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Wirtschaftsrecht
07.04.2011
Wirtschaftsrecht
BGH: Eingeschränktes Kündigungsrecht von Personenhandelsgesellschaften bei Wohnraummietverträgen

BGH, Urteil vom 15.12.2010 - VIII ZR 210/10

Leitsatz

Eine Personenhandelsgesellschaft kann ein Wohnraummietverhältnis nicht wegen Eigenbedarfs ihrer Gesellschafter kündigen.

BGB § 573 Abs. 2 Nr. 2

Sachverhalt

Der Beklagte ist seit 2001 Mieter einer 5-Zimmer-Wohnung der Klägerin in H. Bei der Klägerin handelt es sich um eine GmbH & Co. KG. Kommanditisten und Gesellschafter der Komplementär-GmbH sind die Eheleute M.; der Ehemann ist gleichzeitig Geschäftsführer der Komplementärin der Klägerin. Mit Schreiben vom 30.4.2009 sprach die Klägerin die ordentliche Kündigung des Mietvertrags zum 31.10.2009 aus. Zur Begründung ist in dem Kündigungsschreiben im Einzelnen ausgeführt, dass die beiden 69 und 74 Jahre alten Gesellschafter der Klägerin die Wohnung für sich selbst benötigten. Die Räumungsklage blieb in allen Instanzen ohne Erfolg.

Aus den Gründen

8          II. ... Dem Berufungsgericht ist darin beizupflichten, dass einer GmbH & Co. KG ein Eigenbedarf ihrer Gesellschafter nicht zugerechnet werden kann, so dass die von der Klägerin erklärte Kündigung unwirksam und das Räumungsbegehren der Klägerin unbegründet ist.

9            Allerdings darf nach der Rechtsprechung des Senats eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts - anders als eine Kapitalgesellschaft - grundsätzlich wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kündigen (Senatsurteile vom 27.6.2007 - VIII ZR 271/06, NJW 2007, 2845 Rn. 12, 15 ff.; vom 16.7.2009 - VIII ZR 231/08, NJW 2009, 2738 Rn. 13 f.). Diese Rechtsprechung lässt sich aber, wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat, nicht auf Personenhandelsgesellschaften und somit auch nicht auf die Klägerin als GmbH & Co. KG übertragen.

10        1. Nach der Rechtsprechung des Senats ist der Gesellschaft bürgerlichen Rechts der Eigenbedarf eines Gesellschafters deshalb zuzurechnen, weil es im Ergebnis nicht gerechtfertigt wäre, Gesellschafter einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft insoweit schlechter zu stellen als die Mitglieder einer einfachen Vermietermehrheit. Sind mehrere natürliche Personen Vermieter, berechtigt der Eigenbedarf eines Vermieters die Gemeinschaft zur Kündigung des Mietvertrages; dies kann nicht anders zu beurteilen sein, wenn diese Personen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage einen gemeinsamen Zweck verfolgen und damit eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden, zumal es häufig nur vom Zufall abhängen wird, ob eine Personenmehrheit dem Mieter eine Wohnung als Gemeinschaft oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts vermietet (Senatsurteil vom 27.6.2007 - VIII ZR 271/06, a. a. O. Rn. 15). Eine vergleichbare Situation besteht, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bei einer Personenhandelsgesellschaft als Vermieterin indes nicht.

11        2. Die Gründung einer Kommanditgesellschaft oder offenen Handelsgesellschaft setzt regelmäßig eine umfangreiche organisatorische und rechtsgeschäftliche Tätigkeit bis hin zur Eintragung in das Handelsregister voraus; die Vermietung einer Wohnung durch eine offene Handelsgesellschaft oder Kommanditgesellschaft (beziehungsweise wie hier durch eine GmbH & Co. KG) statt durch eine schlichte Gemeinschaft erfolgt deshalb von vornherein nicht "zufällig", sondern beruht auf einer bewussten Entscheidung aufgrund wirtschaftlicher, steuerrechtlicher und/oder haftungsrechtlicher Überlegungen. Von einer Vergleichbarkeit mit der Interessenlage bei der Vermietung einer Wohnung durch eine Bruchteilsgemeinschaft oder eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann daher keine Rede sein. Dies gilt entgegen der Auffassung der Revision auch dann, wenn es sich - wie die Klägerin für sich in Anspruch nimmt - bei der Vermieterin um eine "personalistisch gebundene vermögensverwaltende Kommanditgesellschaft" handelt, zu der sich Eheleute zusammengeschlossen haben.

12        3. Entgegen der Auffassung der Revision führt auch der Umstand, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts inzwischen als teilrechtsfähig anerkannt ist, nicht dazu, dass bezüglich der Zurechnung von Eigenbedarf eines Gesellschafters eine Gleichbehandlung mit allen anderen Personengesellschaften geboten wäre und somit nur bei juristischen Personen eine Zurechnung des Eigenbedarfs von Gesellschaftern auszuscheiden hätte. Maßgeblich für die Zurechnung des Eigenbedarfs bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist nicht die bloße Teilrechtsfähigkeit (das Fehlen der Eigenschaft einer juristischen Person) oder ein im Vergleich zu Kapitalgesellschaften stärkerer personaler Bezug, sondern die Wertung, dass eine unterschiedliche Behandlung der Vermietung durch eine Bruchteilsgemeinschaft oder Erbengemeinschaft einerseits und durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts andererseits in vielen Konstellationen „willkürlich" erscheint, weil es häufig vom Zufall abhängt, in welcher Rechtsform die Vermietung vorgenommen wird ...

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