S. 1 KapMuG spricht laut BGH für eine Berücksichtigung jedes einzelnen von mehreren einfachen Streitgenossen gestellten Musterfeststellungsantrags. Auch nach Sinn und Zweck ist § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KapMuG so auszulegen, dass bei einer Streitgenossenschaft unter „Verfahren" das jeweilige Prozessrechtsverhältnis zu verstehen ist.

Praxisfolgen

Die Entscheidung des BGH hat für die formalen Anforderungen an die Einleitung eines Musterverfahrens nach dem KapMuG grundlegende Bedeutung. Der BGH erleichtert das Erreichen des Quorums nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 KapMuG und damit die Durchführung eines Musterverfahrens vor dem zuständigen OLG. Denn: Die Voraussetzungen für einen Vorlagebeschluss sind nach dieser Entscheidung schon dann erfüllt, wenn insgesamt mindestens zehn Kläger jeweils einen zulässigen Musterfeststellungsantrag gestellt haben (so auch LG Stuttgart, Vorlagebeschluss vom 3.7.2006 - 21 O 408/05, ZIP 2006, 1731, 1732 siehe dazu Senatsbeschluss vom 25.2.2008 - II ZR 9/07 z.V.b.; LG Berlin, Beschluss vom 28.11.2006 - 10 a O 119/05, veröffentlicht im Klageregister; LG Frankfurt a.M., Verfügung vom 13.2.2007, n. v.; Reuschle, Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz, 2005, S. 33; Schneider, BB 2005, 2249, 2252; Assmann, in: Festschrift Vollkommer, 2006, S. 119, 130; Gundermann/Härle, VuR 2006, 457, 458; a. A. KG, Hinweisbeschluss vom 18.9.2007 - 4 SCH 2/06 KapMuG, veröffentlicht im Klageregister; Fullenkamp, in: Vorwerk/Wolf, KapMuG-Kommentar, 2007, § 4 Rn. 11; Vollkommer, in: Hess/Reuschle/Rimmelspacher, Kölner Kommentar zum KapMuG, 2008, § 4 Rn. 37).

Die Entscheidung ist aus Anlegersicht zu begrüßen, denn in der Praxis zeigt sich die Tendenz, dass sich bei Streuschäden Anleger zu einfachen Streitgenossenschaften zusammenschließen wollen. Die Hauptmotivation für diesen „Sammeltrieb" geschädigter Anleger ist die Möglichkeit, sich Kostenvorteile zu verschaffen. Nicht zuletzt fordern gerade deshalb Rechtsschutzversicherungen in Massenfällen oftmals eine Bündelung mehrerer Kläger in einem einzigen Verfahren. Es würde Sinn und Zweck des KapMuG widersprechen, wenn kostensensible bzw. dem Druck ihrer Rechtsschutzversicherungen ausgesetzte Anleger dadurch um die Möglichkeit eines Musterverfahrens gebracht würden, weil ihre Musterfeststellungsanträge als „ein einziger Antrag" gewertet werden und das Erreichen des Quorums nach § 4 Abs. 1 S. 1 Ziffer 2 KapMuG dadurch erschwert wird.

Der Entscheidung des BGH ist jedoch nicht zu entnehmen, dass in Anlegerschutzsachen stets die Streitgenossenschaft zur Herbeiführung eines Musterverfahrens sinnvoll ist. Der BGH führt in den Gründen nämlich aus, dass die Bündelung von Klägern im Wege einfacher Streitgenossenschaft „häufig" als unzweckmäßig anzusehen ist. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang die vom BGH selbst zitierte Grundsatzentscheidung in den EM.TV-Fällen vom 9.5.2005 - II ZR 287/02, BB 2005, 1644 = ZIP 2005, 1270, 1274. Hier kann insbesondere in Fällen falscher Ad-hoc-Mitteilungen die in jedem Einzelfall zu prüfende Kausalität ein entscheidender Grund sein, von einer Zusammenfassung mehrerer Streitgenossen abzusehen. Dass der BGH den Streitgenossenschaften in Anlegerschutzfällen skeptisch gegenübersteht, sieht man schließlich in der von ihm am Ende aufgezeigten Möglichkeit, Musterfeststellungsanträge von zehn Streitgenossen in einem einzigen Verfahren bei unnötiger Verfahrensausweitung wegen Prozessverschleppung gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 Nr.2 KapMuG zurückzuweisen.


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