Brandenburgisches OLG: Einberufung einer Gesellschafterversammlung – Selbsthilferecht der Gesellschafter
Brandenburgisches OLG, Urteil vom 19.12.2018 – 7 U 152/18, rkr.
ECLI:DE:OLGBB:2018:1219.7U152.18.00
Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2019-596-1
Aus den Gründen
I. Der Darstellung der Feststellungen zur Tatsachengrundlage bedarf es nicht, weil ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht stattfindet, §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 i.V.m. § 542 Abs. 2 ZPO.
II. Die gemäß §§ 511, 517, 519, 520 ZPO zulässige Berufung des Verfügungsklägers ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Der Antrag ist - auch mit dem im Berufungsrechtszug verfolgten Hilfsantrag - unbegründet.
Der Verfügungskläger als Gesellschafter der G... GmbH mit einem Anteil von 50 % kann gegen den Verfügungsbeklagten als weiteren Mitgesellschafter mit ebenfalls einem Anteil von 50 % im Wege einstweiliger Verfügung weder die unbefristete oder zeitlich befristete Unterlassung der Ausübung der Geschäftsführung mit oder ohne Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis auf sich selbst, noch die zuletzt hilfsweise begehrte Anordnung der Bestellung eines Notgeschäftsführers erreichen.
1) Die Erwirkung einer einstweiligen Verfügung zur Regelung eines Zwischenzustandes bei einem Streit über die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis zur Sicherung der Ansprüche und des Vermögens der Gesellschaft nach § 940 ZPO ist in der Rechtsprechung allerdings als angemessenes Mittel anerkannt (vgl. OLG Jena, Urteil v. 09.09.2015 - 2 U 219/15, GmbHR 2015, 1267 m.w.N.). Sie ist auch zur einstweiligen Regelung des Rechtsverhältnisses i.S.v. § 940 ZPO in gesellschaftsrechtlichen Abberufungskonflikten bejaht worden. Sie kann auch die Untersagung der Ausübung von Geschäftsführerbefugnissen umfassen (vgl. BGHZ 86, 177; BGHZ 33, 105; OLG Jena a.a.O., OLG Stuttgart, Urteil v. 26.10. 2005 - 14 U 50/50, GmbHR 2006, 1258; OLG Frankfurt, Beschluss v. 18.09.1998 - 5 W 22/98, GmbHR 1998, 1126; Zöller/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl. § 940 Rn. 8 „Gesellschaftsrecht“ m.w.N.). Mit der begehrten Untersagung der Wahrnehmung der Geschäftsführung durch den Verfügungsbeklagten unter Übertragung der Geschäftsführungsbefugnis auf den Verfügungskläger soll der Verfügungsanspruch vorläufig befriedigt werden. Die einstweilige Verfügung dient insoweit bereits der Durchsetzung des Anspruches, so dass für den Erlass der Regelungsverfügung gewichtige Gründe zu verlangen sind (vgl. OLG Jena a.a.O.).
2) Der Erlass der einstweiligen Verfügung setzt einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund voraus. Vorliegend fehlt es bereits an einem Verfügungsanspruch des Verfügungsklägers. Voraussetzung für den Verfügungsanspruch ist, dass im Verhältnis zum Verfügungsbeklagten als Geschäftsführer eine Abberufung nach § 38 GmbHG möglich war und auf Gesellschafterebene der nach § 46 Nr. 5 GmbHG notwendige Beschluss der Gesellschafterversammlung wirksam gefasst worden ist (vgl. OLG Stuttgart a.a.O.). Vorliegend kann offen bleiben, ob ein wichtiger Grund für die Abberufung vorgelegen hat, denn es fehlt an einem wirksamen Abberufungsbeschluss der Gesellschafterversammlung.
2.1) Das Landgericht hat einen wichtigen Grund für die Abberufung mit der Begründung verneint, es sei bei Beachtung der Verhältnismäßigkeit unter Abwägung der gegenseitigen Interessen nicht ersichtlich, dass der Verfügungsbeklagte der Gesellschaft einen Schaden zufüge, der nur durch seine Abberufung als Geschäftsführer verhindert werden könne.
Die Beurteilung des Landgerichts berücksichtigt nicht ausreichend, dass es zur Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund wegen eines unheilbaren Zerwürfnisses mit einem Mitgeschäftsführer nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausreicht, dass zwei oder mehrere Geschäftsführer untereinander so zerstritten sind, dass eine Zusammenarbeit zwischen ihnen nicht mehr möglich ist (vgl. BGH, Urteil v. 12.01.2009 - II ZR 27/08, GmbHR 2009, 434 m.w.N.). In einem solchen Fall kann jeder von ihnen jedenfalls dann abberufen werden, wenn er durch sein - nicht notwendigerweise schuldhaftes - Verhalten zu dem Zerwürfnis beigetragen hat. Nicht erforderlich ist hierbei, dass etwa der Verursachungsanteil des Abzuberufenden denjenigen des Mitgeschäftsführers überwiegt. Dieselben Grundsätze sind heranzuziehen, wenn es - wie hier - um die Beurteilung der Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer Zwei-Personen-GmbH geht. Das etwa beiden Geschäftsführern oder dem Gesellschafter-Geschäftsführer und dem Mitgesellschafter infolge ihres jeweiligen Verhaltens anzulastende tiefgreifende unheilbare Zerwürfnis hat nicht zur Folge, dass bei einer Zwei-Personen-Gesellschaft einer der Geschäftsführer ausscheiden muss oder durch den anderen zu ersetzen ist, während der andere verbleiben darf oder anstelle des Ausscheidenden einzusetzen ist; vielmehr ist es konsequent, dass je nach Beschlusslage jeder der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer den anderen als Geschäftsführer abberuft bzw. ihn kündigt, weil wechselseitig wesentliche Ursachen für das Zerwürfnis gesetzt worden sind (vgl. BGH a.a.O.).
Die Frage, ob die Abberufung des Verfügungsbeklagten als Geschäftsführer der G... GmbH aus wichtigem Grund gerechtfertigt ist, weil er durch sein Verhalten zu dem zwischen den Parteien unzweifelhaft bestehenden tiefgreifenden, einer Zusammenarbeit entgegenstehenden Zerwürfnisses beigetragen hat, bedarf letztliche keiner Entscheidung.
2.2) Dem Erlass der begehrten einstweiligen Verfügung, welche das Ergebnis der Abberufung durch die Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen vom 26.02.2018 und vom 01.03.2018 sichern soll, steht entgegen, dass ein wirksamer Abberufungsbeschluss nicht zustande gekommen ist.
Eine wirksame Beschlussfassung durch den auf Gesellschafterseite jeweils allein anwesenden Verfügungskläger ist weder für die Gesellschafterversammlung vom 26.02.2018, noch für diejenige vom 01.03.2018 festzustellen, da in beiden Fällen die Gesellschafterversammlung nicht ordnungsgemäß einberufen worden ist. Gegen die Abberufungsbeschlüsse beider Gesellschafterversammlungen hat der Verfügungsbeklagte Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage erhoben (LG Potsdam, 6 O 180/18).
a) Zu beiden Gesellschafterversammlungen hat - wie dem Senat aus einem weiteren zwischen den Parteien geführten Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung (7 U 126/18 = LG Potsdam, 12 O 104/18, Bl. 29 ff. d.A.) und aus dem betreffend die G... GmbH geführten Handelsregisterverfahren (7 W 42/18 = AG Potsdam, HRB 20864 P) bekannt ist und mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörtert wurde - der Verfügungskläger als Gesellschafter mit Schreiben vom 25.01.2018 eingeladen.
b) Der Verfügungskläger war zur Einberufung aber nicht befugt. Gemäß § 49 Abs. 1 GmbHG wird die Versammlung der Gesellschafter durch den Geschäftsführer einberufen. Im Register eingetragener Geschäftsführer war am 25.01.2018 und ist unverändert der Verfügungsbeklagte. Eine Befugnis zur Einberufung hat für den Verfügungskläger als Mitgesellschafter zu 50 % auch nicht im Wege der Selbsthilfe nach § 50 Abs. 3 GmbHG wegen Nichtentsprechens eines nach § 50 Abs. 1 GmbHG berechtigten Einberufungsverlangens bestanden.
Nach § 50 Abs. 1 GmbHG sind die Gesellschafter, deren Geschäftsanteile zusammen mindestens dem zehnten Teil des Stammkapitals entsprechen, berechtigt, unter Angabe des Zweckes und der Gründe die Berufung der Versammlung zu verlangen. Adressat des Einberufungsverlangens ist die Gesellschaft, vertreten durch den Geschäftsführer. Das Einberufungsverlangen muss Zweck und Gründe angeben, das heißt zum einen den Gegenstand der Beratung und Beschlussfassung, also die Tagesordnung, zum anderen die Gründe für die Eilbedürftigkeit. Fehlen diese Angaben, braucht grundsätzlich nicht berufen zu werden (vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack, GmbHG, 21. Aufl., § 50 Rn. 6). Der Geschäftsführer muss auf ein Einberufungsverlangen generell angemessen reagieren, er hat das Verlagen also rasch daraufhin prüfen, ob er ihm stattgeben will, das Verlangen zeitnah zu bescheiden und den gesellschaftsrechtlichen Formalakt der Einberufung unverzüglich vorzunehmen. Erst wenn die zur Einberufung zuständige Person - der Geschäftsführer - einem wirksamen Einberufungsverlangen nicht entsprochen hat, darf der Gesellschafter nach § 50 Abs. 3 Satz 1 GmbHG selbst einberufen.
Dies war vorliegend indes nicht der Fall, denn mit Schreiben vom 25.01.2018 hat der Verfügungskläger das Einberufungsverlangen mit der eigenen Einberufung der Versammlung für den 26.02.2018 oder alternativ für den 01.03.2018 verbunden. Gründe für das Einberufungsverlangen im Sinne der Eilbedürftigkeit der Einberufung einer Gesellschafterversammlung hat der Verfügungskläger nicht mitgeteilt. Mithin fehlt es bereits an einem wirksamen Einberufungsverlangen, und zwar sowohl für die Versammlung vom 26.02.2018 als auch für diejenige vom 01.03.2018. Zu einer Einberufung im Wege der Selbsthilfe war der Verfügungskläger folglich nicht berechtigt.
Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb gerechtfertigt, weil der Verfügungsbeklagte auf das Schreiben des Verfügungsklägers vom 25.01.2018 mit Schreiben vom 04.02.2018 (7 U 126/18 = LG Potsdam, 12 O 104/18, Bl. 31 d.A.) geantwortet hat, er sei am 26.02. 2018 verhindert, so dass die Versammlung am 01.03.2018 stattfinde. Eine Einberufung durch den Verfügungsbeklagten als Geschäftsführer ist mit dessen Schreiben vom 04.02.2018 nicht erfolgt. In dieser Weise hat der Verfügungskläger das Schreiben auch nicht verstanden, denn er hat am 26.02.2018 eine Gesellschafterversammlung abgehalten und Beschlüsse über die Einziehung des Geschäftsanteils des Verfügungsbeklagten, über dessen Abberufung als Geschäftsführer und die eigene Bestellung zum Geschäftsführer gefasst. Mit den Beschlussfassungen vom 26.02.2018 hat der Verfügungskläger sein Ansinnen auf Durchführung einer Gesellschafterversammlung verwirklicht und zugleich zum Ausdruck gebracht, dass für den genannten Alternativtermin kein Bedarf mehr besteht. Die vom Verfügungskläger sodann in widersprüchlicher Weise zu seinem vorangegangenen Verhalten am 01.03.2018 abermals durchgeführte Gesellschafterversammlung, auf der nochmals gleichlautende Beschlüsse gefasst worden sind, lässt sich mithin nicht auf eine wirksame Einberufung stützen.
c) Mangels wirksamer Einberufung der Gesellschafterversammlungen vom 26.02.2018 und 01.03.2018 sind die gefassten Beschlüsse nichtig (vgl. Baumbach/Hueck-Zöllner/Noack a.a.O., § 49 Rn. 11, § 50 Rn. 20). Eine Heilung der Einberufungsmängel kommt mangels Teilnahme des Verfügungsbeklagten auch an den Gesellschafterversammlungen nicht in Betracht.
2.3) Soweit in der Rechtsprechung eine einstweilige Verfügung in Eilfällen bei Vorliegen der Voraussetzungen ausnahmsweise schon vor einer Beschlussfassung durch die Gesellschafterversammlung als möglich angesehen wird, betrifft dies Fälle, in denen die Gesellschafterversammlung noch nicht zusammentreten konnte; in diesen Fällen ist eine einstweilige Regelung „bis die Gesellschafterversammlung über die Abberufung beschließen kann“ anerkannt (vgl. OLG Frankfurt a.a.O.). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass der Verfügungsbeklagte als Geschäftsführer einem ordnungsgemäßen Einberufungs- oder Ankündigungsverlangen des Verfügungsklägers nicht entsprechen werde oder der Verfügungskläger nicht in der Lage sei, die Voraussetzungen für eine Selbsthilfe gemäß § 50 Abs. 3 Satz 1 GmbH in wirksamer Weise herbeizuführen und sodann eine Gesellschafterversammlung selbst einzuberufen.
3) Der Verfügungskläger bleibt auch mit seinem Hilfsantrag auf Bestellung eines Notgeschäftsführers ohne Erfolg. Die gerichtliche Bestellung eines Notgeschäftsführers einer GmbH kommt in dringenden Fällen auf Antrag eines Berechtigten als Notbestellung in entsprechender Anwendung von § 29 BGB bei Fehlen oder bei rechtlicher Verhinderung des Geschäftsführers in Betracht. Beides ist hier nicht der Fall. Die Bestellung erfolgt zudem im Verfahren nach dem FamFG. Zuständig ist das Amtsgericht, Registergericht am Sitz der Gesellschaft. Antragsberechtigt sind Gesellschafter und Gläubiger (vgl. Baumbach/Hueck-Fastrich a.a.O. § 6 Rn. 6, 32 m.w.N.).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO.
Der Gegenstandswert für den Berufungsrechtszug und für das Verfahren erster Instanz wird unter Abänderung der landgerichtlichen Wertfestsetzung auf 15.000 € festgesetzt.