OLG Hamm: Eigentumsbeeinträchtigung aufgrund des Betreibens von Kohlekraftwerken und einer damit verbundenen Erwärmung des Erdklimas
OLG Hamm, Urteil vom 28.5.2025 – 5 U 15/17
ECLI:DE:OLGHAM:2025:0528.5U15.17.00
Volltext: BB-Online BBL2025-1474-7
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Amtliche Leitsätze
1. Die Haftung eines CO2-Emittenten nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB für einen drohenden Summations-, Distanz- und Langzeit(folge)schaden als (behauptete) Folge des Klimawandels ist nicht per se ausgeschlossen. Es gibt keine gesetzliche Grundlage dafür, die Klage eines von Emissionsschäden betroffenen Eigentümers unter Verweis auf eine auf staatlicher bzw. politischer Ebene zu findende Lösung von vornherein abzuwehren, ohne in eine einzelfallbezogene juristische Prüfung und ggf. eine Beweiserhebung über die streitigen Tatsachen einzutreten.
2. Der Umstand, dass der Kläger in Peru lebt, hindert ihn nicht daran, einen Anspruch gegen die Beklagte aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB geltend zu machen. Die Entfernung zwischen Störungsquelle und beeinträchtigtem Eigentum spielt keine Rolle; Nachbarschaft ist weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift eine Anspruchsvoraussetzung.
3. Es kommt bei der Prüfung des § 1004 BGB nicht auf die Rechtswidrigkeit der störenden Handlung an (sog. Handlungsunrecht), sondern darauf, ob der herbeigeführte Erfolg der Rechtsordnung widerspricht (sog. Erfolgsunrecht).
4. Voraussetzung eines vorbeugenden Unterlassungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB ist nicht lediglich eine potentielle, abstrakte oder theoretische, wenn auch vielleicht (nur) bei Hinzutreten außergewöhnlicher Umstände bestehende Gefahr, sondern eine im Einzelfall bewirkte oder zumindest konkret drohende Eigentumsbeeinträchtigung. Bei der Analyse des Gefährdungspotentials ist daher eine situations- und ortskonkrete Betrachtung zwingend erforderlich. Der (vom Kläger geforderte) Einsatz von abstrakt begründeten sogenannten „Beschleunigungsfaktoren“ bzw. „Klimafaktoren“ ist deshalb abzulehnen.
§ 1004 BGB
Sachverhalt
A. Die Parteien streiten über mögliche Ansprüche des Klägers wegen einer behaupteten Beeinträchtigung seines Eigentums durch die Beklagte aufgrund des Betriebes von Kraftwerken und einer damit verbundenen Erwärmung des Erdklimas.
Die Beklagte ist das Mutterunternehmen des Y.-Konzerns. Ihre Tochterunternehmen sind weit überwiegend im Bereich der Energieerzeugung tätig. Vor allem im Zusammenhang mit der Kohleverstromung werden von den Tochterunternehmen große Mengen an Treibhausgasen, insbesondere CO2, freigesetzt. Die Emissionen der Tochterunternehmen sind nicht gesetzlich verboten. Sie unterliegen seit 2011 dem Treibhausgasemissionshandelsgesetz (TEHG); die dort vorgegebenen Maßgaben wurden stets eingehalten.
Der Kläger, von Beruf (..), ist Miteigentümer eines mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks auf der H.-straße im Stadtviertel Nueva Florida der Stadt Huaraz in der Region Ancash in Peru. Er erwarb das etwa 25 km südwestlich der Laguna Palcacocha gelegene Hausgrundstück gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Z. Anfang Mai 2014 von seinen Eltern im Wege vorweggenommener Erbfolge. Die Eltern hatten dieses Grundstück im Jahr 1984 erworben und bebaut.
Huaraz liegt am Fuße der größten und nördlichsten Gebirgskette der tropischen Anden, der Cordillera Blanca. Dort liegt unterhalb des Palcaraju-Gletschers und am Fuße der Berge Nevado Palcaraju (6.274 m) und Nevado Pucaranra (6.156 m) auf einer Höhe von rund 4.560 m der Gletschersee Laguna Palcacocha.
Die Lagune wird durch eine natürliche Moräne (vom Gletscher abgelagerter Gesteinsschutt) gestaut. In ihr sammeln sich Schmelzwasser des darüber liegenden Gletschers und Niederschlagswasser, welches auf natürlichem Weg nur bedingt abfließen kann. Ende der 1930er Jahre fasste die Lagune ein Wasservolumen von 10 bis 12 Mio. m³.
In der Region Ancash kommt es gelegentlich zu Erdbeben und Erdrutschen. Mehrere Lagunen waren in der Vergangenheit von Gletscherseeausbrüchen (glacial lake outburst flood = GLOF) betroffen. Im Jahr 1941 brach der die Laguna Palcacocha aufstauende Endmoränenwall. Eine Flutwelle mit einer Schlammlawine zerstörte daraufhin große Teile der Stadt Huaraz und forderte mehrere tausend Menschenleben. Die Ursache für den Bruch des Endmoränenwalls ist nicht geklärt.
Über Ansiedlungsverbote in der Flutschneise wurde diskutiert, die Pläne scheiterten jedoch am Widerstand der lokalen Bevölkerung.
Am 31.05.1970 ereignete sich in Peru ein Erdbeben der Stärke 7,9, das auch in Huaraz und Umgebung verheerende Schäden verursachte. Der seinerzeit vorhandene künstliche Damm und die Entwässerungsrinne wurden beschädigt. Zu einem Eis- oder Gletscherabbruch oder einer Gesteinsrutschung kam es nicht.
Seit dem Gletscherseeausbruch von 1941 wurden von Seiten der Behörden diverse Schutzvorkehrungen getroffen, um das Wasservolumen der Lagune langfristig zu senken und die Gefahr einer von der Lagune ausgehenden Flutwelle zu verringern. Insbesondere wurden im Jahr 1974 über einem Ablaufrohr mit einem Durchmesser von 48 Zoll (121 cm) ein neuer Sicherheitsdamm mit einer Höhe von acht Metern (der sog. Primärdamm) sowie an der rechten Seite – aus Blickrichtung des Sees talwärts – ein zweiter künstlicher Damm (der Sekundärdamm) ohne Ablauf errichtet. Über natürliche Abflüsse verfügt der See seitdem nicht mehr.
Im Jahre 2003 kam es durch das Ablösen von Gletschereis und das Abrutschen von Moränenmaterial in die Laguna Palcacocha zu einer Überströmung der beiden künstlichen Wälle und von Teilen des Grundmoränenwalls. Das Seevolumen lag anschließend bei knapp 4 Mio. m³.
Im Jahr 2009 war das Wasservolumen der Lagune auf über 17,3 Mio. m³ angestiegen, weshalb die Behörden ab Januar 2011 den Notstand erklärten. Ende 2012 wurde der Notstand aufgehoben.
Mit weiteren Maßnahmen, insbesondere der im Mai 2012 erfolgten Installation von sechs Heberleitungen mit Kontrollventilen (sog. „Siphons“) mit einem Durchmesser von jeweils 10 Zoll (25,4 cm), wurde der Wasserspiegel der Lagune in der Folgezeit auf etwa 12 Mio. m³ abgesenkt. Im Februar 2016 wurde abermals ein Wasservolumen von 17,4 Mio. m³ gemessen. Daraufhin wurden sechs weitere Heberleitungen mit einem Durchmesser von 10 Zoll installiert.
In der Zeit zwischen dem 31.05.2017 und dem 02.06.2017 kam es zu drei kleineren Gletschereislawinen. Eine Überströmung oder Beschädigung des Grundmoränenwalls oder der beiden künstlichen Dämme erfolgte nicht.
Ab Mitte April 2018 bis in das Jahr 2021 hinein wurde an der Lagune von den verantwortlichen Behörden ein Frühwarnsystem installiert.
Am 05.02.2019, am 17.01.2021 sowie am 23.01.2024 – während des laufenden Verfahrens – kam es jeweils zum Abgang einer Eis-/Schneelawine in die Lagune ohne Folgen für die Stadt Huaraz.
Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger erstinstanzlich in der Hauptsache die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur Tragung der Kosten für geeignete Schutzmaßnahmen zugunsten seines Eigentums vor einer Gletscherflut aus der Lagune anteilig ihres Beeinträchtigungsbeitrages verpflichtet sei. Hilfsweise hat er verlangt, die Beklagte möge sicherstellen, dass das Wasservolumen der Lagune entsprechend ihrem Verursachungsbeitrag reduziert werde. Weiter hilfsweise hat er Ansprüche auf Zahlung von 17.000 € an den „Gemeindezusammenschluss P.“ und von 6.384 € an sich selbst geltend gemacht.
Der Kläger meint, die Beklagte sei gemäß § 31 BGB passivlegitimiert, da die Errichtung und der Betrieb der Kraftwerke nicht auf Entscheidungen ihrer Konzerntöchter beruhen würden, sondern auf Leitentscheidungen der beklagten Konzernmutter. Die Beklagte beherrsche faktisch die Treibhausgasemissionen der dem Konzern angehörenden Betreiberunternehmen.
Sein Anspruch auf Beseitigung der zu besorgenden Beeinträchtigung seines Eigentums durch die Gletscherflut resultiere aus § 1004 Abs. 1 BGB. Es sei unbeachtlich, dass es sich um einen Sachverhalt handele, an dem eine Vielzahl an Verursachern beteiligt sei. Geltend gemacht werde kein Ersatzanspruch in Geld, sondern der in einen Geldanspruch umgewandelte Anspruch auf Beseitigung der (drohenden) Beeinträchtigung. Die Beklagte werde nur bezogen auf ihren Verantwortungsanteil in Anspruch genommen.
Sein, des Klägers, Eigentum werde infolge der klimabedingten Gletscherschmelze und des deshalb drohenden Gletscherseeausbruchs beeinträchtigt. Die Beeinträchtigung bestehe in der konkreten Gefährdung seines Grundstücks wegen der verringerten Stabilität des Gletschers und des angestiegenen Wasserpegels der oberhalb des Grundstücks gelegenen Lagune als Folge des globalen Temperaturanstiegs. Eine flutauslösende Lawine oder ein Erdrutsch oberhalb der Lagune seien jederzeit möglich. Ein Gletscherseeausbruch, der eine massive Flutwelle auslösen und auch Schlamm und Geröll mit sich führen könne, könne durch Überschwemmen der natürlichen Moränendämme oder durch das Brechen der Dämme verursacht werden. Der Wasserspiegel habe trotz der bisherigen Vorkehrungen wieder einen gefährlichen Stand erreicht, so dass eine GLOF sehr wahrscheinlich geworden sei. Die Gefahr der Überflutung sei derart konkret, dass es nur noch vom Zufall und nicht mehr von zu beeinflussenden Faktoren abhänge, wann sich die Gefahr verwirkliche. Unter anderem durch die andauernden Emissionen der Beklagten steige der Wasserpegel immer weiter, so dass ohne Schutzmaßnahmen zwangsläufig mit einer Überflutung des klägerischen Grundstücks zu rechnen sei. Sollte es zu einer Überflutung durch Bruch oder Überschwemmung der Dämme kommen, wäre auch das Grundstück des Klägers von absoluter Zerstörung oder zumindest von erheblicher Erosion betroffen. Der Kläger hat sich dazu (u.a.) auf ein Privatgutachten von S. (Anl. K 37, Anlagenband II) berufen.
Das Abschmelzen der Gletscher (auch) in den peruanischen Anden sei durch den anthropogenen Klimawandel, insbesondere durch Treibhausgasemissionen auch der Beklagten, verursacht und verstärkt worden. Ohne den anthropogenen Treibhauseffekt wäre der Wasserspiegel der Laguna Palcacocha nicht so hoch wie derzeit, das Risiko des Abbrechens von Eisbrocken aus dem Gletscher mit den verheerenden Flutfolgen wäre niedriger. Es sei ausgeschlossen, dass die Gletscherschmelze ohne den anthropogenen Klimawandel derart fortgeschritten wäre.
Der Kläger meint, die Beklagte sei über die Beherrschung der Emissionstätigkeit ihrer Tochterunternehmen Handlungsstörerin.
Das Handeln der Beklagten sei kausal. Ihr Anteil an den deutschen Treibhausgasemissionen liege bei 21,59 %, ihr Anteil an den globalen CO2-Emissionen betrage im Zeitraum von 1965 – Daten für frühere Zeiträume seien nicht verfügbar – bis 2010 ca. 0,47 %. In letztgenanntem Umfang habe sie daher zum weltweiten Klimawandel und damit einhergehend zum Abschmelzen des Gletschers und dem Zustand der Lagune beigetragen. Der konkrete Verursachungsbeitrag der Beklagten sei anhand von wissenschaftlichen Methoden errechenbar und messbar. Es sei insoweit zulässig, für die Schätzung des Verursachungsbeitrags u.a. auf die sog. „Heede-Studie“ (Heede (2014), Carbon Majors: Accounting for carbon and methane emissions 1854 – 2010; Anl. K 24 zur Klageschrift (CD), Bl. 50 d. A.) zurückzugreifen.
Weil es sich vorliegend um einen Fall der kumulativen Kausalität handele, müsse die conditio sine qua non-Formel in modifizierter Form angewendet werden. Danach könnten die (weltweiten) Emissionen jedes einzelnen CO2-Emittenten nicht hinweggedacht werden, ohne dass die Gefahr einer Beeinträchtigung des klägerischen Eigentums geringer wäre. Ohne die von der Beklagten emittierte Menge von Treibhausgasen wären die Konzentration der Treibhausgasmoleküle in der Atmosphäre niedriger, der Temperaturanstieg geringer, der Gletscher oberhalb der Laguna Palcacocha entsprechend weniger geschmolzen, die Lagune hätte keinen derart hohen Wasserspiegel und mithin wäre die Gefährdung des klägerischen Grundstücks durch eine Gletscherflut weniger dramatisch.
Auch habe die Beklagte wegen der Vorhersehbarkeit der Auswirkungen ihrer Handlungen die Eigentumsbeeinträchtigung adäquat verursacht. Bereits seit Beginn des 20. Jahrhunderts sei es für ein Unternehmen wie die Beklagte nicht völlig unwahrscheinlich gewesen, dass CO2-Emissionen zu einem globalen Temperaturanstieg und folglich zum Abschmelzen von Gletschern führen könnten. Jedenfalls seit November 1988 mit der Gründung des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change = IPCC) sei die Öffentlichkeit über den in Rede stehenden Ursache-Wirkungszusammenhang des Klimawandels durch die Berichterstattung der Medien informiert.
Die Rechtswidrigkeit der Eigentumsbeeinträchtigung werde vorliegend indiziert; eine Duldungspflicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB bestehe nicht.
Der Anspruch sei auch nicht verjährt. Es handele sich um eine Dauerhandlung; jedenfalls werde durch die sich wiederholenden Emissionen der Beklagten der Beseitigungsanspruch jeweils neu ausgelöst. Zudem habe er, der Kläger, frühestens nach der Publikation des 5. Sachstandsberichts des IPCC im April 2014 die Möglichkeit gehabt, die anspruchsbegründenden Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen.
Ein Mitverschulden seinerseits liege nicht vor, da das sich bereits seit 1984 in Familienbesitz befindende Grundstück im Wege der vorweggenommenen Erbfolge an ihn weitergegeben worden sei und es ein Ansiedlungsverbot trotz des verheerenden Ereignisses aus dem Jahr 1941 nicht gegeben habe.
Die Folgewirkungen des Klimawandels und die dadurch drohenden Beeinträchtigungen für das Eigentum des Klägers könnten durch Schutzmaßnahmen abgewendet werden. Effektiv sei insoweit die Senkung des Wasserpegels der Lagune, wobei eine Wassertiefe des Sees von 58 m und ein Volumen von ca. 7 Mio. m³ als technisch sicher gelten würden. Eine derartige Maßnahme wäre (geschätzt) mit Gesamtkosten von rund 3,5 Mio. € verbunden. Die Beklagte habe hiervon entsprechend ihrem Verursachungsbeitrag etwa 17.000 € zu tragen.
Der Kläger hat weiter die Auffassung vertreten, die Beklagte habe ihm auch einen Teil der Aufwendungen, die er in den flutsicheren Ausbau seines Hauses investiert habe, zu ersetzen. Hierzu hat er unter Beweisantritt behauptet, er habe – da er eine schnelle Lösung aufgrund des Gerichtsverfahrens nicht erwarten könne – von Januar bis April 2016 sein Haus durch Schaffung eines zweiten Stockwerkes und Verstärkung der Außenmauern durch Zement und Ziegelsteine ausgebaut. Für die Umbaumaßnahmen seien ihm Kosten in Höhe von 12.768,62 € entstanden. Diese habe die Beklagte zur Hälfte, also in Höhe von 6.384 €, zu ersetzen. Durch die Baumaßnahmen sei das Haus nunmehr zumindest gegen schwächere Flutereignisse widerstandsfähig; es könne jedoch nicht garantiert werden, dass sein Eigentum nicht gleichwohl durch eine (stärkere) von der Laguna Palcacocha ausgehende Flutwelle beschädigt werde.
Der Kläger hat in erster Instanz zuletzt beantragt,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, anteilig zu ihrem Beeinträchtigungsbeitrag (Anteil an den globalen Treibhausgasemissionen), der durch das Gericht gemäß § 287 ZPO zu bestimmen ist, die Kosten für geeignete Schutzmaßnahmen zu Gunsten des Eigentums des Klägers vor einer Gletscherflut aus der Lagune Palcacocha zu tragen;
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass das Wasservolumen in der Lagune Palcacocha entsprechend dem Verursachungsbeitrag der Beklagten, der durch das Gericht nach § 287 ZPO zu bestimmen ist, reduziert wird;
weiter hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an den Gemeindezusammenschluss P. ihren Anteil in Höhe von 17.000 € an den zum Schutz des Klägers geeigneten Schutzmaßnahmen zu zahlen;
äußerst hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.384 € zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Klageanträge bereits für unzulässig gehalten. Der Hauptantrag sei nicht hinreichend bestimmt, zudem fehle dem Kläger das erforderliche rechtliche Interesse an der begehrten Feststellung. Eine Schätzung ihres angeblichen „Beeinträchtigungsbeitrages“ durch das Gericht scheide aus, da § 287 ZPO nicht auf den Haftungsgrund anzuwenden sei. Es sei auch nicht ersichtlich, wie und in welchem Umfang sie das Wasservolumen der Lagune entsprechend ihrem Verursachungsbeitrag reduzieren könne.
Die Klage sei ferner unbegründet.
Eine gesetzliche Rechtsgrundlage für die Haftung eines Einzelnen für behauptete Folgen des globalen Klimawandels existiere nicht. Nach dem Willen des Gesetzgebers seien Summations-, Distanz- und Langzeitfolgeschäden nicht mit Mitteln des individuellen Haftungsrechts zu regeln, sondern bedürften eigenständiger Lösungen, die für den Klimawandel ausschließlich auf der staatlichen und politischen Ebene umgesetzt werden könnten.
Sofern man § 1004 Abs. 1 BGB dennoch für anwendbar halte, seien dessen Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt.
Eine ernsthaft drohende Eigentumsbeeinträchtigung im Sinne einer unmittelbar bevorstehenden, akuten Gefahr habe der Kläger nicht in ausreichender Weise dargelegt. Die bloße abstrakte Gefahr einer Überflutung reiche nicht aus, um einen Abwehranspruch zu begründen. Sie, die Beklagte, bestreite, dass von der Lagune derzeit eine hohe oder akute Flutgefahr ausgehe und mit einem Ausbruch des Sees jederzeit zu rechnen sei. Insbesondere die Möglichkeit eines Dammbruchs werde bestritten. Durch die Installation der Überlaufrohre im Mai 2012 sei der Wasserpegel in den vier Folgemonaten um 4,30 m gesenkt worden; bis Juni 2015 sei das Wasservolumen auf 12 Mio. m³ verringert worden. Eine Gefahr für das Grundstück des Klägers existiere nach alledem nicht.
Sie, die Beklagte, sei keine Störerin. Es werde bestritten, dass die Kraftwerksgesellschaften des Y.-Konzerns einen historischen Anteil an den weltweiten Treibhausgasemissionen in Höhe von 0,47 % hätten. Ein etwaiger Emissionsanteil sei auch nicht mit einem angeblichen Verursachungsbeitrag für den Klimawandel oder die Gletscherschmelze gleichzusetzen. Zwischen ihrer Tätigkeit und einer vermeintlich vom Gletschersee ausgehenden Flutgefahr gebe es keinen Ursachenzusammenhang. Es fehle an der von der Äquivalenztheorie geforderten individualisierbaren Kausalbeziehung. Die Beklagte verweist darauf, dass sich die Emissionen einer ungreifbaren Vielzahl von Emissionsquellen in der Atmosphäre miteinander vermischen, mit natürlichen Treibhausgasen verbinden und in den Kreislauf des Gasaustausches zwischen der Atmosphäre, den Ozeanen und den Landökosystemen aufgenommen oder durch chemische Prozesse teilweise wieder abgebaut würden. Sie meint, dass sich aufgrund des Zusammenwirkens der diversen Treibhausgase in dem hochkomplexen Klimasystem mit zahlreichen weiteren Faktoren wie Sonne, Wolken, Aerosole, Vulkanen, Landnutzungsänderungen und Landwirtschaft, die sich wiederum mit internen Klimaschwankungen (atmosphärische und ozeanische Zirkulationen) überlagerten und durch Rückkopplungseffekte verstärkt oder abgeschwächt würden, keine lineare Verursachungskette von einem einzelnen Emittenten – hier: der Beklagten – zu einem Ereignis – hier: der behaupteten Flutgefahr – herstellen lasse. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang auch auf alternative Ursachen – etwa El Niño-Ereignisse und lokale Ruß- und Staubemissionen in dem Gebiet um Huaraz – für die Gletscherschmelze hingewiesen. Es liege nahe, dass neben der natürlichen Moräne auch die im Jahr 1974 künstlich errichteten Dämme zu dem Anstieg des Seespiegels mit beigetragen hätten und dass dies von den Behörden mit Blick auf die Sicherung der (Trink-) Wasserversorgung der Bevölkerung geduldet worden sei. Was das Wasservolumen in dem Gletschersee betreffe, stünden sich mit der Sicherheit der Lagune einerseits und ihrer Funktion als Trinkwasserspeicher andererseits gegenläufige Interessen gegenüber.
Jedenfalls liege keine adäquate Verursachung vor. Die Verkettung der hier maßgeblichen Umstände, insbesondere die Entwicklung nach dem Ausbruch der Lagune im Jahre 1941, sei für die Beklagte nicht zu beeinflussen und bei dem Betrieb der Kraftwerke nicht vorhersehbar gewesen. Eine etwaige Begünstigung der Flutgefahr durch sie sei schließlich auch nicht erheblich.
Wenn eine Beeinträchtigung – wie hier – ausschließlich auf Naturkräfte zurückgehe, also nicht durch eigene Handlungen des Störers ermöglicht oder durch pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden sei, scheide ein Abwehranspruch nach § 1004 BGB ohnehin aus. Der Bundesgerichtshof habe in den sog. „Wollläuse“- und „Mehltau“-Entscheidungen klargestellt, dass bei durch Naturereignisse ausgelösten Störungen eine Garantenstellung/Verkehrssicherungspflicht erforderlich sei, welche die Beklagte indessen nicht innehabe. Sie sei schon nicht Betreiberin der Kraftwerke, zudem würden diese mit den erforderlichen immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen betrieben und seien sozialadäquat.
Auch fehle es an einem rechtswidrigen Handeln. Bei Unterlassungshandlungen und nur mittelbar wirkenden Ereignissen werde die Rechtswidrigkeit – entgegen der Rechtsauffassung des Klägers – nicht indiziert.
Sofern etwaige Abwehr- oder Entschädigungsansprüche des Klägers bestünden, wären diese jedenfalls aufgrund seines Mitverschuldens analog § 254 BGB ausgeschlossen. Der Kläger habe das streitgegenständliche Grundstück erst im Jahr 2014 erworben, also zu einem Zeitpunkt, zu dem nach klägerischer Darstellung bereits ein akutes und hohes Flutrisiko bestanden habe.
Zudem seien mögliche Ansprüche des Klägers verjährt. Spätestens im Jahr 2009 habe die angeblich heute noch andauernde Flutgefahr erstmals bestanden und sei dem Kläger und den Voreigentümern des Grundstücks bekannt gewesen. Ein etwaiger Anspruch gem. § 1004 Abs. 1 BGB wäre demnach mit dem Schluss des Jahres 2012 verjährt.
Die vom Kläger begehrte Rechtsfolge der Kostenbeteiligung lasse sich schlussendlich aus §1004 Abs. 1 BGB nicht herleiten.
Die Beklagte hat den Vortrag des Klägers zu den behaupteten Umbaumaßnahmen seines Hauses, deren Eignung zur Flutsicherung, den dafür angeblich angefallenen Kosten, die Authentizität der vorgelegten Rechnungen und die Aufstellung der angeblichen Eigenarbeit mit Nichtwissen bestritten.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 15.12.2016 (Bl. 427 ff. d. A.) abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, der Hauptantrag sowie der erste und zweite Hilfsantrag seien bereits mangels hinreichender Bestimmtheit unzulässig. Die in Haupt- und erstem Hilfsantrag enthaltene Bezugnahme auf § 287 ZPO genüge nicht. Der zweite Hilfsantrag sei nicht vollstreckbar, da der spanische Name und die Rechtspersönlichkeit des „Gemeindezusammenschlusses P.“ nicht erkennbar seien.
Der auf Zahlung von 6.384 € an den Kläger gerichtete (äußerst hilfsweise gestellte) Antrag sei zwar zulässig, aber unbegründet. Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB i.V.m. Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht. Ob eine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks in Form einer akuten Flutgefahr tatsächlich bestehe, könne dahinstehen. Die Beklagte sei jedenfalls keine Störerin, da es an einer äquivalenten Verursachung der Beeinträchtigung fehle. Die Treibhausgasemissionen der Beklagten könnten nämlich hinweg gedacht werden, ohne dass die vermeintliche Flutgefahr gebannt wäre. Überdies seien die Emissionsbeiträge aller Emittenten ununterscheidbar vermischt. Bei einem solchen Übermaß an Kausalitätsbeiträgen könnten einzelne Schäden und Beeinträchtigungen ihren Verursachern nicht individuell zugeordnet werden. Die Grundsätze des sog. Waldschadensurteils des BGH seien auch im vorliegenden Fall anwendbar. Zudem fehle es an der Adäquanz, da der Anteil der einzelnen Treibhausgasemittenten am weltweiten Klimawandel derart gering sei, dass der einzelne Emittent, und sei es auch ein Großemittent wie die Beklagte, die möglichen Folgen des Klimawandels nicht in erheblicher Weise erhöhe.
Den von der Beklagten mit Schriftsatz vom 05.01.2017 gestellten Tatbestandsberichtigungsantrag (Bl. 445 d. A.) hat das Landgericht durch Beschluss vom 31.01.2017 (Bl. 457 f. d. A.) zurückgewiesen.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten am 28.12.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 26.01.2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese unter dem 24.02.2017 begründet.
Er verfolgt sein erstinstanzliches Begehren grundsätzlich weiter, hat jedoch seine Anträge teilweise umgestellt und den zweiten Hilfsantrag (Zahlung an den Gemeindezusammenschluss P.) zurückgenommen.
Er meint, das Landgericht habe gegen § 139 ZPO verstoßen, da es nicht darauf hingewiesen habe, dass es den Hauptantrag und zwei Hilfsanträge für unzulässig halte und Bedenken im Hinblick auf § 287 ZPO habe. Es genüge dem Bestimmtheitsgrundsatz, wenn auf eine Bestimmung des Beeinträchtigungsbeitrages durch das Gericht nach § 287 ZPO abgestellt werde. Diese Vorschrift sei im Falle einer Mitverursachung durch mehrere Emittenten anwendbar und – jedenfalls unter Billigkeitserwägungen – auch im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität heranzuziehen. Die Mitverursachung der Beklagten stehe im Streitfall fest, lediglich der Umfang der rechtlichen Verantwortung sei streitig.
Das erforderliche Feststellungsinteresse liege vor. Ihm – dem Kläger – seien bereits erste Beseitigungskosten entstanden. Die Beklagte habe sich von Anfang an geweigert, die Überflutungsgefahr zu beseitigen oder ersatzweise die Kosten für entsprechende Schutzmaßnahmen zu tragen. Nach peruanischem Recht sei durchaus möglich, dass ihn die Kostenlast für von Dritten an der Lagune vorgenommene Maßnahmen treffe. Der Kläger verweist insoweit auf ein von ihm eingeholtes Rechtsgutachten des Rechtsanwalts A. vom 08.02.2022 (Anl. BK 27, Bl. 2594).
Der Kläger behauptet unter Berufung auf mehrere Privatgutachten – insbesondere die Gutachten des R. (Universität Zürich) vom 10.03.2022 (Anl. BK 28, Bl. 2720 ff. d. A.) und aus Januar 2024 (Anl. BK 37) sowie die sog. „Expertise“ zum gerichtlichen Sachverständigengutachten vom 22.01.2024 (Anl. BK 35) mit dem „Extended Report“ des Ingenieurbüros M. (Anl. BK 36, alle Anlagenband XIV) –, dass an der Laguna Palcacocha eine Hochrisikosituation bzw. ein „höchstes Gefahrenniveau“ bestehe. Die GLOF-Gefahr, die vom Gletschersee für Huaraz ausgehe, sei infolge des Rückzugs des Palcaraju-Gletschers zu einer kritischen Bedrohung geworden und derzeit als sehr hoch zu bewerten. Die Ausdehnung der Lagune in den Bereich, in dem zuvor der Gletscher gelegen habe, habe sowohl die Wahrscheinlichkeit als auch das potentielle Ausmaß einer Gletscherflutwelle erhöht. Maßgebliche Faktoren seien die veränderte Geometrie des Gletschers, insbesondere die zunehmende Steilheit der Gletscherzunge, sowie die Zunahme von Fläche und Volumen der Lagune. Ein weiterer Gefahrenfaktor sei die Degradation des Permafrosts aufgrund des Temperaturanstiegs, wodurch die Stabilität des Berghangs beeinträchtigt und die Wahrscheinlichkeit von Steinschlägen und Erdrutschen erhöht werde. Da der See sich mittlerweile bis an den Fuß der umliegenden Steilflanken ausgedehnt habe, liege der dominante Gefahrenaspekt nicht in einer Gletscherinstabilität, sondern in der Gefahr eines großkalibrigen (kombinierten) Fels-/Eissturzes mit der Folge der Verdrängung großer Teile des Seevolumens, massiver Überflutung der Dammpartie und extremen Hochwassers/Murgangs. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit eines solchen Vorgangs seien für die dadurch ausgelöste Flutwelle im Worst-Case-Szenario Spitzenabflüsse zu erwarten, die das Ereignis von 1941 überträfen. Selbst extreme Großereignisse könnten sich erst wenige Tage im Voraus abzeichnen. Für die Steilhänge und Hängegletscher über der Lagune dürften große Stürze in den See Jahrhundert- bis Jahrtausend-Ereignisse sein. Dies bedeute zwar, dass ein solches Ereignis statistisch einmal im Jahrhundert oder Jahrtausend eintrete, es könne aber auch schon in wenigen Wochen eintreten. Der Schadenseintritt sei daher im rechtlichen Sinne absehbar. Die relevante Gefährdung des klägerischen Grundstücks werde nicht primär in einem Brechen der natürlichen Moräne, sondern vor allem in einer durch Gletscherabbrüche, Fels- oder Eislawinen oder Erdrutsche verursachten, die natürliche Moräne überspülenden Gletscherflutwelle gesehen. Ausgeschlossen sei der Bruch der Dämme und/oder der Endmoräne aber nicht.
Der Kläger behauptet weiter, dass die Temperaturen überall auf der Welt und auch an der Laguna Palcacocha gestiegen seien. Unter Berufung auf eine Studie von Stuart-Smith et al. (2021, vgl. Anl. BK 19/20, Bl. 2263 ff. d. A.) führt er zudem aus, dass die regionale Erwärmung in Huaraz zu etwa 95 % auf den anthropogenen Klimawandel zurückzuführen sei und dass der erhebliche Rückzug des Palcaraju-Gletschers im Wesentlichen auf dieser Erwärmung beruhe.
Dass die Verbrennung fossiler Energieträger durch die Menschheit und die daraus resultierende CO2-Freisetzung zur globalen Erwärmung beitrage, sei in wissenschaftlichen Kreisen schon seit den Forschungen des Physikers Svante Arrhenius (1859-1927) erkennbar gewesen, spätestens aber seit den Datenauswertungen von Charles D. Keeling im Jahr 1958 bekannt.
Die Emissionen der Beklagten seien teilkausal für die heute vorliegende Gefährdung des klägerischen Grundstücks. Eine Mitursächlichkeit im Sinne einer Teilkausalität müsse für die Annahme der Voraussetzungen des § 1004 Abs. 1 BGB ausreichen, da jeder Mitverursacher auch im rechtlichen Sinne notwendigerweise eine Folge setze. Ohne den Beitrag der Beklagten wäre die Flutgefahr bei einem dann entsprechend geringeren Wasservolumen der Lagune niedriger. Eine „spürbare“ Minderung der (Gesamt-)Beeinträchtigung werde nicht vorausgesetzt. Es genüge für die haftungsrechtliche Zurechnung nach der conditio sine qua non-Formel, wenn sich lediglich die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts erhöhe. Der Verursachungsanteil der Beklagten sei mess- und berechenbar. An der Mitursächlichkeit des Handelns der Beklagten am globalen Temperaturanstieg seit Mitte des 19. Jahrhunderts änderten auch die weiteren von außen hinzukommenden Teilursachen – für die die Beklagte beweisbelastet sei – nichts. Der Kläger beruft sich insoweit auf den Bericht „CDP – The Carbon Majors Report 2017“ (Anl. BK 6, Anlagenband IV), der die sog. „Heede-Studie“ ergänze und aktualisiere.
Der Kläger wiederholt seinen Vortrag, wonach die Beklagte Handlungsstörerin sei. Die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht werde nicht vorausgesetzt. Grundlage des Störungsbeseitigungsanspruchs sei nicht die Rechtswidrigkeit der betreffenden Handlung, sondern die vom Kläger nicht hinzunehmende Eigentumsstörung, also ein rechtswidriger Erfolg. Im Übrigen handele die Beklagte auch pflichtwidrig, da sie in Kenntnis der hier in Rede stehenden physikalischen Zusammenhänge gegen ihr obliegende Sorgfaltspflichten verstoße.
Soweit die Beklagte sich erstmals in zweiter Instanz darauf berufe, dass sie für die Treibhausgasemissionen ihrer Tochtergesellschaften nicht verantwortlich sei, sei dieser Vortrag verspätet und als unzulässig zurückzuweisen.
Der Kläger meint, das Volumen der Lagune zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Verhandlung und das Vorliegen eines Überflutungsrisikos betreffend sein Haus durch die Lagune seien vom Landgericht im Tatbestand verbindlich festgestellt worden.
Ein etwaiges Frühwarnsystem, auf das sich die Beklagte berufe, sei zwar ggf. geeignet, Menschenleben zu retten, schütze aber nicht sein Eigentum vor einer Beeinträchtigung durch eine Flut.
Eine Verjährungsfrist werde wegen des Vorliegens einer Dauerhandlung nicht in Gang gesetzt, jedenfalls werde sein Beseitigungsanspruch wegen der sich wiederholenden Emissionen der Beklagten jeweils neu ausgelöst. Der Kläger wiederholt seinen erstinstanzlichen Vortrag, wonach er einen kausalen Zusammenhang zwischen den anthropogenen Treibhausgasemissionen und der Gletscherschmelze in den tropischen Anden erst nach Veröffentlichung des 5. Sachstandsberichts des IPCC im April 2014 habe erkennen können.
Der nunmehr mit dem zweiten Hauptantrag gegen die Beklagte geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 6.384 € – der Hälfte der von ihm für die Schutzmaßnahmen an seinem Haus investierten Kosten – zuzüglich Zinsen ergebe sich aus § 1004 BGB i.V.m. §§ 683, 684 BGB. Dabei seien nur die hälftigen tatsächlich angefallenen Kosten berücksichtigt worden, um der durch die Arbeiten erfolgten Verkehrswerterhöhung seines Hauses Rechnung zu tragen. Der Kläger trägt zu den einzelnen Maßnahmen, ihren Kosten und dem Wertzuwachs des Hauses näher vor (vgl. insb. den Schriftsatz vom 17.10.2022 mit Anlagen, Bl. 2991 ff. d. A.).
Auch wenn die Entnahme und Ableitung von 81.780 m³ Wasser aus der Lagune – entsprechend dem Antrag zu 4. (= zweiter Hilfsantrag) – das bestehende Flutrisiko und damit die Störung unstreitig nicht nachhaltig bzw. abschließend beseitigen könne, würde eine Wasserentnahme das Risiko zumindest geringfügig verringern; dies stelle ein Minus zur gesamten Störungsbeseitigung dar.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 17./19.03.2025 hat der Kläger die mit Schriftsatz vom 27.01.2021 (Bl. 2083 f. d.A.) angekündigten Anträge zu 1. und 4. mit der Maßgabe gestellt, dass der Anteil der Beklagten an den globalen Treibhausgasemissionen nicht mehr 0,47 %, sondern nunmehr 0,38 % betrage. Hinsichtlich der Differenz von 0,09 % hat er die teilweise Erledigung der Klage erklärt.
Die Beklagte hat der Teilerledigungserklärung widersprochen.
Der Kläger beantragt zuletzt (sinngemäß),
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, anteilig zu ihrem Beeinträchtigungsanteil von 0,38 % (Anteil an den globalen Treibhausgasemissionen) die Kosten für geeignete Schutzmaßnahmen zu Gunsten seines Eigentums (H.-straße, (..), Nueva Florida, Huaraz) vor einer Gletscherflut aus der Laguna Palcacocha (Koordinaten: N01"S; N02"W) zu tragen, soweit der Kläger mit diesen Kosten belastet wird;
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 6.384 € zuzüglich Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
hilfsweise
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, anteilig zu ihrem Beeinträchtigungsbeitrag, der durch das Gericht nach § 287 ZPO zu bestimmen ist, die Kosten für geeignete Schutzmaßnahmen zu Gunsten seines Eigentums (vgl. Ziff. 1) vor einer Gletscherflut aus der Laguna Palcacocha zu tragen;
weiter hilfsweise
4. die Beklagte zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass das Wasservolumen in der Laguna Palcacocha von heute 17,4 Mio. m³ dauerhaft um 0,38 %, also 81.780 m³, reduziert wird;
weiter hilfsweise
5. die Beklagte zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass das Wasservolumen in der Laguna Palcacocha von heute 17,4 Mio. m³ entsprechend dem Verursachungsbeitrag der Beklagten, der durch das Gericht nach § 287 ZPO zu bestimmen ist, dauerhaft reduziert wird.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Vertiefung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Sie hält auch die geänderten Anträge mit Ausnahme des Zahlungsantrags für unzulässig.
Bei der Änderung des ersten Hauptantrages handele es sich um eine verdeckte Teilrücknahme, die ihrer Einwilligung nach § 269 Abs. 1 ZPO bedurft hätte. Zudem sei der Antrag schon deshalb unzulässig, weil er auf das Bestehen eines nicht feststellungsfähigen, zukünftigen Rechtsverhältnisses gerichtet sei. Die Rechtsfolge einer Kostenersatzpflicht ergebe sich aus § 1004 Abs. 1 BGB nicht; ein Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB sei allenfalls Vorfrage für einen – rechtlich eigenständigen – Anspruch aus §§ 683, 670 BGB. Das nach dem Hauptantrag festzustellende Rechtsverhältnis liege einzig in einer vermeintlichen Geschäftsführung ohne Auftrag und etwaigen Ansprüchen hieraus. Da der als Vorfrage vorausgesetzte Anspruch aus § 1004 BGB bereits nicht einklagbar sei, könne auch ein Folgeanspruch aus Geschäftsführung ohne Auftrag oder Bereicherungsrecht nicht entstehen. Sei – wie hier – noch keine Aufwendung getätigt, bestehe kein Rechtsverhältnis aus Geschäftsführung ohne Auftrag; vielmehr werde ein Aufwendungsersatzanspruch nach §§ 683, 670 BGB durch jede einzelne Aufwendung neu begründet. Lägen die Aufwendungen also in der Zukunft, entstehe ein Rechtsverhältnis auch erst dann.
Darüber hinaus sei der Antrag unbestimmt, da weiterhin unklar bleibe, welche Maßnahmen geeignet seien. Die Bestimmtheit des Antrages ergebe sich auch nicht aus einem etwaigen Wahlrecht des Störers, da Schutzmaßnahmen nicht durch die Beklagte selbst, sondern durch den Kläger oder Dritte erfolgen sollten.
Dem Kläger fehle ein Rechtsschutzbedürfnis, da offen sei, ob überhaupt und mit welchen Kosten er in der Zukunft im Hinblick auf durchgeführte Schutzmaßnahmen belastet werde. Das Rechtsschutzbedürfnis fehle zudem wegen des Missverhältnisses zwischen dem geringfügigen wirtschaftlichen Wert bzw. dem Aufwand und den Kosten des Verfahrens. Der Kläger könne mit dem ersten Hauptantrag nach der Rechnung der Beklagten nämlich allenfalls 0,33 € verlangen: Ausgehend von Kosten für Sicherungsmaßnahmen in Höhe von 3,5 Mio. Euro und einer Verteilung dieser Kosten auf die etwa 50.000 Einwohner der Stadt Huaraz müsste jeder Einwohner – also auch der Kläger – 70 € tragen. Der von dem Kläger behauptete Verantwortungsanteil der Beklagten von 0,47 % – den diese nochmals bestreitet – entspreche dabei einem Betrag von 0,33 €. Ein Rechtsschutzinteresse oder -bedürfnis fehle schließlich deshalb, weil der Kläger sich schon vor Jahren zur Auszahlung einer etwaig erstrittenen Summe an die Provinzregierung verpflichtet habe.
Jedenfalls sei der geänderte erste Hauptantrag unschlüssig. Der Kläger habe bisher nicht vorgetragen, dass irgendein Dritter Schutzmaßnahmen durchgeführt habe, auf die ein Anspruch gestützt werden könne, und dass er diesbezüglich bereits Kosten gehabt habe oder noch haben werde. Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass nach peruanischem Recht eine Rechtsgrundlage bestehe, um den Kläger für die behaupteten Kosten etwaiger von Behörden oder sonstigen Dritten durchgeführter Sicherungsmaßnahmen in Regress zu nehmen. Nach der von ihr, der Beklagten, eingeholten Stellungnahme der peruanischen Kanzlei J. (Anl. B 70, Bl. 3215 ff. d.A.) sei eine Inanspruchnahme des Klägers derzeit rechtlich ausgeschlossen, jedenfalls aber nicht hinreichend wahrscheinlich.
Die Beklagte bestreitet überdies, dass dem Kläger auf dem eigenen Grundstück weitere Maßnahmen überhaupt oder mit verhältnismäßigem Aufwand möglich wären und dass solche Maßnahmen zur Abwendung der behaupteten Gefahr geeignet wären.
Der erste Hauptantrag sei zudem rechtlich unbegründet, weil die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht vorlägen. Die peruanischen Behörden seien zur Beseitigung der behaupteten Flutgefahr für die Bevölkerung verpflichtet, sodass der Kläger primär diese in Anspruch nehmen müsse. Werde ein Hoheitsträger tätig, seien die Voraussetzungen der Geschäftsführung ohne Auftrag daher ohnehin ausgeschlossen.
Eine Anwendung des § 1004 BGB im vorliegenden Fall sei auch mit der übrigen Rechtsordnung nicht vereinbar. Sie, die Beklagte, erfülle mit der Energieversorgung der Bevölkerung eine wichtige Aufgabe der Daseinsfürsorge und habe dafür Genehmigungen nach dem BImSchG und dem TEHG erhalten, in deren Rahmen sie sich bewege. Neben ihren auf öffentlich-rechtlichen Normen beruhenden Sicherungspflichten sei kein Raum für entsprechende allgemeine bürgerlich-rechtliche Pflichten. Ein rechtswidriger Eingriff in ein Rechtsgut liege schon aufgrund dieses Aspektes nicht vor. Zudem handele sie nicht rechtswidrig; es dürfe nicht auf die etwaige Rechtswidrigkeit des Erfolges, sondern es müsse auf die Rechtswidrigkeit der störenden Handlung abgestellt werden. Dazu trägt die Beklagte – unter Bezugnahme auf Stimmen in der Literatur – näher vor.
Der historische Gesetzgeber von 1900 habe den Klimawandel nicht im Blick gehabt. Er sei vielmehr davon ausgegangen, dass in einem Hinüberwirken von Imponderabilien keine rechtsverletzende Handlung liege, sofern die Handlung selbst nicht verboten sei. Außerdem folge aus der Gesetzesbegründung zur Umsetzung der UVP-Richtlinie, dass sich allgemeine Umweltbelastungen nicht mit dem individuellen Haftungsrecht regeln ließen. § 1004 Abs. 1 BGB begründe nach dem Gesetzeszweck mithin keine schrankenlose, verschuldensunabhängige Kausalhaftung für noch so entfernte, mittelbare und für einzelne nicht zu beherrschende Klimafolgen. Ein anderes Rechtsverständnis würde zu einer nicht gewollten „Totalhaftung“ eines jeden Emittenten führen und die wirtschaftliche Entwicklung unmöglich machen. Denn es könnte jeder, der vermeintlich durch den Klimawandel beeinträchtigt werde, gegen jeden Emittenten vorgehen. Dies könne nicht richtig sein; eine Lösung müsse vielmehr auf zwischenstaatlicher Ebene gefunden werden. Eine Individualhaftung für eine an sich rechtmäßige und sozialadäquate wirtschaftliche Tätigkeit stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte der Beklagten aus Art. 12 Abs. 1 GG und Art. 14 Abs. 1 GG dar. Allenfalls zu berücksichtigende Summationsschäden zählten zum allgemeinen Lebensrisiko, das ausgleichslos hinzunehmen sei.
Die Beklagte stellt eine drohende Eigentumsbeeinträchtigung des Klägers weiterhin in Abrede. Dass das Grundstück des Klägers auch in den Szenarien einer kleinen und mittleren Lawine von einer Überflutung betroffen wäre, werde bestritten. Die Wahrscheinlichkeit einer großen Lawine sei – wenn überhaupt – nur gering; eine ernsthaft drohende und zeitlich unmittelbar bevorstehende Flutgefahr für sein Grundstück habe der Kläger nicht dargelegt und bewiesen. Es gebe keine Hinweise auf eine sich entwickelnde oder drohende Gletscherinstabilität mit nennenswerten Ausmaßen. Die Beklagte beruft sich insoweit u.a. auf die Studien von Kos et al. (2021, Anl. B 67/68, Anlagenband VI) sowie auf die Stellungnahmen der Privatgutachter V. et al. (RWTH Aachen) und U. (ETH Zürich) aus März 2019 (Anl. B 61, Anlagenband V bzw. Bl. 1774 ff. d.A.) sowie V. und F. aus November 2021 (Anl. B 66, Anlagenband VI). Die vom Kläger in Bezug genommene Studie von Stuart-Smith et al. (2021) befasse sich allein mit der potenziellen Gefahr eines GLOF-Ereignisses, nicht aber mit einer tatsächlich vorhandenen konkreten oder auch nur latenten Gefährdung eines Gletschersees. Die Wahrscheinlichkeiten von Gerölllawinen/Felsstürzen und Eislawinen hätten sich zwischen vorindustrieller und heutiger Zeit nicht verändert. Natürliche und künstlich geschaffene Schutzstrukturen an der Lagune würden von Stuart-Smith et al. (2021) ebenso wenig berücksichtigt wie die Fragen, ob konkrete Anhaltspunkte für das Auftreten eines Trigger-Ereignisses vorlägen, welche Auswirkungen damit verbunden sein könnten und wie hoch eine potenzielle Magnitude/Intensität eines etwaigen GLOF-Ereignisses sein könne. Soweit der Kläger nunmehr behaupte, ein möglicher Auslöser eines GLOF-Ereignisses liege in einem Felssturz aufgrund einer Degradation des Permafrosts, habe er derartige Felsinstabilitäten nicht konkret unter Beweis gestellt. Großkalibrige Felsabbrüche würden stets eine Schwäche in der geologischen Struktur voraussetzen, die langfristig – in Tausenden von Jahren – entstanden sei. Vorsorglich werde bestritten, dass oberhalb der Laguna Palcacocha die geologischen Voraussetzungen für eine solche Felsinstabilität gegeben seien und dass es zu einem Felsabbruch kommen könne.
Der Beklagtenvortrag zu der vom Kläger behaupteten Flutgefahr für sein Grundstück sei nicht verspätet, sondern gem. § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Der (ablehnende) Tatbestandsberichtigungsbeschluss des Landgerichts vom 31.01.2017 verletze sie in ihrem Recht auf rechtliches Gehör; an etwaige Feststellungen des Landgerichts zu einer Flutgefahr sei der Senat nicht gebunden.
Die Beklagte behauptet ferner, dass die an der Lagune installierten Heberleitungen am Tag ein Wasservolumen von 108.000 m³ abpumpen könnten. Sofern es nicht zu besonders starken natürlichen Seespiegelschwankungen komme, wie es im Zusammenhang mit El Niño der Fall sein könne, könnten die Siphons das Wasservolumen grundsätzlich senken und kontrollieren. Da die lokale Bevölkerung auf die Laguna Palcacocha als Wasserspeicher angewiesen sei, sei ein dauerhaftes Absenken des Wasserpegels nicht hinreichend wahrscheinlich.
Die Beklagte stellt erneut – in Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages – ihre Eigenschaft als Störerin i.S.d. § 1004 BGB in Abrede. Die Emissionen ihrer Kraftwerksgesellschaften seien auch unter Modifikation der conditio sine qua non-Formel nicht mit- oder teilursächlich für das Schmelzen der Gletscher in den peruanischen Anden und die behauptete Flutgefahr in Huaraz. Der Klimawandel als allgemeines Lebensrisiko werde von niemandem beherrscht. Der etwaige Beitrag eines Einzelemittenten sei für sich gesehen zu gering, um eine Erhöhung der Temperatur zu bewirken. Der Anteil eines einzelnen Emittenten an der Entwicklung eines bestimmten Gletschers könne auch nicht mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit festgestellt werden, zumal er nicht mit einem Verursachungsbeitrag gleichzusetzen sei. Eine lineare Kausalität zwischen einer bestimmten Emission und den Temperaturen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort auf der Erde gebe es aufgrund der vielschichtigen Prozesse des Klimas nicht. Klimamodelle seien für einen etwaigen Kausalitätsnachweis ungeeignet. Der Kläger habe auch weder einen konkreten Temperaturanstieg in einem bestimmten Zeitraum an der Lagune behauptet noch habe er einen Masseverlust der dortigen Gletscher konkretisiert.
Die Beklagte bestreitet weiterhin auch das Vorliegen eines adäquaten Kausalzusammenhangs. Das Hinwegdenken ihres angeblichen Verursachungsbeitrags führe zu keiner Veränderung; ihre Emissionen hätten ein etwaiges Flutrisiko nicht messbar erhöht. Ihr vom Kläger behaupteter Anteil an den Emissionen von 0,47 % bzw. 0,38 % beziehe sich überdies auch nur auf die industriellen CO2-Emissionen, nicht aber auf alle CO2-Emissionen oder gar die Treibhausgase insgesamt. Es werde bestritten, dass bereits ab dem Jahr 1958 aufgrund einer Studie von Charles D. Keeling für einen optimalen Betrachter vorhersehbar gewesen sei, dass ein zunehmender CO2-Ausstoß zur Klimaerwärmung und den damit verbundenen Folgen führen werde. Eine objektive Erkennbarkeit könne frühestens mit der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1992 angenommen werden.
Schließlich gebe es weder Sachgründe, um ihr die Verantwortung für das Geschehen aufzuerlegen, noch habe sie pflichtwidrig gehandelt. Fälle des pflichtwidrigen Unterlassens und mittelbare Beeinträchtigungen seien im Rahmen von § 1004 BGB nicht auf der Ebene der Rechtswidrigkeit/Duldungspflicht zu lösen, sondern vorgelagert im Rahmen der Störereigenschaft, wobei die Störereigenschaft eine Verkehrssicherungspflicht bzw. ein pflichtwidriges Verhalten voraussetze. Eine Haftung als mittelbare Handlungsstörerin scheide hier aus, da sie, die Beklagte, keine sinnlich wahrnehmbaren Stoffe auf das Grundstück des Klägers leite. Eine Haftung als Zustandsstörerin scheide gleichfalls aus, da sie weder die Quelle der Störung – die Laguna Palcacocha – noch das Klimageschehen beherrsche. Bei einem Einwirken von Naturkräften bzw. einer „Zwischenschaltung“ natürlicher Prozesse – wie hier – komme eine Störung nur bei einem pflichtwidrigen Unterlassen in Betracht, das indessen nicht vorliege.
Die Beklagte beruft sich darauf, dass sie als Muttergesellschaft des Y.-Konzerns selbst keine Kraftwerke betreibe, dass dem deutschen Recht eine allgemeine Haftung kraft Konzernverbundenheit fremd sei und dass sie aufgrund des gesellschaftsrechtlichen Trennungsprinzips nicht verpflichtet sei, ihre Tochtergesellschaften zur Beschränkung oder Einstellung des Kraftwerkbetriebs anzuweisen. Selbst bei Bestehen eines Beherrschungsvertrages hafte das herrschende Unternehmen den Gläubigern der abhängigen Gesellschaft nicht unmittelbar; ihr fehle mithin die Passivlegitimation. Die CO2-Emissionen der Kraftwerke des Y.-Konzerns würden sich im Übrigen im Rahmen einer ordnungsgemäßen Bewirtschaftung halten, sie seien rechtmäßig, genehmigt und erfolgten auf der Grundlage eines im Allgemeininteresse liegenden gesetzlichen Versorgungsauftrags. Es fehle auch unter diesem Blickwinkel an der Pflichtwidrigkeit.
Die Beklagte verweist darauf, dass der Kläger bzw. seine Rechtsvorgänger sich in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis einer vorhandenen Immissionsquelle unterhalb der Lagune angesiedelt und das Grundstück ohne Baugenehmigung bebaut hätten. Sei die behauptete Gefahrenlage mithin erst durch die Ansiedlung unterhalb der Lagune geschaffen worden, habe der Kläger die Immissionen grundsätzlich zu dulden; etwaige Ansprüche seinerseits seien wegen Mitverursachung entsprechend § 254 BGB nicht nur zu kürzen, sondern vollständig ausgeschlossen.
Der zweite (Haupt-)Antrag sei gleichfalls unbegründet. Die Beklagte bestreitet die vom Kläger behaupteten Umbaumaßnahmen und die dadurch entstandenen Kosten sowie deren Eignung zur Beseitigung oder Verringerung einer etwaigen Flutgefahr ebenso wie die Feststellungen zur Statik des klägerischen Hauses in der Anl. BK 34 (Bl. 2994 ff. d.A.) mit Nichtwissen. Die bereits durchgeführten Maßnahmen zur Verstärkung des Hauses hätten einem behördlichen Bebauungsverbot unterlegen. Auch der Fortbestand des Eigentums des Klägers am Grundstück werde mit Nichtwissen bestritten. Ein etwaiger Anspruch des Klägers, der sich ohnehin nicht auf 50 % der Gesamtkosten des Umbaus, sondern allenfalls auf 0,47 % bzw. 0,38 % der behaupteten Kosten in Höhe von 12.768,63 € belaufen könne, würde im Wege der Vorteilsanrechnung vollständig entfallen, weil der Wertzuwachs die aufgewendeten Kosten deutlich übersteige.
Die Hilfsanträge (Anträge zu 3. bis 5.) seien sämtlich unzulässig. Soweit der Kläger in seinen Anträgen formuliere, dass der Verursachungsbeitrag der Beklagten durch das Gericht nach § 287 ZPO zu bestimmen sei, fehle es seinen Anträgen an der hinreichenden Bestimmtheit. § 287 ZPO sei nur im Hinblick auf die haftungsausfüllende Kausalität anwendbar. Entgegen der Ansicht des Klägers müsse auch in Fällen der Teilkausalität eine Feststellung des jeweiligen Haftungsanteils nach dem Maßstab des § 286 ZPO erfolgen.
Dem Antrag zu 4., der auf eine Reduzierung des Seevolumens um 81.780 m³ Wasser abziele, fehle das Rechtsschutzbedürfnis; das Verlangen des Klägers sei sinnlos. Zudem setze eine Verurteilung zur anteiligen Reduzierung des Seevolumens um 81.780 m³ voraus, dass die Lagune im entscheidungserheblichen Zeitpunkt noch das vom Kläger behauptete Volumen von 17,4 Mio. m³ aufweise. Dies werde bestritten; das Volumen sei zwischenzeitlich erheblich reduziert worden. Überdies werde auch eine falsche Bezugsgröße zu Grunde gelegt. Ein etwaiger Verursachungsanteil der Beklagten könne sich nur auf dasjenige Seevolumen beziehen, das aufgrund der anthropogenen Beschleunigung der Gletscherschmelze durch den Klimawandel zu dem natürlichen Seevolumen hinzugekommen sei. Dies sei aufgrund fehlender Zeitreihen und Daten zur historischen Gletscher- und Seeentwicklung aber nicht ermittelbar.
Hinsichtlich der Anträge zu 4. und 5. meint die Beklagte zudem in materiell-rechtlicher Hinsicht, dass eine dauerhafte anteilige Reduzierung des Seevolumens insgesamt unmöglich sei (§ 275 BGB). Die natürlichen Schwankungen des Seevolumens pro Tag seien teilweise erheblich größer als der gesamte behauptete historische Beitrag des Konzerns der Beklagten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die jeweils gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens sowie eines schriftlichen Ergänzungsgutachtens der Sachverständigen L. (TU Darmstadt) und B. (BOKU Wien). Auf die Gutachten vom 31.07.2023 (im Folgenden zitiert: SVG I) und 20.12.2024 (SVG II) wird Bezug genommen. Zur Vorbereitung der Gutachten fanden am 24., 25. und 26.05.2022 Ortstermine in Huaraz am und auf dem klägerischen Grundstück und an der Laguna Palcacocha statt, an denen die Parteien und seitens des Senats im allseitigen Einverständnis (allein) der Vorsitzende und die Berichterstatterin teilgenommen haben. Auf das Protokoll vom 02.06.2022/18.11.2022 (Bl. 3127 ff. d.A.) wird Bezug genommen. Ferner fand am 27.05.2022 auf Betreiben der Sachverständigen zum Zwecke der Informationssammlung ein Termin mit den lokalen Behörden statt, an dem sowohl der Vorsitzende und die Berichterstatterin als auch die Parteien und ihre Vertreter teilgenommen haben.
Die Sachverständigen haben ihre Gutachten im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17./19.03.2025 mündlich erläutert; dabei sind Fragen und Vorhalte durch die jeweiligen Privatgutachter der Parteien gestattet worden.
Der Senat hat unter dem 30.11.2017, 01.02.2018, 01.03.2018, 10.12.2020, 01.07.2021, 03.03.2022, 25.07.2022 und 16.04.2024 rechtliche Hinweise erteilt.
Aus den Gründen
B. Die zulässige Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.
Das Landgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klage ist zwar mit ihren zuletzt gestellten Hauptanträgen zulässig und dem Grunde nach schlüssig, aber unbegründet. Die Klageanträge zu 3. und 5. sind bereits unzulässig, der Hilfsantrag zu 4. ist unbegründet. Angesichts der Unbegründetheit der Klageanträge zu 1. und zu 4. ist auch die vom Kläger begehrte Feststellung, dass die ursprünglichen Anträge bei Eintritt des erledigenden Ereignisses zulässig und begründet waren, unbegründet.
I. Erster Hauptantrag: Antrag auf Feststellung der Pflicht zur Kostenerstattung
Der (zuletzt gestellte) erste Hauptantrag des Klägers, die Pflicht der Beklagten zur Kostenerstattung anteilig ihres Beeinträchtigungsanteils von 0,38 % festzustellen, ist zulässig, aber – ausgehend von den seitens der Gerichtssachverständigen aktuell festgestellten Befunden – unbegründet.
Zur besseren Übersichtlichkeit wird an dieser Stelle die (grobe) Gliederung der vom Senat vorgenommenen Prüfung des 1. Klageantrags dargestellt:
1. Zulässigkeit
a) Internationale Zuständigkeit
b) Präzisierung des Antrags
c) Gegenwärtiges Rechtsverhältnis
d) Feststellungsinteresse
e) Rechtsmissbrauch
f) Bestimmtheit des Feststellungsantrags
2. Begründetheit
a) Anwendbarkeit deutschen Rechts
b) §§ 1004 Abs. 1 S. 2 i.V.m. §§ 677 ff., 812 BGB als taugliche Anspruchsgrundlage
c) Schlüssigkeitsprüfung
aa) (Mit-)Eigentum
bb) Eigentumsbeeinträchtigung i.S.d. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB
cc) Beklagte als (Handlungs-)Störerin
dd) Rechtswidrigkeit der Eigentumsbeeinträchtigung
ee) Mitverantwortlichkeit/Mitverursachung des Klägers, § 254 BGB analog
ff) Verjährung
d) Drohende Beeinträchtigung
aa) Erstbegehungsgefahr
bb) Maßgeblicher Eintrittszeitraum der Rechtsgutsverletzung
cc) Beweiswürdigung
1.
Der Feststellungsantrag ist zulässig.
a)
Die internationale Zuständigkeit des Senats, die entgegen dem Wortlaut von § 513 Abs. 2 ZPO auch in der Berufungsinstanz zu prüfen ist, ist gem. Art. 4 Abs. 1, 63 Abs. 1 EuGVVO (Verordnung Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12.01.2012) begründet.
Zudem ist sie gem. § 39 S. 1 ZPO aufgrund des rügelosen Verhandelns der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 24.11.2016 gegeben (Bl. 406 f. d.A.; vgl. BGH, Urteil vom 03.12.1992 - IX ZR 229/91, juris Rn. 11; BGH, Urteil vom 30.01.1969 – X ZR 19/66, juris Rn. 35 f. - Rspr. wird im Folgenden immer nach juris zitiert, wenn nichts anderes angegeben ist).
b)
Soweit der Kläger seinen Hauptantrag in der Berufungsinstanz umformuliert hat, stellt dies lediglich eine Präzisierung und nicht eine Änderung des Klageantrags im Sinne der §§ 263, 533 ZPO oder eine „verdeckte Teilrücknahme“ (§ 269 ZPO) dar.
c)
Das im Rahmen einer (positiven) Feststellungsklage i.S.d. § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche gegenwärtige Rechtsverhältnis zwischen den Parteien liegt vor. Auch wenn der Kläger seinen Anspruch auf eine erstmals ernsthaft drohende Beeinträchtigung und auf lediglich teilweise bereits erfolgte, überwiegend aber erst beabsichtigte Abwehrmaßnahmen und ihre ggf. gemäß §§ 677 ff., 812 BGB zu erstattenden Kosten stützt, besteht das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien in Form der (behaupteten) konkret drohenden Beeinträchtigung von absoluten Rechtsgütern bereits gegenwärtig.
aa)
Unter einem gegenwärtigen Rechtsverhältnis ist nicht nur die – aus dem vorgetragenen Lebenssachverhalt abgeleitete – bereits bestehende konkrete rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu einer anderen oder zu einem Gegenstand zu verstehen. Darunter fallen auch diejenigen Beziehungen, die aus einem bereits vorhandenen Rechtsverhältnis künftig als Rechtsfolge erwachsen, so dass etwa auch bedingte oder betagte Beziehungen die Grundlage einer Feststellungsklage bilden können. Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis liegt daher auch vor, wenn eine Verbindlichkeit noch nicht entstanden, aber für ihren späteren Eintritt der Grund in der Art gelegt ist, dass die Entstehung der Verbindlichkeit nur von dem Eintritt weiterer Umstände oder dem Zeitablauf abhängt (BGH, Urteil vom 19.11.2014 – VIII ZR 79/14, Rn. 26; BeckOK ZPO/Bacher, 55. Ed., Stand 01.12.2024, ZPO § 256, Rn. 3 ff., 6). Nicht zulässig ist dagegen die Feststellung von Rechtsfolgen aus einem Rechtsverhältnis, das noch nicht besteht, sondern erst in Zukunft unter Voraussetzungen, deren Eintritt noch offen ist, entstehen kann (BGH, Urteil vom 19.01.2021 – VI ZR 194/18, Rn. 30; BeckOK ZPO/Bacher, a.a.O.).
bb)
Nach dieser Maßgabe liegt im Streitfall ein gegenwärtiges, feststellungsfähiges Rechtsverhältnis vor, da der Grund für eine etwaige spätere Verbindlichkeit der Beklagten bereits gelegt ist und ihre Entstehung nur von dem Eintritt weiterer Umstände abhängt.
Der Kläger behauptet das Bestehen einer konkreten Gefährdung eines absoluten Rechtsguts, nämlich seines Eigentums. Die Eigentumsbeeinträchtigung wird nach seiner Argumentation schlussendlich durch die in der Vergangenheit erfolgte, gegenwärtige und weiter andauernde Freisetzung von CO2-Emissionen durch den Konzern der Beklagten ausgelöst. Die das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien maßgeblich bestimmende Norm ist damit § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB. Bereits die ernstlich drohende Gefahr eines erstmaligen Eingriffs beeinträchtigt das geschützte Recht, Rechtsgut oder Interesse und löst den Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB aus (BGH, Urteil vom 19.06.1951 – I ZR 77/50, GRUR 1952, 36; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.12.1990 – 9 U 101/90, Rn. 25; Erman/Ebbing, BGB, 17. Aufl. 2023, § 1004, Rn. 76). Mit seinem Klagebegehren zielt der Kläger darauf ab, die drohende Eigentumsbeeinträchtigung durch geeignete Maßnahmen zu verhindern bzw. ihre Folgen zu mindern. Ob es in der Zukunft indessen tatsächlich zu (weiteren) Maßnahmen zur Abwehr der Beeinträchtigung kommt und welche Kosten dem Kläger hierdurch ggf. entstehen, lässt sich derzeit nicht absehen. Die Erhebung einer Zahlungsklage ist dem Kläger dementsprechend nicht möglich, da er vor Beseitigung der Beeinträchtigung keinen Anspruch auf einen Vorschuss hat (vgl. BGH, Urteil vom 23.03.2023 – V ZR 67/22, Rn. 11). Die Pflicht der Beklagten zur Erstattung der Kosten entsprechender Schutzmaßnahmen hängt demnach vom Eintritt weiterer Umstände ab. Nichtsdestotrotz stellt die zwischen den Parteien bestehende Rechtsbeziehung gem. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB aber das schon gegenwärtig bestehende Substrat des Rechtsverhältnisses dar, das der Kläger festgestellt haben möchte. Erforderlich ist insoweit nur, dass für die Entstehung eines Anspruchs der Grund in der Art gelegt ist, dass überhaupt schon eine Rechtsbeziehung besteht, nicht dagegen, dass alle Umstände, von denen die Entstehung des konkreten Anspruchs abhängt, bereits eingetreten sind (BGH, Urteil vom 16.05.1962 – IV ZR 215/61, NJW 1962, 1723; BGH, Urteil vom 03.12.1951 – III ZR 119/51, Rn. 4; BGH, Urteil vom 05.06.1990 – VI ZR 359/89, Rn. 6, 15).
cc)
Ob eine Beeinträchtigung des klägerischen Eigentums tatsächlich konkret droht – dies wird von der Beklagten in Abrede gestellt –, bedarf im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung keiner näheren Erörterung.
Bei der behaupteten Eigentumsbeeinträchtigung handelt es sich um eine sog. qualifizierte Prozessvoraussetzung bzw. doppelrelevante Tatsache, also um eine Tatsache, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit einer Klage notwendigerweise erheblich ist. Aus prozessökonomischen Gründen findet eine Beweiserhebung über eine solche Tatsache im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung nicht statt. Die doppelrelevante Tatsache wird im Rahmen dieser Prüfung als wahr unterstellt und erst bei der Prüfung der Begründetheit festgestellt. Für die Feststellung der Zulässigkeit reicht insoweit bereits die einseitige, schlüssige Behauptung aller erforderlichen Tatsachen durch den Kläger aus. Der Grundsatz des ansonsten absoluten Vorranges der Zulässigkeitsprüfung wird hier ausnahmsweise durchbrochen (BGH, Urteil vom 25.03.2015 – VIII ZR 125/14, Rn. 25; BGH, Urteil vom 25.11.1993 – IX ZR 32/93, Rn. 16 f.; Anders/Gehle/Anders, 83. Aufl. 2025, ZPO, Vor § 253, Rn. 18).
Der Vortrag des Klägers ist schlüssig; auf die Ausführungen unter Ziff. 2 wird insoweit verwiesen.
d)
Der Kläger hat ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung, § 256 Abs. 1 ZPO, da seinem Recht eine gegenwärtige Gefahr oder Unsicherheit droht und das erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen (vgl. BGH, Urteil vom 09.06.1983 – III ZR 74/82, Rn. 13 f.).
Eine Gefährdung in diesem Sinne liegt im Fall der positiven Feststellungsklage in der Regel schon darin, dass der Beklagte das Recht des Klägers ernstlich bestreitet (BGH, Urteil vom 25.07.2017 – II ZR 235/15, Rn. 16). Dies ist hier der Fall: Die Beklagte stellt ihre Verpflichtung zur Beteiligung an (zukünftig entstehenden) Kosten von Schutzmaßnahmen an der Laguna Palcacocha oder auf dem Wohngrundstück des Klägers in Abrede, weil sie sich nicht als Störerin sieht. Zum anderen besteht ein rechtliches Interesse des Klägers an der alsbaldigen Klärung der Haftungsfrage auch deshalb, weil eine Unsicherheit in Form der Gefahr einer Verjährung droht. Die Verjährungsgefahr indiziert das Feststellungsinteresse (BGH, Urteil vom 21.07.2005 – IX ZR 49/02, Rn. 7; Musielak/Voit/Foerste, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 256, Rn. 10, 33). Hier könnte der Eintritt der Verjährung späterer Erstattungsansprüche des Klägers drohen, da die Verjährung schon mit dem Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB beginnt. Ein feststellendes Urteil würde dem Kläger Rechtssicherheit geben und die Verjährung etwaiger Ansprüche verhindern.
Ein Feststellungsinteresse fehlt auch nicht ausnahmsweise deshalb, weil die Entstehung zukünftiger Schäden unmöglich erscheint. Bei der hier vom Kläger befürchteten Verletzung absoluter Rechtsgüter ist ein Feststellungsinteresse nur dann zu verneinen, wenn aus der Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund gegeben ist, mit dem Eintritt eines (weiteren) Schadens wenigstens zu rechnen (BGH, Urteil vom 16.01.2001 – VI ZR 381/99, Rn. 7; BGH, Urteil vom 09.01.2007 – VI ZR 133/06, Rn. 5; BGH, Urteil vom 23.04.1991 – X ZR 77/89, Rn. 7 f.). Im Streitfall erscheint es indessen möglich, dass weitere Kosten für Sicherungsmaßnahmen entstehen, die der Kläger von der Beklagten im Haftungsfall erstattet verlangen könnte. Dies gilt zum einen für Maßnahmen Dritter an der Lagune, aber auch für Sicherungsmaßnahmen des Klägers selbst. Zwar hält der Kläger eigene Maßnahmen an der Lagune wegen des erheblichen Kostenaufwandes nicht für möglich. Seine Immobilie hat er indessen bereits in der Vergangenheit durch im Einzelnen bezeichnete und unter Beweis gestellte Maßnahmen verstärkt, um sich gegen die behauptete konkret drohende Beeinträchtigung seines Eigentums zu schützen. Zu weiteren möglichen und von ihm beabsichtigten Schutzmaßnahmen an seinem Grundstück hat er vorgetragen.
Angesichts der besonders gelagerten Umstände des vorliegenden Falles sieht sich der Senat auch nicht durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 23.03.2023 – V ZR 67/22 – an der Bejahung des Feststellungsinteresses gehindert. Der Bundesgerichtshof führt in der genannten Entscheidung aus, dass ein Antrag auf Feststellung einer Kostenerstattungspflicht der Beklagten nach durchgeführter Selbstvornahme wegen des Vorrangs der Leistungsklage bzw. dem Fehlen eines Feststellungsinteresses gemäß § 256 Abs. 1 ZPO unzulässig sei. Der Kläger könne entweder nach durchgeführter Selbstvornahme Klage auf Kostenerstattung erheben oder – wenn er das mit einer Vorfinanzierung der Kosten verbundene Risiko vermeiden möchte – zunächst auf Beseitigung klagen und das erwirkte Urteil dann im Wege der Ersatzvornahme vollstrecken (BGH, a.a.O., Rn. 39). Der Senat verkennt nicht, dass diese Entscheidung – die erst nach Erlass des Beweisbeschlusses im hiesigen Verfahren ergangen ist – gegen die Zulässigkeit der Feststellungsklage auch im hiesigen Fall sprechen könnte. Der hier zu beurteilende Sachverhalt weist indessen Besonderheiten auf, die es nach dem Dafürhalten des Senats gerechtfertigt erscheinen lassen, im konkreten Fall ein Feststellungsinteresse zu bejahen. Während in der zitierten BGH-Entscheidung eine allein durch die dortigen Beklagten – die Eigentümer des Nachbargrundstücks – verursachte Störung im Raume stand, gibt es im Streitfall eine unbestimmte Zahl an Störern; die Beklagte kann und soll vor diesem Hintergrund nur zu einer anteilmäßigen Haftung herangezogen werden. Der Kläger würde rechtlos gestellt, wenn er bei dieser Sachlage darauf verwiesen würde, entweder gegen die Beklagte auf teilweise Beseitigung zu klagen und das erwirkte Urteil dann im Wege der Ersatzvornahme zu vollstrecken oder die erforderlichen Maßnahmen selbst vorzunehmen und anschließend Klage auf Kostenerstattung gegen die Beklagte zu erheben. Letzteres müsste nämlich in unverjährter Zeit geschehen. Aufgrund seiner begrenzten Mittel dürfte dem Kläger das aber nicht möglich sein. Keiner der beiden aufgezeigten Wege ermöglicht ihm mithin die Wahrung seines Integritätsinteresses.
Die angebliche Äußerung des Klägers gegenüber einer Zeitung, er werde im Falle des Obsiegens im hiesigen Prozess die Auszahlung der erstrittenen Summe an die Provinzregierung in Ancash weiterleiten, lässt sein Feststellungsinteresse gleichfalls nicht entfallen. Denn dringt der Kläger mit seinem Feststellungsbegehren und später – nach Durchführung tatsächlich geeigneter Schutzmaßnahmen (wo und durch wen auch immer) und Belastung des Klägers mit den (anteiligen) Kosten – auch mit dem anschließenden Zahlungsanspruch durch, so steht es ihm frei, mit dem erstrittenen Geld nach Belieben zu verfahren.
Letztlich kann aber auch dahinstehen, ob ein Feststellungsinteresse gegeben ist. Der Senat ist nicht gehindert, die klägerische Berufung unbeschadet des Vorliegens eines Feststellungsinteresses als unbegründet zurückzuweisen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt es sich bei dem von § 256 Abs. 1 ZPO geforderten rechtlichen Interesse nicht um eine Prozessvoraussetzung, ohne deren Vorliegen dem Gericht eine Sachprüfung und ein Sachurteil überhaupt verwehrt ist. Aufgrund dessen kann die Feststellungsklage auch bei fehlendem Feststellungsinteresse als unbegründet abgewiesen werden, wenn die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Feststellungsklage erfüllt sind (BGH, Urteil vom 27.10.2009 – XI ZR 225/08, Rn. 12, m.w.N.).
e)
Dem Klagebegehren fehlt auch unter dem Blickwinkel eines etwaigen Rechtsmissbrauchs nicht das Rechtschutzbedürfnis. Der endgültige Umfang der Kosten möglicher (Schutz-) Maßnahmen ist noch nicht absehbar; es ist daher – entgegen der Auffassung der Beklagten – auch unter Berücksichtigung des geltend gemachten Haftungsanteils ein rechtsmissbräuchlich geringfügiger wirtschaftlicher Wert nicht erkennbar.
f)
Der Feststellungsantrag ist schließlich auch hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
Der Grundsatz der Bestimmtheit erfordert, dass der Kläger in seinem Antrag das Rechtsverhältnis, dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden soll, so genau bezeichnet, dass über dessen Identität und damit über den Umfang der Rechtskraft des begehrten Feststellungsanspruchs keinerlei Ungewissheit herrschen kann (BGH, Urteil vom 04.10.2000 – VIII ZR 289/99, Rn. 35).
Diesen Voraussetzungen ist hier Genüge getan. Insbesondere hat der Kläger durch die Formulierung „geeignete“ Schutzmaßnahmen klargestellt, dass es nicht um die Pflicht zur Erstattung von Kosten jedweder (Bau-)Maßnahmen an der Lagune und/oder auf seinem Grundstück geht, sondern nur um jene, die auch objektiv geeignet sind, sein Eigentum vor einer Flutwelle aus der Laguna Palcacocha zu schützen. Ob diese Geeignetheit tatsächlich gegeben ist, lässt sich abschließend erst nach Durchführung der konkreten Maßnahme klären.
2.
Der Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet.
Zwar sieht der Senat in § 1004 Abs. 1 S. 2 i.V.m. §§ 677 ff., § 812 BGB eine taugliche Anspruchsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Feststellungsanspruch. Die Voraussetzungen des Anspruchs sind auch schlüssig vorgetragen. Der Kläger hat indessen zur Überzeugung des Senats nicht beweisen können, dass seinem Eigentum im Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat eine konkrete Gefahr im Sinne des § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB droht.
a)
Der Streitfall ist nach deutschem Recht zu beurteilen.
aa)
Beide Parteien haben sich sowohl in erster wie auch in zweiter Instanz auf deutsche Rechtsvorschriften berufen und nahezu ausschließlich auf der Grundlage dieser Rechtsordnung argumentiert. Bereits dieser Umstand rechtfertigt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Annahme, dass sich die Parteien im Rechtsstreit jedenfalls stillschweigend auf die Geltung deutschen Rechts verständigt haben (vgl. BGH, Urteil vom 09.12.1998 – IV ZR 306/97, Rn. 11; BGH, Urteil vom 18.01.1988 – II ZR 72/87, Rn. 10; BGH, Urteil vom 13.09.2004 – II ZR 276/02, Rn. 18; BAG, Urteil vom 29. 05.2024 – 2 AZR 313/22, Rn. 5).
bb)
Im Übrigen haben die Prozessbevollmächtigten beider Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 13.11.2017 übereinstimmend zu Protokoll erklärt, dass im vorliegenden Fall deutsches Recht anzuwenden sei. Mithin liegt eine ausdrückliche und den Senat bindende Rechtswahl gem. Art. 1 Abs. 1 S. 1, Art. 2 Abs. 1, 14 Abs. 1 Rom II-VO (Verordnung EG Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht) vor.
cc)
Der Anwendung der Rom II-VO im vorliegenden Fall steht nicht entgegen, dass Peru kein Mitgliedstaat der Europäischen Union ist. Dies ergibt sich aus dem Rechtsgedanken von Art. 3 Rom II-VO. Danach ist das nach dieser Verordnung bezeichnete Recht unabhängig davon anzuwenden, ob es das Recht eines Mitgliedstaates oder dasjenige eines Drittstaates ist. Die Vorschrift übernimmt den inzwischen zum Standard in allen EU-IPR-Rechtsakten gewordenen Grundsatz der universellen Anwendung. Es geht im Ergebnis um die Schaffung einheitlicher Kollisionsregeln ohne Differenzierung. Die Verordnung kommt daher auch im Falle des Auslandsbezuges zu einem Nichtmitgliedstaat in ihrem sachlichen Anwendungsbereich als Kollisionsrecht des Mitgliedstaats – hier: Deutschland – zur Anwendung (BeckOGK/Schmidt, Stand 01.03.2025, Rom II-VO, Art. 3, Rn. 5 ff.; Münchener Kommentar/Junker, BGB, 9. Aufl. 2025, Rom II-VO, Art. 3, Rn. 1 ff.; jurisPK-BGB/Lund, 10. Aufl. 2023, Rom II-VO, Art. 3, Rn. 1 f.).
dd)
Auch der Grundsatz der „lex rei sitae“ steht der Anwendung von Art. 14 Abs. 1 ROM II-VO (freie Rechtswahl) nicht entgegen.
Bei dem vom Kläger geltend gemachten Anspruch handelt es sich um einen außervertraglichen Anspruch im Sinne der Art. 2 bzw. 7 ROM II-VO, für den das Belegenheitsrecht – also das Recht des Ortes, an dem sich ein Vermögensgegenstand befindet – nicht gilt. Für gesetzliche Ansprüche, die aus einer (behaupteten) Verletzung des (Mit-)Eigentums resultieren und die – wie hier – auf die Wiederherstellung des status quo bzw. auf die Beseitigung einer aktuellen Eigentumsstörung gerichtet sind, ist die dingliche Rechtslage nur inzidenter zu klären. Zwar werden nach deutschem Rechtsverständnis Ansprüche aus § 1004 BGB ebenso wie die Vindikation nach § 985 BGB materiellrechtlich den dinglichen Ansprüchen zugeordnet. Darauf kommt es indessen im Rahmen der autonom auszulegenden europäischen Vorschrift nicht an, zumal die meisten anderen Rechtsordnungen derartige Ansprüche nicht dinglich, sondern deliktsrechtlich einordnen, und zwar unabhängig davon, ob die Haftung Verschulden voraussetzt (vgl. BGH, Urteil vom 18.07.2008 – V ZR 11/08, Rn. 11; BGH, Urteil vom 24.10.2005 – II ZR 329/03, Rn. 6).
Für einen außervertraglichen Anspruch im Sinne der Art. 2 und Art. 7 ROM II-VO, um den es hier demnach geht, verweist Art. 7 ROM II-VO auf Art. 4 Abs. 1 ROM II-VO. Danach ist im Ergebnis grundsätzlich das Recht des Staates anwendbar, in dem der Erfolg eintritt, es sei denn, der Geschädigte entscheidet sich, seinen Anspruch auf das Recht des Staates zu stützen, in dem das schadensbegründende Ereignis – hier: der Ausstoß der Emissionen – stattgefunden hat. Diese Entscheidung hat der Kläger vorliegend (im Einvernehmen mit der Beklagten) zugunsten des deutschen Rechts getroffen (s.o.).
Es ist allerdings zu differenzieren, da hier nach dem Vortrag des Klägers auf eine ab 1965 andauernde Verhaltensweise (Emissionstätigkeit) der Beklagten abzustellen ist und die ROM II-Verordnung erst seit dem 11.01.2009 auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwenden ist (vgl. Art. 31 ROM II-VO).
Für den Zeitraum vom 01.06.1999 bis zum 11.01.2009 gelangt deutsches Recht zur Anwendung, da nach den grundsätzlich – auch im vorliegenden Fall – geltenden Art. 44 bzw. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB a.F. die Tatortregel gilt. Überdies haben sich die Parteien gem. Art. 42 EGBGB a.F. auf die Anwendung deutschen Rechts geeinigt (s.o.).
Für den Zeitraum vor Juni 1999 ist gleichfalls deutsches Recht anzuwenden, da für diesen Zeitraum die Tatortregel, auf der Art. 40 Abs. 1 S. 1 EGBGB a.F. letztlich beruht, gewohnheitsrechtlich anerkannt war. Nach dem Günstigkeitsprinzip, das von der Rechtsprechung im Falle einer aus dem Auseinanderfallen von Handlungsort und Erfolgsort entstehenden Konkurrenz zwischen mehreren Deliktsorten herangezogen wurde, war das für den Geschädigten materiell günstigste Deliktsortrecht anzuwenden. Dabei bejahten die h.M. und ein Teil der Rechtsprechung eine Wahlbefugnis des Geschädigten (vgl. zum Ganzen: Münchener Kommentar/Junker, 4. Aufl. 2006, EGBGB Art. 40, Rn. 16, 183 f.). Die Parteien konnten zudem schon vor Juni 1999 das Deliktsstatut gemeinsam wählen (Münchener Kommentar/Junker, a.a.O., Art. 42, Rn. 7); dies haben sie hier getan.
b)
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten stellen die §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 1011 i.V.m. §§ 677 ff., 812 BGB eine taugliche Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers dar. Im Falle einer drohenden Beeinträchtigung kann vom Störer auch ein positives Tun geschuldet sein, um den Eintritt der Beeinträchtigung zu verhindern. Wird dieses Tun ernsthaft und endgültig verweigert, kommt schon vor der Entstehung tatsächlicher Aufwendungen die Feststellung der Kostentragungspflicht des Störers in Betracht, wie sie hier vom Kläger begehrt wird.
aa)
Gem. § 1004 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen. Der Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB ist über den Wortlaut des Gesetzes hinaus anerkanntermaßen auch dann gegeben, wenn – wie klägerseits behauptet – die Gefahr einer erstmaligen Beeinträchtigung besteht (sog. vorbeugender Abwehranspruch, vgl. BGH, Urteil vom 17.09.2004 – V ZR 230/03, Rn. 11).
bb)
Der geltend gemachte Anspruch scheitert nicht daran, dass die Beklagte im Ergebnis zu einem positiven Tun verpflichtet werden soll.
Der Unterlassungsanspruch verpflichtet nicht lediglich zum Nichtstun, sondern zu einem Verhalten, mit dem gewährleistet wird, dass sich die drohende Beeinträchtigung des Eigentums nicht realisiert (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12.12.2003 – V ZR 98/03, Rn. 14 f.; BGH, Urteil vom 09.05.2019 – III ZR 388/17, Rn. 13; OLG Düsseldorf, Urteil vom 05.12.1990 – 9 U 101/90, Rn. 22 ff.; Grüneberg/Herrler, BGB, 84. Aufl. 2025, § 1004, Rn. 33). Der Störer schuldet also nicht die Wiederherstellung des status quo ante wie im Schadensrecht, sondern den actus contrarius seiner störenden Tätigkeit; deren Erfolg muss er rückgängig oder doch für die Zukunft wirkungslos machen (vgl. zum Ganzen: Staudinger/Thole, BGB, Neubearbeitung 2023, § 1004, Rn. 1 f.; Münchener Kommentar/Raff, BGB, 9. Aufl. 2023, § 1004, Rn. 1 ff., 222 ff.).
Nach dem Vortrag des Klägers lässt sich die drohende Beeinträchtigung nur durch ein aktives Eingreifen verhindern.
cc)
Der Anwendung von § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB steht auch nicht entgegen, dass im Streitfall Sicherungsmaßnahmen sowohl am Gletschersee selbst als auch auf dem Grundstück des Klägers in Rede stehen.
Nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB sind nicht ausschließlich Maßnahmen zur Gefahrenabwehr geschuldet, die die Störungsquelle – hier: die Emissionen der Beklagten – als solche beseitigen. Hinsichtlich der bereits freigesetzten Emissionen ist dies ohnehin nicht möglich. Ebenso wenig sind die geschuldeten Maßnahmen auf die Sache beschränkt, von der schlussendlich die konkrete Gefahr ausgehen könnte. Ist nämlich aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen die Beseitigung der Eigentumsbeeinträchtigung bzw. ihrer Quelle nicht sofort oder nicht in vollem Umfang möglich, kann der Eigentümer vom Störer verlangen, dass die Beeinträchtigung zunächst auf den geringstmöglichen Grad zurückgeführt wird bzw. vorläufige, aber sofort wirksame Sicherungsmaßnahmen getroffen werden (BGH, Urteil vom 12.03.1964 – II ZR 243/62, Rn. 11; BGH, Urteil vom 22.03.1966 – V ZR 126/63, Rn. 11 ff., 14).
Im vorliegenden Fall ist es demnach nicht zwingend, dass Maßnahmen unmittelbar an der Lagune vorgenommen werden müssten, um bereits dort den Austritt einer Flutwelle bzw. einen Gletscherseeausbruch (GLOF) zu verhindern. In Betracht kommen vielmehr auch sicherheitserhöhende Maßnahmen am klägerischen Grundstück.
dd)
Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten ist auch im Zusammenhang mit einem vorbeugenden Abwehranspruch ein Aufwendungsersatzanspruch unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder einer ungerechtfertigten Bereicherung denkbar.
(1)
Der Eigentümer, der eine (drohende) Beeinträchtigung seines Eigentums selbst beseitigt hat, kann von dem nach § 1004 Abs. 1 BGB an sich hierzu verpflichteten Störer Ersatz der zur Störungsbeseitigung erforderlichen Aufwendungen verlangen, weil er (auch) ein Geschäft des Störers besorgt hat (§§ 683, 684 BGB) oder – wenn sich die Voraussetzungen einer Geschäftsführung ohne Auftrag nicht feststellen lassen – weil der Störer unter Ersparung eigener Aufwendungen von seiner Beseitigungspflicht frei geworden und deshalb ungerechtfertigt bereichert ist (§§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 2, 818 Abs. 2 BGB). Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 28.11.2003 – V ZR 99/03, Rn. 14; BGH, Urteil vom 04.02.2005 – V ZR 142/04, Rn. 4; BGH, Urteil vom 13.01.2012 – V ZR 136/11, Rn. 6) und dem überwiegenden Teil der Literatur (vgl. etwa Erman/Ebbing, a.a.O., § 1004, Rn. 69; BeckOK BGB/Fritzsche, 73. Ed. 01.02.2025, § 1004, Rn. 84 m.w.N.; Grüneberg/Herrler, a.a.O., § 1004, Rn. 30; Schirmer, Nachhaltiges Privatrecht, 2023, § 6 Klimahaftung, S. 199).
(2)
Nicht nur der Gläubiger eines Beseitigungsanspruchs i.S.d. § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB kann unter den genannten Voraussetzungen vom Störer Aufwendungsersatz verlangen, sondern auch der Gläubiger eines vorbeugenden Abwehranspruchs i.S.d. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, der durch ein (aktives) Tun des Störers zu erfüllen ist. Da die Rechtsprechung die Ersatzvornahme bei Beseitigungsansprüchen zulässt und gleichzeitig – wie ausgeführt – bei einem Unterlassungsanspruch auch die Rechtsfolge eines positiven Tuns anerkennt, wäre es angesichts der im Einzelfall häufig schwierigen Abgrenzung von Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch sinnwidrig, in einem Fall die Kosten der Ersatzvornahme dem Störer aufzuerlegen und im anderen Fall nicht. Je nach Lage der Dinge können ein Beseitigungs- und ein Unterlassungsanspruch auf dieselbe Weise zu erfüllen sein (vgl. BeckOGK/Spohnheimer, Stand 01.02.2025, BGB, § 1004, Rn. 177). Vollstreckungsrechtliche Probleme, wie sie von der Beklagten unter Bezugnahme auf Ahrens (VersR 2019, 645, 647 f.) konstruiert werden, stellen sich nicht; vollstreckt wird aufgrund des entsprechenden Titels.
ee)
Dem geltend gemachten Anspruch steht auch nicht entgegen, dass der Beklagten im Falle ihrer Verurteilung kein Wahlrecht im Hinblick auf die zu treffenden Beseitigungsmaßnahmen zugestanden würde.
Grundsätzlich entscheidet zwar der Störer, durch welche Maßnahmen er die Beseitigung bzw. Unterlassung der Beeinträchtigung bewirkt (BGH, Urteil vom 22.10.1976 – V ZR 36/75, Rn. 11; Grüneberg/Herrler, a.a.O., § 1004, Rn. 51). Dies gilt aber nicht ausnahmslos. Verlangt der Eigentümer etwa nach Selbstvornahme von dem nach § 1004 Abs. 1 BGB an sich hierzu verpflichteten Störer Ersatz der zur Störungsbeseitigung erforderlichen Aufwendungen oder macht er einen Anspruch nach Bereicherungsrecht geltend, hat der Störer keinen Einfluss darauf, welche konkreten Maßnahmen zur Gefahrenabwehr getroffen werden. Vielmehr obliegt die Wahl einer geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahme dann dem Eigentümer bzw. Gläubiger.
Gleiches muss gelten, wenn der Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung ernsthaft und endgültig verweigert und damit zugleich deutlich macht, dass er sein Wahlrecht nicht ausüben will und wird. So liegt es hier. Die Beklagte hat wiederholt schriftsätzlich und auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zum Ausdruck gebracht, dass sie sich zu einer Abwehr der behaupteten drohenden Beeinträchtigung nicht verpflichtet sieht. In einer solchen Situation kommt der aus § 267 BGB folgende, für alle Schuldverhältnisse geltende Grundsatz zum Tragen, nach dem dann, wenn der Schuldner nicht in Person zu leisten hat, ein Dritter für ihn leisten kann. Dieser Grundsatz gilt auch hier, da die Pflicht zur Beseitigung der (drohenden) Eigentumsbeeinträchtigung keine persönliche Leistungspflicht des Störers ist (arg. ex § 910 Abs. 1 BGB; vgl. BGH, Urteil vom 28.11. 2003 – V ZR 99/03, Rn. 15). Das Recht zur Wahl einer geeigneten Störungsbeseitigungsmaßnahme steht mithin in einem solchen Fall dem leistenden Dritten zu.
ff)
Schließlich hindert der Umstand, dass er in Peru lebt, den Kläger nicht daran, einen Anspruch gegen die Beklagte aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB geltend zu machen. Der Bundesgerichtshof verlangt keine gegenwärtige rechtliche Beziehung des Anspruchsgegners zur Beeinträchtigung oder zu der Quelle der fortdauernden Eigentumsstörung (BGH, Urteil 22.03.1966 – V ZR 126, 63, Rn. 12 ff.; BGH, Urteil vom 04.02.2005 – V ZR 142/04, Rn. 5 f.; BGH, Urteil vom 01.12.1995 – V ZR 4/94, Rn. 10 ff.). Auch spielt die Entfernung zwischen Störungsquelle und beeinträchtigtem Eigentum keine Rolle; Nachbarschaft ist – sowohl nach ihrem Wortlaut als auch nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift – keine Voraussetzung. § 1004 BGB soll neben § 985 BGB den Eigentümer umfassend schützen, und zwar sowohl hinsichtlich beweglicher wie unbeweglicher Sachen. Allerdings können sich aus dem bundesgesetzlichen Nachbarrecht Duldungspflichten ergeben (vgl. Münchener Kommentar/Raff, a.a.O., § 1004, Rn. 1 ff.; Erman/Ebbing, a.a.O., § 1004, Rn. 1 ff.).
c)
Der Kläger hat die Voraussetzungen der vorbezeichneten Anspruchsgrundlage schlüssig dargetan. Denn nach seinem Vortrag liegt eine drohende Beeinträchtigung seines Grundstücks vor, für die die CO2-Emissionen des Konzerns der Beklagten mitursächlich sind und die er nicht dulden muss. Diesem Anspruch stehen weder eine überwiegende Mitverantwortung des Klägers nach § 254 BGB analog noch der Einwand der Verjährung entgegen.
Ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs ist bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine unmittelbare Kenntnis von den Vorgängen hat. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen. Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28.01.2020 – VIII ZR 57/19, Rn. 7, m.w.N.).
Nach dieser Maßgabe ist die Anspruchsbegründung des Klägers schlüssig.
aa)
Der Kläger hat sein (Mit-)Eigentum an dem in der H.-straße, (..), Nueva Florida, Huaraz, gelegenen Grundstück schlüssig dargelegt und – obwohl erstinstanzlich unstreitig – durch Vorlage eines Grundbucheintrags (Anl. K 2, Bl. 44 d.A.) belegt. Nach § 1011 BGB kann jeder Miteigentümer die Ansprüche aus dem Eigentum Dritten gegenüber bezüglich der ganzen Sache geltend machen (vgl. Grüneberg/Herrler, a.a.O., § 1011, Rn. 2).
Die Beklagte zieht nunmehr in der Berufungsinstanz den Fortbestand des klägerischen Eigentums in Zweifel und begründet dies damit, dass mittlerweile nicht mehr der Kläger, sondern offenbar sein Sohn N. das Hausgrundstück bewohne (vgl. Bl. 3203, 3471 d.A.). Dieser Umstand ist jedoch nicht geeignet, die Überzeugung des Senats vom Miteigentum des Klägers an dem streitgegenständlichen Hausgrundstück zu erschüttern, geschweige denn das vom Kläger mit Rechtshängigkeit seiner Klage nachgewiesene Miteigentum zu widerlegen. Denn hierfür fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten. Wegen des vom Kläger geführten Nachweises seines Grundeigentums und der daran anknüpfenden allgemeinen Rechtsfortdauervermutung müsste die Beklagte den Verlust desselben darlegen und beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.1994 – II ZR 4/94, Rn. 16). Dem genügt ihr Vortrag nicht.
bb)
Die vom Kläger behauptete akute Gefahr einer Überschwemmung seines Hausgrundstückes im Falle einer von der Laguna Palcacocha ausgehenden Flutwelle stellt eine (drohende) Eigentumsbeeinträchtigung i.S.v. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB dar.
Beeinträchtigung im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB ist jeder dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende, nach Dauer und Intensität nicht nur ganz unerhebliche Eingriff in die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht des Eigentümers (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.2013 – V ZR 14/12, Rn. 14; Grüneberg/Herrler, a.a.O., § 1004, Rn. 6).
Eine erstmals ernsthaft drohende Beeinträchtigung, wie sie für einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch im Sinne von § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB gefordert wird, liegt vor, wenn objektiv betrachtet der Schadenseintritt konkret, in absehbarer Zeit (alsbald) und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Der Unterlassungsanspruch entsteht daher erst in dem Augenblick, in dem sich objektiv eine die Beeinträchtigung ermöglichende konkrete Gefahrenquelle gebildet hat, auf Grund derer ein Einschreiten geboten ist (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.2009 – V ZR 75/08, Rn. 12; BGH, Urteil vom 30.05.2003 – V ZR 37/02, Rn. 14; Staudinger/Thole, a.a.O., § 1004, Rn. 464 f.; BeckOGK/Spohnheimer, a.a.O., § 1004, Rn. 271).
Der Kläger trägt im vorliegenden Fall schlüssig eine derartige drohende Eigentumsbeeinträchtigung vor. Er behauptet, dass mit einer Überflutung seines Grundstücks jederzeit zu rechnen sei, und bezieht sich hierzu auf ein Gutachten des S. (Privatdozent für Physische Geografie, Universität Graz) vom 20.09.2016 (Anl. K 37), nach dem eine von der Laguna Palcacocha ausgehende, derzeit als hoch zu bezeichnende Flutgefahr bestehe. Durch diese Flut werde – abhängig von der Stärke der Flutwelle – auch sein Hausgrundstück bedroht. S. nimmt in seinem Gutachten (vgl. dort S. 9) wiederum Bezug auf eine Studie von Somos-Valenzuela et al. (2014; vgl. Anl. K 9 zur Klageschrift (CD), Bl. 50 d.A.). Die zur Akte gereichten Gutachten sind als qualifizierter Parteivortrag zu bewerten.
Da die Beklagte ihrerseits – ebenfalls im Wege des qualifizierten Parteivortrages – unter Bezugnahme auf ein von ihr beauftragtes Gutachten der Professoren V. et al. (RWTH Aachen, Anl. B 61) und einer Stellungnahme des Glaziologen U. aus März 2019 (Bl. 1774 ff. d.A.) bestreitet, dass von der Lagune in absehbarer Zeit eine ernsthaft drohende (Flut-)Gefahr ausgehe und dass von einer etwaigen Flut auch das Grundstück des Klägers betroffen wäre, war der Senat gehalten, zu diesem Punkt Beweis zu erheben.
cc)
Ausgehend vom Klägervortrag ist die Beklagte Handlungsstörerin. Die behauptete drohende Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks ist durch die von ihr bzw. ihren Konzerntöchtern freigesetzten CO2-Emissionen adäquat kausal (mit-)verursacht worden und ihr auch zuzurechnen.
Störer im Sinne von § 1004 Abs. 1 BGB ist insbesondere, wer die eingetretene oder drohende Beeinträchtigung fremden Eigentums durch sein Handeln oder pflichtwidriges Unterlassen adäquat verursacht hat, darüber hinaus jeder, durch dessen maßgebenden Willen der eigentumsbeeinträchtigende Zustand aufrechterhalten wird. Letztlich kommt es auf eine wertende Betrachtung im Einzelfall an (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 07.07.1995 – V ZR 213/94, Rn. 7 f.; Staudinger/Thole, a.a.O., § 1004, Rn. 19, 254 ff.; Münchener Kommentar/Raff, a.a.O., § 1004, Rn. 151 ff.; Grüneberg/Herrler, a.a.O., § 1004, Rn. 15 ff.).
Maßgeblich für die Feststellung des erforderlichen Ursachenzusammenhangs im Rahmen von § 1004 Abs. 1 BGB ist nicht die Kausalität im naturwissenschaftlichen Sinn, sondern die rechtliche Kausalität.
Nach der Äquivalenztheorie ist jede Bedingung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele („conditio sine qua non“-Formel, vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2016 – VIII ZR 49/16, Rn. 17, m.w.N.; BGH, Urteil vom 19.10.2016 – Az. IV ZR 521/14, Rn. 14). Dies ist nach der Adäquanztheorie dahingehend einzuschränken, dass das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung eines Erfolges der eingetretenen Art geeignet sein muss (BGH, Urteil vom 19.10.2016 – Az. IV ZR 521/14, Rn. 15, m.w.N.). Je nach Konstellation werden von Rechtsprechung und Literatur weitere Zurechnungsvoraussetzungen – etwa besondere Sachgründe und/oder Pflichtwidrigkeiten – verlangt.
Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Beklagte Handlungsstörerin i.S.d. § 1004 Abs. 1 BGB.
(1)
Der Störereigenschaft der Beklagten steht nicht entgegen, dass die emittierenden Anlagen in den letzten Jahrzehnten nicht von ihr selbst, sondern von ihren Tochterunternehmen betrieben worden sind. Die Emissionen der Tochtergesellschaften sind der Beklagten wie eigene zuzurechnen, da sie den Konzern i.S.d. § 18 Abs. 1 AktG leitet und beherrscht.
(a)
§ 18 Abs. 1 AktG bestimmt, dass ein herrschendes und ein oder mehrere abhängige Unternehmen, die unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst sind, einen Konzern bilden. Unternehmen, zwischen denen ein Beherrschungsvertrag (§ 291 AktG) besteht oder von denen das eine in das andere eingegliedert ist (§ 319 AktG), sind als unter einheitlicher Leitung zusammengefasst anzusehen.
Während § 76 Abs. 1 AktG bestimmt, dass der Vorstand die Gesellschaft unter eigener Verantwortung zu leiten hat, und damit die Führung des einzelnen Unternehmens betrifft, die (jenseits von Vertragskonzernen) unverändert dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft zusteht, geht § 18 Abs. 1 AktG von einem anderen Leitungsbegriff aus. Einheitliche Leitung i.S.d. § 18 AktG bedeutet dabei die Abstimmung und das Treffen von Entscheidungen auf der unternehmerisch-planerischen (strategischen) Ebene, die für das gesamte Unternehmen von tragender Bedeutung sind (vgl. BeckOGK/Schall, Stand 01.10.2024, AktG, § 18, Rn. 9 ff.).
§ 291 Abs. 1 AktG legt fest, dass eine AG oder KGaA die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen Unternehmen unterstellen kann (Beherrschungsvertrag). § 308 AktG bestimmt, welche Leitungsmacht ein solcher Vertrag dem herrschenden Unternehmen einräumt. So gibt § 308 Abs. 1 S. 1 AktG dem herrschenden Unternehmen das Recht, dem Vorstand der beherrschten Gesellschaft Weisungen zu erteilen. Weisung in diesem Sinn ist dabei jede Willensäußerung des herrschenden Unternehmens, die auf Bewirkung eines bestimmten Verhaltens des Vorstands der Untergesellschaft gerichtet ist. Das Weisungsrecht umfasst den gesamten Bereich, in dem der Vorstand die (beherrschte) Gesellschaft nach § 76 Abs. 1 AktG zu leiten hat. Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass das herrschende Unternehmen nach § 308 Abs. 1 S. 2 AktG auch Weisungen erteilen kann, die für die beherrschte Gesellschaft nachteilig sind. Hierdurch erfährt der Vertragszweck seine organisatorische Ausprägung und wird deutlich, dass das herrschende Unternehmen die abhängige Gesellschaft in seinen Unternehmensverbund wirtschaftlich integrieren kann und darf. Voraussetzung ist lediglich, dass nachteilige Weisungen den Belangen des herrschenden Unternehmens oder der mit ihm und der Gesellschaft konzernverbundenen Unternehmen dienen, § 308 Abs. 1 S. 2 AktG (BeckOGK/Veil/Walla, Stand 01.02.2025, AktG, § 308, Rn. 2 ff.).
(b)
Die Beklagte ist das den Y.-Konzern beherrschende Unternehmen; sie leitet den Konzern, dem auch die die Kraftwerke betreibenden Tochterunternehmen angehören. Ihr Weisungsrecht nach § 308 Abs. 1 AktG erstreckt sich mithin auf alle Leitungsangelegenheiten der beherrschten Tochtergesellschaften; im Umkehrschluss sind ihr daher die Leitentscheidungen der Töchter zuzurechnen.
Das Bestehen von Beherrschungsverträgen i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG ist im vorliegenden Fall unstreitig. Der Kläger hat in seiner Klageschrift detailliert und unter Bezugnahme auf den Handelsregisterauszug des Amtsgerichts Essen HRB N03 (Anl. K 21) vorgetragen, dass die Beklagte Konzernmutter einer Vielzahl von Kapitalgesellschaften sei, die insbesondere auf dem Geschäftsfeld der Erzeugung und Beschaffung von Energie tätig seien und die emittierenden Anlagen betrieben. Die Beklagte leite die Tochterunternehmen; Errichtung und Betrieb der Kraftwerke seien Gegenstand von Leitentscheidungen der beklagten Konzernmutter. In diesem Zusammenhang hat der Kläger die einzelnen Kraftwerke benannt und zu den Beteiligungsstrukturen – im Ergebnis liegen die Beteiligungsanteile an allen Werken zu 100% bei der Beklagten – vorgetragen (Bl. 21 ff. d.A., Anl. K 25 und 26). Zudem verweist er unwidersprochen auf Formulierungen der Beklagten in einer Erklärung zum Klimaschutz aus dem Jahre 2000, in welcher sie eine diesbezügliche Verantwortung für den Gesamtkonzern übernimmt (Bl. 18 f. d.A., Anl. K 23).
Diesem Vortrag ist die Beklagte in erster Instanz nicht entgegengetreten. Sie hat lediglich darauf verwiesen, dass sie „schon nicht Betreiber“ der emittierenden Anlagen sei (Bl. 178 d.A.); dies hat der Kläger indessen auch nicht behauptet.
Bei dieser Sachlage hat und hatte die Beklagte als herrschendes Unternehmen es in der Hand, die Unternehmenspolitik nach ihrem Willen zu steuern, indem sie Weisungen erteilte. Sie wusste, weiß und billigt als Konzernmutter nicht nur, dass die von ihr beherrschten Tochterunternehmen Energie aus fossilen Brennstoffen erzeugen und dabei große Mengen CO2 emittieren, vielmehr hat sie ihre Töchter durch ihre unternehmerischen Leitentscheidungen dazu veranlasst. Hat sie derartige ausdrückliche Weisungen unterlassen, so hat sie damit zumindest konkludent ihr Einverständnis mit den Leitentscheidungen ihrer Töchter erteilt. Es kann deshalb dahinstehen, ob sie ihren Tochterunternehmen im Zusammenhang mit der Frage, ob und inwieweit zur Stromgewinnung fossile Energieträger eingesetzt werden sollten, tatsächlich Weisungen erteilt hat oder ob sie entsprechende Weisungen unterlassen hat.
(c)
Der Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz ist nicht geeignet, um ihre Passivlegitimation in Zweifel zu ziehen.
Auch in zweiter Instanz bestreitet die Beklagte nicht ausdrücklich, dass Errichtung und Betrieb der emittierenden Kraftwerke auf ihre unternehmerischen Leitentscheidungen zurückzuführen sind. Gleichwohl stellt sie nunmehr ihre Passivlegitimation in Frage, indem sie die Auffassung vertritt, sie treffe keine Pflicht zur Anweisung ihrer Tochtergesellschaften, den genehmigten Kraftwerksbetrieb zu beschränken oder einzustellen. Eine allgemeine Haftung kraft Konzernverbundenheit sei dem deutschen Recht fremd; es gelte das Trennungsprinzip. Unter diesem Gesichtspunkt sei sie, die Beklagte, schon nicht passivlegitimiert (Bl. 747 f., 1011 f., 2484 ff. d.A.).
Sollte die Beklagte damit – erstmals in zweiter Instanz – behaupten wollen, sie habe nicht die (rechtliche) Möglichkeit gehabt, ihre Tochterunternehmen anzuweisen, Strom ohne die CO2-trächtige Verwertung fossiler Energieträger zu gewinnen, ist ihr Vortrag schon nicht hinreichend substantiiert. Es obliegt nicht dem Kläger, zu den Beherrschungsverhältnissen und Weisungssträngen im Konzern der Beklagten im Einzelnen vorzutragen. Dazu ist er auch nicht in der Lage, weil er die internen Verhältnisse auf Seiten der Beklagten nicht kennt und nicht kennen kann. Da der Kläger in erster Instanz ebenso substantiiert wie unwidersprochen vorgetragen hat, dass die Beklagte und ihre Töchter einen Konzern im Sinne von § 18 AktG bilden, zwischen ihr und ihren Tochterunternehmen Beherrschungsverträge im Sinne von § 291 Abs. 1 AktG vorlägen und die Beklagte gem. § 308 AktG die strategisch unternehmerischen Leitentscheidungen – auch zur grundsätzlichen Art und Weise der Energieerzeugung – treffe, hätte es der Beklagten oblegen, diesem Vortrag ebenso substantiiert entgegenzutreten. Das hat sie jedoch nicht getan.
Selbst wenn der dargestellte zweitinstanzliche Vortrag der Beklagten als substantiiertes Bestreiten zu werten wäre, ist das Vorbringen jedenfalls nicht mehr zuzulassen. Es stellt dann ein neues Verteidigungsmittel im Sinne von § 531 Abs. 2 ZPO dar, mit dem die Beklagte ausgeschlossen ist; die Ausnahmetatbestände des § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 - 3 ZPO greifen nicht. Vielmehr hätte der nunmehr erfolgte Vortrag ohne weiteres bereits in erster Instanz erfolgen können und müssen; dass dies nicht geschehen ist, beruht auf einer Nachlässigkeit der Beklagten (§ 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO).
Schließlich greift ihr Vortrag auch in der Sache nicht durch. Das von der Beklagten zu ihrer Verteidigung bemühte sog. Trennungsprinzip steht ihrer Passivlegitimation nicht entgegen. Die Beherrschungsverträgen unterliegenden und in den Organisationsbereich der Beklagten eingegliederten Konzerntöchter sind als eine Art Verrichtungsgehilfinnen der Konzernmutter anzusehen (vgl. EuGH, Urteil vom 10.09.2009 – C-97/08 P, Rn. 58 ff.; BGH, Urteil vom 25.04.2012 – I ZR 105/10, Rn. 44 f.; Schall, ZGR 2018, 479 ff., 494, mit ausführlicher Darstellung des Meinungsstandes); der Konzernmutter ist ihr Verhalten mithin zuzurechnen.
(2)
Der sich damit auch auf die Emissionen der Tochtergesellschaften erstreckende Verursachungsbeitrag der Beklagten ist nach dem Klägervortrag äquivalent kausal für die behauptete drohende Grundstücksbeeinträchtigung.
Nach der Behauptung des Klägers kann der Verursachungsbeitrag bzw. Emissionsanteil der Beklagten nicht hinweggedacht werden, ohne dass die Beeinträchtigung seines Grundstücks durch die drohende Überflutungsgefahr in ihrer konkreten Form entfiele. Denn nach seinem Vortrag führt „jedes Grad der Erwärmung“ – gemeint ist jeder Bruchteil eines Grads – zu einem schnelleren und stärkeren Abschmelzen der Gletscher, die Wasser in die Laguna Palcacocha einleiten (vgl. Bl. 35 d.A.). Die heute vorliegende Gefährdung bzw. Störung seines Eigentums wäre ohne die Emissionen der Beklagten in einem rechtlich relevanten, d.h. nicht unwesentlichen Ausmaß geringer, die konkrete Bedrohung wäre also nicht dieselbe (vgl. Bl. 494, 588 f. d.A.).
Diese Behauptung als zutreffend unterstellt, wäre der Emissionsanteil der Beklagten äquivalent kausal für die behauptete Gefährdung des klägerischen Grundeigentums in ihrer konkreten Form. Denn die Beklagte hätte mit ihren Emissionen eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für den Schadenseintritt gesetzt (vgl. zur Differenzierung nach notwendigen und hinreichenden Bedingungen Staudinger/Kohler, Neubearbeitung 2017, A. Einleitung zum Umwelthaftungsrecht, Rn. 170 ff.; ähnlich: BeckOGK/Nitsch, Stand 01.12.2024, UmweltHG, § 1, Rn. 62 ff.). In einem solchen Fall kann der Verletzungserfolg nach der Äquivalenzformel zugerechnet werden – und zwar materiell-rechtlich ohne Rücksicht auf die Art der schadensstiftenden, oft zeitlich erheblich gestreckten Verkettung mit anderen Umständen –, ohne dass es dazu der Anwendung des § 830 Abs. 1 S. 2 BGB bedarf (sog. komplementäre Kausalität, vgl. Staudinger/Kohler, a.a.O., Rn. 172; vgl. zur Mitursächlichkeit auch BGH, Urteil vom 20.05.2014 – VI ZR 187/13, Rn. 20; BGH, Urteil vom 26.01.1999 – VI ZR 374/97, Rn. 7; BGH, Urteil vom 27.06.2000 – VI ZR 201/99, Rn. 20; OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.06.1998 – 22 U 111/97, Rn. 10).
(3)
Nach dem Vortrag des Klägers sind die CO2-Emissionen der Beklagten und ihrer Tochterunternehmen, jedenfalls soweit sie nach 1965 ausgestoßen wurden, auch adäquat kausal für die konkrete Gefährdung seines Eigentums.
(a)
Ein adäquater Ursachenzusammenhang besteht dann, wenn eine Tatsache im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu lassenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg dieser Art herbeizuführen (st. Rspr., vgl. etwa BGH, Urteil vom 10.07.1975 – III ZR 28/73, Rn. 23; BGH, Urteil vom 14. 10.1971 – VII ZR 313/69, Rn. 30). Das Kriterium der Adäquanz dient im Rahmen der Feststellung des Zurechnungszusammenhangs dem Zweck, diejenigen Kausalverläufe auszugrenzen, die derart außerhalb aller Erfahrung liegen, dass sie dem Schädiger „billigerweise“ nicht mehr zugerechnet werden können (BGH, Urteil vom 17.10.1955 – III ZR 84/54, Rn. 9).
Bei der Ermittlung der Adäquanz ist auf eine nachträgliche Prognose abzustellen, bei der neben den dem Schädiger bekannten Umständen alle einem optimalen Betrachter in der Position des Schädigers zur Zeit des Eintritts des Schadensereignisses bzw. der den Schaden auslösenden Handlung/Unterlassung erkennbaren Gegebenheiten zu berücksichtigen sind. Der festgestellte Sachverhalt ist also unter Heranziehung des gesamten zur Verfügung stehenden menschlichen Erfahrungswissens darauf zu prüfen, ob er den Eintritt des Schadens in erheblicher Weise begünstigt, mithin das Risiko seines Eintritts in erheblicher Weise erhöht hat (vgl. zum Ganzen: BGH, Urteil vom 23.10.1951 – I ZR 31/51, Rn. 8 ff.; BGH, Urteil vom 15.10.1971 – I ZR 27/70, Rn. 20; BGH, Urteil vom 07.04.2000 – V ZR 39/99, Rn. 10; BGH, Urteil vom 03.03.2016 – I ZR 110/15, Rn. 34; BGH, Urteil vom 05.07.2019 – V ZR 96/18, Rn. 25; Grüneberg/Grüneberg, a.a.O., vor § 249, Rn. 26 ff.; Münchener Kommentar/Oetker, 9. Aufl. 2022, BGB, § 249, Rn. 109 ff.; BeckOGK/Brandt, Stand 01.03.2022, BGB, § 249, Rn. 238 ff.).
Aus dem Kontext der oben zitierten BGH-Entscheidungen zur Adäquanz ergibt sich, dass mit dem „Schadensereignis“ – auf das nach diesen Entscheidungen abzustellen ist – die schädigende Handlung oder Unterlassung gemeint ist, also schon die von dem Störer gesetzte Ursache, nicht erst der Schadenserfolg. Zwar trifft der Zeitpunkt der schädigenden Handlung häufig mit dem Eintritt des Schadensereignisses zusammen oder beide Zeitpunkte liegen nahe beieinander. Dies ist allerdings nicht zwingend, wie der vorliegende Fall zeigt. Hier liegen viele Jahrzehnte zwischen dem Beginn der behaupteten Schädigungshandlung der (ersten) Freisetzung von CO2-Emissionen – und dem Eintritt der Störung – der drohenden Überflutung der Lagune –. Jedenfalls in einem solchen Fall darf hinsichtlich der Voraussehbarkeit nicht erst auf den Erfolgseintritt, also den Zeitpunkt des Schadensereignisses, abgestellt werden. Das Abstellen auf die Erkenntnismöglichkeiten eines optimalen Betrachters ergibt nämlich nur Sinn, wenn es bei einem erheblichen Auseinanderfallen von schädigender Handlung und Schadenseintritt auf den Zeitpunkt der Vornahme der Handlung, also auf den ex-ante-Standpunkt des Schädigers, ankommt. Ansonsten müsste eine adäquat kausale Zurechnung auch dann bejaht werden, wenn sich die Handlung des vermeintlichen Störers erst 100 Jahre später als schädlich herausstellt, während bei ihrer Vornahme keinerlei Anhaltspunkte für eine Schädlichkeit vorlagen (vgl. Münchener Kommentar/Oetker, a.a.O., § 249, Rn. 111; BeckOGK/Brand, a.a.O., § 249, Rn. 239).
(b)
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die adäquate Kausalität des Verursachungsbeitrages der Beklagten zu bejahen, da ein optimaler Betrachter in der Rolle der Beklagten schon seit Mitte der 1960er Jahre erkennen konnte, dass ein deutlich gesteigerter industrieller CO2-Ausstoß zur Klimaerwärmung und zu den klägerseits behaupteten Folgen führen würde. Der Verursachungsbeitrag der Beklagten stellt sich auch als erheblich dar.
(aa)
Aufgrund allgemeinkundiger Tatsachen (§ 291 ZPO) steht zur Überzeugung des Senats fest, dass für einen optimalen Betrachter in der Rolle eines Energieproduzenten bereits Mitte der 1960er Jahre vorhersehbar war, dass die anthropogenen Treibhausgasemissionen zu einer globalen Erwärmung und den damit einhergehenden Folgeerscheinungen führen würden.
Nach den wissenschaftlichen Messungen und Auswertungen des Klimaforschers Charles D. Keeling, auf dessen Datensammlung – die sog. „Keeling-Kurve“ – sich der Kläger beruft (Bl. 2553 f. d.A.), wurden bereits im Jahr 1958 direkte Belege für die Annahme einer stetig steigenden CO2-Konzentration und einer damit verbundenen Erwärmung gefunden. Keeling stellte nach Auswertung seiner Messungen fest, dass die Verbrennung fossiler Energieträger durch die Menschheit und die daraus resultierende CO2-Freisetzung sowie stetig steigende Konzentration von CO2 zu einer globalen Erwärmung mit ungewünschten Folgen wie dem Schmelzen der Eiskappen, einem Anstieg des Meeresspiegels, einer Erwärmung des Meerwassers etc. beitragen (vgl. Roger Revelle, Wallace Broecker, C.D. Keeling, Harmon Craig u. J. Smagorinsky, „Atmosphärisches Kohlendioxid“, Anhang Y4 zum Bericht des Environmental Pollution Panel, Wissenschaftlicher Beratungsausschuss des Präsidenten, Wiederherstellung der Umweltqualität, Das Weiße Haus, November 1965, S. 111 ff./ President’s Science Advisory Committee, Restoring the Quality of Our Environment, Washington D. C. 1965). Die Deutsche Physikalische Gesellschaft sprach Anfang der 1970er Jahre hinsichtlich der Einwirkung menschlicher Tätigkeit auf das Klima und ihrer (negativen) Folgen – eine ungehinderte Industrialisierung und weiteres Bevölkerungswachstum vorausgesetzt – von „unvermeidlich irreversiblen Folgen globalen Ausmaßes“ (Deutsche Physikalische Gesellschaft, Machen Menschen das Wetter? Presseinformation zur 36. Physikertagung in Essen vom 27.9. bis 2.10.1971, Hanau 1971).
Unter Zugrundelegung dieses wissenschaftlichen Meinungsstandes hätte die Beklagte erkennen können, dass die bei der Kohleverstromung als „Abfallprodukt“ entstehenden CO2-Emissionen nicht nur durch die Verkettung besonders außergewöhnlicher Umstände, sondern aufgrund gewöhnlicher physikalischer Prozesse geeignet waren und sind, infolge des atmosphärischen Treibhausgaseffektes zu einem Schmelzen der Gletscher beizutragen. Diese Erkenntnis hätte der Beklagten als Energieproduzentin kein übersteigertes naturwissenschaftliches Fachwissen abverlangt (so auch Kling, Kritische Justiz 2018, 213 ff., 219 f.; Schirmer, Nachhaltiges Privatrecht, 2023, § 6 Klimahaftung, S. 199; Kieninger, ZHR 2023, 348 ff., 3373 ff.). Fehlendes spezifisches Erfahrungswissen schließt die Erkennbarkeit von naturwissenschaftlichen Zusammenhängen ebenso wenig aus wie deren vermeintliche Vielschichtigkeit bzw. Komplexität. Ein produzierendes Unternehmen ist gehalten, laufend den Fortgang der Entwicklung von Wissenschaft und Technik auf dem einschlägigen Gebiet zu verfolgen. Dazu gehört bei Unternehmen von der Größe der Beklagten die Verfolgung der Ergebnisse wissenschaftlicher Kongresse und Fachveranstaltungen sowie die Auswertung des gesamten internationalen Fachschrifttums (vgl. BGH, Urteil vom 17.03.1981 – VI ZR 286/78, Rn. 34). Für einen optimalen Betrachter in der Rolle eines großen energieproduzierenden Unternehmens waren die Kausalzusammenhänge bei laufender Verfolgung des Fortgangs der Entwicklung von Wissenschaft und Technik auf dem Gebiet der Energieproduktion durch Verbrennung fossiler Rohstoffe mithin schon Mitte der 1960er Jahre erkennbar.
Unbeschadet dieser Ausführungen wäre auch dann, wenn – mit der Beklagten (Bl. 176, 2479 d.A.) – erst ab Mitte der 1980er Jahre oder sogar erst mit der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen im Jahr 1992 von einer objektiven Erkennbarkeit der hier in Rede stehenden Kausalkette ausgegangen würde, die Voraussehbarkeit des konkret behaupteten Kausalverlaufs als Voraussetzung eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB schlüssig dargetan. Eine Haftung der Beklagten käme dann im Hinblick auf den ab diesem Zeitpunkt emittierten CO2-Ausstoß in Betracht.
(bb)
Ohne Erfolg beruft die Beklagte sich darauf, dass ein adäquater Zurechnungszusammenhang jedenfalls deshalb zu verneinen sei, weil sie die behauptete konkrete Gefährdung des klägerischen Grundstücks durch ihre Emissionen nicht in erheblicher Weise begünstigt bzw. herbeigeführt habe (vgl. Bl. 2479 d.A.). Insbesondere bei einer vergleichenden Betrachtung lässt sich dem Verursachungsbeitrag der Beklagten die Erheblichkeit nicht absprechen.
Die Frage der Adäquanz zwischen Bedingung und Erfolg kann nicht rein logisch abstrakt nach dem Zahlenverhältnis der Häufigkeit des Eintritts eines derartigen Erfolgs beantwortet werden, sondern es müssen mit einer wertenden Beurteilung aus der Vielzahl der Bedingungen diejenigen ausgeschieden werden, die bei vernünftiger Beurteilung der Dinge nicht mehr als haftungsbegründende Umstände betrachtet werden können (BGH, Urteil vom 17.10.1955 – III ZR 84/54, Rn. 9, m.w.N.). Mit dieser Maßgabe hat der Bundesgerichtshof einen adäquaten Ursachenzusammenhang zwischen der Impfung einer Person und ihrem Tod trotz einer diesbezüglichen äußerst geringen Wahrscheinlichkeit von nicht einmal 0,01 % bejaht (vgl. BGH, a.a.O.; Grüneberg/Grüneberg, a.a.O., Vorb v § 249, Rn. 27). Bei multikausalen Haftungsszenarien hat immer auch eine vergleichende Betrachtung zu erfolgen. Nicht die bloße Höhe des Verursachungsbeitrages als solche – z.B. 5 % oder 10 % – ist der Maßstab für die Erheblichkeit, sondern die Höhe in Relation zu anderen Verursachungsbeiträgen (vgl. Schirmer, Nachhaltiges Privatrecht, 2023, § 6 Klimahaftung, S. 197; Kieninger, ZHR 2023, 348 ff., 368 f.). Durch Gegenüberstellung unterschiedlicher Kausalbeiträge ist mithin herauszufiltern, welcher Kausalbeitrag das Risiko erheblich erhöht hat, welcher also gegenüber anderen ins Gewicht fällt und welcher nicht (vgl. BGH, Urteil vom 19.11.1971 – V ZR 100/69, Rn. 37; OLG Hamm, Urteil vom 07.12.2001 – 9 U 127/00, Rn. 15).
Ausgehend von diesen Grundsätzen ist im Streitfall nicht von einer nur unerheblichen Erhöhung des Schadenseintrittsrisikos auszugehen. Nach dem Klägervortrag ist der weitaus überwiegende Teil der Klimaerwärmung, nämlich 95 %, auf anthropogene Einflüsse zurückzuführen; hieran soll die Beklagte mit einem Anteil von ca. 0,38 % aller industriellen CO2-Emissionen beteiligt sein. Der Anteil der industriellen CO2-Emissionen an allen CO2-Emissionen weltweit liegt nach allgemein zugänglichen Quellen bei mindestens 60 %. Die „Heede-Studie“ (Anl. K24), auf die sich der Kläger beruft (Bl. 313 d.A.), geht sogar von etwa 63 % aus (so auch Schirmer, Nachhaltiges Privatrecht, 2023, § 6 Klimahaftung, S. 129, ebenfalls unter Verweis auf den Klimawissenschaftler Richard Heede). Wird letzteres zugrunde gelegt, macht nach der Behauptung des Klägers der Anteil der Beklagten an allen CO2-Emissionen weltweit knapp 0,24 % aus.
Bei vergleichender Betrachtung erscheinen weder der (behauptete) Anteil der Beklagten von 0,38 % an den industriellen CO2-Emissionen noch ihr Anteil von knapp 0,24 % an allen CO2-Emissionen weltweit gering. Nach der Darstellung des Klägers bewegen sich sämtliche Verursachungsanteile der weltweit größten Emittenten bei jeweils weniger als 3,6 % der Gesamtemissionen. In der Aufstellung der 81 weltweit größten CO2-Emittenten (Table 12 der „Heede-Studie“, Anl. K 24 zur Klageschrift (CD), Bl. 50 d.A.), auf die der Kläger Bezug nimmt, belegt die Beklagte Platz 23. Unter diesem Blickwinkel ist ein Anteil von 0,38 % an allen industriellen CO2-Emissionen weltweit kein Umstand, der nur unter besonders eigenartigen, ganz unwahrscheinlichen und nach dem regelmäßigen Verlauf außer Betracht zu lassenden Umständen zur Herbeiführung des Erfolges – der Klimaerwärmung und seiner behaupteten weiteren Folgen – geeignet ist. Der Anteil der Beklagten beläuft sich immerhin auf ein gutes Zehntel des Verursachungsanteils des weltweit größten Einzelemittenten.
Auch unter Berücksichtigung der hohen absoluten Zahlen des jährlichen CO2-Ausstoßes der Beklagten lässt sich nicht von einer nur unerheblichen Erhöhung der in Rede stehenden Gefährdung sprechen (so auch Kling, Kritische Justiz 2018, 213 ff., 219 f.; Schirmer, Nachhaltiges Privatrecht, 2023, § 6 Klimahaftung, S. 197: Danach soll der auf Y. entfallende Beitrag zur globalen Erwärmung dem Niveau ganzer Industriestaaten wie Spanien oder Schweden entsprechen). Nach dem Geschäftsbericht der Beklagten wurden im Jahr 2013 knapp 166 Mio. Tonnen CO2 emittiert, im Jahr 2014 waren es noch mehr als 156 Mio. Tonnen (vgl. Geschäftsbericht Y. 2014, S. 114, Anl. K 25 zur Klageschrift (CD), Bl. 50 d.A.). Die Beklagte selbst bezeichnet sich als „Europas größter CO2-Einzelemittent“ (vgl. Y. Corporate Website, Anl. K 22 zur Klageschrift (CD), Bl. 50 d.A.).
Nach alledem ist die Erheblichkeit des Verursachungsanteils der Beklagten zu bejahen, wenn der – im Rahmen der Adäquanz relevante – Berechnungszeitraum entsprechend der vom Kläger in Bezug genommenen „Heede-Studie“ mit dem Jahr 1965 beginnt. Ob dies auch der Fall wäre, wenn die CO2-Emissionen der Beklagten erst ab Mitte der 1980er Jahre bzw. ab dem Jahr 1992 in den Blick zu nehmen wären, kann im Ergebnis dahinstehen.
(4)
Es bedarf im Streitfall – neben der äquivalenten und adäquaten Kausalität – keiner weiteren Zurechnungskriterien, um der Beklagten die Verantwortung für das Geschehen aufzuerlegen. Im Übrigen liegen auch Sachgründe vor, die ihre Qualifikation als Störerin rechtfertigen.
Um die Haftung nach § 1004 BGB nicht uferlos auszuweiten, kann allerdings sowohl einem mittelbaren Störer als auch einem Zustandsstörer die Verantwortung für das Geschehen nur bei Vorliegen entsprechender Sachgründe bzw. weiterer Zurechnungskriterien auferlegt werden (vgl. zum Ganzen: BGH, Urteil vom 05.07.2019 – V ZR 96/18, Rn. 25; zum mittelbaren Störer: BGH, Urteil vom 27.01.2006 – V ZR 26/05, Rn. 5; BGH, Urteil vom 14.11.2014 – V ZR 118/13, Rn. 15; zum Zustandsstörer: BGH, Urteil vom 14.11.2014 – V ZR 118/13, Rn. 14; BGH, Urteil vom 09.02.2018 – V ZR 311/16, Rn. 7; BGH, Urteil vom 20.09.2019 – V ZR 218/18, Rn. 8).
Diese Fallkonstellationen liegen hier aber nicht vor, da die Beklagte unmittelbare Handlungsstörerin ist.
(a)
Die Beklagte ist schon keine Zustandsstörerin, da die Grundstücke, auf denen sich die Laguna Palcacocha und die angrenzenden Gletscher befinden, unstreitig nicht in ihrem Eigentum stehen. Zu den Eigentums- und Besitzverhältnissen hinsichtlich der Grundstücke, auf denen die emittierenden Anlagen der Beklagten und ihrer Tochtergesellschaften stehen, hat der Kläger nicht im Einzelnen vorgetragen; vielmehr führt er die von ihm behauptete Beeinträchtigung auf ein Handeln der Beklagten bzw. ihrer Tochterunternehmen zurück.
(b)
Ebenso wenig ist die Beklagte nur mittelbare Handlungsstörerin.
Mittelbarer Handlungsstörer ist grundsätzlich derjenige, der die Beeinträchtigung durch Handlungen von Dritten in adäquater Weise durch seine Willensbetätigung verursacht (BGH, Urteil vom 09.02.2018 – V ZR 311/16, Rn. 7 ff., 12; BGH, Urteil vom 18.12.2015 – V ZR 55/15, Rn. 12; Münchener Kommentar/Raff, a.a.O., § 1004, Rn. 161).
Nach dem Vortrag des Klägers ist die drohende Beeinträchtigung indessen durch die Beklagte unmittelbar verursacht worden, und zwar sowohl im Hinblick auf das handelnde Rechtssubjekt als auch im Hinblick auf die Ausgestaltung der von ihr ausgelösten Kausalkette.
Auch wenn die Beklagte als Konzernmutter die CO2 emittierenden Kraftwerke nicht selbst betreibt, ist ihr das Handeln ihrer Tochtergesellschaften wie eigenes Handeln zuzurechnen. Wie bereits ausgeführt, bilden die Beklagte und ihre Tochterunternehmen einen Konzern im Sinne von § 18 AktG und es liegen Beherrschungsverträge im Sinne von § 291 Abs. 1 AktG vor. Die Beklagte trifft die strategischen unternehmerischen Entscheidungen im Sinne von § 308 Abs. 1 AktG und damit auch die Entscheidung, auf welche Weise ihre Töchter Energie produzieren. Die Konzerntöchter haben gegenüber der Beklagten als Mutter und herrschendem Unternehmen insoweit keinen oder einen nur sehr begrenzten Entschließungsspielraum, weshalb sie im Rahmen der Energiegewinnung als weisungsabhängige Gehilfinnen der Konzernmutter anzusehen sind (vgl. EuGH, Urteil vom 10.09.2009 – C-97/08 P, Rn. 58 ff.; BGH, Urteil vom 25.04.2012 – I ZR 105/10, Rn. 44 f.).
Im Hinblick auf die vom Kläger dargestellte physikalische Kausalkette liegt gleichfalls eine unmittelbare und nicht nur mittelbare Störung der Beklagten vor, da die durch ihre Handlung in Gang gesetzten Abläufe nahezu linear und nach naturwissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten erfolgen.
Die klägerseits behauptete Kausalkette verläuft folgendermaßen: Die von den Kraftwerken der Beklagten freigesetzten CO2-Emissionen steigen in die Atmosphäre auf und führen aufgrund physikalischer und chemischer Gesetze in der gesamten Erdatmosphäre zu einer höheren Dichte der Treibhausgase. Die Verdichtung der Treibhausgasmoleküle hat eine Verringerung der globalen Wärmeabstrahlung und einen Anstieg der globalen Temperatur zur Folge. Infolge des sich daraus ergebenden – auch lokalen – Anstiegs der Durchschnittstemperaturen vergrößert sich die Gefahr von Fels- und Eisabbrüchen und das Abschmelzen des Palcaraju-Gletschers beschleunigt sich; das Wasservolumen der Laguna Palcacocha steigt. Durch den gestiegenen Wasserspiegel der Lagune, ggf. in Zusammenwirken mit einem Eis- und Felssturzereignis, erhöht sich die Gefahr, dass das Wasser bzw. die durch ein Sturzereignis erzeugte Schwallwelle durch die talseitige Barriere nicht mehr gehalten werden kann. Es kommt zum Ausbruch des Gletschersees in Form eines Überströmens dieser Barriere oder infolge des Bruchs des Grundmoränenwalls und/oder der künstlichen Dämme, das Wasser strömt ins Tal und überschwemmt das Grundstück des Klägers.
Demnach verursacht die Beklagte die drohende Eigentumsbeeinträchtigung des Klägers unmittelbar durch eine eigene Handlung, auch wenn diese einen gestreckten Kausalverlauf in Gang setzt und schließlich in einem Naturereignis – nämlich dem Gletscherseeausbruch, der sog. GLOF – mündet. Dieses „finale“ Naturereignis findet jedoch nicht zufällig statt, sondern ist nach den Gesetzen der Atmosphärenphysik zu erwarten. Weil die Beklagte durch die Freisetzung von CO2-Emissionen in das Klima eingreift, vollziehen sich nach dem Vortrag des Klägers genau dort die einzelnen Akte der Kausalkette, und zwar nahezu linear, ohne Zufälligkeiten und physikalisch berechenbar. Ein Dritter greift nicht in diese Verursachungskette ein. Es bedarf auch nicht weiterer zufällig hinzutretender Prozesse und Wechselwirkungen. Der vorliegende Fall unterscheidet sich mithin maßgeblich von den Fällen, die die Beklagte für ihre Forderung nach weiteren Zurechnungsgründen anführt (vgl. BGH, Urteil vom 16.02.2001 – V ZR 422/99, Rn. 9 ff. „Mehltau“; BGH, Urteil vom 20.09.2019 – V ZR 218/18, Rn. 10 ff. „Birkenpollen“; BGH, Urteil vom 07.07.1995 – V ZR 213/94, Rn. 7 ff. „Wolläuse"). Anders als dort geht es hier nämlich nicht um von menschlicher Einwirkung weitgehend unabhängige, nahezu ausschließlich durch natürliche Ereignisse ausgelöste Störungen, die zudem oft nur zufällig stattfinden, also noch nicht einmal aufgrund natürlicher Gesetzmäßigkeiten zu erwarten sind.
Der Umstand, dass die Beklagte die Darstellung des Klägers bestreitet und die physikalischen Abläufe wesentlich komplexer und zufälliger darstellt, vermag nichts daran zu ändern, dass im Rahmen der Schlüssigkeitsprüfung die klägerische Darstellung zugrunde zu legen ist.
(c)
Selbst dann, wenn wegen der dargestellten Mehrgliedrigkeit der Kausalkette kein unmittelbarer, sondern lediglich ein mittelbarer Zusammenhang zwischen dem Handeln der Beklagten und der drohenden Beeinträchtigung angenommen würde, wären die von der Rechtsprechung geforderten Zurechnungskriterien erfüllt.
Wesentliche Zurechnungskriterien sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes u.a. die Veranlassung, die Gefahrenbeherrschung, die Vorteilsziehung oder das Bestehen einer Sicherungs- bzw. Handlungspflicht, z.B. bei einem technischen Defekt oder bei Störungen durch Mieter (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.1992 – V ZR 82/91, Rn. 41 f.; BGH, Urteil vom 18.12.2015 – V ZR 55/15, Rn. 22; BGH, Urteil vom 27.01.2006 – V ZR 26/05, Rn. 5; BGH, Urteil vom 01.04.2011 – V ZR 193/10, Rn. 12).
Hier liegen unter den Aspekten der Veranlassung, Gefahrenbeherrschung und Vorteilsziehung Sachgründe für eine Zurechnung vor. Die Beklagte als Mutterunternehmen des Y.-Konzerns hat die Emission von großen Mengen CO2 veranlasst, da die Errichtung und der Betrieb der Treibhausgase emittierenden Kraftwerke auf ihrem freien Willen und auf ihrer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung beruhte und beruht. Über ihre Leitentscheidungen beherrscht und kontrolliert sie die Tochterunternehmen, die die Kraftwerke betreiben; als Konzernmutter zieht sie wirtschaftlichen Nutzen aus der Kohleverstromung und dem damit zwangsläufig einhergehenden Freisetzen von vielen hundert Millionen Tonnen CO2 in die Atmosphäre. Anders als potentiell betroffene Grundstückseigentümer vermochte und vermag sie als großindustrielle Betreiberin von Kohlekraftwerken mit naturwissenschaftlicher und juristischer Expertise das Risiko der Rechtsgutverletzung (zumindest ein Stück weit) einzuschätzen und zu steuern (vgl. Anmerkung Salje zum Urteil des OLG Düsseldorf vom 19.06.1998 – 22 U 111/97, JZ 1999, 685 ff.). Insoweit trägt sie auch die Verantwortung für das von ihr eingegangene Risiko der Gefährdung von Rechtsgütern Dritter, wenn sich dieses Risiko tatsächlich realisiert.
(d)
Auf die Frage, ob das Handeln der Beklagten pflichtwidrig war und ist, kommt es im Rahmen der Zurechnung nicht an.
Das Merkmal der Pflichtwidrigkeit passt an dieser Stelle bereits aus systematischen Gründen nicht. Es ist dem Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) entliehen und soll grundsätzlich die Rechtswidrigkeit eines Unterlassens für den Fall begründen, dass der Schädiger gegen eine Rechtspflicht zum Handeln verstößt; Hauptanwendungsfälle sind Verkehrssicherungspflichten und Ingerenz, also die Haftung aus vorangegangenem gefährdendem Tun.
In einer Konstellation wie der vorliegenden bedarf es auch keines weiteren Zurechnungsmerkmals in Form der Pflichtwidrigkeit. Die Beeinträchtigung des Eigentums des Klägers droht nach seiner Darstellung nicht aufgrund einer Unterlassung der Beklagten, sondern aufgrund eines positiven Tuns. Die geschilderte Kausalkette erfolgt weder zufällig noch geht die vom Kläger befürchtete Eigentumsbeeinträchtigung ausschließlich auf Naturkräfte zurück.
Im Einzelnen:
Auslöser der hier zu besorgenden Störung soll ein (bewusstes) positives Tun der Beklagten – nämlich das Freisetzen von CO2 im Zuge ihrer Energiegewinnung – sein. In den Fällen jedoch, in denen eine ausreichende und zurechenbare Bedingung durch ein positives Tun geschaffen wurde – etwa durch Anlegung und Unterhaltung eines Gartenteiches oder die Anpflanzung von Bäumen – hat der Bundesgerichtshof das Vorliegen und die Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nicht geprüft (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.1992 – V ZR 82/91, Rn. 41 ff. „Froschlärm“; BGH, Urteil vom 07.03.1986 – V ZR 92/85, Rn. 14 ff. „Baumwurzeln“).
Im Falle eines positiven Tuns wird im Deliktsrecht im Rahmen der Rechtswidrigkeitsprüfung das Kriterium der Pflichtwidrigkeit neben dem Merkmal der Adäquanz bei gebotener wertender Betrachtung im Einzelfall allenfalls dann noch geprüft, wenn der Verletzungserfolg nicht im Rahmen eines gewöhnlichen Handlungsablaufs, sondern eher zufällig eintritt (BGH, Urteil vom 07.07.2020 – VI ZR 308/19, Rn. 11 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 25.06.1998 – 6 U 146/96, Rn. 12 ff.; Grüneberg/Sprau, a.a.O, § 823, Rn. 26). Dies ist nach dem Klägervortrag aber nicht der Fall. Die dargestellte Kausalkette nach dem Freisetzen der CO2-Emissionen durch die Beklagte ist kein ungewöhnlicher bzw. fernliegender, weil zufälliger und/oder durch das unerwartete Eingreifen von Dritten noch entscheidend beeinflusster Handlungsablauf, sondern naturwissenschaftlich berechenbar (s.o.).
Auf die Pflichtwidrigkeit kommt es auch nicht etwa deswegen an, weil die drohende Eigentumsbeeinträchtigung allein durch Naturereignisse ausgelöst worden sein könnte. Denn dies ist vorliegend nicht der Fall.
Zwar stellt der Bundesgerichtshof zur Begrenzung der Haftung nach § 1004 BGB in Fällen, in denen die Beeinträchtigung ausschließlich auf Naturkräfte zurückgeht, besondere Anforderungen, um den Beklagten als Störer ansehen zu können: Der bloße Umstand des Eigentums an dem Grundstück, von dem die Einwirkung ausgehe, reiche dazu nicht aus; die Beeinträchtigung müsse vielmehr wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgehen. Durch Naturereignisse ausgelöste Störungen seien dem Eigentümer eines Grundstücks nur dann zuzurechnen, wenn er sie durch eigene Handlungen ermöglicht habe oder wenn die Beeinträchtigung durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden sei (vgl. BGH, Urteil vom 07.07.1995 – V ZR 213/94, Rn. 7 „Wollläuse“; BGH, Urteil vom 12.02.1985 – VI ZR 193/83, Rn. 9 „Felssturz“). In ersterem Fall ist dabei für die Zurechnung grundsätzlich ausreichend, dass eine Bedingung geschaffen wurde, die die Störung ermöglicht bzw. begünstigt hat. Wurde dagegen eine Bedingung im Sinne eines positiven Tuns nicht gesetzt, stellt der Bundesgerichtshof darauf ab, ob sich aus der Art der Nutzung des Grundstücks, von dem die natürliche Störung (z.B. Laubabwurf, Nadelflug) ausgeht, eine Sicherungspflicht, also eine Pflicht zur Verhinderung möglicher Beeinträchtigungen, ergibt. Insoweit gelte für natürliche Immissionen nichts Anderes als für Immissionen aufgrund eines technischen Defekts. Ob eine solche Pflicht bestehe, sei jeweils anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Maßgebend seien hierbei vor allem die Konfliktlösungsregeln des öffentlichen und privaten Nachbarrechts sowie die Art der Nutzung der benachbarten Grundstücke und die vorbeugende Beherrschbarkeit der Störung. Dabei sei bei natürlichen Immissionen u.a. entscheidend, ob sich die Nutzung des störenden Grundstücks im Rahmen ordnungsgemäßer Bewirtschaftung halte (vgl. BGH, Urteil vom 14.11.2003 – V ZR 102/03, Rn. 24 m.w.N.; vgl. zu diesem Komplex auch BGH, Urteil vom 16.02.2001 – V ZR 422/99, Rn. 9 ff. „Mehltau“; BGH, Urteil vom 02.03.1984 – V ZR 54/83, Rn. 9).
Im vorliegenden Fall geht die nach dem Klägervortrag drohende Beeinträchtigung aber gerade nicht ausschließlich auf Naturkräfte zurück, sondern wird zunächst und maßgeblich durch menschliche Einflüsse verursacht, nämlich durch das Freisetzen erheblicher Mengen von CO2. Die Beklagte hat durch die Emissionen ihrer Tochterunternehmen erst die Bedingung geschaffen, die die Störung nach dem Klägervortrag ermöglicht bzw. begünstigt. Angesichts dieses positiven Tuns ist eine Pflichtwidrigkeit im Sinne eines Verstoßes gegen eine etwaige Sicherungspflicht zur Begründung einer Haftung nicht erforderlich.
(5)
Die Störereigenschaft der Beklagten ist nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger die Haftung für einen drohenden Summations-, Distanz- und Langzeit(folge)schaden begehrt.
Der Auffassung der Beklagten, derartige Summations-, Distanz- und Langzeit(folge)schäden seien nicht mit Mitteln des individuellen Haftungsrechts zu regeln, sondern Lösungen für den Klimawandel könnten ausschließlich auf der staatlichen und politischen Ebene gefunden und umgesetzt werden (vgl. Bl. 130, 163, 385 ff. d.A; ebenso: Wagner, Klimahaftung vor Gericht: Eine Fallstudie, S. 52; Ahrens, VersR 2019, 645 ff.; Keller/Kapoor, BB 2019, 707 ff.; Chatzinerantzis/Appel, NJW 2019, 881 ff.), tritt der Senat nicht bei.
(a)
Dem in diesem Zusammenhang von der Beklagtenseite als (Haupt-)Argument angeführten Urteil des Bundesgerichtshofs im sog. „Waldschadensfall“ (BGH, Urteil vom 10.12.1987 – III ZR 220/86) lässt sich ein solcher genereller Ausschluss zivilrechtlicher Haftung bei Summations-, Distanz- und Langzeitfolgeschäden nicht entnehmen.
Dem Fall liegt schon keine vergleichbare Sachverhaltskonstellation zugrunde. Der Eigentümer eines Forstes und landwirtschaftlichen Betriebs verklagte sowohl die Bundesrepublik Deutschland als auch das Bundesland Baden-Württemberg wegen der Schäden an seinem Wald und deshalb zurückgegangener forstwirtschaftlicher Erträge auf Schadensersatz. Die Schäden seien – so seine Argumentation – als Teil des in Deutschland weitflächig auftretenden Waldsterbens anzusehen. Das Waldsterben beruhe in erster Linie auf den großräumig wirkenden Luftverunreinigungen, vor allem in Gestalt von Schwefeldioxid und seinen "Umwandlungsprodukten" sowie Stickoxiden. Als Verursacher der Waldschäden kämen hauptsächlich Schadstoffe aus drei Bereichen in Betracht: Emissionen von gewerblichen und industriellen Anlagen, von privaten Feuerungsanlagen (Ölheizungen) und von Kraftfahrzeugen, Luftverkehrs- und Schienenfahrzeugen. Den Schaden hätten die Beklagten u. a. nach den Grundsätzen der Amtshaftung sowie des enteignungsgleichen oder des enteignenden Eingriffs zu ersetzen, weil sie die genannten Emissionen hoheitlich genehmigt, zugelassen oder erlaubt hätten. Die Vorinstanzen hatten die Klage abgewiesen; der BGH hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Der so skizzierte Fall ist mit dem hiesigen Fall nicht vergleichbar. Die einzige Gemeinsamkeit beider Fälle besteht darin, dass es jeweils im Ursprung um Emissionen von industriellen Anlagen geht. Es ging seinerzeit indessen nicht – wie hier – um eine ganz bestimmte Art von Emissionen, sondern um Luftverunreinigungen in verschiedener Form und Wirkungsweise. Die Waldschäden entstanden bzw. entstehen hauptsächlich durch den sog. „sauren Regen“, bei dem die schädlichen Abgase durch den Niederschlag als ätzendes Gemisch Pflanzen und Böden erreichen. Ferner wurde nicht – wie hier – ein einzelner Emittent wegen bestimmter Emissionen und deren konkret dargelegter Wirkung verklagt, sondern Bund und Land als Genehmigungsbehörden. Auch wurden Bund und Land nicht wegen einer bestimmten Genehmigung in Anspruch genommen, sondern ganz allgemein wegen der Genehmigung/Zulassung aller in Betracht kommenden emittierenden Anlagen, Straßen, Flughäfen etc.
Der BGH hat seinerzeit alle sich anbietenden Anspruchsgrundlagen für den begehrten Schadensersatz geprüft und deren Voraussetzungen verneint. § 1004 BGB wurde als Anspruchsgrundlage nicht thematisiert; breiten Raum nahm stattdessen die Prüfung von § 14 BImSchG ein. Der Schadensersatzanspruch nach § 14 S. 2 BImSchG wurde vom Bundesgerichtshof wegen der Unmöglichkeit einer Schadenszurechnung verneint. Es sei nicht möglich, den bei dem einzelnen Waldbesitzer eingetretenen Schaden einem oder mehreren bestimmten Emittenten individuell zuzurechnen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 13). Der Kausalitätsnachweis gelang schon deswegen nicht, weil es an einer konkret behaupteten Kausalkette fehlte, an deren Ausgang ein oder mehrere bestimmte Emittenten benannt wurden. Dies war der Problematik geschuldet, dass die geltend gemachten Waldschäden vor allem durch lokal auftretenden „sauren Regen“ verursacht wurden. Der Umstand, dass es maßgeblich von der Windrichtung abhing, in welcher Region die schädlichen Abgase in Form von Niederschlag auf Pflanzen und Böden einwirkten, erschwerte Darstellung und Nachweis einer konkreten Kausalkette in Bezug auf die letztlich schädlich wirkenden Abgasmoleküle erheblich.
Die Unmöglichkeit eines Kausalitätsnachweises im Waldschadensfall spricht aber nicht grundsätzlich gegen die Möglichkeit einer zivilrechtlichen Haftung für Umweltschäden. Im Gegenteil: Der Bundesgerichtshof hat die Waldschäden ausdrücklich dem Grunde nach für entschädigungswürdig und entschädigungsbedürftig gehalten (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 34).
Die Argumentation des BGH im Waldschadensfall lässt sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen (so auch Schirmer, Nachhaltiges Privatrecht, 2023, S. 184 ff.; Schirmer, JZ 2021, 1099 ff.; Frank, NVwZ 2017, 664 ff.; Kling, KJ 2018, 213 ff.). Anders als die beschriebenen Waldschäden werden Klimaschäden unabhängig davon verursacht, welchen Weg die einzelnen von konkreten Emittenten ausgestoßenen Treibhausgase nehmen, da es sich um ein globales Ereignis handelt. Nach dem Vortrag des Klägers vermischen sich alle CO2-Emissionen in der Atmosphäre ununterscheidbar, sodass alle Energieproduzenten Mitverursacher sind und nur die Höhe des jeweiligen Verursachungsbeitrages fraglich ist. Auch wenn eine Parallele zwischen den Waldschäden und den Klimaschäden darin gesehen werden mag, dass die Betroffenheit von Waldbesitzern und Klimageschädigten jeweils auch von nicht beeinflussbaren Faktoren wie der Windrichtung oder der geographischen Lage eines Gletschersees abhängt, berührt dies nicht die Frage des möglichen Kausalitätsnachweises. Weiter ist zu bedenken, dass die Entscheidung im Waldschadensfall aus dem Jahr 1987 stammt. Die bis heute weiterentwickelten technischen Möglichkeiten sowie die zwischenzeitlich gesammelten wissenschaftlichen Erkenntnisse führen dazu, dass der Kausalitätsnachweis im hiesigen Fall nicht ausgeschlossen ist.
Letztendlich lässt sich aus der Entscheidung des BGH im Waldschadensfall als grundsätzliche Folgerung nur ableiten, dass eine Ersatzhaftung des Staates für solche Fälle nicht in Betracht kommen dürfte, in denen der individuelle Kausalitätsnachweis nicht erbracht werden kann und private Emittenten deshalb nicht in Anspruch genommen werden können. Den Staat trifft nicht eine Art Garantiehaftung für die Realisierbarkeit von Schadensersatzansprüchen geschädigter Waldeigentümer gegen (namentlich nicht benannte) Betreiber emittierender Anlagen. Es gibt also keine Garantiehaftung der öffentlichen Hand für genehmigungsfest betriebene Anlagen (vgl. BGH, Urteil vom 10.12.1987 – III ZR 220/86, Rn. 17 ff.). Eine grundsätzliche zivilrechtliche Haftungsfreistellung der Anlagenbetreiber selbst für ihre Emissionen bzw. die Folgen dieser Emissionen formuliert der BGH in der zitierten Entscheidung gerade nicht.
(b)
Der Ausschluss einer zivilrechtlichen Haftung in einem Fall wie dem vorliegenden folgt auch nicht aus der Gesetzesbegründung zum UVPG und zum Umwelthaftungsgesetz. Die Argumentation der Beklagten, aus dem Ausschussbericht vom 28.06.2017 zur Umsetzung der Richtlinie 2014/52/EU (UVP-Änderungsrichtlinie) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.04.2014 lasse sich entnehmen, dass sich allgemeine Umweltbelastungen nicht mit dem individuellen Haftungsrecht regeln ließen, überzeugt nicht.
In dem Ausschussbericht heißt es u.a. (BT-Drs. 18/12994, S. 19 f.):
„Mit der Änderung wird der Wortlaut an die Formulierung des Anhangs IV Nummer 4 der geänderten UVP-Richtlinie angepasst. Die Regelung beschränkt sich auf die Beschreibung der möglicherweise erheblich beeinträchtigten Faktoren. Eine Berechnung der Auswirkungen eines einzelnen Projekts auf das Klima ist an dieser Stelle nicht gefordert und – siehe die Begründung unten zu bb) ccc) ohnehin nicht möglich.“
Zu bb) ccc):
„Einem einzelnen Projekt / Treibhausgasemittenten können spezifische Auswirkungen beim Klimawandel nicht zugerechnet werden. Sofern für die Zulassungsentscheidung relevant, sind im UVP-Bericht aber Art und Ausmaß der Treibhausgasemissionen zu nennen.“
Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist ein verwaltungsbehördliches Verfahren (§ 4 UVPG). Die konkret zitierte Passage befasst sich mit Angaben, die in dem UVP-Bericht enthalten sein müssen. Dieser dient der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Vorhabens. Der Umstand, dass der Gesetzgeber die Berechnung der Auswirkungen eines Projekts auf das Globalklima für den UVP-Bericht nicht für erforderlich und/oder möglich gehalten hat – so liest sich die oben zitierte Begründung –, befreit den Senat nicht davon, die hier beweisbedürftige Frage nach der tatsächlichen Zurechenbarkeit zu klären. Erst recht kann aus dieser Begründung nicht auf den Willen des Gesetzgebers geschlossen werden, eine zivilrechtliche Individualhaftung in Klimafragen sei generell nicht gewollt.
Sinngemäß gelten die obigen Ausführungen auch für die von Seiten der Beklagten (unter Bezugnahme auf Ahrens, VersR 2019, 645 ff., 653) angeführte Begründung des Regierungsentwurfs zum Umwelthaftungsgesetz. Wenn der Gesetzgeber hier überhaupt allgemeine Grundsätze aufgestellt haben sollte, hat er lediglich auf jene Beweisschwierigkeiten hingewiesen, die bereits im Zusammenhang mit dem sog. „Waldschadensfall“ erörtert worden sind (vgl. Schirmer, Nachhaltiges Privatrecht, 2023, S. 186, 266).
(c)
Ebenfalls ohne Erfolg beruft sich die Beklagte darauf, dass eine Instrumentalisierung der Justiz für die Durchsetzung umweltpolitischer Ziele und damit einhergehend ihre Überlastung durch die klageweise Durchsetzung von Individualansprüchen („Jeder gegen Jeden“) wegen Mitverursachung des Klimawandels zu besorgen sei.
Diese Argumentation ist bereits vom Ansatz her nicht zielführend, weil sie sich nicht auf eine rechtliche Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des § 1004 BGB bezieht, sondern eher politischer Natur ist.
Überdies überzeugt sie auch in der Sache nicht. Denn gerichtliche Auseinandersetzungen vor Zivil- und Verwaltungsgerichten sowie dem Bundesverfassungsgericht werden häufig (auch) zur Durchsetzung politischer Interessen geführt, was per se nicht unzulässig ist. Der ebenfalls als Argument angeführten „Totalhaftung“ eines jeden Emittenten und der (vermeintlichen) Klagewelle „Jeder gegen Jeden“ stehen schließlich der Filter der Adäquanz und dort das Merkmal der Erheblichkeit entgegen. Dies zeigt ein einfaches Rechenbeispiel, wenn die jährlichen CO2-Emissionen der Beklagten (laut Geschäftsbericht 2014: 164 Mio. t im Jahr 2013) zu dem durchschnittlichen jährlichen CO2-Ausstoß eines deutschen Bürgers – dieser liegt nach Angabe des Umweltbundesamtes bei 10,3 t (https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/wie-hoch-sind-die-treibhausgasemissionen-pro-person) – ins Verhältnis gesetzt wird. Danach erhält man einen Quotienten von 0,0000000628. Zudem zeigt gerade der vorliegende Rechtsstreit, wie besonders die Ausgangsvoraussetzungen in Fällen dieser Art gelagert sein müssen und wie zeitaufwändig und kostenintensiv das Führen eines solchen Verfahrens ist.
Insgesamt zielt die Argumentation der Beklagtenseite, Lösungen in diesem Konflikt könnten ausschließlich auf der staatlichen und politischen Ebene umgesetzt werden, darauf ab, Klagen (von Emissionsschäden) betroffener Eigentümer von vornherein abzuwehren, ohne in eine juristische Prüfung oder gar eine Beweiserhebung über die streitigen Tatsachen einsteigen zu müssen. Für einen derartigen Umgang mit dem vorliegenden Fall sieht der Senat keine gesetzliche Grundlage.
(6)
Durch den Umstand, dass die Beklagte nach Klägervortrag eine Emittentin in einer ganzen Reihe von industriellen CO2-Emittenten, mithin eine Störerin unter mehreren ist, ist der Kläger nicht gehindert, einzig und allein die Beklagte als Handlungsstörerin in Anspruch zu nehmen.
Dies gilt selbst dann, wenn neben der Haftung der Beklagten und weiterer CO2-Emittenten als Handlungsstörer eine Haftung des Eigentümers der Gletscherlagune aus § 1004 Abs. 1 BGB als Zustandsstörer in Betracht kommen sollte. Hierauf weist die Beklagte an verschiedenen Stellen hin: Die eigentliche Störung gehe nicht von dem Betrieb ihrer Kraftwerke, sondern von dem Gletschersee aus, weshalb den Eigentümer der Laguna Palcacocha eine Sicherungspflicht treffe.
Bei einer Mehrheit von Störern besteht der Anspruch indessen gegen jeden von ihnen. Auf Art und Umfang des Tatbeitrages oder auf das Interesse des einzelnen Beteiligten an der Verwirklichung der Störung kommt es bei der Auswahl des Störers zunächst nicht an; der Berechtigte – hier also der Kläger – braucht sich daher nicht an einen anderen Störer verweisen zu lassen (BGH, Urteil vom 27.05.1986 – VI ZR 169/85, Rn. 16; Erman/Ebbing, a.a.O., § 1004, Rn. 137 f.; Grüneberg/Herrler, a.a.O., § 1004, Rn. 26).
dd)
Die vom Kläger behauptete (drohende) Eigentumsbeeinträchtigung ist rechtswidrig, da der mit der störenden Handlung – den CO2-Emissionen – herbeigeführte Erfolg der Rechtsordnung widerspricht. Eine Duldungspflicht des Klägers aus § 906 BGB, § 14 BImSchG oder sonstigen Gründen, die den Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB entfallen lassen würden, besteht nicht.
(1)
Die nach dem Vortrag des Klägers (drohende) Beeinträchtigung seines Grundstücks ist rechtswidrig.
Es kommt nicht auf eine Rechtswidrigkeit der störenden Handlung an (sog. Handlungsunrecht), sondern entscheidend ist, ob der herbeigeführte Erfolg der Rechtsordnung widerspricht (sog. Erfolgsunrecht). Der (u.a. auf Krüger, Festschrift für Norbert Frenz, 2024, S. 259 ff. gestützten) gegenteiligen Auffassung der Beklagten, ein Abwehranspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB setze eine Beeinträchtigung durch rechtswidriges Handeln des Störers voraus, woran es hier fehle, da die von ihr bzw. ihren Töchtern freigesetzten Emissionen genehmigt worden seien, folgt der Senat nicht.
(a)
Das Rechtsverständnis der Beklagten entspricht weder dem Wortlaut des § 1004 BGB noch den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Anders als § 823 Abs. 1 BGB verlangt § 1004 BGB keine widerrechtliche Rechtsgutverletzung; sein zweiter Absatz fasst das Erfordernis der Rechtswidrigkeit vielmehr negativ: „…der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn…“. Dementsprechend heißt es zum „Eigentumsanspruch“ – um einen solchen handelt es sich bei § 1004 BGB nach der Systematik des BGB (Buch 3 Abschnitt 3 Titel 4: Ansprüche aus Eigentum) – in den Motiven zum Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB Motive III, Vierter Titel, Eigentumsanspruch, S. 392 f.):
„1. Das Eigentum verlangt einen seinem Inhalte entsprechenden tatsächlichen Zustand. Damit ist ein gegen andere Personen sich richtendes Recht des Eigentümers auf Herstellung dieses Zustandes gegeben, sofern das Verhalten dieser anderen Personen der Herstellung des rechtsgemäßen Zustandes im Wege steht. …
Der Anspruch ist auf weiter nichts als auf Herstellung des rechtsgemäßen tatsächlichen Zustandes für die Zukunft gerichtet. Ob der dem Inhalte des Rechtes widerstreitende Zustand durch eine vorsätzliche oder fahrlässige Handlung einer anderen Person herbeigeführt ist, oder ob eine nur objektive Rechtsverletzung vorliegt, bleibt gleichgültig.“
Die Lesart der Beklagten widerspricht auch dem Ergebnis einer Gesamtbetrachtung der Formulierungen in §§ 903, 985, 986, 1004 Abs. 1 und Abs. 2 BGB und dem dort zum Ausdruck gebrachten Regel-Ausnahme-Verhältnis. Danach kann der Eigentümer einer Sache mit ihr nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen, soweit und solange er diese Einwirkung nicht aus Gründen zu dulden hat, die der Störer darlegen und nachweisen muss (§§ 1004 Abs. 2, 986 Abs. 1 BGB; vgl. dazu BGH, Urteil vom 13.05.2022 – V ZR 7/21, Rn. 23 ff.). Mithin knüpft das Gesetz die Rechtsfolge des § 1004 BGB an jegliche Beeinträchtigung, die der Eigentümer zu dulden nicht verpflichtet ist. Der Beseitigungsanspruch beruht also nicht auf der Rechtswidrigkeit des Eingriffs, sondern bereits auf dem dem Inhalt des Eigentums widersprechenden Zustand. Jede Beeinträchtigung des Eigentums muss daher zwingend als rechtswidrig gelten, soweit nicht eine Duldungspflicht des Berechtigten aufgezeigt werden kann.
Die von der Beklagten vertretene Anknüpfung an die Rechtswidrigkeit der störenden Handlung passt mithin nicht zur Stellung des § 1004 BGB und der Konzeption des Bürgerlichen Gesetzbuches, nach der diese Vorschrift als Komplementärvorschrift zu § 985 BGB – der ebenfalls nach seinem Wortlaut keine widerrechtliche Besitzerlangung voraussetzt – alle Beeinträchtigungen des Eigentums erfassen und abwehren soll, die nicht in § 985 BGB geregelt sind. Die vom Gesetzgeber der Vorschrift des § 1004 BGB zugedachte Aufgabe, zusammen mit § 985 BGB das Eigentum und die damit verbundene Sachherrschaft in umfassender Weise zu schützen (vgl. BGH, Urteil vom 04.02.2005 – V ZR 142/04, Rn. 6), könnte bei Abstellen auf das sog. Handlungsunrecht nur unvollständig erfüllt werden.
(b)
Die vom Senat vertretene Auffassung, wonach entscheidend ist, ob der herbeigeführte Erfolg der Rechtsordnung widerspricht, entspricht der (inzwischen) h.M. in der Literatur (vgl. u.a. Erman/Ebbing, a.a.O., § 1004, Rn. 34 ff.; Ring/Grziwotz/Schmidt-Räntsch, NK-BGB, Band 3: Sachenrecht, 5. Auflage 2022, § 1004, Rn. 90; Grüneberg/Herrler, a.a.O., § 1004, Rn. 12; BeckOGK/Spohnheimer, a.a.O., § 1004, Rn. 47 ff.; BeckOK BGB/Fritzsche, a.a.O., § 1004, Rn. 59; soweit die Beklagte ihre Auffassung auf BeckOK BGB/Fritzsche, a.a.O., Rn. 89 stützt, differenziert Fritzsche an dieser Stelle nicht nachvollziehbar und mit einer nicht überzeugenden Bezugnahme auf § 912 BGB zwischen Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen, bei letzteren soll es grundsätzlich auf die Rechtswidrigkeit der Störungshandlung ankommen).
Auch der Bundesgerichtshof lässt die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung für einen Abwehranspruch nach § 1004 BGB ausreichen. So heißt es in einigen Entscheidungen wörtlich, dass „nicht die Rechtswidrigkeit des Eingriffs, sondern der dem Inhalt des Eigentums (§ 903 BGB) widersprechende Zustand“ den Abwehranspruch begründet (BGH, Urteil vom 19.12.1975 – V ZR 38/74, Rn. 13; BGH, Urteil vom 24.01.2003 – V ZR 175/02, Rn. 13 ff., 25). Obwohl es in diesen Entscheidungen um die Beseitigung einer Beeinträchtigung aufgrund einer Zustandsstörung und nicht um einen Unterlassungsanspruch gem. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB ging, lässt sich die zitierte Rechtsprechung auf den hiesigen Fall übertragen. Hier wie dort geht es um die Vornahme einer Maßnahme, die die Eigentumsbeeinträchtigung beheben soll. Der Kläger verlangt gerade nicht die Unterlassung des CO2-Ausstoßes als der störenden Handlung, sodass der Abwehranspruch nicht zur Folge hat, dass eine als solche ggf. rechtmäßige Handlung verboten würde.
In anderen Entscheidungen hat der Bundesgerichtshof einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB nicht schon deshalb abgelehnt, weil die störende Handlung rechtmäßig war (vgl. etwa BGH, Urteil vom 17.09.2004 – V ZR 230/03, Rn. 11 ff.). In dem zitierten Fall rodete die dortige Beklagte mit behördlicher Genehmigung und damit rechtmäßig einen Teil ihres Grundstücks. Zwei der stehengelassenen Bäume verloren durch die Rodung an Standsicherheit und fielen bei einem Gewittersturm auf das klägerische Grundstück und verursachten Schäden. Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass der Kläger einen Unterlassungsanspruch auf Einschränkung der erlaubten Rodungsmaßnahmen auf das Maß, das für die Standsicherheit der geschützten Bäume ungefährlich blieb, gehabt hätte. Dieser scheiterte allerdings an anderer Stelle, sodass nur ein sekundärer Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog in Betracht kam (vgl. in diesem Zusammenhang auch BGH, Urteil vom 02.03.1984 – V ZR 54/83, Rn. 7, 10).
Auch im sogenannten „Raucherfall“ (BGH, Urteil vom 16.01.2015 – V ZR 110/14, Rn. 19 ff.) hat der BGH einen Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB nicht schon deshalb verneint, weil die störende Handlung (Rauchen auf dem eigenen Balkon) als solche rechtmäßig war; vielmehr hat er auf die gesundheitliche Beeinträchtigung der Kläger abgestellt.
Soweit die Beklagte sich für die Richtigkeit ihrer Auffassung u.a. auf eine Entscheidung des OLG München vom 12.10.2023 (32 U 936/23) beruft, sind die dort gemachten Ausführungen zur Rechtswidrigkeit auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Zunächst ist die erstrebte Rechtsfolge eine andere: In der Entscheidung des OLG München wurde die Verringerung der künftigen Treibhausgasemissionen durch das Verbot der Produktion und des Inverkehrbringens von Verbrennermotoren begehrt; es sollte also in einem Zivilrechtsstreit durch ein inter partes wirkendes Urteil eine Tätigkeit der dortigen Beklagten erheblich beschränkt bzw. verboten werden, obwohl diese öffentlich-rechtlich erlaubt worden ist. Der hiesige Kläger verlangt von der Beklagten hingegen nicht die Unterlassung weiterer Emissionen, sondern – im Wege der Ersatzvornahme bzw. Kostenübernahme – Sicherungsmaßnahmen aufgrund einer ihm drohenden Beeinträchtigung seines Eigentums. Zudem ging es in der Entscheidung des OLG München um einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht, das wegen seines Charakters als sog. Rahmenrecht mit dem Eigentumsrecht nicht vergleichbar ist. Angesichts des dort vorliegenden offenen Tatbestandes wird die Rechtswidrigkeit nicht durch die Tatbestandsmäßigkeit indiziert. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist vielmehr nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (BGH, Urteil vom 08.05.2012 – VI ZR 217/08, Rn. 35 m.w.N.; Grüneberg/Sprau, a.a.O., § 823, Rn. 95). Das hier nach Klägervortrag beeinträchtigte Grundeigentum ist indessen kein Rahmenrecht in diesem Sinne.
(2)
Eine Pflicht des Klägers zur Duldung der (drohenden) Beeinträchtigung seines Grundeigentums im Sinne von § 1004 Abs. 2 BGB besteht unter keinem rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt.
Die Beklagte als Störerin hat die Voraussetzungen für eine Duldungspflicht des Klägers darzulegen und zu beweisen (vgl. BGH, Urteil vom 02.12.1988 – V ZR 26/88, Rn. 12, 14; BGH, Urteil vom 13.05.2022 – V ZR 7/21, Rn. 23 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 06.07.2017 – 5 U 152/16, Rn. 45). Dies ist ihr nicht gelungen. Eine etwaig (drohende) Beeinträchtigung des klägerischen Eigentums muss daher von ihm nicht geduldet werden; sie ist rechtswidrig (vgl. Grüneberg/Herrler, a.a.O., § 1004, Rn. 34; Erman/Ebbing, a.a.O., § 1004, Rn. 36).
(a)
Eine Duldungspflicht des Klägers ergibt sich hier weder aus § 906 Abs. 1 BGB noch aus § 906 Abs. 2 BGB noch aus einer analogen Anwendung dieser Vorschriften bzw. einem „Erst-Recht-Schluss“.
(aa)
§ 906 Abs. 1 BGB, der eine Duldungspflicht für unwesentliche Beeinträchtigungen statuiert, ist schon deshalb nicht einschlägig, weil nach dem Klägervortrag eine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung seines Grundstückes in Form einer GLOF droht.
Die Frage der Wesentlichkeit (oder Erheblichkeit) beurteilt sich nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nach dem „Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen und danach, was ihm unter Würdigung anderer öffentlicher und privater Belange zuzumuten ist " (BGH, Urteil vom 26.09.2003 – V ZR 41/03, Rn. 6; BGH, Urteil vom 27.11.2020 – V ZR 121/19, Rn. 10; BGH, Urteil vom 20.11.1992 – V ZR 82/91, Rn. 44; BGH, Urteil vom 06.07.2001 – V ZR 246/00, Rn. 7).
Nach diesem Maßstab ist dem Kläger die befürchtete Eigentumsbeeinträchtigung seines Grundstücks und des aufstehenden Gebäudes durch eine von der Lagune ausgehende GLOF nicht zuzumuten.
Allerdings sind im Streitfall die Emission und die (drohende) Immission/Beeinträchtigung nicht wesensgleich: Während als Emission die in den Kraftwerken der Beklagten bzw. ihrer Tochterunternehmen freigesetzten CO2-Moleküle anzusehen sind, befürchtet der Kläger eine Einwirkung auf sein Grundstück in Form einer Flutwelle, namentlich die Überflutung seines Grundstückes durch Wasser oder Murgang, für die nach seinem Vortrag die CO2-Emissionen der Beklagten mitursächlich sein sollen. Auch wenn Emissionen an sich harmlos sein können, liegt aber eine wesentliche Beeinträchtigung vor, sobald diese nach Art und Ausmaß geeignet sind, Gefahren und erhebliche Nachteile für die Nachbarschaft herbeizuführen (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.1998 – V ZR 411/97, Rn. 7). Die freigesetzten, an sich unschädlichen CO2-Moleküle haben hier nach dem Vortrag des Klägers eine Gefahr herbeigeführt: Sie hätten gemeinsam mit anderen Treibhausgasen und Faktoren den Klimawandel beschleunigt und so durch eine vermehrte Gletscherschmelze das Wasservolumen der Laguna Palcacocha auf ein für das klägerische Grundstück bedrohliches Ausmaß anwachsen lassen. Diese Entwicklung münde schlussendlich in der Beschädigung oder sogar vollständigen Zerstörung des klägerischen Anwesens.
(bb)
Das Eingreifen einer Duldungspflicht nach § 906 Abs. 2 S. 1 BGB – wie auch einer solchen nach § 906 Abs. 1 BGB, die oben bereits aus anderen Gründen verneint worden ist – ist zu verneinen, weil es an der erforderlichen Nähe zwischen dem Emittenten und dem von der Immission (möglicherweise) betroffenen Grundstück fehlt.
(aaa)
§ 906 BGB stellt die Generalnorm des zivilrechtlichen Nachbarschutzes dar, die die widerstreitenden, prinzipiell aber gleichrangigen Nutzungsinteressen verschiedener Grundstückseigentümer zum Ausgleich bringen soll; aus dem nachbarlichen Lebensverhältnis heraus sind bestimmte Störungen – notfalls gegen Geldausgleich – hinzunehmen, um eine sinnvolle Grundstücksnutzung zu ermöglichen (BGH, Urteil vom 25.10.2013 – V ZR 230/12, Rn. 8; Münchener Kommentar/Brückner, 9. Aufl. 2023, BGB, § 906, Rn. 1; Grüneberg/Herrler, a.a.O., § 906, Rn. 1; Erman/Wilhelmi, BGB, a.a.O., § 906, Rn. 1 ff.; Staudinger/Roth, Neubearbeitung 2020, Updatestand 31.07.2024, § 906, Rn. 1 f.; Ring/Grziwotz/Schmidt-Räntsch, a.a.O., § 906, Rn. 5b; BeckOGK/Klimke, Stand 15.10.2024, BGB, § 906, Rn. 2).
Der Charakter als nachbarschützende Norm findet sich im Wortlaut der Vorschrift im Merkmal der ortsüblichen Benutzung des Grundstückes wieder. Für die Prüfung der Ortsüblichkeit ist zu fragen, ob eine Mehrheit von Grundstücken in der Umgebung mit einer nach Art und Maß einigermaßen gleichbleibenden Einwirkung benutzt wird (BGH, Urteil vom 23.03.1990 – V ZR 58/89, Rn. 19, m.w.N.; Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 3. Auflage 2020, Kap. 3, Rn. 78). Die Grenze des Vergleichsgebiets kann je nach Lage des Falles im Einzelfall enger oder weiter gezogen werden (BGH, a.a.O.).
(bbb)
Das von § 906 BGB vorausgesetzte nachbarliche Verhältnis liegt in der hiesigen Konstellation eines in Peru lebenden Klägers und einem in Deutschland bzw. Europa tätigen Energiekonzern, deren Muttergesellschaft die Beklagte ist, nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob auf den Nachbarschaftsbegriff des BImSchG zurückgegriffen oder der Begriff der Nachbarschaft weiter gefasst wird.
Der Senat hält es für sachgerecht, für die Bestimmung des Vergleichsgebietes nach § 906 BGB auf den im Rahmen des BImSchG verwendeten Begriff der Nachbarschaft abzustellen (so auch OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.07.2012 – I-9 U 138/11, Rn. 27 f.; wohl auch Krüger, Festschrift für Norbert Frenz, 2024, S. 271 ff.); hiervon geht auch die Beklagte aus (vgl. Bl. 742, 3750 d.A.). Nach den Grundsätzen des BImSchG sind die Parteien indessen keine Nachbarn.
Nachbarschaft im Sinne der §§ 3 bis 5 BImSchG kennzeichnet ein qualifiziertes Betroffensein, welches sich deutlich abhebt von den Auswirkungen, die den Einzelnen als Teil der Allgemeinheit treffen können; sie setzt im Interesse klarer und überschaubarer Konturen und damit letztlich im Interesse der Rechtssicherheit ein besonderes Verhältnis zur Anlage (zum Genehmigungsgegenstand) im Sinne einer engeren räumlichen und zeitlichen Beziehung des Bürgers zu ihr voraus. Zur Nachbarschaft gehören damit nur solche Personen, die nach ihren Lebensumständen den Einwirkungen der Anlage in einer vergleichbaren Weise, wie sie der Wohnort vermittelt, ausgesetzt sind (BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 1982 – 7 C 50/78, Rn. 12 f.).
An einem derartigen räumlichen und zeitlichen Bezug zwischen den emittierenden Anlagen der Beklagten und dem klägerischen Grundstück fehlt es. Die Parteien sind keine Nachbarn im immissionsschutzrechtlichen Sinne. Es sind andere Faktoren als die räumliche Nähe dafür maßgebend, dass die – nach Klägervortrag – auch durch die Emissionen der Beklagten in Deutschland ausgelöste Beeinträchtigung gerade auf dem Grundstück des Klägers in Peru eintritt bzw. eintreten kann. Die (mögliche) Betroffenheit des klägerischen Grundstücks hat nichts mit der räumlichen Lage der Grundstücke der Parteien zueinander zu tun, sondern ist allein dadurch begründet, dass das Klägergrundstück besonders exponiert unterhalb eines Gletschers und eines Gletschersees liegt.
Auch wenn der Begriff der von § 906 BGB vorausgesetzten Nachbarschaft weiter gefasst wird, führt dies zu keiner abweichenden rechtlichen Wertung.
Ein Teil der Rechtsprechung und Literatur verzichtet an dieser Stelle gänzlich auf das Kriterium der Nachbarschaft (Frank, ZUR 2013, 28 ff., 31; Frank, NJOZ 2010, 2296 ff., 2299; Schirmer, Nachhaltiges Privatrecht, 2023, S. 267), bejaht die Voraussetzung der Nachbarschaft i.S.d. § 906 BGB dann, wenn das betroffene Grundstück im Einwirkungsbereich einer Störungsquelle liegt (vgl. etwa Erman/Wilhelmi, a.a.O., § 906, Rn. 13; RG, Urteil vom 21.04.1941 – V 103/40, BeckRS 1941, 100179, Rn. 13), oder lässt den Bereich der Nachbarschaft dort enden, wo eine Immission nicht mehr feststellbar ist oder nicht mehr einer bestimmten Quelle zugeordnet werden kann (Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 3. Auflage 2020, Kap. 1, Rn. 53).
Ausgehend von letztgenannter Auffassung ist eine Nachbarschaft der Parteien ebenfalls zu verneinen, da die vom Kläger beschriebenen kausalen Folgeerscheinungen des durch die Emission von Treibhausgasen induzierten Klimawandels keiner bestimmten Quelle, d.h. keinem bestimmten CO2-Emittenten zugeordnet werden können: Zwar behauptet der Kläger, dass die Beklagte für einen bestimmten Anteil der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich sei. Die Möglichkeit der Bezifferung eines Mitverursachungsbeitrages ist aber nicht gleichzusetzen mit der Zuordnung konkreter Immissionen zu einer bestimmten Emissionsquelle. Letzteres ist im Streitfall nicht möglich; darauf kommt es wegen der (behaupteten) Wirkungsweise der CO2-Emissionen auch nicht an. Störungsquelle ist vielmehr ausnahmslos jeder, der CO2 emittiert. Die CO2-Emissionen steigen – so der Vortrag des Klägers – sämtlich zu einem bestimmbaren Prozentsatz und unabhängig davon, wo sie emittiert werden, in die Atmosphäre auf, wo sie sich ununterscheidbar vermischen. Aufgrund der höheren Konzentration der Treibhausgase kommt es zu einer geringeren Wärmeabstrahlung von der Erde mit der Folge eines globalen Temperaturanstiegs. Die atmosphärischen Veränderungen, die auf das klägerische Grundstück und die umliegenden Berge und Gletscher in den peruanischen Anden einwirken, sind mithin global und vielen Quellen zuzurechnen.
Soweit ein Teil der Literatur im Rahmen der Prüfung des § 906 BGB gänzlich auf das Kriterium der Nachbarschaft verzichtet oder die Voraussetzungen der Nachbarschaft i.S.d. § 906 BGB schon dann bejaht, wenn das betroffene Grundstück im Einwirkungsbereich einer Störungsquelle liegt, ist dies abzulehnen.
Allerdings käme eine Duldungspflicht des Klägers nach § 906 Abs. 2 BGB grundsätzlich in Betracht, wenn dieser Auffassung zu folgen wäre. Denn nach der Behauptung des Klägers haben die CO2-Emissionen der Beklagten bzw. ihrer Töchter Auswirkungen auf sein Grundstück in Peru, da dort die Folgen einer Klimaerwärmung drohen. Das Grundstück des Klägers ist den von den Anlagen der Beklagten ausgehenden Emissionen angesichts der gleichmäßigen Verteilung des emittierten CO2 in der Atmosphäre in vergleichbarer Weise ausgesetzt wie die Grundstücke der am Ort der emittierenden Anlagen wohnenden Menschen. Die Duldungspflichten des § 906 BGB träfen deshalb jedermann, entweder als Teil der Nachbarschaft oder weil auf dieses Merkmal ohnehin verzichtet wird. Andererseits stünden jedermann – und damit auch dem Kläger – als Grundstücksnachbarn oder wegen des Verzichts auf das Merkmal der Nachbarschaft Aufopferungs-Entschädigungsansprüche gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zu. Diese Rechtsfolge entspricht dem einfach-gesetzlich wie verfassungsrechtlich vorgegebenen Zusammenhang zwischen Duldungspflicht und Aufopferungs-Entschädigungsanspruch (vgl. Münchener Kommentar/Wagner, 9. Aufl. 2024, BGB, § 823, Rn. 1177).
Gegen die oben genannte Auffassung lässt sich zunächst anführen, dass sich die eingrenzende Tatbestandsvoraussetzung der Nachbarschaft im Wortlaut des § 906 Abs. 2 BGB im Merkmal der Ortsüblichkeit wiederfindet; diese impliziert aus Sicht des Senats die Betrachtung eines abgrenzbaren Vergleichsgebietes. Darüber hinaus widerspricht die dargestellte Sichtweise dem Charakter des § 906 BGB als Generalnorm des zivilrechtlichen Nachbarschutzes. Die Vorschrift dient nach ihrem gesetzgeberischen Sinn und Zweck der Harmonisierung des öffentlichen und privaten Immissionsschutzrechts (vgl. BT-Drs. 12/7425, S. 86 ff.). Ein Grundstückseigentümer hat vielfältige Möglichkeiten, sich gegen eine von einem Nachbarn ausgehende Emission verwaltungsrechtlich zur Wehr zu setzen, etwa indem er die Ortsüblichkeit in Frage stellt. Nutzt er diese Möglichkeiten nicht oder unterliegt er, soll er regelmäßig auch mit privatrechtlichen Ansprüchen nicht durchdringen können, weil ihn dann die Duldungspflichten des § 906 BGB treffen.
Der in Peru lebende Kläger hatte indessen – faktisch wie wohl auch rechtlich – keine Gelegenheit, gegen die von den Kraftwerken der Beklagten ausgehenden Emissionen auf dem Verwaltungsrechtsweg vorzugehen. Dann leuchtet aber nicht ein, warum ihm die Duldungspflichten des § 906 Abs. 2 BGB aufzuerlegen sein sollten. Dies erschiene nur dann gerechtfertigt, wenn ihm im Gegenzug die gleichen verwaltungsrechtlichen Möglichkeiten wie den vor Ort ansässigen Grundstückseigentümern offen gestanden hätten. Eine Harmonisierung zwischen öffentlichem und privatem Immissionsschutzrecht würde mithin gerade nicht erreicht, wenn die Duldungspflichten des § 906 BGB in einem Fall wie dem vorliegenden auf die Allgemeinheit erstreckt würden.
(cc)
Auch der von der Beklagten gezogene „Erst-Recht-Schluss“, wonach der Schutz entfernt liegender Grundstücke gegenüber „zugelassenen“ Emissionen grundsätzlich nicht weiter gehen kann als bei nahegelegenen Grundstücken – und zwar ohne Kostenausgleich im Sinne von § 906 Abs. 2 S. 2 BGB –, trägt nicht.
Dieser Argumentation der Beklagten stehen der Wortlaut der Vorschrift, ihr oben dargestellter Sinn und Zweck und überdies das erzielte Ergebnis entgegen:
Eine ausdrückliche gesetzgeberische Wertung dahingehend, dass der Eigentümer eines von einem Emittenten weit entfernt befindlichen Grundstücks weder privatrechtliche Ansprüche auf Schutzmaßnahmen noch auf Entschädigung haben könne, sofern der Emittent nur die für ihn vor Ort geltenden öffentlich-rechtlichen Emissionsgrenzen und Genehmigungen einhält oder seine Emissionen ortsüblich sind, ist nicht festzustellen. Sie wäre zudem mit den §§ 903, 985, 1004 BGB und dem grundrechtlich gewährleisteten Eigentumsschutz nicht zu vereinbaren. Für den betroffenen Grundstückseigentümer macht es keinen Unterschied, ob eine wesentliche Beeinträchtigung seiner Immobilie auf Emissionen aus der Nachbarschaft oder aus der Ferne zurückzuführen ist (Frank, ZUR 2013, 28, 31; Frank, NJOZ 2010, 2296, 2299 f.). Es ist auch im Ergebnis nicht nachvollziehbar, warum der betroffene Eigentümer eines Grundstücks, welches nicht in Nachbarschaft zu dem emittierenden Grundstück belegen ist – wie hier das des Klägers –, eine Beschädigung und selbst die vollständige Zerstörung seines Anwesens durch die zugelassenen Fernemissionen hinnehmen soll, ohne dafür wie der Nachbar eine Entschädigung verlangen zu können.
Entgegen der Auffassung der Beklagten folgt auch aus dem „Kupolofen-Urteil“ des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 18.09.1984 – VI ZR 223/82) nicht, dass die Allgemeinheit erst recht dulden muss, was der Nachbar zu dulden hat, und zwar – anders als der Nachbar – ohne Kostenausgleich.
Die genannte Entscheidung befasst sich mit der Frage der Verteilung der Beweislast im Rahmen von deliktischen Schadensersatzansprüchen. Die Kläger verlangten Ersatz für die Beschädigung ihrer auf dem Betriebsparkplatz ihres Arbeitgebers abgestellten Fahrzeuge durch Staub aus dem auf dem benachbarten Beklagtengrundstück betriebenen Kupolofen. In Anlehnung an die für § 906 BGB geltenden Beweisgrundsätze und die Grundsätze für eine Beweislastumkehr in den Fällen der Produzentenhaftung ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass der Emittent darzutun und zu beweisen habe, dass die von seinem Grundstück ausgehenden Emissionen sich im Rahmen einer ortsüblichen Benutzung seines Grundstücks hielten und dass er die ihm wirtschaftlich zumutbaren Vorkehrungen zum Schutz Dritter vor Schädigungen durch Immissionen getroffen habe. Da die nachbarrechtlichen Vorschriften in dem von ihnen erfassten Regelungsbereich maßgebend dafür seien, ob eine widerrechtliche Handlung i.S. des § 823 Abs. 1 BGB vorliege, führten Immissionen nicht zu einer Deliktshaftung des Emittenten gegenüber den betroffenen Grundstückseigentümern, wenn letztere sich nach § 906 Abs. 2 S. 1 BGB nicht gegen sie wehren könnten, weil sie auf einer ortsüblichen Benutzung des emittierenden Grundstücks beruhten und die dem Emittenten wirtschaftlich zumutbaren Vorkehrungen gegen sie versagten. Dann aber könne der deliktische Schutz anderer Eigentümer – also der Fahrzeugeigentümer – nicht weitergehen; insoweit ziehe die Vorschrift auch für ihr Schutzgut eine äußerste Grenze. Denn das Interesse der beeinträchtigten Grundstückseigentümer werde durch die Immissionen durchweg am nachhaltigsten betroffen; wenn das Gesetz dem Emittenten ihnen gegenüber die emittierende Benutzung seines Grundstücks erlaube, könne es diese wegen einer Immissionsbelastung Dritten gegenüber nicht verbieten. Auch dass § 906 Abs. 2 S. 2 BGB den Dritten keine Entschädigung zum Ausgleich gewähre, könne nicht dazu führen, die Zulässigkeit einer derartigen Grundstücksnutzung ihnen gegenüber anders zu beurteilen (BGH, Urteil vom 18.09.1984 – VI ZR 223/82, Rn. 14 ff.).
Diese Erwägungen des Bundesgerichtshofs lassen sich auf den hiesigen Fall nicht übertragen. Unterschiede zum „Kupolofen-Urteil“ ergeben sich zunächst insofern, als dort ein deliktischer Anspruch im Raum stand, während es im Streitfall um einen negatorischen Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB geht. Die Entscheidung des BGH bezieht sich zudem ausdrücklich nur auf den Eigentümer beweglicher Sachen, dem mangels Grundstücksbezogenheit kein Anspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zustehen kann. Dagegen ist der Kläger – nach seinem Vortrag – Eigentümer eines von Immissionen betroffenen Grundstückes; die von § 906 BGB vorausgesetzte Grundstücksbezogenheit (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18.09.2009 – V ZR 75/08, Rn. 17 f.) ist also gegeben. Zwischen dem vom Bundesgerichtshof im Kupolofen-Fall behandelten Fahrzeugeigentümer bzw. Eigentümer einer beweglichen Sache und einem in großer räumlicher Entfernung befindlichen Grundstückseigentümer – wie hier dem Kläger in Peru – besteht ein weiterer erheblicher Unterschied, der eine Übertragung der dort aufgestellten Grundsätze als nicht sachgerecht erscheinen lässt: Der BGH hatte über die Rechte von Sacheigentümern zu befinden, deren Sachen (Kraftfahrzeuge) sich zum Zeitpunkt der Einwirkung der Immissionen auf dem benachbarten Grundstück befanden; die räumliche Nähe zum Emittentengrundstück war also für Sach- wie Grundstückseigentümer gleichermaßen gegeben. Vor diesem Hintergrund führte der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung aus, dass die beeinträchtigten Grundstückseigentümer „durchweg am nachhaltigsten betroffen seien“. Der vorliegende Fall ist dagegen davon geprägt, dass die CO2-Emissionen der Beklagten grundsätzlich jedermann treffen. Ein besonders hohes Maß der Betroffenheit der in räumlicher Nähe zur Emissionsquelle liegenden Grundstückseigentümer – also der Nachbarschaft i.S.d. § 906 BGB – lässt sich gerade nicht feststellen. Von dem durch Treibhausgase begünstigten Klimawandel stärker betroffen als die benachbarten Grundstückseigentümer sind vielmehr die Eigentümer besonders exponiert liegender Grundstücke, die über die gesamte Erde verteilt liegen können – so ggf. der Kläger, dessen Grundstück unterhalb eines Gletschers und eines Gletschersees in den peruanischen Anden liegt. Die Übertragung der im „Kupolofen-Urteil“ aufgestellten Grundsätze auf den hiesigen Fall hätte zur Folge, dass Grundstückseigentümer, die nicht unter den Begriff der Nachbarschaft des § 906 BGB fallen, sich nicht gegen wesentliche Beeinträchtigungen zur Wehr setzen könnten, wenn sich auch benachbarte Grundstückseigentümer nach § 906 Abs. 2 S. 1 BGB nicht gegen diese wehren könnten, weil sie auf einer ortsüblichen Benutzung des emittierenden Grundstücks beruhten und die dem Emittenten wirtschaftlich zumutbaren Vorkehrungen gegen sie versagten. Anders als den Eigentümern benachbarter Grundstücke würde den in großer räumlicher Distanz befindlichen Grundstückseigentümern aber keine Entschädigung zum Ausgleich gewährt. Ein sachlicher Grund für diese Schlechterstellung nicht benachbarter Grundstückseigentümer gegenüber benachbarten Grundstückseigentümern trotz gleicher und teilweise sogar höherer Betroffenheit ist indessen nicht erkennbar.
(b)
Auch aus § 14 BImSchG ergibt sich keine Duldungsverpflichtung des Klägers im Sinne von § 1004 Abs. 2 BGB. Der Kläger als nicht qualifiziert Betroffener ist nicht aktivlegitimiert im Sinne dieser Vorschrift.
Nach § 14 BImSchG kann aufgrund privatrechtlicher, nicht auf besonderen Titeln beruhender Ansprüche zur Abwehr benachteiligender Einwirkungen von einem Grundstück auf ein benachbartes Grundstück nicht die Einstellung des Betriebs einer Anlage verlangt werden, deren Genehmigung unanfechtbar ist. Es können nur Vorkehrungen verlangt werden, die die benachteiligenden Wirkungen ausschließen. Sind diese Vorkehrungen nach dem Stand der Technik nicht durchführbar oder nicht vertretbar, kann Schadensersatz verlangt werden.
Die Vorschrift führt regelmäßig dazu, dass der primäre nachbarrechtliche Abwehranspruch (Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruch) ausgeschlossen wird, soweit dem Eigentümer zuvor in einem förmlichen Verfahren Gelegenheit gegeben wurde, seine Belange im Rahmen der jeweiligen gebotenen Abwägung öffentlicher und privater Interessen zu vertreten und Einwände gegen das Vorhaben vorzubringen, von dem sein Grundstück beeinträchtigt wird. Der zivilrechtliche Nachbarschutz wird insoweit in modifizierter Form in das öffentlich-rechtliche Verfahren vorverlagert (vgl. BT-Drs. 12/7425, S. 86 ff.).
Im vorliegenden Fall ist schon die zentrale Voraussetzung dieser Vorschrift nicht gegeben. Es fehlt im Verhältnis der Parteien an einer Nachbarschaft im Sinne eines qualifizierten Betroffenseins. Auf die Ausführungen zu § 906 BGB kann insoweit verwiesen werden. Als qualifiziert betroffener Bürger hätte der Kläger grundsätzlich das Recht und die Möglichkeit gehabt, im Genehmigungsverfahren der Anlagen der Beklagten beteiligt zu werden und dort Einwendungen geltend zu machen, §§ 5, 10 Abs. 3 BImSchG (vgl. zum Ganzen: BVerwG, Urteil vom 22.10.1982 – 7 C 50/78, Rn. 10 ff.; BVerwG, Urteil vom 07. 05 1996 – 1 C 10/95, Rn. 34 f.). Diese Möglichkeit hatte der Kläger als ein durch Fernwirkung Betroffener aber – zumindest faktisch – nicht.
Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass dem in § 14 S. 1 BImSchG normierten Ausschluss eines Anspruchs auf Einstellung des Betriebs Ansprüche des Nachbarn auf Vornahme von Schutzvorkehrungen und ggf. Entschädigungsansprüche als Kompensation gegenüberstehen; der betroffene Nachbar wird also nicht rechtlos gestellt. Würde die Regelung des § 14 S. 1 BImSchG – ggf. in entsprechender Anwendung – auf durch Fernwirkung Betroffene wie den Kläger erstreckt, hätte dies zur Folge, dass er die von der Beklagten ausgehenden Emissionen zwar dulden müsste, seinerseits aber keine Kompensationsansprüche hätte. Der Grundsatz des „dulde und liquidiere“, der in § 14 BImSchG seine Ausprägung findet, gälte für ihn daher nicht. Dies erscheint nicht sachgerecht; auf die Ausführungen zu § 906 Abs. 2 BGB wird insoweit Bezug genommen.
(c)
Aus Vorschriften des Umwelthaftungsgesetzes (UmweltHG) folgt ebenfalls keine Duldungspflicht des Klägers.
Ein etwaiger Anspruch des Klägers gegen die Beklagte gem. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB folgt allein den für diesen Anspruch geltenden Regeln; er ist unabhängig von umwelthaftungsrechtlichen Vorschriften zu prüfen. Denn § 18 Abs. 1 UmweltHG statuiert ausdrücklich, dass eine Haftung nach anderen Vorschriften – namentlich eine weitergehende (vgl. Staudinger/Kohler, Neubearbeitung 2017, § 18 UmweltHG, § 18, Rn. 1) – unberührt bleibt. Lediglich für den Fall der Haftung für nukleare Ereignisse bestimmt § 18 Abs. 2 UmweltHG den Vorrang der Haftung nach dem Atomgesetz in Verbindung mit näher angeführten internationalen Übereinkommen.
§ 18 Abs. 1 UmweltHG beruht auf der praktischen Erwägung, dass die Fälle möglicher konkurrierender Haftung vielgestaltig und nicht vollständig vorhersehbar und daher auch die Auswirkungen eines abschließend bestimmten Haftungsvorrangs nicht abzuschätzen sind. Vor diesem Hintergrund hat die Vorschrift den Zweck, eine Schlechterstellung der Geschädigten durch die Einführung eines ausschließlichen Vorrangs des UmweltHG gegenüber der bisherigen Rechtslage zu vermeiden. Die Möglichkeit, Schadensersatz aufgrund von § 1 UmweltHG zu verlangen, soll den Geschädigten allenfalls besserstellen, nicht aber zu einer Verschlechterung seiner Position führen. § 18 Abs. 1 UmweltHG hat daher zur Folge, dass konkurrierende Ansprüche gänzlich den für sie geltenden Regeln folgen. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Haftungsvoraussetzungen, des Haftungsumfangs und dabei namentlich auch der Haftungshöchstgrenzen, der bestehenden Beweiserleichterungen und der Verjährung (vgl. zum Ganzen: Staudinger/Kohler, a.a.O., § 18, Rn. 2 f.).
(d)
Die Erlaubnisse und Genehmigungen von (deutschen) Behörden für die Betreibung ihrer Anlagen und die Zertifikate nach dem Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz (TEHG), auf die sich die Beklagte hinsichtlich ihrer CO2-Emissionen wiederholt beruft, zwingen den Kläger nicht, eine konkret drohende Beeinträchtigung seines Eigentums zu dulden. Das TEHG entfaltet keine Rechtswirkungen für die Zeit vor seinem Inkrafttreten am 15.07.2004 (BGBl. I 2004, S. 1578), zudem hindert es betroffene Dritte nicht an der Geltendmachung von Abwehrrechten.
Aus § 5 Abs. 2 BImSchG bzw. aus der in § 4 TEHG geregelten Genehmigung lässt sich keine vollumfängliche Legalisierung der Emissionstätigkeit der Beklagten herleiten. Behördliche Erlaubnisse begründen in aller Regel keine Duldungspflicht für Dritte; die öffentlich-rechtliche Genehmigung bzw. staatliche Zulassung der hier in Rede stehenden Errichtung und Nutzung von Energie erzeugenden Anlagen beschränkt die Möglichkeit der von Fernimmissionen betroffenen Eigentümer zur Geltendmachung von Abwehr- oder Schadensersatzansprüchen grundsätzlich nicht (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 26.05.1998 – 1 BvR 180/88, Rn. 17; BGH, Urteil vom 27.05.1959 – V ZR 78/58, 2. Leitsatz; BGH, Urteil vom 20.04.1990 – V ZR 282/88, Rn. 13; Staudinger/Thole, a.a.O., § 1004, Rn. 522; Ring/Grziwotz/Schmidt-Räntsch, a.a.O., § 1004, Rn. 93).
Davon abgesehen folgt der Senat nicht der Auffassung der Beklagten, mit den §§ 5 Abs. 2 BImSchG, 4 TEHG habe der Gesetzgeber eine abschließende Entscheidung über den Umgang mit Treibhausgasen in dem Sinne getroffen, dass sich ein Emittent, der die Regeln des Emissionshandelsregisters beachte, stets rechtmäßig verhalte (so wohl Wagner, Klimahaftung vor Gericht: Eine Fallstudie, 2020, S. 73 f.). Zum einen stellt diese Sichtweise zu Unrecht auf das Handlungsunrecht und nicht auf den durch die Handlung herbeigeführten (rechtswidrigen) Erfolg ab (s.o.). Zum anderen lassen sich die angeführten Vorschriften allenfalls so verstehen, dass den dort erfassten Treibhausgasemittenten über das BImSchG und TEHG hinaus nicht noch (weitere) landesrechtliche oder kommunale Begrenzungsvorschriften – namentlich durch das Planungsrecht – gemacht werden dürfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.09.2017 – 4 CN 6/16, Rn. 13 ff.). Ziel des TEHG ist es, Emissionen an den Erwerb von Berechtigungen zu knüpfen und diese so finanziell unattraktiv zu machen. Damit unternimmt der Gesetzgeber ab Ende Juli 2004 den Versuch, über die Gesamtzahl der ausgegebenen Berechtigungen die globale Erwärmung auf ein bestimmtes Maß einzudämmen, um dadurch zum weltweiten Klimaschutz beizutragen (§ 1 TEHG). Grenz- oder Richtwerte im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB, § 48 BImSchG enthält dieses Gesetz nicht. Dass Treibhausgase bis zu einer bestimmten Grenze für das globale Klima generell noch verträglich sein mögen, sagt aber nichts über die spezifische Verträglichkeit für den individuell Betroffenen – hier den Kläger bzw. sein Hausgrundstück in Huaraz – aus. Denn die im Verhältnis zu Dritten geltenden Pflichten können sich an anderen rechtlichen Gesichtspunkten ausrichten und zum Schutze bedrohter Rechtsgüter höhere Anforderungen stellen und mehr an Sorgfalt verlangen, als in öffentlich-rechtlichen Bestimmungen normiert ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.05.1998 – VI ZR 183/97, Rn. 17).
Eine Ausnahme greift lediglich dort, wo eine Privatrechtsverbindlichkeit ausdrücklich angeordnet worden ist, wie z.B. in § 14 S. 1 BImSchG oder § 906 Abs. 1 BGB (dazu s.o.). Im Übrigen verbleibt es bei dem Grundsatz der „Autonomie der privatrechtlichen Sorgfaltspflichten“; das Postulat der Einheit der Rechtsordnung verlangt keine Harmonisierung der Bewertungsmaßstäbe quer durch sämtliche Teilgebiete des heutigen, hochkomplexen Rechtssystems (Münchener Kommentar/Wagner, BGB, 9. Aufl. 2024, § 823, Rn. 552 ff., 554).
Ohnehin könnte das TEHG in zeitlicher Hinsicht nur den Teil der Emissionen der Beklagten rechtfertigen, die nach dem 15.07.2004 erfolgten. Der vom Kläger ursprünglich mit 0,47 % und zuletzt mit 0,38 % bezifferte Verursachungsanteil der Beklagten soll sich auf den Zeitraum von 1965 bis 2010 (Bl. 313 ff., 315 d.A.) bzw. nunmehr auf den Zeitraum von 1965 bis heute beziehen. Der Großteil beider Zeitfenster liegt damit außerhalb des zeitlichen Geltungsbereichs des TEHG.
(e)
Auch soweit sich die Beklagte auf einen – nicht näher erläuterten – „gesetzlichen Versorgungsauftrag“ und auf das allgemeine Interesse an der Erzeugung von Energie (öffentliche Daseinsvorsorge) beruft, lässt sich hieraus eine Pflicht des Klägers zur Duldung einer drohenden Eigentumsbeeinträchtigung nicht ableiten.
Richtig ist zwar, dass eine auskömmliche Energieversorgung für Deutschland und seine Einwohner von größtem Interesse ist. Dieser Umstand bedeutet aber nicht, dass die Gewinnung von Energie gerade durch die Beklagte und/oder durch die Verbrennung von fossilen Energieträgern zu erfolgen hat. Überdies bestimmt ein zweifelsfrei vorhandenes gesamtgesellschaftliches Bedürfnis nicht automatisch die konkrete Rechtsbeziehung zwischen zwei privaten Rechtssubjekten. Hierfür bedürfte es vielmehr einer entsprechenden gesetzlichen Anordnung, wie etwa in § 906 Abs. 1 BGB für unwesentliche Beeinträchtigungen geschehen.
Ob etwas Anderes gilt, soweit tatsächlich Ende des Jahres 2022/Anfang des Jahres 2023 eine Vereinbarung zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und der Beklagten getroffen worden ist, nach der diese die jährliche Kohleverbrennung angesichts des Ausfalls der russischen Gaslieferungen sogar noch erhöhen soll, kann dahinstehen. Zumindest bis zu diesem Zeitpunkt hat die Beklagte die den Konzern betreffenden Entscheidungen über die strukturelle Art der Energiegewinnung eigenverantwortlich getroffen.
Hinzu kommt, dass das allgemeine Interesse in Deutschland an einer umfassenden Versorgung mit Energie nicht einen Bürger Perus zu zwingen vermag, eine Beeinträchtigung seines Grundeigentums zu dulden. Dies gilt umso mehr, als es zum einen um wesentliche Beeinträchtigungen geht und zum anderen der Kläger an der in Deutschland generierten Energie keine Teilhabe hat.
Soweit sich ungeachtet dieser Erwägung ausnahmsweise eine Duldungspflicht aus (nicht ausdrücklich geregelten) öffentlichen Interessen ergeben könnte, bestünde jedenfalls keine Pflicht zur Duldung einer – entschädigungslos hinzunehmenden – erheblichen Beeinträchtigung des Eigentums, wie sie hier behauptet wird. Dies zeigt der von der Rechtsprechung behandelte Fall eines Drogenhilfezentrums mit seinen Begleiterscheinungen (Urteil vom 07.04.2000 – V ZR 39/99, Rn. 11 ff.). Der (dortige) Kläger hatte von den (dortigen) Beklagten in erster Linie die Einstellung des Betriebs des Drogenhilfezentrums wegen Beeinträchtigung seines benachbarten Grundstückes durch die im Zentrum betreuten Personen (mittelbare Störung) verlangt. Hilfsweise hatte er beantragt, die Beklagten als (mittelbare) Störer zu verurteilen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, damit Nutzer des Drogenhilfezentrums und Drogendealer sein Grundstück nicht betreten und verunreinigen, sie vor dem Grundstück keine gebrauchten Spritzen zurücklassen, sie keine Menschenansammlungen bilden und schließlich Bewohner und Besucher seines Grundstücks nicht am Betreten hindern. Mit einem weiteren Hilfsantrag hatte er wegen Beeinträchtigung der Erträgnisse seines Grundstücks einen nachbarrechtlichen Ausgleich in Höhe von monatlich 15.000 DM geltend gemacht. Der Bundesgerichtshof entschied, dass der Anspruch auf Einstellung des Zentrums wegen des Allgemeininteresses an der Aufrechterhaltung des Betriebes ausgeschlossen sei; die Anträge auf Durchführung von Abwehr- und Schutzmaßnahmen seien zwar (weitgehend) begründet, scheiterten aber am Unvermögen der Beklagten, sie zu erfüllen. Dem Kläger stehe jedoch ein Ausgleichsanspruch in Geld zu, der sich an den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung ausrichte. Dieser Anspruch sei Teil des rechtlichen Gefüges, das sich aus der Versagung des vollen Abwehrrechts (Hauptantrag auf Stilllegung des Betriebes), den verbleibenden Abwehrbefugnissen (Hilfsanträge gerichtet auf Durchführung von Abwehr- und Schutzmaßnahmen) und der Kompensation der Abwehrlücke durch Geldausgleich zusammensetze. Auch ein wichtiges Allgemeininteresse rechtfertigt demnach nicht eine für den Störer umfassend rechtsfolgenlose Störung fremden Eigentums.
(f)
Eine Pflicht des Klägers zur Duldung der (vermeintlich) drohenden Beeinträchtigung ergibt sich schließlich nicht unter dem Aspekt der Selbstgefährdung. Die Beklagte beruft sich ohne Erfolg darauf, dass der Kläger (bzw. seine Rechtsvorgänger) sich ohne Baugenehmigung in einer Bauverbotszone unterhalb der potentiell gefährlichen Lagune angesiedelt habe, weshalb er selbst für die Sicherung seines Eigentums verantwortlich sei und keinen Schutz verdiene (Bl. 2481, 3752 ff. d.A.). Der Kläger hat weder gegen ein behördliches Ansiedlungsverbot verstoßen noch treffen ihn Duldungspflichten, weil er sich in Kenntnis der Gefährdung an der im Antrag bezeichneten Anschrift in Huaraz angesiedelt hat.
Es lässt sich nicht feststellen, dass das Haus des Klägers in einer Bauverbotszone errichtet worden ist. Nach dem eigenen Vortrag der Beklagten (vgl. Bl. 155 d.A.) und dem unstreitigen Tatbestand des angefochtenen Urteils, der insoweit auch nicht mit einem Tatbestandsberichtigungsantrag angegriffen worden ist, scheiterten von der Regierung geplante Ansiedlungsverbote am Widerstand der Bevölkerung. An diese Feststellung ist der Senat gem. §§ 314, 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO gebunden.
Gegen ein bestehendes Ansiedlungsverbot im Stadtviertel Nueva Florida von Huaraz spricht auch der eigene Eindruck, den sich der Senat vor Ort verschaffen konnte. Das klägerische Anwesen ist umgeben von einer dichten – weitgehend geschlossenen – Bebauung, die augenscheinlich überwiegend zu Wohnzwecken genutzt wird. Auch war sowohl auf dem klägerischen Grundstück wie in der unmittelbaren Nachbarschaft weitere Bautätigkeit zu erkennen (vgl. Fotos 2-4 SVG I). Der Senat geht daher zumindest von einer faktischen Duldung bzw. einer konkludenten Genehmigung seitens der zuständigen Behörden und einer damit verbundenen Legalität sowohl hinsichtlich des klägerischen Objektes als auch der Nachbarbebauung aus.
Die von der Beklagten angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 2001 (Urteil vom 06.07.2001 – V ZR 246/00, Rn. 16) rechtfertigt gleichfalls nicht die Annahme einer Selbstgefährdung des Klägers; es fehlt in mehrfacher Hinsicht an einer Vergleichbarkeit. Die dortige Beklagte betrieb seit mehr als dreißig Jahren eine Hammerschmiede auf ihrem in einem Industriegebiet liegenden Grundstück. Der Produktionsablauf und die Geräuschemissionen waren seit 1986 unverändert. Der Betrieb war behördlich genehmigt; die auf das Grundstück der dortigen Kläger einwirkenden Geräuschimmissionen dauerten werktäglich zwei bis fünf Stunden, die maßgeblichen Geräuschimmissionsrichtwerte wurden dabei nicht überschritten. Die Kläger erwarben ihr insoweit situationsbelastetes Grundstück im Jahr 1990 und bebauten es mit einem Wohnhaus. Unstreitig kannten sie zu diesem Zeitpunkt die Geräuscheinwirkungen, die sie sodann abwehren wollten, oder hätten sie zumindest kennen können. Der BGH hat in diesem Fall entschieden, dass derjenige, der sich in Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis einer vorhandenen Immissionsquelle (hier: Industrielärm einer Hammerschmiede) in deren Nähe ansiedelt, zwar nicht uneingeschränkt zur Duldung jeglicher Immissionen verpflichtet ist, wohl aber zur Duldung derjenigen, die sich in den Grenzen der zulässigen Richtwerte halten.
Im vorliegenden Fall soll zwar von der Lagune, unterhalb derer in einer Entfernung von rund 25 km der Kläger sich mitten im Stadtgebiet von Huaraz angesiedelt hat, die letztendliche Gefahr ausgehen. Störungsquelle sollen jedoch u.a. die Emissionen aus den Kraftwerken der Beklagten sein, die nach der klägerischen Behauptung zu einer Erwärmung des Klimas, einer Gletscherschmelze und einem unnatürlichen Anstieg des Wasservolumens im See und damit zur Eigentumsgefährdung führen. Es ist von der hinsichtlich einer angeblichen Selbstgefährdung darlegungsbelasteten Beklagten nicht näher ausgeführt und erscheint auch zweifelhaft, dass die Eltern des Klägers bei Erwerb und Bebauung des betroffenen Grundstücks in Huaraz im Jahre 1984 um die beschriebenen Gefahrzusammenhänge wussten bzw. sie hätten kennen müssen. Hinzu kommt der Umstand, dass zum Zeitpunkt des Eigentumserwerbs der Eltern bereits eine Reihe von Baumaßnahmen zur Sicherung der Laguna Palcacocha erfolgreich durchgeführt worden waren. So war über ein Ablaufrohr mit einem Durchmesser von etwa einem Meter ein Sicherheitsdamm mit einer Höhe von acht Metern errichtet worden (Primärdamm); zusätzlich war an der anderen Seite ein zweiter, künstlicher Damm (Sekundärdamm) ohne Ablauf errichtet worden.
Während überdies in der oben zitierten BGH-Entscheidung die Beeinträchtigungen schon bei Grundstückserwerb der Kläger in immer gleichbleibender Weise bestanden, hat der Kläger im vorliegenden Fall das bereits bebaute Grundstück von seinen Eltern im Jahr 2014 und damit zu einem Zeitpunkt erworben, als von der Lagune keine konkrete Gefährdung ausging, weil nach dem eigenen Vortrag der Beklagten das Wasservolumen in der Lagune durch einen von der behördlichen Seite im Mai 2012 eingeleiteten „Entwässerungsprozess“ bis Juni 2015 erheblich, nämlich von 17 Mio. m³ auf 12 Mio. m³, verringert werden konnte. Unstreitig ist auch von offizieller Stelle verlautbart worden, dass von der Laguna Palcacocha keine Gefahr mehr ausgehe (vgl. Bl. 159 ff. d.A. sowie Anl. B 35-38). Im Erwerbsjahr 2014 gab es daher allenfalls eine gewisse Schadensneigung. Erst in der Folgezeit soll sich nach dem Vortrag des Klägers der Wasserpegel durch ein Abschmelzen des Gletschers so weit erhöht haben, dass er nunmehr eine Gefahr für sein Anwesen darstelle.
Schließlich hat der BGH die betroffenen Eigentümer im oben dargestellten „Hammerschmiede“-Fall auch nicht zur Duldung jedweder Immissionen für verpflichtet erachtet, sondern nur zur Duldung derjenigen, die sich in den Grenzen der zulässigen Richtwerte halten. Im vorliegenden Fall spielen Grenz- und Richtwerte aber keine Rolle. Es gibt weder Richtwerte für Belastungen des Klimas noch für die befürchtete Grobemission (GLOF). Überdies müssen erhebliche Gefahren für Eigentum und Leben keinesfalls geduldet werden.
Aus den (sinngemäß) entsprechenden Gründen lassen sich auch die weiter von der Beklagten angeführten Entscheidungen (vgl. BGH, Urteil vom 12.02.1985 – VI ZR 193/83, Rn. 8-11; BGH, Urteil vom 15.02.2008 – V ZR 222/06, Rn. 23) auf den vorliegenden Fall nicht übertragen. In der Entscheidung aus 1985 war zudem – anders als im vorliegenden Fall – der Felssturz, der zur Schädigung des dortigen Klägers geführt hatte, ausschließlich durch das Wirken von Naturkräften ausgelöst worden; er war weder auf eine von Menschenhand vorgenommene Veränderung des Hanggrundstücks des Beklagten noch auf dessen wirtschaftliche Nutzung zurückzuführen. In derartigen Fällen verneint die ständige Rechtsprechung einen negatorischen Beseitigungsanspruch des betroffenen Nachbarn nach § 1004 BGB: Der Umstand allein, dass eine Beeinträchtigung von einem Grundstück ausgehe, mache den Eigentümer des Grundstücks noch nicht zum Störer; Störer sei der Eigentümer erst, wenn die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf seinen Willen zurückzuführen sei.
ee)
Eine weit überwiegende Mitverantwortung des Klägers im Hinblick auf die drohende Beeinträchtigung seines Eigentums, die – unbeschadet des Ergebnisses einer Beweisaufnahme – geeignet wäre, seinen Anspruch gänzlich entfallen zu lassen, ist gleichfalls nicht festzustellen.
Der von der Beklagten erhobene Einwand der Mitverantwortlichkeit bzw. Mitverursachung gem. § 254 BGB analog – da nicht auf ein Verschulden im eigentlichen Sinne, sondern auf eine Mitverursachung abzustellen ist – ist bereits im Rahmen des Feststellungsantrages zu prüfen, sofern die dafür (vermeintlich) maßgebenden Tatsachen schon zur Zeit der letzten Tatsachenverhandlung vorgelegen haben (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.1988 – VI ZR 279/87, Rn. 10); dies ist hier der Fall. Grundsätzlich ist der Einwand bei ganz überwiegender Mitverantwortlichkeit geeignet, den Anspruch aus § 1004 BGB entfallen zu lassen (BGH, Urteil vom 26.09.2006 – VI ZR 166/05, Rn. 21).
Der Bundesgerichtshof hat eine Mitverantwortlichkeit des gestörten Eigentümers in den Fällen bejaht oder in Betracht gezogen, in denen sich aus dem Zustand seiner Sache ein abwehrfähiger Eingriff in fremdes Eigentum ergeben konnte, ein abwehrfähiger Verursachungsbeitrag aus der Sphäre des beeinträchtigten Eigentümers stammte, die beeinträchtigte Sache sich in einem mangelhaften Zustand befand oder die Störung durch im Herrschaftsbereich des Eigentümers liegende Umstände mitverursacht wurden. Eine (überwiegende) Mitverantwortung des Eigentümers kann sich generell auch daraus ergeben, dass er Vorkehrungen zur Schadensabwehr unterlassen und so die Beeinträchtigung mitverursacht hat (vgl. BGH, Urteil vom 18.04.1997 – V ZR 28/96, Rn. 12 ff., 15; BGH, Urteil vom 13.01.2012 – V ZR 136/11, Rn. 8; BGH, Urteil vom 21.10.1994 – V ZR 12/94, Rn. 13; Grüneberg/Herrler, a.a.O., § 1004, Rn. 44.).
Der Umstand, dass der Kläger das betroffene Grundstück im Jahre 2014 und damit zu einem Zeitpunkt erworben hat, zu dem nach den amtlichen Verlautbarungen zwar keine konkrete Gefahr von der Lagune mehr ausging, wohl aber eine zumindest abstrakte Gefahr der Überflutung bestand, die ihm – zumal als Bergführer – auch bekannt gewesen sein dürfte, begründet nicht den Einwand einer weit überwiegenden Mitverantwortlichkeit bzw. Mitverursachung.
Allein durch den im Rahmen der vorweggenommenen Erbfolge erfolgten Erwerb des bereits seit 1984 im Familienbesitz befindlichen Grundstücks (vgl. Bl. 346 f.) hat der Kläger nicht an dem Entstehen der hier zu besorgenden Beeinträchtigung (Überflutungsgefahr) mitgewirkt. Grundstück und Haus waren auch ohne diesen Erwerbstatbestand der abstrakten Gefahr einer Überflutung ausgesetzt. Hätte der Erwerb durch den Kläger nicht stattgefunden, stünden der Beklagten auf Klägerseite dessen Rechtsvorgänger gegenüber, ohne dass insofern eine Selbstgefährdung ersichtlich wäre. Es ist nicht dargetan, dass die Eltern des Klägers im Jahre 1984 ihre Grundstücksnutzung auf eine durch den menschengemachten Klimawandel möglich gewordene GLOF auszurichten und insbesondere den Bau des Wohngebäudes vernünftigerweise zur Vermeidung einer Eigengefährdung zu unterlassen hatten (§ 903 S. 1 BGB). Dabei ist – wie oben bereits angeführt – insbesondere in den Blick zu nehmen, dass das Hausgrundstück ca. 25 Kilometer von der Lagune entfernt und von einem urbanen Siedlungsgebiet umgeben ist. Vor diesem Hintergrund erscheint es unbillig, die Beklagte als mögliche Störerin allein wegen der Übertragung des Eigentums zu entlasten.
ff)
Der von der Beklagten erhobene Einwand der Verjährung – die den Anspruch bereits dem Grunde nach entfallen ließe – greift nicht durch.
Der Anspruch des Klägers ist weder gem. §§ 194 Abs. 1, 195, 199 Abs. 1 BGB noch gem. § 199 Abs. 4 BGB verjährt. Es steht nicht fest, dass der Kläger zum Zeitpunkt der behördlichen Warnung vor einer GLOF aus der Laguna Palcacocha im Jahr 2009 Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände hatte. Die nach dem signifikanten Anstieg des Wasserpegels der Lagune im Jahr 2016 neu einsetzende dreijährige Verjährungsfrist war zum Zeitpunkt der Klageerhebung ebenso wie die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist nicht abgelaufen.
(1)
Verjährung nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB liegt nicht vor.
(a)
Ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB verjährt drei Jahre nach Entstehung des Anspruchs und nach Kenntnis oder grob fahrlässiger Unkenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners (§ 199 Abs. 1 BGB) bzw. ohne Rücksicht auf diese Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis nach einer Höchstfrist von 10 Jahren (§ 199 Abs. 4 BGB).
Der Anspruch auf Beseitigung der Störung entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Eigentumsbeeinträchtigung einsetzt (BGH, Urteil vom 22.02.2019 – V ZR 136/18, Rn. 15; BGH, Urteil vom 12.12.2003 – V ZR 98/03, Rn. 12; BGH, Urteil vom 01.02.1994 – VI ZR 229/92, Rn. 21; Erman/Ebbing, a.a.O., § 1004, Rn. 175; Grüneberg/Herrler, a.a.O., § 1004, Rn. 45). Bei wiederholten gleichartigen Handlungen entsteht mit jeder neuen Beeinträchtigung ein neuer Anspruch, der eigenständig verjährt (vgl. BGH, Urteil vom 22. 06.1990 – V ZR 3/89, Rn. 24; Grüneberg/Herrler, a.a.O., § 1004, Rn. 45).
(b)
Die Verjährungsfrist begann noch nicht im Jahr 2009 zu laufen, da das Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB zu diesem Zeitpunkt nicht hinreichend dargetan ist.
Nach dem Vortrag des Klägers beruht die Beeinträchtigung – die drohende Flutgefahr – auf den fortwährenden Emissionen (auch) der Beklagten bzw. ihrer Tochterunternehmen, also auf einer aktiven Handlung. Die drohende Gefahr einer Flutwelle aus der Laguna Palcacocha und einer drohenden Eigentumsbeeinträchtigung für sein Haus bestand nach Darstellung des Klägers seit dem Jahr 2009, jedenfalls war sie ihm seit diesem Zeitpunkt angesichts der behördlichen Warnungen bekannt. Den entsprechenden Vortrag hat sich die Beklagte ausdrücklich zu Eigen gemacht (vgl. Bl. 183 ff., 401 d.A.).
Die Übertragung des Eigentums an dem streitgegenständlichen Grundstück auf den Kläger und seine Ehefrau im Jahr 2014 hinderte einen etwaigen Ablauf der Verjährungsfrist nicht. Denn mit dem Wechsel des Eigentums am gestörten Grundstück beginnt keine neue Verjährungsfrist (BGH, Urteil vom 22.06.1990 – V ZR 3/89, Rn. 24; Grüneberg/Herrler, a.a.O., § 1004, Rn. 45).
Der Senat geht indessen davon aus, dass der Kläger bzw. seine Rechtsvorgänger seinerzeit noch keine Kenntnis von sämtlichen weiteren anspruchsbegründenden Umständen erlangt hatten oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Mangels entsprechender Anhaltspunkte kann nämlich nicht unterstellt werden, dass sie wussten, dass zu der vom Kläger als ursächlich für die Gefahr einer GLOF erachteten Klimaerwärmung gerade auch die Beklagte anteilsmäßig beigetragen hat bzw. beiträgt. Der Kläger und seine Rechtsvorgänger lebten und leben nicht in Europa, sondern in Peru. Es ist daher nicht anzunehmen, dass ihnen – ohne weitere gezielte Nachforschungen – die Großemittenten in Deutschland bzw. Europa bekannt waren. Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sie die naturwissenschaftlichen Zusammenhänge, die dem geltend gemachten Anspruch zu Grunde liegen und die zudem weitgehend streitig sind, seinerzeit schon kannten, auch wenn sie ab 2009 um die drohende Beeinträchtigung ihres Grundstücks und jedenfalls um die groben Zusammenhänge hinsichtlich des anthropogenen Beitrages zum Klimawandel wussten.
Auch eine grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ist unter den oben beschriebenen Umständen zu verneinen. Grob fahrlässige Unkenntnis i.S. dieser Vorschrift wird angenommen, wenn der Gläubiger die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen. Dies ist der Fall, wenn der Geschädigte die zur Verfolgung seines Anspruchs erforderliche Kenntnis nur deswegen nicht besitzt, weil er vor einer sich ihm ohne Weiteres anbietenden, gleichsam auf der Hand liegenden Erkenntnismöglichkeit, die weder besondere Kosten noch nennenswerte Mühe verursacht, die Augen verschlossen hat (BGH, Urteil vom 10.11.2009 – VI ZR 247/08, Rn. 7; Grüneberg/Ellenberger, a.a.O., § 199, Rn. 39). Hierfür ist im Streitfall nichts ersichtlich.
(c)
Ohnehin würde eine gegebenenfalls ab dem Jahre 2009 laufende Verjährungsfrist, die gem. § 199 Abs. 1 BGB zum Eintritt der Verjährung mit Ablauf des Jahres 2012 geführt hätte, den streitgegenständlichen Anspruch des Klägers nicht entfallen lassen. Denn durch die weiteren, nachfolgenden Emissionen der Beklagten und das – nach Klägervortrag – erneute Einsetzen einer drohenden Eigentumsbeeinträchtigung hat ab Februar 2016 eine neue Verjährungsfrist zu laufen begonnen.
Unstreitig hatte das Wasservolumen der Lagune im Jahr 2009 mit 17,3 Mio. m³ einen seinerzeitigen Höchststand. In den Folgejahren ist das Volumen bis auf 12 Mio. m³ reduziert worden; der (mehrfach verlängerte) Ausnahmezustand für den See wurde nach dem 01.11.2012 nicht mehr verlängert (vgl. Bl. 161; 681 d.A.; Anl. K 8 /Notstandsverordnung vom 28.08.2012). Die Gefahr eines Gletscherseeausbruchs schien nach Einschätzung der Behörden also gebannt. Erst in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2015 und im Jahr 2016 stieg das Wasservolumen wieder extrem an, und zwar unstreitig bis auf 17,4 Mio. m³ im Februar 2016. Mit dem Wasseranstieg dürfte nach allgemeinen physikalischen Gesetzmäßigkeiten die Gefahr einer GLOF wiederum erheblich gestiegen sein.
Erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Eigentumsbeeinträchtigung signifikant, nachdem sie – wie hier – zuvor erheblich gesunken war und dieses niedrige Niveau über Jahre gehalten wurde, führt das nach Auffassung des Senats dazu, dass die Verjährungsfrist für einen Beseitigungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB neu zu laufen beginnt. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass im Falle von wiederholten Störungen jeweils neue Ansprüche begründet werden (BGH, Urteil vom 22.02.2019 – V ZR 136/18, Rn. 15; BGH, Beschluss vom 16.06.2011 – V ZA 1/11, Rn. 7; BGH, Urteil vom 08.05.2015 – V ZR 178/14, Rn. 7-9). Dies muss auch hier gelten, wenn die Wahrscheinlichkeit einer GLOF und damit auch einer Überflutung des klägerischen Grundstücks aufgrund einer Verringerung des Wasservolumens der Lagune zunächst erheblich sinkt, dann aber erneut drastisch zunimmt.
(2)
Auch die kenntnisunabhängige zehnjährige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 4 BGB war bei Klageerhebung nicht abgelaufen.
Die Klage mit ihrem ursprünglichen Feststellungsantrag ist der Beklagten am 18.12.2015 zugestellt worden (vgl. Bl. 62 d.A.); die Zustellung der Klagerweiterungen ist im Juli und November 2016 erfolgt. Es lässt sich indessen nicht feststellen, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nach § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB im Dezember 2005 bzw. im Juli/November 2006 bereits entstanden war.
Die Beklagte hat hierzu erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragen (Bl. 2489 f. d.A.). Sie nimmt eine linear-proportionale Hochrechnung auf Basis zu bestimmten Zeitpunkten festgestellter und überlieferter Seepegelstände und Seevolumen vor und behauptet auf dieser Grundlage, das von dem Kläger als sicher betrachtete Volumen von 7 Mio. m³ sei Mitte des Jahres 2005 überschritten worden. Sie beruft sich auf angeblichen Vortrag des Klägers in seiner Klageschrift, der so jedoch nicht gehalten worden ist. Das stellt der Kläger selbst noch einmal ausdrücklich in seinem Schriftsatz vom 14.02.2022 (Bl. 2556 d.A.) klar: „… die Hochrechnung der Beklagten ist Spekulation, …“. Einen Beweis tritt die Beklagte für ihre Darstellung gleichwohl nicht an.
Das mithin streitige neue Vorbringen der Beklagten ist gem. § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Die in dieser Vorschrift aufgeführten Ausnahmetatbestände greifen nicht. Insbesondere ist das neue Angriffsmittel nicht gem. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Nach § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel u.a. zuzulassen, wenn sie einen Gesichtspunkt betreffen, der vom Gericht des ersten Rechtszuges für unerheblich gehalten worden ist. Dies ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dahingehend einzuschränken, dass die (objektiv fehlerhafte) Rechtsansicht des Gerichts den erstinstanzlichen Sachvortrag der Partei beeinflusst haben und daher (mit-)ursächlich dafür geworden sein muss, dass sich Parteivorbringen in das Berufungsverfahren verlagert hat. Das kommt vor allem dann in Betracht, wenn das Gericht des ersten Rechtszugs bei richtiger Rechtsauffassung zu einem Hinweis nach § 139 Abs. 2 ZPO verpflichtet gewesen wäre, den sodann – falls noch erforderlich – das Berufungsgericht nachzuholen hat, oder wenn die Partei durch die Prozessleitung des Erstgerichts oder dessen sonst erkennbare rechtliche Beurteilung des Streitverhältnisses davon abgehalten worden ist, zu bestimmten Gesichtspunkten (weiter) vorzutragen (BGH, Urteil vom 19.02.2004 – III ZR 147/03, Rn. 19; BGH, Urteil vom 27.01.2010 – XII ZR 148/07, Rn. 22 ff.). Dies ist hier nicht der Fall. Die insoweit darlegungs- und beweisbelaste Beklagte hat die Einrede der Verjährung bereits in ihrer Klageerwiderung erhoben und hätte bereits zu diesem Zeitpunkt zur kenntnisunabhängigen 10-jährigen Verjährungsfrist näher vortragen können.
Im Übrigen gilt auch für die zehnjährige kenntnisunabhängige Frist, dass sie mit der erneuten signifikanten Zunahme des Seewasservolumens in den Jahren 2015/2016 neu zu laufen begonnen hat. Auf die obigen Ausführungen wird verwiesen.
d)
Dem darlegungs- und beweisbelasteten Kläger ist es jedoch nicht gelungen, eine künftige, erstmals drohende Beeinträchtigung seines Grundeigentums im Sinne des § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB nachzuweisen.
aa)
Zur Annahme einer Erstbegehungsgefahr i.S.d. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB müssen eine gewisse Wahrscheinlichkeit und eine gewisse zeitliche Nähe der zu besorgenden Rechtsverletzung aufeinandertreffen.
Aus dem Wortlaut des Gesetzes lässt sich nichts dazu entnehmen, nach welchen Maßstäben eine erstmals ernsthaft drohende Beeinträchtigung des unterhalb der Gletscherlagune liegenden Hausgrundstücks des Klägers durch eine Überflutung oder eine Schlammlawine festzustellen ist bzw. welche Voraussetzungen vorliegen müssen, um eine solche Gefahr im Sinne von § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB für sein Eigentum annehmen zu können.
Der Bundesgerichtshof bejaht eine Erstbegehungsgefahr, wenn die ernsthafte Besorgnis einer künftigen, unmittelbar bevorstehenden Rechtsverletzung besteht bzw. sich die drohende Verletzungshandlung in tatsächlicher Hinsicht so greifbar abzeichnet, dass eine zuverlässige Beurteilung unter rechtlichen Gesichtspunkten möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 25.02.1992 – X ZR 41/90, Rn. 36; ähnlich BGH, Urteil vom 18.06.2014 – I ZR 242/12, Rn. 35, jeweils zu drohenden Verletzungshandlungen im Wettbewerb zweier Konkurrenten). Zu den Voraussetzungen eines vorbeugenden Unterlassungsanspruchs gegen eine von einem Nachbargrundstück drohende Grundstücksbeeinträchtigung hat der Bundesgerichtshof ausgeführt, dass Anknüpfungspunkt für das Abwehrrecht des Nachbarn nicht die von dem anderen Grundstück potentiell, wenn auch vielleicht nur bei Hinzutreten außergewöhnlicher Umstände ausgehende Gefahr, sondern die im Einzelfall bewirkte oder zumindest konkret drohende Beeinträchtigung seines Eigentums sei und dass daher der Anspruch erst in dem Augenblick entstehe, in dem sich auf dem benachbarten Grundstück objektiv eine die Emission ermöglichende konkrete Gefahrenquelle gebildet habe, auf Grund derer ein Einschreiten geboten sei (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.2009 – V ZR 75/08, Rn. 12; BGH, Urteil vom 30.05.2003 – V ZR 37/02, Rn. 14). Nach diesen Grundsätzen genügt eine potentielle bzw. abstrakte oder theoretische Gefahr nicht für einen Abwehranspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB, sondern es ist eine hinreichend konkrete Gefährdung erforderlich (so auch Prof. Dr. Gsell, Stellungnahme vom 28.01.2025, S. 7, vom Kläger vorgelegt als Anl. BK 45).
In der Literatur wird das Zeitmoment mit Begriffen wie „alsbald“, „in absehbarer Zeit“, „ernsthaft und greifbar zu befürchten“ oder „unmittelbar bevorstehend“ umschrieben. Eine relevante Erstgefahr soll danach nur dann anzunehmen sein, wenn der Eintritt der befürchteten Störung alsbald oder in absehbarer Zeit zu erwarten ist bzw. unmittelbar bevorsteht (Staudinger/Thole, a.a.O., § 1004, Rn. 465; BeckOGK/Spohnheimer, a.a.O., § 1004, Rn. 269, 271; BeckOK BGB/Fritzsche, a.a.O., § 1004, Rn. 96).
Wie diese Begrifflichkeiten jeweils zu konkretisieren sind, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls. Je höherrangig die bedrohten Rechtsgüter sind, desto geringere Anforderungen sind an das zu fordernde Maß der Wahrscheinlichkeit zu stellen (so auch Prof. Dr. Gsell, a.a.O.). Je größer die Gefahr und die Wahrscheinlichkeit ihrer Verwirklichung sind, umso eher sind Sicherungsmaßnahmen zumutbar (BGH, Urteil vom 05.07.2019 – V ZR 96/18, Rn. 14; BGH, Urteil vom 31.10.2006 – VI ZR 223/05, Rn. 11).
bb)
Nach Maßgabe dieser Grundsätze sieht der Senat im Rahmen der Gesamtabwägung aller Umstände des vorliegenden Falles 30 Jahre als äußerste Grenze für den Eintrittszeitraum einer das Grundstück des Klägers beeinträchtigenden GLOF an.
Soweit sich der Bundesgerichtshof im Rahmen der Beurteilung von Starkregen- und Überschwemmungsgefahren und deren Abwehr bzw. Vorsorge an einem 100-jährlichen Ereignis orientiert (vgl. BGH, Urteil vom 05.06.2008 – III ZR 137/07, Rn. 10; BGH, Urteil vom 22.04.2004 – III ZR 108/03, Rn. 11), kann dies auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden. In den entsprechenden Entscheidungen ging es um eine hochwasserschutzbezogene Haftung der öffentlichen Hand; im vorliegenden Fall steht dagegen die Haftung zwischen zwei privaten Rechtssubjekten im Raume. Während die hochwasserschutzbezogenen Amtspflichten abstrakt auf eine Gefahrenabwehr ausgerichtet sind und nur im Wege des Drittschutzes von einzelnen Individualrechtsträgern geltend gemacht werden können, geht es bei § 1004 Abs. 1 BGB von vornherein um den Anspruch auf Abwehr bereits bestehender oder Unterlassung (erneut) drohender konkreter Beeinträchtigungen, mithin um akut vorliegende oder zu erwartende Eingriffe Dritter in die rechtliche oder tatsächliche Herrschaftsmacht eines Eigentümers. Dem ist Rechnung zu tragen, indem an die Feststellung einer (konkret drohenden) Beeinträchtigung deutlich höhere Anforderungen als an die Annahme einer abstrakten Amtspflicht zur Gefahrenabwehr einer Gemeinde oder Behörde zu stellen sind. Dies gilt erst recht, als über den Wortlaut des § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB hinaus nach der h.M. und Rechtsprechung auch eine erstmals drohende Beeinträchtigung genügt, um einen Unterlassungsanspruch zu begründen. Darum geht es auch hier. Daher sind an die Erstbegehungsgefahr strenge Anforderungen zu stellen, um den Unterlassungsanspruch über den (zu engen) Wortlaut des § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB hinaus nicht allzu sehr ausufern zu lassen (so auch BeckOGK/Spohnheimer, a.a.O., § 1004, Rn. 271).
Soweit der Kläger meint, das öffentliche Recht biete mit § 76 Abs. 2 WHG einen Anhaltspunkt, wann ein Einschreiten geboten sei, folgt der Senat dem nicht. § 76 Abs. 2 Nr. 1 WHG regelt, dass die Gebiete, in denen ein Hochwasserereignis statistisch einmal in 100 Jahren zu erwarten ist, von der Landesregierung als Überschwemmungsgebiete festzulegen sind. Nach der Legaldefinition in § 76 Abs. 1 S. 1 WHG sind Überschwemmungsgebiete Gebiete zwischen oberirdischen Gewässern und Deichen oder Hochufern und sonstige Gebiete, die bei Hochwasser eines oberirdischen Gewässers überschwemmt oder durchflossen oder die für Hochwasserentlastung oder Rückhaltung beansprucht werden. Als Überschwemmungsgebiete sind daher kraft bundesrechtlicher Anordnung die Gebiete festzusetzen, in denen statistisch einmal in hundert Jahren ein Hochwasserereignis zu erwarten ist (Czychowski/Reinhardt, 13. Aufl. 2023, WHG, § 76 Rn. 22). Das Wasserhaushaltsgesetz verwendet damit einen pauschalen Maßstab ohne jegliche Einzelfallbetrachtung, auf eine vorhandene oder ernsthaft drohende Beeinträchtigung von Individualinteressen kommt es nicht an. Eine Übertragung der in § 76 Abs. 2 WHG bestimmten Voraussetzungen für die Festlegung eines Überschwemmungsgebietes – eine Wiederkehrzeit von 100 Jahren für ein Hochwasser – auf den Unterlassungsanspruch des § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB verbietet sich aufgrund dieser unterschiedlichen Maßstäbe.
Der Senat hat bei der Konkretisierung des Zeitmoments zudem berücksichtigt, dass die zukünftige Entwicklung an der Lagune für einen längeren Zeitraum als 30 Jahre nicht seriös einzuschätzen sein wird. Der Blick zurück in die Vergangenheit zeigt, dass die Laguna Palcacocha in den letzten hundert Jahren – und zwar jeweils in Abständen von wenigen Jahrzehnten – erhebliche Veränderungen erfahren hat, darunter Änderungen in der Geometrie und der Lage des Gletschersees sowie durch die Installation von Sicherungseinrichtungen. So war in den 1920-er Jahren nicht abzusehen, welche Entwicklung die Lagune im Verlauf der kommenden Jahrzehnte nehmen würde. Weder die Flutwelle vom 13.12.1941, als deren Ursache Erosionsprozesse am Endmoränenwall und/oder ein Eisabbruch diskutiert werden (vgl. S. 101 SVG I), noch die dadurch verursachten Änderungen von Geometrie und Lage des Gletschersees (vgl. S. 106 SVG I) waren vorherzusehen. Gleiches gilt für das Erdbeben vom 31.05.1970, bei dem die damals vorhandenen Sicherungsbauten – ein in den 1950-er Jahren errichteter künstlicher Damm und eine Entwässerungsrinne – beschädigt wurden (S. 108 SVG I). Wiederum ca. 30 Jahre später – im Jahr 2003 – kam es zu weiteren erheblichen Veränderungen der Lagune. Durch das Ablösen von Gletschereis und das Abrutschen von Moränenmaterial aus dem linken hinteren Seitenmoränenwall wurde eine Schwallwelle ausgelöst, die zu einer Überströmung der Dämme und bereichsweise des Grundmoränenwalls führte, in deren Folge der Gletschersee eine deutlich größere Ausdehnung annahm (S. 110 ff. SVG I). Unbeschadet der Frage, ob diese Ereignisse vom Klimawandel begünstigt oder unabhängig davon durch Naturereignisse ausgelöst wurden, zeigen sie, dass die Frage, ob konkrete Anhaltspunkte für eine greifbare Gefahr hinsichtlich der Rechtsgüter des Klägers vorliegen, mit der hier erforderlichen Sicherheit nur für einen begrenzten Zeitraum seriös beantwortet werden kann. So gibt es weiterhin mannigfaltige Faktoren, die Einfluss auf die zukünftige Entwicklung der Laguna Palcacocha nehmen können. Zu nennen sind hier etwa die wirtschaftliche Entwicklung von Peru insgesamt und insbesondere der Region Ancash, die Bevölkerungsentwicklung in Huaraz, von der wiederum das Ausmaß der Nutzung des Sees als Wasserspeicher und die Ausgestaltung der damit zusammenhängenden technischen Einrichtungen (künstliches Hochhalten des Wasserpegels durch Wälle, künstliche Entwässerung durch Siphons etc.) abhängen dürften, die behördlichen Entscheidungen im Hinblick auf das noch zu tolerierende Risiko einer Überflutung für die Stadt und die Bewohner, etwaige Veränderungen des Laufes der Gebirgsbäche bzw. Flüsse Río Paria/Río Cojup, Río Quilcay und Río Santa etc. Eine einigermaßen verlässliche Prognoseentscheidung lässt sich angesichts dieser Vielzahl an Faktoren nach Einschätzung des Senats allenfalls für die nächsten drei Jahrzehnte treffen.
Andererseits hat der Senat im Rahmen der gebotenen Einzelfallbetrachtung auch die Schwere der hier in Rede stehenden drohenden Schäden für den Kläger berücksichtigt. Bei einem Gletscherseeausbruch könnte das Eigentum des Klägers und jenes der weiteren Bewohner bzw. Nutzer seines Hausgrundstücks in Huaraz zerstört werden. Im Extremfall droht ihnen zudem eine Gefahr für Leib und Leben. Insofern könnte ein quasinegatorischer Abwehranspruch analog § 1004 BGB bestehen (vgl. dazu BGH, Urteil vom 18.03.1959 – IV ZR 182/58, Rn. 24; BGH, Urteil vom 27.09.1996 – V ZR 335/95, Rn. 7 ff.; Erman/Ebbing, a.a.O., § 1004, Rn. 9 f.). Unbeschadet der Frage, ob eine Gefahr für Leib und Leben hier vom Kläger überhaupt mit der erforderlichen Substanz behauptet worden ist, spricht das Ausmaß der denkbaren Schäden jedenfalls dafür, den Eintrittszeitraum der zu besorgenden Gefahr auch nicht niedriger als 30 Jahre anzusetzen.
cc)
In dem so festgelegten Betrachtungszeitraum ist mit einer konkret drohenden Beeinträchtigung des klägerischen Grundbesitzes durch eine von der Laguna Palcacocha ausgehenden Überflutung und/oder eine Schlammlawine infolge einer Zunahme des Wasservolumens im See, der Ablösung einer Eislawine, eines Gletscherabbruchs, einer Gesteinsrutschung, eines Felssturzes oder einer Kombination dieser Umstände nicht mit der im Rahmen von § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB geforderten Wahrscheinlichkeit zu rechnen.
(1)
Der Senat hat die Beweiserhebung auf die Frage der Überschwemmung des klägerischen Grundstücks im Falle einer von der Laguna Palcacocha ausgehenden Flutwelle erstreckt und auch eine mögliche Flutgefahr durch Ablösung einer Eislawine, eines Gletscherabbruchs, einer Gesteinsrutschung oder eines Felssturzes in den See und eines dadurch bewirkten Bruchs der Endmoräne und/oder der beiden künstlichen Dämme berücksichtigt. Weitere Gletscherseen neben der Laguna Palcacocha hat er dagegen nicht in seine Gefahrenbewertung einbezogen.
(a)
Der Senat hat über die Behauptung des Klägers Beweis erhoben, dass eine Flutwelle nach einem Gletscherseeausbruch der Laguna Palcacocha sein Hausgrundstück erreichen und „aller Voraussicht nach auch das Haus des Klägers“ überschwemmen werde, obwohl dieser Umstand im Tatbestand des angefochtenen Urteils als unstreitig aufgeführt (vgl. Bl. 427 ff. d.A.) und ein hiergegen gerichteter Berichtigungsantrag der Beklagten zurückgewiesen worden ist (vgl. Bl. 457 f. d.A.).
Der Senat sieht sich schon nicht an die entsprechende Feststellung des Landgerichts gebunden, weil die konkreten Folgen eines Gletscherseeausbruchs durch die einschränkende Formulierung „aller Voraussicht nach“ im Unklaren bleiben, der Senat jedoch gerade diesen Punkt aufzuklären hat.
Das durch die Beklagte erfolgte Bestreiten einer Überflutung des klägerischen Grundstücks in der Berufungsinstanz (vgl. Bl. 556 f. d.A.) hat der Senat überdies als neues Verteidigungsmittel behandelt, das gleichwohl entsprechend § 531 Abs. 2 S. 1 Ziffer 1 und 3 ZPO zuzulassen ist. Nach Auffassung des Senats ist das Vorbringen der Beklagten in ihrer Klageerwiderung auf S. 34 ff. (Bl. 160 ff. d.A.) bereits dahingehend zu verstehen, dass eine Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks in Form einer Überflutung durch einen Gletscherseeausbruch der Laguna Palcacocha in jedweder Hinsicht nicht zu besorgen sei. Dies wird dort im Einzelnen ausgeführt. Allerdings wird ein Szenario dergestalt, dass es zwar zu einer GLOF kommen könnte, die Flutwelle aber nicht das Ausmaß hat, um das klägerische Grundstück zu erreichen, nicht gesondert erörtert. Dieser Umstand ändert aber nichts daran, dass die Ausführungen in der Klageerwiderung bei verständiger Auslegung so zu verstehen sind, dass die Beklagte eine Gefährdung des klägerischen Grundeigentumes unter allen in Betracht kommenden Umständen bestreiten will. Das umfassende Bestreiten einer drohenden Eigentumsbeeinträchtigung ist in den Ausführungen der Klageerwiderung mithin bereits im Kern angelegt. Wenn das Erstgericht dies anders verstanden hat, hätte an dieser Stelle jedenfalls ein Hinweis bzw. eine klarstellende Nachfrage des Gerichts im Sinne von § 139 Abs. 1 ZPO erfolgen und zugleich eine Gelegenheit zur Klarstellung gegeben werden müssen. Dies ist nicht geschehen. Ggf. mag das Erstgericht – aufgrund seiner rechtlichen Betrachtung des Falles – eine klarstellende Ergänzung des Vortrages in diesem Punkt auch für unerheblich bzw. nicht erforderlich gehalten haben.
(b)
Ebenfalls zuzulassen war der in zweiter Instanz konkretisierte Vortrag des Klägers, dass über die Zunahme des Wasservolumens in der Laguna Palcacocha und einer dadurch bedingten Überströmung der Endmoräne und der beiden künstlichen Dämme hinaus auch eine durch die Ablösung einer Eislawine, eines Gletscherabbruchs, einer Gesteinsrutschung oder eines Felssturzes in den See und eines dadurch bewirkten Bruchs der Endmoräne und/oder der beiden künstlichen Dämme verursachte ernsthaft drohende Flutgefahr bestehen kann. Auch diese Szenarien sind vom Kläger zur Begründung einer drohenden Beeinträchtigung seines Grundstücks bei verständiger Auslegung seines Klagevorbringens in den Blick genommen und vorgetragen worden (vgl. z.B. Seite 7 der Klageschrift, dort zweiter Absatz unter Ziffer 3.2: „…ebenfalls verursacht durch die Gletscherschmelze, herabfallende Eis- und Gesteinsschichten…“). Auch hier hätten ein Hinweis bzw. eine klarstellende Nachfrage des Gerichts im Sinne von § 139 Abs. 1 ZPO erfolgen und zugleich eine Gelegenheit zur Klarstellung gegeben werden müssen.
(c)
Soweit der Kläger nach Durchführung des Ortstermins auf zwei andere Gletscherseen neben der Laguna Palcacocha hingewiesen und den gerichtlichen Sachverständigen vorgeworfen hat, es versäumt zu haben, das Quilcay-Einzugsgebiet als Ganzes in die Gefahrenbewertung einzubeziehen (Bl. 3329 ff., 3363 d.A.), ist dieses neue Angriffsmittel gem. § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen; hilfsweise ist es als verspätet zurückzuweisen (§§ 525, 282, 296 Abs. 2 ZPO).
(aa)
Gründe, das neue und streitige Vorbringen des Klägers gem. § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 bis 3 ZPO ausnahmsweise zuzulassen, liegen nicht vor.
Der Kläger hat in erster Instanz lediglich zu den Gefahren für sein Hausgrundstück bzw. für die Stadt Huaraz vorgetragen, die von einem Gletscherseeausbruch der Lagune Palcacocha drohen; von anderen Gletscherseen war keine Rede. Erstmals in der Berufungsinstanz – mit Schriftsatz vom 30.01.2024 (Bl. 3329 ff., 3363 d.A.) – trägt er vor, dass eine Gefahr für sein Hausgrundstück nicht nur von der Lagune Palcacocha, sondern kumulativ auch von den beiden im Quilcay-Einzugsgebiet liegenden Lagunen Cuchillacocha und Tullpacocha ausgehe. Soweit er in diesem Zusammenhang auf die von ihm vorgelegte Veröffentlichung von Frey et al. (2018, in englischer Sprache verfasst/Anl. BK 10) verweist, ist auch diese Anlage – ohne weitere konkrete Erläuterungen zu einem kumulativ vorliegenden Gefahrenpotential – erst mit Schriftsatz vom 07.02.2019 (Bl. 1643 ff. d.A.) und damit in der Berufungsinstanz zur Akte gereicht worden. Die Beklagte stellt ihrerseits in Abrede, dass von den drei Lagunen jeweils für sich genommen oder im Zusammenwirken eine konkrete Gefahr für das Grundstück des Klägers ausgehe (Bl. 3468 d.A.).
Das neue Angriffsmittel des Klägers ist insbesondere nicht gem. § 531 Abs. 2 S. 1 Ziffer 1 ZPO zuzulassen. Es betrifft keinen Gesichtspunkt, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten worden ist.
Das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, verpflichtet das Berufungsgericht dazu, neues Vorbringen dann zuzulassen, wenn eine unzulängliche Verfahrensleitung oder eine Verletzung der richterlichen Hinweispflicht das Ausbleiben des Vorbringens oder von Beweisanträgen in der ersten Instanz mitverursacht haben (BGH, Beschluss vom 11.04.2018 – VII ZR 177/17, Rn. 7; BGH, Urteil vom 19.02.2004 – III ZR 147/03, Rn. 19; BGH, Urteil vom 27.01.2010 – XII ZR 148/07, Rn. 24).
Dies ist nicht ersichtlich. Das Landgericht hat insoweit nicht gegen seine Hinweispflicht nach § 139 Abs. 2 ZPO verstoßen. Es war nämlich nicht gehalten, den als Bergführer ortskundigen Kläger darauf hinzuweisen, seinen Vortrag zur örtlichen Gefährdungssituation auf die beiden anderen Lagunen auszuweiten bzw. zu ergänzen. Der Kläger ist auch nicht durch die Prozessleitung des Erstgerichts oder dessen sonst erkennbare rechtliche Beurteilung des Streitverhältnisses davon abgehalten worden, zu dem nunmehr angeführten Gesichtspunkt (weiter) vorzutragen. Dass die (aus Sicht des Senats fehlerhafte) Rechtsansicht des Landgerichts den diesbezüglichen erstinstanzlichen Vortrag des Klägers in irgendeiner Weise beeinflusst hat, ist nicht erkennbar.
(bb)
Unbeschadet dieser Ausführungen ist der Vortrag des Klägers zur kumulativen Gefahrenlage jedenfalls gem. §§ 525, 282 Abs. 1, 296 Abs. 2 ZPO als verspätet zurückzuweisen.
Bereits mit der Berufungsbegründung, zumindest aber nach Zugang des Beweisbeschlusses Ende November 2017 und zwingend vor Durchführung der Ortsbesichtigung zur Vorbereitung des schriftlichen Sachverständigengutachtens im Mai 2022, hätte der (ortskundige) Kläger zu den beiden Lagunen Cuchillacocha und Tullpacocha und zu der vermeintlich auch von diesen Seen für sein Grundstück ausgehenden Gefahrenlage konkret vortragen müssen. Die Beklagte hätte daraufhin Erkundigungen einholen und zu diesem Vortrag Stellung nehmen können. Gegebenenfalls wäre sodann mit einem ergänzenden Beweisbeschluss der Auftrag der gerichtlichen Sachverständigen erweitert worden; das weitere Vorbringen hätte dann von den Sachverständigen im Zuge des Ortstermins im Mai 2022 berücksichtigt und geprüft werden können.
Die Berücksichtigung des erst im Januar 2024 und damit mehr als ein Jahr nach Vorlage des schriftlichen Erstgutachtens erfolgten Vorbringens hätte zu einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens geführt. Für die Feststellung einer Verzögerung des Rechtsstreits kommt es allein darauf an, ob der Prozess bei Zulassung des verspäteten Vorbringens länger dauern würde als bei dessen Zurückweisung. Dagegen ist es unerheblich, ob der Rechtsstreit bei rechtzeitigem Vorbringen ebenso lange gedauert hätte (absoluter Verzögerungsbegriff, vgl. BGH, Urteil vom 02.12.1982 – VII ZR 71/82, Rn. 9 ff.). Hätte der Senat das von der Beklagten bestrittene Vorbringen noch zugelassen, wäre eine erneute zeitaufwändige und wie den Parteien bekannt ist – mit erheblichen Schwierigkeiten verbundene Ortsbesichtigung in Peru durch die Sachverständigen zur Vorbereitung eines weiteren Gutachtens erforderlich geworden, die Beendigung des Verfahrens hätte sich um Jahre verschoben.
Das verspätete Vorbringen des Klägers beruht zudem auf grober Nachlässigkeit im Sinne von § 296 Abs. 2 ZPO. Jede Prozesspartei ist gehalten, alle (auch die nur hilfsweise) in Erwägung zu ziehenden Angriffs- und Verteidigungsmittel alsbald vorzutragen oder zumindest anzukündigen. Anders als das Gericht kannte und kennt der Kläger als Bergführer die benannten Lagunen und ihre ggf. für sein Grundstück kritische Lage genau. Es wäre ihm daher problemlos möglich gewesen, spätestens mit seiner Berufungsbegründung im Januar 2017 den Vortrag zu halten, der erst mit Schriftsatz im Januar 2024 erfolgte.
(2)
Es kann dahinstehen, ob für die Beantwortung der Frage, ob Rechtsgüter des Klägers einer konkret drohenden Beeinträchtigung ausgesetzt sind, der Umstand zu berücksichtigen ist, dass es auch ohne den – klägerseits behaupteten – menschengemachten CO2-bedingten Klimawandel zu einem Gletscherseeausbruch kommen kann. So könnte zum Beispiel das Ablösen von Fels-/Eisblöcken oberhalb der Lagune oder der Bruch der Grundmoräne oder eines Damms auch durch ein Erdbeben ausgelöst werden. Die unabhängig vom Klimawandel bestehende Schadenswahrscheinlichkeit könnte insofern von der Gesamtwahrscheinlichkeit abzuziehen sein; dies würde indessen die Ermittlung der unabhängig vom anthropogenen CO2-bedingten Klimawandel bestehende Schadenswahrscheinlichkeit voraussetzen.
Letztlich kommt es hierauf nicht an, da der Kläger auch dann, wenn die Schadenswahrscheinlichkeit eines Gletscherseeausbruchs insgesamt betrachtet wird, mit seinem Klagebegehren nicht durchdringen kann.
(3)
Der Kläger hat nicht beweisen können, dass von der Laguna Palcacocha eine ernsthaft drohende Gefahr im Sinne des § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB für sein Grundstück ausgeht.
(a)
Nach dem Ergänzungsgutachten der Sachverständigen L. und B. vom 20.12.2024 liegt die Eintrittswahrscheinlichkeit für eine in den nächsten 30 Jahren auftretende Gefährdung des unterhalb der Laguna Palcacocha liegenden klägerischen Grundbesitzes durch eine Überflutung und/oder eine Schlammlawine infolge der Zunahme des Wasservolumens im See, der Ablösung einer Eislawine, eines Gletscherabbruchs, einer Gesteinsrutschung oder eines Felssturzes bzw. einer Kombination dieser Umstände bei deutlich unter 3 %. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.03.2025 haben die Gutachter dies dahingehend konkretisiert, dass die Wahrscheinlichkeit bei nur 1 % liege. Dieses Risiko stellt sich nach sachverständiger Einschätzung, insbesondere auch unter Heranziehung einer in der Schweiz geltenden Richtlinie zur Beurteilung von Naturgefahren, als sehr gering dar.
Bei dieser Sachlage kann zur Überzeugung des Senats auch unter Berücksichtigung des Gewichts der nach Klägervortrag bedrohten Rechtsgüter eine Erstbegehungsgefahr nicht bejaht werden, und zwar selbst dann nicht, wenn auf die ermittelte prozentuale Wahrscheinlichkeit noch der vom Kläger für erforderlich gehaltene Klimafaktor von 2 oder 4 angewendet wird.
(aa)
Die gerichtlich bestellten Sachverständigen haben in ihrem Sachverständigengutachten vom 31.07.2023 sowie dem Ergänzungsgutachten vom 20.12.2024 eine ortskonkrete Analyse des Gefährdungspotentials vorgenommen.
Sämtliche Untersuchungen zu potentiellen Gefährdungen durch einen Gletscherabbruch oder durch die Ablösung von Eislawinen beruhen auf den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten und auf der Gefahreneinschätzung der örtlich zuständigen und ortskundigen Behörden INAIGEM (Instituto Nacional de Investigación en Glaciares y Ecosistemas de Montaña, das Nationale Institut für Gletscher und Gebirgsökosystemforschung) und ANA (Autoridad Nacional del Agua, die Nationale Wasserbehörde), vgl. S. 161 SVG I, S. 71 SVG II). Danach haben die Sachverständigen 22 von INAIGEM identifizierte potentielle Gletscherabbruchkörper (Blöcke) untersucht, deren Volumina zwischen 34.258,28 m³ (Block 8) und 765.101,56 m³ (Block 15) liegen. Dabei haben sie die von E. (2020a & 2020b) – einem INAIGEM-Mitarbeiter – gebildeten fünf Szenarien mit Einstoßvolumina zwischen 0,47 Mio. m³ und 1,88 Mio. m³ übernommen, bei denen sich ein großer potentieller Block oder mehrere potentielle Blöcke gleichzeitig lösen (S. 161 ff. SVG I, S. 72 SVG II). Zudem haben sie die von ANA aktuell identifizierten und im Behördentermin am 27.05.2022 in Huaraz vorgestellten potentiellen Gletscherabbruchkörper untersucht. Die sieben Blöcke seien zwischen 225.810 m³ und 1.169.870 m³ groß, die nahe beieinander liegenden Blöcke 5, 6 und 7 besäßen zusammen ein Volumen von rund 2,5 Mio. m³ (S. 163 SVG I, S. 74 SVG II).
Potentielle Gesteinsrutschungen stellen nach den Untersuchungen der Sachverständigen keine Gefährdung des klägerischen Grundeigentums dar. Zwar seien solche insbesondere am linken (aus der Blickrichtung zum Tal) Seitenmoränenwall immer wieder vorgekommen; dokumentiert sei indessen nur ein einziges Ereignis vom 19.03.2003 mit einem Rutschvolumen von 83.800 m³. Aus den Berechnungen gehe hervor, dass mit Ausnahme der Steilböschung im Rutschungskessel im linken Seitenmoränenwall (Bild 102, S. 167 SVG I) alle Böschungsbereiche beider Seitenmoränenwälle standsicher seien. Die Steilböschung im Rutschungskessel könne zu einem Rutschungsereignis mit einem Volumen der Rutschmasse von höchstens 100.000 m³ führen. Ein solches Rutschvolumen führe aber zu keiner Überströmung der künstlichen Dämme bzw. des Grundmoränenwalls, wenn der Seewasserspiegel nicht über 4.560 m über dem Meeresspiegel steige (S. 165 ff. SVG I, S. 76 SVG II). Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Sachverständigen klargestellt, dass dies auch für einen Wasserspiegel von 4.563 m gelte (Prot. vom 17.03.2025, S. 11).
Auch einen potentiellen Fels-/Bergsturz haben die Sachverständigen in ihre Berechnungen nicht einbezogen; ein solcher komme als potentielles Auslöserereignis nicht in Betracht. Dies haben sie nachvollziehbar damit begründet, dass in den Gefahreneinschätzungen der peruanischen Behörden ANA und INAIGEM keine Hinweise auf eine Gefährdung durch einen Fels- oder Bergsturz vorlägen; solche seien in den letzten 83 Jahren auch nicht aufgetreten. Dies sei an der Bathymetrie des Sees zu erkennen. Insbesondere seien auch dort, wo der Gletscher sich zurückgezogen habe und Felsgestein anstehe, nachweislich keine Felsstürze eingetreten; es gebe auch keine Hinweise auf erstmalige Instabilitätsprobleme (Prot. vom 17.03.2025, S. 5 f., S. 12, Chart 105). Soweit in einem INAIGEM-Bericht aus dem Jahr 2018 von einer Felssturzgefahr die Rede sei, behandele dieser Bericht nicht die Laguna Palcacocha, sondern die Laguna Rajucolta, die von einer anderen Lithologie gekennzeichnet sei. Die Lithologie sei aber der maßgebliche Faktor für Felsstürze. Die Laguna Palcacocha sei eingebettet in Batholith, der nicht zu Felsstürzen neige. Es handele es sich um ein magmatisches Tiefengestein, das sehr komplex und kompetent sei und eine hohe Eigenstandssicherheit aufweise. Die an der Laguna Rajucolta vorzufindenden weniger standsicheren Gesteins- und Felsarten kämen lediglich an den Seitenmoränenwällen der Laguna Palcacocha vor; dort könnten sie allenfalls zu den oben beschriebenen kleineren Lockergesteinsrutschungen führen (vgl. Prot. vom 17.03.2025, S. 5). Sämtliche Publikationen – und zwar auch die vom Kläger selbst vorgelegten – gingen im Übrigen ebenfalls von einer rechnerischen Dichte einer potentiellen Lawine von 1.000 kg/m³ aus. Dies entspreche der Dichte einer Eislawine mit Verunreinigungen, während Felsgestein eine deutlich höhere Dichte (Faktor ca. 1,5) aufweise. Der Ansatz einer Dichte von 1.000 kg/m³ werde auch von den Sachverständigen für zutreffend erachtet. Felsstürze mit einem Volumen von etwa 2 Mio. m³ seien daher bei Ansatz einer mittleren Dichte von 1.500 kg/m³ für eine in die Lagune hinabgleitende Fels-Eis-Lawine mit den Untersuchungen für Gletscherabbrüche und Eislawinen mit einem Volumen von bis zu 3 Mio. m³ abgedeckt, wenn auch aufgrund der Unterschiede beim Fließverhalten, Einsturzwinkel, Einstoßgeschwindigkeit etc. keine exakte Vergleichbarkeit gegeben sei (S. 136 ff. SVG II, Prot. vom 17.03.2025, S. 12).
(bb)
Ausgehend von den so identifizierten potentiellen Auslöserereignissen haben die Sachverständigen zunächst untersucht, ob mit mindestens 50%-iger Wahrscheinlichkeit in den nächsten 30 Jahren eine Beeinträchtigung des klägerischen Eigentums zu besorgen ist (Erstgutachten). Davon losgelöst haben sie auf die ergänzende Beweisfrage des Senats vom 16.04.2024 (Bl. 3487 ff. d. A.) die Wahrscheinlichkeit des Risikos einer Beeinträchtigung des Hausgrundstücks des Klägers durch eine von der Laguna Palcacocha ausgehende Überflutung oder Schlammlawine in den nächsten 30 Jahren ermittelt (Ergänzungsgutachten).
Dazu haben sie in einem ersten Schritt ein hochauflösendes dreidimensionales Geländemodell erstellt, wozu sie neben aktiven und passiven Fernerkundungsmethoden in den Ortsterminen im Mai 2022 auch eine drohnenbasierte Vermessung des Areals rund um die Laguna Palcacocha vorgenommen haben (vgl. S. 173 ff. SVG I). Sodann haben sie die Auswirkungen von Gletscherabbrüchen/Eislawinen – unabhängig von der Wahrscheinlichkeit eines solchen Abbruchs – mit zwei verschiedenen, voneinander unabhängigen Berechnungen ermittelt, nämlich dem Programmsystem Abaqus CAE und dem Simulationstool Avaframe com1DFA (S. 189 ff. SVG I). Die Dichte einer möglichen Lawine wurde von den Sachverständigen dabei mit 1.000 kg/m³ angesetzt (S. 193, 220 SVG I). Ihre Modellbildung und Berechnungstechnik seien durch die Validierungsberechnungen der Ereignisse vom 19.03.2003 und vom 05.02.2019 bzw. vom 05.02.2019 und vom 17.01.2021 als zutreffend bestätigt worden (S. 194 ff. SVG I bzgl. Abaqus, S. 220 bzgl. Avaframe). Anhand des von ANA als potentielle Gefährdung identifizierten Blocks 7 mit einem Volumen von rund 1,17 Mio. m³ sowie der Blöcke 5, 6 und 7 mit einem Volumen von 2,52 Mio. m³ seien beispielhaft numerische Simulationen des Gletscherabbruchs vorgenommen worden, letzteres im Sinne einer Extremwertbetrachtung. Dabei seien alle sechs Punkte der Prozesskette aus der GAPHAZ-Veröffentlichung (Allen et al. (2017)) – Impuls zur Wellenerzeugung, Wellenausbreitung, Auflaufhöhe der Wellen an einer Barriere und Überströmung der Barriere, Dammerosion und Entleerung des Sees, Flutausbreitung und Impuls der Flut beim Auftreffen auf Gebäude – detailliert bearbeitet worden, beginnend mit der Berechnung der Lawine infolge des Gletscherabbruchs, Berechnung der Wellenausbreitung in der Laguna Palcacocha, der Auflaufhöhe der Wellen und der Überströmung des Grundmoränenwalls und der beiden künstlichen Dämme sowie die Flutausbreitung im Cojup-Tal in Richtung des Hausgrundstückes des Klägers, das von der Flutwelle allerdings nicht erreicht werde (S. 201 ff. SVG I, S. 135 f. SVG II, schematische Darstellung der Prozesskette auf S. 135 SVG II).
Die Sachverständigen sind bei ihren anschließenden wahrscheinlichkeitstheoretischen Betrachtungen im (Erst-) Gutachten unter Zugrundelegung der sog. „zensierten Gumbel-Verteilung“ (S. 218 SVG I) davon ausgegangen, dass der in den Beweisbeschlüssen des Senats verwendete Begriff „hinreichende Wahrscheinlichkeit“ eine über 50% liegende Wahrscheinlichkeit voraussetze (S. 212 SVG I). Ausgehend von einem 30-jährigen Betrachtungszeitraum ergebe sich daraus ein maßgebendes Wiederkehrintervall eines eintretenden Ereignisses von 45 Jahren (S. 217 SVG I).
Zur Ermittlung der im relevanten Wiederkehrintervall maßgeblichen Höhe der Schwallwelle haben sie einen Betrachtungszeitraum von 20 Jahren mit vier dokumentierten Ereignissen (19.03.2003, 31.05.2017, 05.02.2019, 17.01.2021) als sog. Stichprobe zugrunde gelegt (S. 217 SVG I). Im Ergänzungsgutachten sind die Ausführungen um ein fünftes Ereignis – das vom 23.01.2024 – ergänzt worden (S. 69 ff., 102 ff. SVG II). Für das 45-jährliche Ereignis sei für die weiteren Berechnungen eine Höhe der Schwallwelle von 8 m bis 10 m, gemessen an der südlichen Uferlinie vor den beiden künstlichen Dämmen, angesetzt worden (S. 218, 220 SVG I). Ausgehend von dieser Schwallwellenhöhe haben die Sachverständigen für das 45-jährliche Ereignis ein Einstoßvolumen von 300.000 m³ bis 600.000 m³ errechnet. Die Wellenhöhe über der Dammkrone betrage 5 m bis 8 m, das bezogene Überströmungsvolumen über die Dammkrone 700 m³/m bis 1.100 m³/m, das Überströmungsvolumen gesamt 140.000 m³ bis 220.000 m³ (S. 230 SVG I). Daraus haben sie die Gefahrenszenarien A, B und C mit Einstoßvolumina von 300.000 m³, 450.000 m³ und 600.000 m³ gebildet. Diese stellten die Bandbreite des minimal zu erwartenden Ereignisses (Szenario A) bis zum maximal zu erwartenden Ereignis (Szenario C) mit einem 45-jährlichen Wiederkehrintervall und einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit von mindestens 50 % dar (S. 231 SVG I). Für sämtliche Gefahrenszenarien ebenso wie für die INAIGEM-Szenarien und die Szenarien nach Somos-Valenzuela et al. (2016) haben die Sachverständigen Abflussganglinien erstellt und diese in dimensionslose Einheitsganglinien umgerechnet (S. 233 ff. SVG I). Zudem wurden das Überströmungsvolumen und der Spitzenabfluss ermittelt (S. 247 SVG I) und eine hydraulische Simulation der potentiellen Flutwelle für die Szenarien A, B und C unter Berücksichtigung von Topographie, Hydrologie und Rauigkeit erstellt, wobei zur Abdeckung der möglichen Bandbreite an Szenarien jeweils zwei Ganglinien mit unterschiedlichen Werten für „time to peak“ und Peak Rate Factor gewählt wurden (bezeichnet als A1, A2, B1, B2, C1 und C2, S. 245 ff. SVG I). Unter Zugrundelegung dieser Parameter kommen die Sachverständigen zum Ergebnis, dass das Hausgrundstück des Klägers bei keinem der untersuchten Gefahrenszenarien von der Flutwelle betroffen wäre. Damit sei auf Grundlage wissenschaftsbasierter Methoden nachgewiesen, dass mit mindestens 50%-iger Wahrscheinlichkeit in den nächsten 30 Jahren keine Beeinträchtigung des klägerischen Eigentums zu besorgen sei (S. 253 SVG I).
Überdies haben die Sachverständigen bei gleicher Vorgehensweise, aber ohne Vorgabe eines Wahrscheinlichkeitsmaßes, die minimale Größe eines Ereignisses berechnet, das zu einer Beeinträchtigung des Klägergrundstücks führen würde (sog. Gefahrenszenario X). Dieses Ereignis infolge eines Gletscherabbruchs müsse ein Einstoßvolumen von mindestens 1,4 Mio. m³ respektive 1,4 Mio. Tonnen (Dichte des Gletscherabbruchs = 1.000 kg/m³) in Richtung der Längsachse der Laguna Palcacocha haben. Es müsse ein Überströmungsvolumen von mindestens 700.000 m³ mit einem Spitzenabfluss von mindestens 30.000 m³/s entstehen (vgl. Prot. vom 17.03.2025, S. 7, Charts 46 ff.). Bei diesem Gefahrenszenario würde die Flutwelle etwa 1,2 km oberhalb des Klägergrundstücks aus dem Flussbett des Río Paria ausbrechen und teilweise in das Flussbett des Río Quilcay hinüberfließen. Von dort aus wäre das Klägergrundstück von Süden her, also im hinteren Bereich, von der Flutwelle mit einer Fließhöhe von größenordnungsmäßig 0,50 m bis 1,00 m und einer Fließgeschwindigkeit von weniger als 1 m/s (entspricht 3,6 km/h) betroffen. Die Flutwelle breche im weiteren Verlauf ein zweites Mal aus dem Flussbett des Río Paria aus; dies führe zu einem Abfluss über die Straße H. mit einer Fließhöhe im Bereich des Klägergrundstücks von rund 10 cm (S. 260 ff. SVG I). Ein derartiges Szenario mit einer Überströmung des Grundmoränenwalls und der beiden künstlichen Dämme mit einem Volumen von mindestens 700.000 m³ werde in den nächsten 30 Jahren – ausgehend von einem Wahrscheinlichkeitsmaß von 50 % – nicht auftreten (S. 267 SVG I).
In ihrem Ergänzungsgutachten vom 20.12.2024 haben die Sachverständigen zusätzliche Berechnungen unter Berücksichtigung von Erosion und Sedimenttransport angestellt (S. 109 ff. SVG II).
Dazu haben sie umfangreiche Parameterstudien und Vergleichsberechnungen mit der Variation von u.a. Erosionsparametern, Reibungsbeiwerten, Dichte der talwärts fließenden Flutwelle, Geschiebetransport und Ansatz der Abflussganglinie durchgeführt. Sie haben nicht nur Reinwasserabflüsse (1.000 kg/m³) betrachtet, sondern auch höhere Materialdichten bis 1.330 kg/m³; letzteres entspreche einem murartigen Feststofftransport mit einer volumetrischen Feststoffkonzentration von 20 % beziehungsweise einem Sedimentzuschlagsfaktor von 1,25 (S. 111 f. SVG II). Mit Somos-Valenzuela et al. (2015) und Frey et al. (2018) sei keine Erosion am Grundmoränenwall anzusetzen, da erodiertes Geschiebe auch bei einem erneuten Ereignis nicht maßgeblich weiter verfrachtet werde. Erosionsspuren seien nur in der Steilstrecke des Cojup-Tales oberhalb von Huaraz identifiziert worden. Nur vom Eingang des Nationalparks (km 10,5) bis nach der Schluchtstrecke (km 3,5), die eine Neigung von >10 % habe, sei deshalb Erosion berücksichtigt worden (S. 114 SVG II).
Bei der Simulationsberechnung mit RAMMS::debrisflow sei teilweise – entsprechend den Berechnungen von Frey et al. (2018) – ein Block Release berücksichtigt worden (Varianten F; zu den einzelnen untersuchten Varianten wird auf die Übersicht Anl. 1 sowie die Nachrechnungen mit verschiedenen Variationen der Parameter (Anl. 2-8 SVG II) verwiesen). Ein Block Release sei allerdings zur Simulation einer etwaigen Flutwelle an der Laguna Palcacocha grundsätzlich ungeeignet, da das gesamte Überströmungsvolumen nicht auf einmal freigegeben würde; davon gehe der Block Release aber aus. Mit der unrealistischen Annahme des Block Release werde die Gefährdung des klägerischen Grundstücks deshalb deutlich überschätzt, liege also auf der sicheren Seite (S. 115 SVG II). Gleiches gelte für die – von den Sachverständigen für einen Teil der Szenarien übernommene – Annahme von Frey et al. (2018), wonach die Startposition des rechnerischen Fließvorgangs talseits des Grundmoränenwalls, und zwar mindestens 600 m südlich der Uferlinie der Laguna Palcacocha, liege. Damit werde der Wellenaufprall auf den verbliebenen Endmoränenwall und die damit einhergehende Energiedissipation ebenso wie die bremsende Funktion der Schluchtstrecke nicht berücksichtigt (S. 115 SVG II).
Die Sachverständigen gelangen aufgrund ihrer Simulationen zu dem Ergebnis, dass das Grundstück des Klägers – mit Ausnahme der Variante F4.1 – nur mit der extremen Annahme einer großen Erosionstiefe mit einer Fließhöhe von unter 10 cm erreicht würde (Varianten F1.2 und F3.1). Die Untersuchungen mit verschiedenen Reibungsparametern würden zeigen, dass nur sehr dünnflüssige murartige Feststofftransporte bzw. ein Reinwasserabfluss in der Lage seien, das klägerische Grundstück zu erreichen (S. 117 SVG II). Werde bei Annahme eines Block Release die Dichte des talwärts fließenden Fluids von 1.000 kg/m³ auf 1.100 kg/m³ erhöht, nehme das Gefährdungspotential stark zu, in diesem Fall sei eine maximale Fließhöhe am Haus des Klägers von 1 bis 2 m denkbar (Variante F4.1). Die Variante F4.1 habe aber nichts mit dem im Erstgutachten diskutierten „Gefahrenszenario X“ zu tun. Es handele sich um eine reine Parameterstudie; angesichts der gewählten Parameter – Startpunkt der Flutwelle talseits des Grundmoränenwalls, Block Release, grenzwertiger Wert für die Dichte – jedoch nicht um ein realistisch mögliches Ereignis (Prot. vom 17.03.2025, S. 8, Chart 58). Bei Dichten von > 1.200 kg/m³ komme es zu keiner Gefährdung des Klägergrundstücks mehr, da die Reibung der Mure zu hoch sei, um die Stadt Huaraz noch zu erreichen (Variante F4.2). Werde die Startposition des rechnerischen Fließvorgangs bergseits des Grundmoränenwalls gelegt – was zutreffe –, würden die Stadt Huaraz oder das Klägergrundstück selbst bei Extremereignissen mit einem Überströmungsvolumen von 1,8 Mio. m³ nicht erreicht. Dabei sei die potentielle Erhöhung der Abflussdichte durch eine etwaige Erosion des Grundmoränenwalls, durch die sich die Fließstrecke zusätzlich verkürze, noch nicht einmal berücksichtigt (vgl. Variante F5.1). Auch der Ansatz von 3-Punkt oder 10-Punkt Hydrographen anstelle des Block Release in den F-Varianten führe zu einer Reduzierung der Reichweite der Flutwelle; in keiner Simulationsberechnung mit einer Startposition bergseits des Grundmoränenwalls komme es dann zu einer Überflutung des klägerischen Grundstücks (S. 119 SVG II).
Die Sachverständigen haben zudem eine Gefahrenanalyse mit einem kombinierten Ansatz von Strömungsmodellen vorgenommen (Varianten H und X, Anl. 1 SVG II). Das Programmsystem RAMMS::debrisflow sei nur bedingt geeignet, um die Strömung von Reinwasser zu simulieren. Um ein GLOF-Ereignis möglichst wirklichkeitsnah abzubilden, seien deshalb im oberen Tal des Cojup-Tals ohne Ansatz von Erosion Reinwasser-Simulationen mit HEC-RAS durchgeführt worden, während im unteren, steilen Teil des Cojup-Tals für die Gerinnestrecke von km 10,5 km bis km 3,5 RAMMS::debrisflow verwendet worden sei, um die potentielle Erosion in der Steilstrecke vor Huaraz und die Aufnahme von Feinsediment talseits von km 10,5 (Eingang Nationalpark) zu berücksichtigen. Dabei sei bei den Varianten X der Geschiebetransport berücksichtigt worden, bei den Varianten H nicht.
Die Variation der Parameter beim Modellaufbau „H“ zeige, dass das Hausgrundstück des Klägers nur dann erreicht werde, wenn von einem schnellen und dünnflüssigen murartigen Feststofftransport ausgegangen werde (Variante H2); in diesem Fall ergäben sich keine relevanten Unterschiede zu der im Ausgangsgutachten als Gefahrenszenario X berechneten Reinwassersimulation mittels HEC-RAS. Auch wenn eine Geschiebeaufnahme berücksichtigt und ein Hydrograph mit einem Spitzenabfluss von 13.100 m³/s, eine volumetrische Feststoffkonzentration von 20 % und eine Dichte von 1.330 kg/m³ sowie ein überdurchschnittlich leicht zu erodierendes Material und eine große mögliche Erosionstiefe bei der Simulationsberechnung angesetzt würden (Varianten X), sei die Fließhöhe am Hausgrundstück des Klägers nur maximal 10 bis 20 cm hoch; dies aber auch bei Ansatz von Reibungswerten, die einem gegenüber der Annahme von Frey et al. (2018) deutlich schnelleren und dünnflüssigeren murartigen Feststofftransport entsprächen (S. 120 ff. SVG II).
Die Sachverständigen L. und B. gelangen aufgrund ihrer weitergehenden Simulationsuntersuchungen im Ergänzungsgutachten zu dem Ergebnis, dass für die Gefahreneinschätzung letztlich keine maßgeblichen Unterschiede zwischen dem im Ausgangsgutachten näher beschriebenen Szenario X, das von einem Reinwasserabfluss ausgeht, und den im Ergänzungsgutachten beschriebenen Untersuchungen unter Berücksichtigung von Erosion und Sedimenttransport bestehen. Lediglich bei Fließhöhe und Fließgeschwindigkeit gebe es gewisse Unterschiede; insofern sei das Erstgutachten durch die nunmehr genaueren Studien zu korrigieren. Bei dem in der Anl. 1 zum Ergänzungsgutachten dargestellten (kritischsten) Szenario X3 werde davon ausgegangen, dass Wasser in einer Höhe von bis zu 20 cm und einer Fließgeschwindigkeit von 1,5 bis 1,7 m/s das klägerische Haus erreiche. Ein derartiges Szenario habe aus sachverständiger Sicht auf die Standsicherheit eines Hauses keinen Einfluss und gefährde die Bausubstanz nicht (vgl. Prot. vom 17.03.2025, S. 8 f.).
(cc)
Ausgehend von einer für das „Gefahrenszenario X“ berechneten Schwallwelle von mindestens 20 m Höhe und einem Wiederkehrintervall für eine solche Schwallwelle von deutlich mehr als 1.000 Jahren gelangen die Sachverständigen zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass eine Eintrittswahrscheinlichkeit einer in den nächsten 30 Jahren auftretenden Gefährdung des Hausgrundstücks des Klägers infolge der Ablösung einer Eislawine, eines Gletscherabbruchs, einer Gesteinsrutschung oder eines Felssturzes in die Laguna Palcacocha von weniger als 3 % besteht. Dabei haben sie bei ihrer Berechnung die auch vom schweizerischen Bundesamt für Umwelt in der Veröffentlichung „Schutz vor Massenbewegungen, Vollzugshilfe für das Gefahrenmanagement von Rutschungen, Steinschlag und Hangmuren“ (im Folgenden: BAFU-Richtlinie (2016)) verwendete Formel verwendet. Aus der sog. Gumbel-Verteilung, dargestellt in Bild 31 (S. 132 SVG II), ergebe sich, dass der Kreuzungspunkt Schwallwellenhöhe 20 m/Wiederkehrintervall (Jahre) nicht bei 1.000 Jahren, sondern deutlich rechts davon bei etwa 3.000 Jahren liege. Daraus folge eine Eintrittswahrscheinlichkeit für das maßgebliche Szenario X von nur etwa 1 % (vgl. Prot. vom 17.03.2025, S. 9). Das Risiko für das klägerische Grundstück sei daher – so die Bewertung der Sachverständigen – in Übereinstimmung mit der Terminologie der BAFU-Richtlinie als sehr gering einzustufen.
(dd)
Dieser nachvollziehbaren und überzeugenden sachverständigen Einschätzung schließt sich der Senat nach eigener Bewertung an. Eine nur etwa einprozentige Eintrittswahrscheinlichkeit erfüllt die Anforderungen an eine künftige, erstmals drohende Beeinträchtigung i.S.d. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB nicht.
(aaa)
Wie die soeben dargestellte Vorgehensweise der Sachverständigen zeigt, haben diese die örtlichen Verhältnisse sorgfältig mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Wissens bzw. Stands der Technik analysiert und unter Heranziehung einer Vielzahl von einschlägigen Publikationen und Berechnungsprogrammen ausgewertet. Die vorgenommene Wahrscheinlichkeitsberechnung ist in sich schlüssig, ausführlich begründet und auch für Laien gut nachvollziehbar. Gedankliche Brüche oder Rechenfehler vermag der Senat nicht zu erkennen.
Soweit der Kläger darauf verweist, dass keiner der beiden gerichtlichen Gutachter über hinreichende Expertise bei Gletscherereignissen verfüge (Bl. 3642 d.A.), kann dem nicht gefolgt werden.
L. ist ein weltweit anerkannter Experte für Geotechnik. Er hat 25 Jahre lang (1993-2018) das Institut und die Versuchsanstalt für Geotechnik der Technischen Universität Darmstadt geleitet. Im Rahmen seiner umfangreichen, praxisorientierten Grundlagenforschungen hat er u.a. im Rahmen von Forschungsprojekten der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) die Dynamik von Gesteinsrutschungen und Felslawinen und deren Ausbreitung wissenschaftlich untersucht. L. zeichnet an zahlreichen kritischen Steilhängen und Böschungen für die Ursachenanalyse bzw. für die Vermeidung von Großrutschungen verantwortlich. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang die Ursachenforschung für die Großrutschungen in Nachterstedt in Sachsen-Anhalt (Volumen 4,5 Mio. m³) und an der Autobahn D8 in der Tschechischen Republik (Masse > 1 Mio. t) genannt. L. hat die Verantwortung für die Entwicklung und für die Standsicherheit der Hangsicherung an der 160 m hohen Moselbrücke und für die Sicherheit zahlreicher Hangsicherungsmaßnahmen zur Stabilisierung von Tunneln, Talbrücken und steilen Felshängen der ICE-Strecke Hannover-Würzburg. Die Standsicherheit von Fels- und Lockergestein gehört damit ebenso zu seinen Fachgebieten wie die objektorientierte Modellierung geotechnischer Konstruktionen. Der Sachverständige L. ist u.a. Mitglied des International Consortium on Landslides (ICL), des Vorstandes des DFI Europe (Deep Foundation Institute), des Normenausschusses (NABau) im DIN, des Deutschen Talsperren Komitees, der Schweizerischen Gesellschaft für Erdbebeningenieurwesen, hoheitlicher Gutachter des Sächsischen Oberbergamtes und ist seit 1987 als neutraler Experte und öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Grund- und Felsbau für die Gerichtsbarkeit national und international tätig.
B. ist ein international anerkannter Experte im Bereich Naturgefahren. Er leitete von 2001 bis 2021 das Institut für Alpine Naturgefahren der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU), anschließend bis 2025 das Department (= Fakultät) für Bautechnik und Naturgefahren der BOKU. Die Forschungsfelder von B. decken einen weiten Bereich ab und umfassen schwerpunktmäßig Gefahrenanalysen zu Wildbachflutwellen, Rheologie von Murgängen, Monitoring von und Warnung vor Naturgefahrenprozessen, Optimierung von technischen Schutzmaßnahmen, Ereignisdokumentation und Forensic Engineering. Er wirkte und wirkt in zahlreichen internationalen und nationalen Forschungsprojekten mit. So war B. u.a. Konsulent der Asian Development Bank als Mountain Watershed Management Expert für die Wiederherstellung der Wasserversorgung von Katmandu (Melamchi Water Supply Project MWSP) nach einem Murgang, wirkte als Supervisor für zahlreiche Schutzprojekte in Canmore, Kanada, ebenfalls nach zahlreichen Murengängen, und unterstützte M. Engineering (Kanada) in der Planung von Schutzmaßnahmen in British Columbia und Alberta. B. war u.a. Gutachter für das Slowenische Ministerium für Umwelt und Raumplanung zur Beurteilung der Maßnahmen nach der Großrutschung in Log Pod Mangartom, für die Autonome Provinz Bozen-Südtirol zur Überprüfung von Gefahrenzonenplänen und für das Land Salzburg zur Beurteilung der geplanten Hochwasserschutzmaßnahmen im Oberpinzgau. B. hat auch als Gerichtsgutachter einige Sachverständigengutachten erstellt. Zudem ist er als langjähriger Programmbegleiter des Masterstudiums „Wildbach- und Lawinenverbauung / Alpine Naturgefahren“ eine zentrale Wissenschaftlerpersönlichkeit in der Ausbildung künftiger Experten zum Schutz vor Lawinen und den sonstigen Naturgefahren. Besonders hervorzuheben ist seine maßgebliche Rolle bei der Aufarbeitung des verheerenden Lawinenwinters 1999, insbesondere im Hinblick auf den dramatischen Lawinenabgang in Galtür (Tirol), wo seine Analysen und Erkenntnisse ganz wesentlich zur Verbesserung des Schutzes vor künftigen Lawinen beigetragen haben. Darüber hinaus hat er zahlreiche Masterarbeiten und Dissertationen in den Bereichen Wildbach und Lawinen betreut und damit jungen Wissenschaftlern ermöglicht, ihre eigenen Forschungsbeiträge zu leisten und den Bereich weiter voranzutreiben. Diese Kombination aus praktischer Erfahrung, wissenschaftlicher Expertise und Engagement in der Ausbildung macht Herrn B. zu einem führenden Experten auf dem Gebiet der Lawinenforschung im Hochgebirge.
(bbb)
Unbeschadet der Frage, ab welchem Wahrscheinlichkeitsgrad eine konkrete Gefährdung i.S.d. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB im hier vorliegenden Fall zu bejahen wäre, hält der Senat jedenfalls die von den gerichtlichen Sachverständigen ermittelte Eintrittswahrscheinlichkeit einer in den nächsten 30 Jahren auftretenden Gefährdung des Grundeigentums des Klägers durch eine GLOF von 1 % für nicht ausreichend.
Eine derart kleine Prozentzahl schließt die ernsthafte Besorgnis einer unmittelbar bevorstehenden Rechtsverletzung aus. Die vom Kläger befürchtete Eigentumsverletzung zeichnet sich in tatsächlicher Hinsicht nicht greifbar ab; im Gegenteil ist sie als sehr unwahrscheinlich zu bewerten. Dies gilt umso mehr, als dass das mit der ermittelten Wahrscheinlichkeit eintretende Szenario X zwar zu einer Überflutung des Grundstückes des Klägers führt, nach den Feststellungen der Sachverständigen aber weder auf die Standsicherheit noch auf die Bausubstanz des klägerischen Eigentums einen erheblichen Einfluss hat. Ein destruktives Ereignis ist mithin noch weniger wahrscheinlich. Dies gilt erst recht für etwaige gesundheitliche Beeinträchtigungen der Bewohner.
Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme von Prof. Dr. Kieninger zum vorliegenden Verfahren (Anl. BK44) darauf verweist, dass der Bundesgerichtshof etwa im sog. „Limonadenflaschen-Fall“ (BGH, Urteil vom 07.06.1988 – VI ZR 91/87) eine Wahrscheinlichkeit von unter 0,1 % für ausreichend erachtet habe, weshalb auch im hiesigen Fall eine im niedrigen einstelligen Bereich liegende Eintrittswahrscheinlichkeit tatbestandserfüllend sei, geht dieser Einwand fehl. Bei der in Bezug genommenen Entscheidung ging es um Fragen der Produzentenhaftung, also um die Haftung eines Herstellerunternehmens für ein Produkt, das in einem sich ständig wiederholenden Produktionsprozess hergestellt und vermarktet wird. Auch ein an sich sehr kleines Risiko, wie es das Risiko der Explosion einer Sprudelflasche von unter 0,1 % darstellt, potenziert sich aufgrund der fortdauernden Produktion aber im Laufe der Zeit. Der BGH hat demgemäß in der fraglichen Entscheidung ausgeführt, dass derartige Unfälle – der dortige Kläger büßte durch eine Explosion der Flasche einen Teil der Sehkraft seines linken Auges ein – zwar gemessen an dem hohen Getränkeumsatz und der Gebräuchlichkeit derartiger Limonadenflaschen selten seien; sie kämen aber immer wieder vor und seien der Getränkeindustrie seit langem als spezifisches Produktrisiko bekannt (BGH, Urteil vom 07.06.1988 – VI ZR 91/87, Rn. 8). Im hiesigen Streitfall geht es dagegen um eine einzelne, klar definierte Haftungsbeziehung zwischen zwei Privatrechtssubjekten, die mit der geschilderten Konstellation nicht im Ansatz vergleichbar ist.
Auch den weiteren vom Kläger angeführten BGH-Entscheidungen lässt sich nicht entnehmen, dass eine Wahrscheinlichkeit für das Eintreten einer Eigentumsverletzung von 1 % ausreicht, um einen Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 BGB bejahen zu können. Die zitierten Entscheidungen befassen sich weit überwiegend mit gravierenden Schäden für Rechtsgüter von besonderem Gewicht wie Leben, körperlicher Integrität und Gesundheit. Im vorliegenden Fall geht es aber – wie bereits ausgeführt – primär um eine drohende Eigentumsverletzung, nicht um das verfassungsrechtlich höherrangige Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit. Letzteres könnte nur im Falle einer Beeinträchtigung der Standsicherheit des klägerischen Hauses indirekt bedroht sein. Die Gefahr einer Beeinträchtigung der Standsicherheit des klägerischen Hauses wird indessen durch die vorliegenden Gutachten auch für den Fall verneint, dass bei einer Überströmung der beiden künstlichen Dämme und des Grundmoränenwalls im Szenario X Wasser das klägerische Grundstück erreicht.
Anzumerken ist an dieser Stelle, dass auch die Privatgutachter des Klägers in ihrer „Expertise“ vom 22.01.2024 (Anl. BK35 zum Schriftsatz vom 30.01.2024, Bl. 3329 ff. d.A.) davon ausgehen, dass auf Basis der gesammelten Praxiserfahrung und dem Expertenwissen für eine hinreichende Wahrscheinlichkeit im konkreten Fall eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 9,5 % bzw. 10 % zu verlangen sei. Eine solche ermögliche es, 300-jährliche Georisikoereignisse in der Gefährdungsbeurteilung zu berücksichtigen; dies würde mit der gängigen Praxis in der GLOF-Beurteilung übereinstimmen, Ereignisse mit geringer Wahrscheinlichkeit, aber hohem Ausmaß wegen ihres erheblichen Schadenspotenzials zu berücksichtigen (Anl. BK35, S. 6). Die von den Sachverständigen mit 1 % ermittelte Eintrittswahrscheinlichkeit liegt weit unter den geforderten 9,5 % bzw. 10 %. Auch nach diesem Maßstab lässt sich eine ernsthaft drohende Gefahr für das Klägergrundstück mithin nicht bejahen, und zwar selbst dann nicht, wenn zusätzlich ein „Klimafaktor 2-4“ angewendet wird.
(b)
Den Einwand des Klägers, die Sachverständigen hätten im Rahmen ihrer Gefährdungsanalyse das Risiko von Fels-/Bergstürzen nicht in ihre Berechnungen einbezogen, hält der Senat für nicht durchgreifend.
(aa)
Soweit der Kläger sich für seine Behauptung, eine Gefahr für sein Eigentum gehe auch von Felsstürzen oberhalb der Laguna Palcacocha aus, zunächst auf den von ihm als Anl. BK37 zum Schriftsatz vom 30.01.2024 (Bl. 3329 ff. d.A.) vorgelegten Bericht von R. „Zur Berechnung der Eintretens-Wahrscheinlichkeit eines grossen Schadensereignisses im Bereich Palcacocha-Huaraz“ (Jan. 2024) stützt, ist dieser nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen zur Berechnung der Eintrittswahrscheinlichkeit der Gefährdung des Hausgrundstückes des Klägers untauglich. Der Bericht befasst sich ausschließlich mit der Frage der Wahrscheinlichkeit eines Fels- oder Bergsturzes; eine nachvollziehbare Herleitung der mit 1 bis 10 % angegebenen Eintrittswahrscheinlichkeit eines gravierenden, destruktiven Schadensfalles für das Grundstück des Klägers fehlt. Selbst wenn der methodische Ansatz von R. übernommen wird, liegt die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Sturzereignisses mit einem Volumen von mindestens 1 Mio. m³ an der Lagune inklusive Beschleunigungsfaktor bei einer Betrachtungsdauer von 30 Jahren nach der Berechnung der Sachverständigen bei Berücksichtigung zutreffender Daten bei nur 5,6 %. Das Risiko einer Beeinträchtigung des klägerischen Eigentums läge noch ganz erheblich darunter.
Im Einzelnen:
(aaa)
R. betrachtet zunächst die Eintrittswahrscheinlichkeit von Fels- oder Fels-/Eisstürzen mit einem Volumen von mehr als 1 Mio. m³ in den Alpen und errechnet ausgehend von einer sog. anfälligen Fläche – der mit Gletschern oder Permafrost überzogenen Fläche – von 2.500 km² und einer mittleren Wiederkehrdauer eines Fels- oder Fels-/Eissturzes pro km² von 10.000 Jahren/km² eine jährliche Häufigkeit pro km² anfälliger Fläche von 0,0001 (0,01 %). Diese Häufigkeit überträgt er auf die Laguna Palcacocha, wobei er die Gletscherfläche in den Peruanischen Cordilleras mit 500 km² annimmt und so zu einer Wiederkehrdauer von 2.500 Jahren/km² gelangt. Bezogen auf eine sog. anfällige Fläche (mit Steilhängen, Gletschereis und Permafrost) von 10 km² an der Laguna Palcacocha, die vom Uferbereich des Sees bis zu den umliegenden Berggipfeln reiche (Anl. BK37, Abb. 1), und unter Ansatz eines sog. Beschleunigungsfaktors von 2 bzw. 4 zur Berücksichtigung des globalen Temperaturanstiegs und dem daraus resultierenden Gletscherschwund bzw. der Permafrost-Degradation errechnet R. die Eintrittswahrscheinlichkeit für einen Fels- oder Fels-/Eissturz mit einem Volumen von mehr als 1 Mio. m³ mit 0,008 bis 0,016 (0,8 % bis 1,6 %). Für die kommenden 30 Jahre ergebe sich eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 0,21 bis 0,38 bzw. 30 % mit einer Toleranz von +/- 8,5 %. In Anbetracht dessen, dass die Häufigkeit von Ereignissen in Peru wegen nicht-dokumentierten Fällen wahrscheinlich unterschätzt sei, die eklatante Häufung von Ereignissen – drei große Felsstürze in den letzten vier Jahren – möglicherweise eine größere Beschleunigung der Entwicklung in Peru anzeige, und für eine korrekte Gefahrenanalyse alle gefährlichen Seen im Einzugsgebiet hätten berücksichtigt werden müssen, sei die Eintrittswahrscheinlichkeit mit über 30 % anzunehmen. Die (jährliche) Eintrittswahrscheinlichkeit eines gravierenden, destruktiven Schadenfalles für das Hausgrundstück des Klägers in Huaraz liege zwischen 1 % und 10 % (S. 3 ff. Anl. BK37, Bl. 3359 ff. d.A.).
(bbb)
Nach der Einschätzung der Sachverständigen L. und B., der sich der Senat vollumfänglich anschließt, ist die so skizzierte Methodik von R. zur Beurteilung der hiesigen Beweisfrage nicht brauchbar.
Zum einen fehlt in der Beurteilung eine Analyse der örtlichen Verhältnisse. Eine solche ist nach der Einschätzung der gerichtlichen Sachverständigen aber zwingend erforderlich; sie werde auch in der BAFU-Richtlinie (2016) gefordert (vgl. Prot. vom 17.03.2025, S. 14). In dem vom Kläger selbst als Anl. BK42 (Bl. 3650 ff. d.A.) vorgelegten Schlussbericht der ARGE ALP (Juni 2017) mit dem Titel „Fels- und Bergstürze in Permafrost Gebieten: Einflussfaktoren, Auslösemechanismen und Schlussfolgerungen für die Praxis“, der wiederum auf weitere Studien Bezug nehme, werde überzeugend dargelegt, dass meist ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren zum letztlichen Felsversagen führe. Dies bedeute, dass zur Beurteilung eventueller Felsstürze auch immer Daten über potentielle, an Ort und Stelle gemessene Bewegungen des betroffenen Felsmassivs in die Betrachtung einzubeziehen seien. Daran fehle es indessen bei der Methodik von R.: Dieser betrachte bei der Übertragung des Risikos von Fels-/Bergstürzen in den Alpen auf solche an der Laguna Palcacocha lediglich zwei Größen, nämlich die Anzahl der Sturzereignisse und das Verhältnis der Bezugsflächen. Die örtlichen Verhältnisse – insbesondere die maßgeblichen Trennflächensysteme, die Scherfestigkeit, die Wasser- und Temperaturverhältnisse und die Genese des betrachteten Areals – würden bei dieser Methodik ausgeblendet (S. 90 ff. SVG II). Dies ist auch aus Sicht des Senats umso weniger nachvollziehbar, als R. in seinem Bericht selbst davon ausgeht, dass großkalibrige Felsstürze lokal einmalige Phänomene mit kumulativer Vorgeschichte seien (Gesteinsentwicklung unter der Einwirkung von Verwitterung, Erosion, Erdbeben, Klimaänderung, S. 3 der Anl. BK 37).
Des Weiteren – so die Sachverständigen – fehle es grundsätzlich an der Vergleichbarkeit der von R. verglichenen Gebiete in den Alpen und in Peru. Die von R. ausgewerteten 56 Felssturzereignisse in den Alpen stünden teilweise in keinem Zusammenhang mit Gletschern oder der vom Klimawandel induzierten Permafrostschmelze. Eine Konsistenz der Annahmen für die verglichenen Gebiete könne nur gewährleistet werden, wenn entweder die verwendeten Höhenstufen der Untersuchungsgebiete angepasst oder nicht von Permafrost beeinflusste Massenbewegungen mit einer Kubatur von mehr als 1 Mio. m³ aus der Berechnung ausgeklammert würden (S. 80 f. SVG II). Unter dieser Prämisse habe es im Betrachtungszeitraum von 1901 bis 2007 im Bereich von Gletschern/Permafrost nur sieben Fels-/Bergstürze mit mehr als 1 Mio. m³ Sturzvolumen in den Alpen gegeben. Entgegen der Annahme von R. könne in der Berechnung zudem nur eine anfällige Fläche von rund 5 km² statt 10 km² oberhalb der Laguna Palcacocha angesetzt werden. Zu Abstürzen von Fels könne es nämlich nur da kommen, wo sich Eis zurückziehe. Die Hälfte der von R. betrachteten Fläche, nämlich die nicht gefrorenen Böschungen der Seitenmoränenwälle und die nicht von Gletschereis bedeckten Felsparteien, sei indessen frei von Eis und Gletschern (S. 85 SVG II).
Der von R. angesetzte Beschleunigungsfaktor von 2 bzw. 4 ist nach Einschätzung der Sachverständigen nicht zu berücksichtigen. Zwar sei der Effekt der Erhöhung der Häufigkeit von Felsstürzen für kleinere, oberflächennahe Ereignisse sicher nachweisbar und unstreitig. Dies gelte aber nicht im Hinblick auf Felsstürze mit einem Volumen von mehr als 0,4 Mio. m³; hier sei wissenschaftlich nicht unumstritten, ob die Wiederkehrdauer um einen Faktor 2 bis 4 zu reduzieren sei (S. 90 ff. SVG II). So hätten die Autoren Loew et al. (2020) von der ETH Zürich – bezogen auf Felsstürze in der Schweiz – nachvollziehbar aufgezeigt, dass es für Sturzereignisse mit einem Volumen von mehr als 0,4 Mio. m³ keine Hinweise auf die Vergrößerung der Häufigkeit dieser Ereignisse in den letzten Jahrzehnten gebe. Es sei auch nachvollziehbar, dass sich der globale Temperaturanstieg und der Klimawandel nicht auf die Häufigkeit von großen Felsstürzen auswirkten, da Felsstürze jeweils nur der Endpunkt eines längeren, teilweise Jahrtausende andauernden Prozesses seien und nicht schlagartig durch ein individuelles Ereignis ausgelöst würden (S. 90 ff. SVG II unter Bezugnahme auf den Schlussbericht der ARGE ALP (Juni 2017), Anl. BK42). Damit begegnet der von R. angewendete Beschleunigungsfaktor von 2 bis 4 schon für die Alpen Bedenken.
Wie R. eine jährliche Eintrittswahrscheinlichkeit für ein schweres, zerstörerisches Ereignis am Grundstück des Klägers von 1-10 % errechnet, erschließt sich schlussendlich weder den gerichtlichen Sachverständigen (vgl. Prot. vom 17.03.2025, S. 13) noch dem Senat.
(ccc)
Selbst wenn die methodische Vorgehensweise von R. übernommen und um die aufgezeigten Punkte korrigiert wird, lässt sich die ernsthafte Besorgnis einer künftigen, unmittelbar bevorstehenden Rechtsverletzung des klägerischen Eigentums nicht feststellen.
Denn auch die um die oben dargestellten Punkte „bereinigte“ Berechnung der Sachverständigen entsprechend der Vorgehensweise von R. ergibt eine Eintrittswahrscheinlichkeit von Fels- oder Fels-/Eislawinen mit einem Volumen von mehr als 1 Mio. m³ an der Laguna Palcacocha für den Zeitraum 1901-2007 von (nur) 0,00054 (0,054 %), für den Zeitraum 1901-1980 von 0,00043 (0,043 %) und für den Zeitraum 1980-2007 von 0,00089 (0,089 %). Selbst wenn die Wiederkehrdauer um einen Beschleunigungsfaktor 2 bis 4 reduziert wird, ist das Risiko einer großen Fels- oder Fels-/Eislawine nach der Berechnung der gerichtlichen Sachverständigen sehr gering. Würden die drei von R. untersuchten Zeiträume zueinander ins Verhältnis gesetzt, ergebe sich ein Beschleunigungsfaktor von 2,14 (S. 89 SVG II). Die Sachverständigen haben für den 30-jährigen Betrachtungszeitraum an der Laguna Palcacocha sodann die kleinste Wiederkehrdauer mit dem ungünstigsten Ausgangswert von 1.115 Jahren (Zeitraum 1980-2007) zugrunde gelegt; daraus folge unter Berücksichtigung des genannten Beschleunigungsfaktors eine Wiederkehrdauer von 521 Jahren. Ausgehend von dem methodischen Ansatz von R. liege die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Felssturzes mit einem Volumen von 1 Mio. m³ oder mehr an der Lagune inklusive Beschleunigungsfaktor von 2,14 bei einer Betrachtungsdauer von 30 Jahren bei 0,056 bzw. 5,6 % (S. 89, 138 f. SVG II).
Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Fels-/Bergsturzes nicht mit der Eintrittswahrscheinlichkeit der Gefährdung des Hausgrundstückes des Klägers durch eine eventuelle Flutwelle gleichzusetzen ist (vgl. S. 92, 139 SVG II). Für die Berechnung des Risikos einer Flutwelle, die das klägerische Grundstück erreichen könnte, ist nämlich nach den Feststellungen der Sachverständigen erforderlich, dass die sechsgliedrige Prozesskette aus der GAPHAZ-Veröffentlichung von Allen et al. (2017) bearbeitet wird. Dies führt – auch ausgehend von der Methodik von R. – zu einer noch deutlich kleineren Eintrittswahrscheinlichkeit einer Überflutung des klägerischen Grundstückes als 5,6 %.
(bb)
Ohne Erfolg stützt sich der Kläger für seine Behauptung, die Sachverständigen hätten neben Eislawinen, Gletscherabbrüchen und Gesteinsrutschungen auch Fels-/Bergstürze als potentielle Auslöserereignisse in ihre Untersuchungen einbeziehen müssen, auf einen Bericht des kanadischen Büros M. Engineering (im Folgenden: M.) vom 17.01.2024 (Extended Report, Anhang zur Anlage BK36). Ebenso wie der Bericht von R. befasst sich auch der M.-Bericht ausschließlich mit der Frage der Wahrscheinlichkeit eines Fels- oder Bergsturzes, nicht aber mit der Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung des Klägergrundstückes durch eine durch einen solchen Felssturz etwaig ausgelöste Flutwelle. Überdies wird die von M. angegebene Wahrscheinlichkeit von 4,7 % nur dadurch erreicht, dass die zunächst ermittelte Wahrscheinlichkeit um den Faktor 100 vergrößert wird. Eine nachvollziehbare Grundlage hierfür können weder die Sachverständigen noch der Senat erkennen.
Im Einzelnen:
(aaa)
M. hat auf der Basis von satellitengestützten InSAR-Verschiebungsmessungen über einen Zeitraum von etwa sieben Jahren und von Trennflächenermittlungen unter Zugrundelegung eines Felssturzinventars die Jährlichkeit für einen Felssturz mit einem Volumen von mehr als einer Million Kubikmeter ermittelt. Dazu hat M. aufgrund der berechneten Diskontinuitäten sechs sog. Sets bestimmt und kinematische Analysen potentieller Felsstürze für die nach Westen und nach Süden einfallenden Böschungen vorgenommen. Hierzu hat das Ingenieurbüro zwei Areale potentieller Felsstürze identifiziert, die es als Case 1 und Case 2 bezeichnet hat (Figure 3-2., S. 52 Extended Report). Zur statistischen Beurteilung der Gefahr eines Felssturzes hat M. auf ein regionales Felssturzinventar für den 2.617 km² großen Huascarán National Park, in dem sich die Laguna Palcacocha befindet, zurückgegriffen und ist so zu einer durchschnittlichen jährlichen Eintrittswahrscheinlichkeit eines Felssturzes mit einem Volumen von mehr als 1 Mio. m³ mit 1-mal in 62.893 Jahren pro km² gekommen. Dies entspreche bezogen auf den 30-jährigen Betrachtungszeitraum einer Eintrittswahrscheinlichkeit eines „Millionensturzes“ von rund 0,05 %. M. selbst kommt zu dem Ergebnis, dass die Ergebnisse der InSAR-Analyse derzeit nicht auf großflächige Hangbewegungen in dem Gebiet hindeuten (Anl. BK36, S. 45). Um lokale Bedingungen an der Laguna Palcacocha und den prognostizierten Rückgang des Permafrosts quantitativ zu erfassen, hat M. die Eintrittswahrscheinlichkeit sodann um den Faktor 100 (zweimalige Anwendung eines Faktors 10) erhöht. Danach ergebe sich ein Wiederkehrintervall von einmal in 629 Jahren bzw. für den Zeitraum von 30 Jahren die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Felssturzes mit einem Volumen von mehr als einer Million Kubikmeter von 4,7 %.
(bbb)
Nach der nachvollziehbaren und überzeugenden Bewertung der gerichtlichen Sachverständigen ist die Vorgehensweise von M. zur Beurteilung der hiesigen Beweisfrage abzulehnen.
Zunächst sei das zur Bestimmung der Wahrscheinlichkeiten verwendete Felssturzinventar nicht nachvollziehbar. Es fehlten entscheidende Angaben, etwa Benennung, Datum, Koordinaten und Volumen der berücksichtigten Felsstürze. Wichtig seien auch die mittlere Höhe, die Einfallsrichtung der Böschung, die räumliche Ausdehnung und die maßgebliche Lithologie; auch diese Angaben fehlten. Der Zeitraum von 10.000 Jahren sei willkürlich festgelegt; Daten zum Gletscherrückzug in der Cordillera Blanca für die letzten 10.000 Jahre seien nicht vorgelegt worden (Prot. vom 19.03.2025, S. 3 f., Charts 170 f.).
Auch die von M. vorgenommene Auswertung der InSAR-Verschiebungsmessungen und die Trennflächenermittlung begegnen nach Einschätzung der gerichtlichen Sachverständigen Bedenken. Zum einen seien vier der zehn Messreihen physikalisch unmöglich, da sie auf talabwärts und auch auf bergaufwärts gerichtete Verschiebungen hinwiesen. Auch eine fünfte Messreihe sei unbrauchbar, da eine der Geländeneigung folgende Rutschung allenfalls den „Parkplatz“ am Fuß des Grundmoränenwalls treffen und keinesfalls die Laguna Palcacocha erreichen würde. Aus den verbleibenden fünf Messreihen ziehe M. zu Recht den Schluss, dass es gegenwärtig keine Hinweise auf großvolumige Felsstürze an der Laguna Palcacocha gebe (S. 97 SVG II, Prot. vom 19.03.2025, S. 4 ff.). Der von M. definierte Case 1 entspreche in etwa den von ANA identifizierten Blöcken 5, 6 und 7. Nach Berechnung der Sachverständigen erreiche das beim Gletscherabbruch dieser insgesamt rund 2,5 Mio. m³ großen Blöcke entstehende Überströmungsvolumen von 330.000 m³ nicht das Grundstück des Klägers (S. 207 ff. SVG I; S. 98 SVG II). Werde zudem zur Beurteilung von eventuell auftretenden Felsstürzen die Orientierung der Diskontinuitäten (Einfallswinkel und Einfallsrichtung) herangezogen, sei festzustellen, dass der Einfallswinkel größer sei als der Böschungswinkel. Aus diesem Grund sei es kinematisch nicht möglich, dass sich im Bereich von Case 1 großvolumige Felsstürze ausbilden könnten; allenfalls Stein- oder Blockschlag oder vergleichsweise kleinvolumige Felsstürze seien denkbar, die aber in keinem Fall zu einer Gefährdung des klägerischen Grundeigentums führen könnten. Der Bereich von Case 2 sei weitgehend identisch mit der Lage der Blöcke 1-4 gemäß den Spezifikationen von ANA, die insgesamt ein Volumen von rund 1,56 Mio. m³ hätten. Im Bereich von Set 1 der Diskontinuitäten könnten – wie beim Case 1 – allenfalls Steinschlag oder kleinvolumige Felsstürze auftreten. Im Bereich von Set 3b seien Felsstürze von Block 2 und Block 4 mit einem Gesamtvolumen von 0,77 Mio. m³ nicht auszuschließen. Felsstürze oder Gletscherabbrüche in dieser Größenordnung führten aber zu keiner Beeinträchtigung des Hausgrundstücks des Klägers (S. 98 f. SVG II). Entscheidend sei letztlich, dass die Bewegungen von knapp 20 cm, die die InSAR-Verschiebungsmessungen gezeigt hätten, bezogen auf das Hochgebirge keinen Anlass zur Sorge darstellten. Einen Hinweis auf drohende Felsstürze gäben Verschiebungen nur dann, wenn sie progressiv beschleunigend seien, wenn die Bewegung also von Messung zu Messung immer schneller werde. Eine solche Beschleunigung habe M. für den betrachteten Zeitraum von über sechs Jahren aber gerade nicht festgestellt (Prot. vom 19.03.2025, S. 4 ff.).
Unbeschadet dieses Umstandes treffe M. auf Basis der Analyse der Diskontinuitäten und mit der kinematischen Analyse keine Aussage zur Eintrittswahrscheinlichkeit eines Fels-/Bergsturzes oder zur Standsicherheit der betrachteten Felspartien, sondern führe lediglich aus, dass ebenes Gleiten oder keilförmige Felsstürze möglich seien (S. 95, 100 SVG II). Erst recht fehle eine Berechnung der Eintrittswahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung des Klägergrundstückes durch eine durch einen solchen Felssturz ausgelöste Flutwelle, auf die es im vorliegenden Fall aber gerade ankomme. Um diese zu ermitteln, hätte noch die Prozesskette gemäß der GAPHAZ-Veröffentlichung abgearbeitet werden müssen (S. 139 SVG II).
Schließlich ist nach sachverständiger Einschätzung die Vorgehensweise von M., die jährliche Eintrittswahrscheinlichkeit eines Felssturzes mit einem Volumen von mehr als einer Million m³ durch die Multiplikation mit dem Faktor 100 aus der Eintrittswahrscheinlichkeit für den Huascaran National Park zu berechnen, durch nichts gerechtfertigt. Die Voraussetzungen für die zweimalige Anwendung eines Faktors 10, wie sie M. vornehme, lägen nicht vor. Die Anwendung des ersten Faktors würde Trennflächen über mehrere hundert Meter Länge oberhalb der Lagune voraussetzen. Dafür gebe es aber keine Hinweise; ein Nachweis von durchgängigen Diskontinuitäten liege gerade nicht vor. Obwohl es an den Hängen oberhalb der Laguna Palcacocha unzweifelhaft Permafrost und Permafrostdegradation gebe, lägen trotz sehr genauer Beobachtung der Lagune keine Hinweise auf eine rückschauend in den letzten 10.000 Jahren erfolgte Destabilisierung der Felshänge vor, die einen zweiten Faktor 10 rechtfertigen würden. Der Faktor 100 liege weit auf der sicheren Seite, zumal die Abschätzung des Einflusses des Klimawandels auf die Degradation des Permafrosts durch die Anwendung eines Beschleunigungsfaktors wissenschaftlich nicht belegt sei (S. 100 SVG II, Prot. vom 19.03.2025, S. 6 f.). Dieser Bewertung schließt sich der Senat uneingeschränkt an. Mangels hinreichend gesicherter Erkenntnisse kann im Rahmen einer Gefahrenprognose für große Felsstürze nicht unterstellt werden, dass die durch den Klimawandel bedingte Entwicklung des Permafrosts im Bereich der Laguna Palcacocha die Wahrscheinlichkeit eines Felssturzes in den vergangenen 10.000 Jahren signifikant – schon gar nicht um einen Faktor 10 – erhöht hat. Selbst die aktuelle Verteilung von Permafrost ist zwischen den Parteien streitig. Erst recht begegnet es Bedenken, eine hinreichend zuverlässige Aussage zu potentiellen Veränderungen des Permafrosts in der Vergangenheit zu treffen.
(ccc)
Selbst dann, wenn dem Ansatz von M. gefolgt wird, lässt sich die ernsthafte Besorgnis einer künftigen, unmittelbar bevorstehenden Rechtsverletzung des klägerischen Eigentums nicht feststellen.
Die Sachverständigen haben in ihrem Ergänzungsgutachten ausgeführt, dass die von M. angegebene Wahrscheinlichkeit für einen Felssturz mit einem Volumen von mehr als 1 Mio. m³ für den Huascarán National Park jedenfalls noch mit der Größe der Fels- und Eisfläche oberhalb der Laguna Palcacocha multipliziert werden müsse. Daraus errechne sich eine Eintrittswahrscheinlichkeit eines Felssturzes mit einem Volumen von mehr als einer Million Kubikmeter für die Lagune von etwa 0,5 % (Bild 8, S. 78 SVG II). Allerdings hat Q. im Termin zur mündlichen Verhandlung klargestellt, dass M. die Multiplikation mit der maßgeblichen Fläche tatsächlich vorgenommen habe; diese sei lediglich im Bericht nicht dargestellt worden. Es bleibe daher bei bezogen auf den 30-jährigen Betrachtungszeitraum bei einer Eintrittswahrscheinlichkeit eines „Millionensturzes“ von rund 0,05 % und nach Anwendung des Faktors 100 bei einer Wahrscheinlichkeit von 4,7 %.
Ungeachtet dessen ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit für das Auftreten eines Fels-/Bergsturzes nicht mit der Eintrittswahrscheinlichkeit der Gefährdung des Hausgrundstückes des Klägers gleichgesetzt werden kann. Letztere ist noch weitaus kleiner; hierauf weisen auch die gerichtlichen Sachverständigen hin (S. 139 SVG II).
(cc)
Die konkrete Gefahr eines Felssturzes an den Hängen um die Laguna Palcacocha ergibt sich auch nicht aus Ausführungen des klägerischen Privatgutachters K..
K. hat unter Bezugnahme auf ein Lichtbild aus dem Jahr 1947 (S. 107 SVG I) auf ein dunkleres bzw. schattiertes Areal an den im Nordosten des Gletschersees gelegenen Hängen hingewiesen und den gerichtlichen Sachverständigen vorgehalten, dass in diesem Bereich in der Vergangenheit ein Felssturz erfolgt sein müsse; womöglich habe dieser zu dem Flutereignis von 1941 beigetragen. Die Existenz eines Massensturzereignisses ziehe die Bewertung der gerichtlichen Sachverständigen, wonach Felsstürze aufgrund der die Laguna Palcacocha umgebenden Gesteinsstrukturen unwahrscheinlich seien, in Frage.
Diesen Einwand hat der gerichtliche Sachverständige B. jedoch aus mehreren Gründen entkräften können. Zum einen sei nicht nachgewiesen, dass an der fraglichen Stelle tatsächlich ein Sturzereignis stattgefunden habe. Wäre dies der Fall gewesen, müssten sich im Aufprallbereich aufgeprasseltes Gestein und Felsfragmente befinden; solche seien auf dem Lichtbild aber nicht zu erkennen. Zum anderen sei zu berücksichtigen, dass sich der vermeintliche Felssturz in einem Bereich befinde, der vor dem Flutereignis von 1941 von Wasser bedeckt gewesen sei. Ein etwaiger Felssturz an dieser Stelle könne daher nicht zu dem Überflutungsereignis beigetragen haben, sondern nur später erfolgt sein. Wenn es ein solches Ereignis tatsächlich gegeben habe, könne es sich nur um eine kleinere Lockergesteinsrutschung gehandelt haben. Es bleibe daher bei der sachverständigen Bewertung, wonach Massenstürze an den Hängen um die Laguna Palcacocha aufgrund der Lithologie – der Einbettung in Batholith – unwahrscheinlich seien (vgl. Prot. vom 17.03.2025, S. 14 f.).
(c) Auch die weiteren Einwendungen des Klägers gegen die Wahrscheinlichkeitsberechnung der Sachverständigen greifen nicht durch.
(aa) Ohne Erfolg beruft sich der Kläger darauf, dass die Sachverständigen das fundierte globale Wissen über Gefahren und Risiken im Zusammenhang mit Gletscherseeausbrüchen (GLOFs) missachtet hätten, da die Gutachten wesentliche physikalische Elemente zur Simulation der gesamten Flutprozesskette vernachlässigten (Bl. 3338 d.A.).
Nach den bereits oben dargestellten, nicht rechtsverbindlichen Richtlinien von GAPHAZ – einer Gruppe von internationalen Wissenschaftlern mit dem Schwerpunkt der Bewertung von Gletscher- und Permafrostgefahren –, auf die der Kläger abstellt, wird eine integrative Bewertung von GLOFs empfohlen, bei der Faktoren wie Fels- und Eislawinen, Erosion und Sedimentaufnahme entlang des Flusslaufs berücksichtigt werden, um die gesamte Prozesskette zu simulieren.
Sämtliche nach der GAPHAZ-Veröffentlichung zu berücksichtigenden Punkte sind in die Sachverständigengutachten eingeflossen und bearbeitet worden. Soweit im Ursprungsgutachten keine Berechnungen unter Berücksichtigung von Erosion und Sedimenttransport enthalten waren, sind die entsprechenden Berechnungen im Ergänzungsgutachten nachgeholt worden.
(bb) Auch der Einwand des Klägers, die Sachverständigen nähmen keine Szenario-basierte Bewertung von Fels-/Eislawinen unter Berücksichtigung des sich verändernden Umfelds in den Hochanden vor, sondern stützten sich für ihre Untersuchungen auf nur fünf vergangene Ereignisse und extrapolierten diese, um die Zukunft unter der Annahme eines statischen Systems und unter Vernachlässigung des Klimawandels vorherzusagen (vgl. Bl. 3339, 3343 d.A., Expertise BK 35, S. 5 f.), verfängt nicht.
Auch aus Sicht des Senats kann nicht abstrakt-theoretisch die (vom Kläger behauptete) zunehmende Häufigkeit von großen Fels- und Fels-/Eislawinen weltweit und in Peru berücksichtigt werden, sondern entscheidend ist allein eine ortsbezogene Wahrscheinlichkeitsprognose unter Berücksichtigung der konkreten lokalen Begebenheiten. Weitere Ereignisse in der Region der Laguna Palcacocha spielen, worauf die Sachverständigen zu Recht hinweisen (S. 142 SVG II), für die voraussetzungsgemäß standortbezogenen Betrachtungen keine Rolle. Die an anderen Orten herrschenden Verhältnisse lassen sich nicht ohne Weiteres auf die geologischen Verhältnisse an der Laguna Palcacocha übertragen, zumal das Risiko einer Eis- oder Eis-/Felslawine oder eines Felssturzes von zahlreichen Faktoren abhängt. Daher ändert auch das vom Kläger im Schriftsatz vom 09.05.2025 (Bl. 4423) angeführte Ereignis am Vallunaraju-Gipfel im April 2025 an dem Ergebnis der Wahrscheinlichkeitsberechnung der Sachverständigen nichts. Ein Grund, die bereits geschlossene mündliche Verhandlung gem. § 156 ZPO wiederzueröffnen und die Beweisaufnahme fortzusetzen, besteht also nicht; im Übrigen ist der Vortrag des Klägers zu den näheren Umständen des Ereignisses auch nicht hinreichend konkret. Die vom Kläger immer wieder herangezogenen Schweizer Alpen unterscheiden sich schon nach ihrer Höhe und den klimatischen Verhältnissen grundlegend von dem im Streitfall zu untersuchenden Gebiet um die Laguna Palcacocha, die in einem tropischen Hochgebirge in einer Höhe von 4.560 m liegt. Der Kläger legt auch nicht weiter dar, aus welchen Gründen die Alpen als Referenzgebiet für die peruanische Cordillera Blanca geeignet sein sollen. Die erforderliche ortsbezogene Wahrscheinlichkeitsprognose haben die Sachverständigen durchgeführt, insbesondere haben sie sich mit der Möglichkeit von Felsstürzen befasst und die von den lokalen Behörden ANA und INAIGEM identifizierten potenziellen Auslöserereignisse für einen Gletschereisabbruch ebenso wie die von M. ermittelten Cases 1 und 2 im Einzelnen untersucht. Dabei haben sie steigende Temperaturen und Klimawandel als Ursachen für den Abgang dieser spezifizierten Blöcke berücksichtigt (vgl. S. 144 SVG II). Die Parteigutachter des Klägers selbst konnten mit der von ihnen angewandten Methodik keine tatsächlichen Hinweise auf ein relevantes Auslöserereignis finden. Die Sachverständigen haben plausibel und überzeugend dargelegt, warum sie in ihren Wahrscheinlichkeitsberechnungen nur die Daten von fünf dokumentierten Ereignissen seit der Jahrtausendwende an der Laguna Palcacocha zugrunde gelegt haben, nämlich die Ereignisse von 2003, 2017, 2019, 2021 und 2024 (S. 142 SVG II). Dies begründen sie nachvollziehbar damit, dass die Seewasseroberfläche erst seit 2003 annähernd gleich groß wie heute sei, weshalb von ähnlichen Randbedingungen ausgegangen werden könne. Im Übrigen fehlt es nach ihrer Auffassung an einer Vergleichbarkeit. Insbesondere das Ereignis von 1941 könne für die Berechnung der aktuellen und zukünftigen Gefährdung nicht herangezogen werden: Seinerzeit sei das vollständige Versagen des schlanken und nachweislich nicht standsicheren Endmoränenwalls ausschlaggebend gewesen, während die talseitige Barriere der Lagune heute aus dem knapp 1 km breiten, sehr robusten Grundmoränenwall und den beiden künstlichen Dämmen bestehe. Zwar sei bekannt, dass weitere kleinere Ereignisse im Zeitraum seit 2003 aufgetreten seien; mangels Dokumentation könne über deren Größe und Häufigkeit aber nur spekuliert werden (S. 142 f. SVG II). Im Übrigen würde die Berücksichtigung dieser kleineren Ereignisse oder die Erweiterung des Betrachtungszeitraums auf die vergangenen 83 Jahre die Eintrittswahrscheinlichkeit noch weiter verringern (vgl. Prot. vom 17.03.2025, S. 7). Konkrete Einwendungen gegen diese Ausführungen erhebt der Kläger nicht, insbesondere trägt er nicht dezidiert vor, dass und ggf. welche weiteren Ereignisse aus welchen Gründen Beachtung finden müssten. Allein der Verweis auf das von M. erstellte Felssturzinventar genügt nicht. Entgegen der Annahme des Klägers ist auch nicht zu befürchten, dass der auf die genannten fünf lokal dokumentierten Ereignisse begrenzte Datensatz die Robustheit der Häufigkeits- und Magnitudenberechnungen untergräbt und nicht dokumentierte Ereignisse auslässt, was zu einer Überschätzung der Wiederholungsperioden führen würde. Die Laguna Palcacocha wird zumindest seit dem Jahr 2011 beobachtet (so der klägerische Vortrag Bl. 3368 d.A.). Dass ein zuvor eingetretenes nicht ganz unerhebliches Ereignis von den Sachverständigen und den zuständigen Behörden übersehen worden sein könnte, hält der Senat für lebensfern.
Entgegen der Auffassung des Klägers bedarf es im Rahmen der von den gerichtlichen Sachverständigen durchgeführten ortsbezogenen Wahrscheinlichkeitsprognose keiner Anwendung eines irgendwie gearteten „Klimafaktors“. Die Sachverständigen haben nachvollziehbar erläutert, dass sie den Klimawandel bei ihren Berechnungen dadurch berücksichtigt hätten, dass sie einen bislang lagestabilen, von den lokalen Behörden aber als kritisch identifizierten Gletscherblock ins Rutschen kommen lassen (vgl. Prot. vom 17.03.2025, S. 6). Sie unterstellen damit eine – möglicherweise von Klimawandel bzw. Temperaturanstieg hervorgerufene – Ablösung von Eisblöcken in dem vom Senat vorgegebenen 30-jährigen Betrachtungszeitraum, obwohl an diesen Blöcken nach ihren Feststellungen aktuell keinerlei Bewegung zu erkennen und ein möglicher Abbruch demzufolge vollkommen ungewiss ist.
Der Ansatz des vom Kläger für erforderlich gehaltenen Klimafaktors ist wissenschaftlich auch nicht allgemein akzeptiert bzw. entspricht nicht dem „fundierten globalen Wissen“. Die gerichtlichen Sachverständigen haben dargelegt, dass ihnen – unbeschadet der für die Wahrscheinlichkeitsermittlung gewählten Methodik – der Ansatz eines solchen Klimafaktors nirgendwo in ihren Recherchen, sondern ausschließlich und erstmalig in der Arbeit von R. begegnet sei. Aus Sicht des Senats wäre überdies auch fraglich, in welcher Höhe ein etwaiger Klimafaktor anzusetzen wäre; der Wert wäre letztlich gegriffen.
Selbst wenn indessen auf die von den gerichtlichen Sachverständigen ermittelte Eintrittswahrscheinlichkeit von etwa 1 % ein „Klimafaktor 2-4“ angewendet würde, läge die Eintrittswahrscheinlichkeit für ein das Eigentum des Klägers bedrohendes Ereignis immer noch unter 5 %. Dies reicht nach dem Dafürhalten des Senats nicht aus, um von einer drohenden Beeinträchtigung i.S.d. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB auszugehen.
(cc)
Nicht zu beanstanden ist, dass die Sachverständigen hauptsächlich hydrologische Methoden angewendet haben. Entgegen der Auffassung des Klägers (Bl. 3341 d.A., S. 8 Expertise BK 35) werden solche nicht nur zur Bewertung von durch Niederschlagsereignisse verursachte Überschwemmungen verwendet. Die Sachverständigen verweisen insofern auf die BAFU-Richtlinie (2016), nach der Naturgefahren wie Hochwasser und Lawinen nach identischen Grundsätzen beurteilt würden.
Im Übrigen haben die Sachverständigen in ihrem Ergänzungsgutachten auch Erosionsprozesse und Sedimenttransport entlang des Flusslaufs betrachtet und gutachterlich bewertet.
(dd)
Ohne Erfolg moniert der Kläger ferner, dass in den Sachverständigengutachten die Instabilität von Felshängen durch Entgletscherung und durch Auftauen von Permafrost nicht berücksichtigt werde.
Die gerichtlichen Sachverständigen haben im Termin zur mündlichen Verhandlung bestätigt, dass Permafrost eine hangstabilisierende Wirkung hat und in wassergesättigtem Fels bzw. Boden eine wesentliche Erhöhung der Tragfähigkeit und damit auch der Standsicherheit entsprechender Fels- und Bodenpartien bewirkt. Verschwindet der Permafrost, verschwindet auch diese zusätzliche Stabilität (Prot. vom 19.03.2025, S. 3).
Ein Auftauen von Permafrost oder eine Destabilisierung des Felsgesteins an den Hängen um die Laguna Palcacocha ist aber nicht zu erkennen. Der Senat schließt sich insoweit der ausführlich begründeten und plausiblen Einschätzung der gerichtlichen Sachverständigen an, wonach die aktuelle Verteilung von Permafrost an den Hängen um die Laguna Palcacocha unklar ist und Hinweise auf eine durch Permafrostdegradation ausgelöste Destabilisierung der Hänge fehlen. Dies hat zur Folge, dass eine Erhöhung der von den Sachverständigen ermittelten Eintrittswahrscheinlichkeit einer für das Grundstück des Klägers kritischen GLOF durch einen irgendwie gearteten „Erhöhungsfaktor“ nicht in Betracht kommt.
Der derzeitige Kenntnisstand über die Permafrostverteilung in den Bergen um die Laguna Palcacocha ist unsicher, da es an den erforderlichen ortskonkreten Daten fehlt:
Der Kläger hat sich auf eine von seinen Privatgutachtern – dem Ingenieurbüro M. – erstellte Permafrostkarte bezogen, im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 17.03.2025 jedoch klargestellt, dass er – insoweit in Abweichung zu der Darstellung von M. – davon ausgehe, dass Permafrost auch in Lagen unterhalb von 5.000 m auftrete. An der Permafrostkarte von M. bestehen aus Sicht des Senats schon deshalb Zweifel, weil nach eigener Angabe von M. keine lokalen Daten für die Kalibrierung der Permafrost-Modellierung verwendet wurden und das Fehlen bzw. Vorhandensein von Bodeneis, das großen Einfluss auf die Permafrostverteilung habe, nicht berücksichtigt worden sei. M. empfiehlt selbst, die Modellergebnisse nur als Indikator für die potenzielle Existenz von Permafrost zu verwenden.
Die Beklagte hat bestritten, dass die von M. erstellte Permafrostkarte den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort entspreche. Zudem hat sie bestritten, dass die „Wärmestörung“ bereits in über 100 m Tiefe in den Berg eingedrungen sei (Bl. 3528 d.A.). Sie hat sich auf die Ausführungen ihrer Privatgutachter F. und V. berufen, die eine Permafrostkarte für das Gebiet um die Lagune durch Extrapolation der Daten nach Andres et al. (2011) erstellt haben (Anl. B72, S. 14 ff., 20). Die untere Grenze des Permafrostes liege danach bei 5.050 m, kontinuierlicher Permafrost an Nevado Palcaraju und Nevado Pucaranra sei oberhalb von 5.420 m zu erwarten. Auch bezüglich der extrapolierten Ergebnisse von Andres et al. (2011) sei indessen – so die Privatgutachter der Beklagten – unsicher, ob diese auf die Gipfel um die Laguna Palcacocha anzuwenden seien; es handele sich aber um die einzigen verfügbaren Daten.
Die gerichtlichen Sachverständigen haben mittels der von ihnen durchgeführten Untersuchungen nicht feststellen können, dass sich die Permafrostverteilung und -schmelze an der Laguna Palcacocha tatsächlich so darstellt wie vom Kläger behauptet. Im Gegenteil halten sie für ausgeschlossen, dass relevanter Permafrost schon unterhalb einer Höhe von 5.000 m vorliegt. Dies haben sie unter anderem damit begründet, dass bei der Rutschung aus dem Jahr 2003 keine Anzeichen für Permafrost gefunden worden seien (Prot. vom 17.03.2025, S. 10 f., 16; Prot. vom 19.03.2025, S. 3).
Den Sachverständigen war es auch nicht möglich, im Rahmen ihrer Begutachtung weitergehende Feststellungen zur tatsächlichen Verteilung von Permafrost an den Hängen um die Laguna Palcacocha zu treffen. Nach ihrer Einschätzung – die sich mit dem übereinstimmenden Vortrag beider Parteien deckt (vgl. Bl. 3553 d.A., Anl. BK36 S. 42) –, sind für die zuverlässige Beurteilung der Entstehung und Entwicklung von Permafrost Langzeitdaten erforderlich, die für den Bereich der Lagune fehlen. Permafrost könne nur durch Kernbohrungen und darauffolgende kontinuierliche Temperaturmessungen im Bohrloch sicher festgestellt werden. Derartige Kernbohrungen hätten weitere Erkenntnisse zur Stabilität, Festigkeit und Temperatur der Hänge gebracht (Prot. vom 17.03.2025, S. 10, Charts 97 f.). Entsprechende Maßnahmen waren von den Sachverständigen zunächst geplant, konnten aber aus rechtlichen Gründen wegen der fehlenden Genehmigung durch die zuständigen Behörden ebenso wie aus Kostengründen nicht durchgeführt werden. Im Übrigen hätten einzelne Bohrungen zwar den derzeitigen Zustand eines Hanges gezeigt, an den erforderlichen Langzeitdaten hätte es aber weiterhin gefehlt.
Der Auffassung des Klägers, es sei im hiesigen Streitfall nicht erforderlich, ein konkretes Auslöserereignis im konkreten Umfeld der Lagune zu definieren, vielmehr sei die Gefahr von Abbrüchen strukturell und ergebe sich schon aus der physischen Begebenheit von schmelzenden Gletschern und sich wärmenden, noch gefrorenen (Permafrost-) Berghängen (Bl. 3640 d.A.), tritt der Senat nicht bei. Damit würde nämlich das Vorhandensein von Permafrost zu Gunsten des Klägers unterstellt. Die Sachverständigen haben im Rahmen der mündlichen Erläuterung ihrer Gutachten zwar ausgeführt, dass die Erwärmung des Klimas und der dadurch bewirkte Gletscherrückgang an der Laguna Palcacocha deutlich zu erkennen sei. Ein Auftauen von Permafrost oder eine Destabilisierung der Hänge um die Lagune sei dagegen nicht zu erkennen (Prot. vom 17.03.2025, S. 10, Charts 93 ff.).
(d)
Überdies ist zu berücksichtigen, dass die von den Sachverständigen getroffenen Annahmen bei der Ermittlung der Eintrittswahrscheinlichkeit für eine in den nächsten 30 Jahren auftretende Gefährdung des unterhalb der Laguna Palcacocha liegenden klägerischen Grundbesitzes durch eine von der Lagune ausgehende Überflutung und/oder eine Schlammlawine den Kläger gleich mehrfach begünstigen. Das nach dem Ergebnis der Sachverständigengutachten bei etwa 1 % liegende Risiko stellt sich also bei realistischer Betrachtung noch deutlich geringer dar mit der Folge, dass eine Erstbegehungsgefahr im Sinne des § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB erst recht zu verneinen ist.
Das gilt zunächst für die den Berechnungen zugrunde gelegte Höhe der talseitigen Barriere. Die Sachverständigen haben sich bezüglich der Höhe der Dammkrone aus Vereinfachungsgründen durchgängig an der Höhe des Primärdamms als dem niedrigsten Punkt orientiert. Tatsächlich ist die aus Primär- und Sekundärdamm und Grundmoränenwall bestehende Barriere durchschnittlich aber 4 m höher als der Primärdamm. Bei zutreffender Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten in Form der unterschiedlichen Höhen der talseitigen Barriere würde bei einem zur Überströmung des Primärwalls führenden Ereignis zwar insgesamt die gleiche Menge Wasser die talseitige Barriere überströmen, jedoch würde der Hydrograph zeitlich gestreckt, was das Risiko einer Überflutung des Hausgrundstücks des Klägers erheblich senken würde. Aufgrund des „Sicherheitspuffers“, der sich wegen der im Verhältnis zum Primärdamm durchschnittlich um 4 m höheren talseitigen Barriere ergebe, sei – so die Sachverständigen – definitiv auch ein Ereignis abgedeckt, das sich zu einem Zeitpunkt ereigne, an dem der in einer Bandbreite von etwa 2,5 m regelmäßig schwankende Seewasserspiegel seinen Höchststand von ca. 4.563 m erreicht habe, wie es etwa bei dem Ereignis vom 23.01.2024 der Fall gewesen sei (Prot. vom 17.03.2025, S. 4; Prot. vom 19.03.2025, S. 15).
Auch in anderer Hinsicht überschätzen die Sachverständigen die von der Laguna Palcacocha im Falle eines Gletscherabbruches möglicherweise ausgehende Flutwelle nach eigenen Angaben, um „auf der sicheren Seite“ zu sein. So beruht ihre Berechnung der Schwall- und Flutwellen auf idealisierten Randbedingungen und Annahmen, die tendenziell zu einer Überschätzung der Einstoßgeschwindigkeit und der Wellenhöhe führen. Denn sie legen ihren Berechnungen – ausgehend von dem Berechnungsansatz von Frey et al. (2018) – zugrunde, dass die Richtung der Rutschung und die Richtung der Seelängsachse identisch sind; dies muss tatsächlich aber nicht der Fall sein. Zudem findet eine eindimensionale Berechnung statt, die eine seitliche Ausbreitung der Rutschung sowie der Wellen nicht berücksichtigt. Ebenfalls nicht berücksichtigt wird, dass Rutschungen an der Böschung von Felsvorsprüngen gestoppt oder gebremst werden könnten. Schließlich bleibt der rund 400 m vor der talseitigen Uferlinie in den See hineinreichende nur 5 bis 15 m tiefe Flachwasserbereich unberücksichtigt (S. 225 SVG I, S. 146 ff. SVG II). Letzterer Umstand stellt nach Darstellung von L. im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.03.2025 einen erheblichen Sicherheitspuffer dar. Der vorgelagerte Flachwasserbereich bewirke, dass die Schwallwelle im Bereich des Übergangs vom tiefen Wasser zum flachen Wasser zunächst zwar größer werde, dann aber breche mit der Folge, dass die sich anschließend im Flachwasser ausbreitende Welle insgesamt kleiner sei. Damit werde auch die überlaufende Welle kleiner. Bei Berücksichtigung des Flachwasserbereichs betrage das Überströmungsvolumen nur rund 80 % des berechneten Volumens (vgl. Prot. vom 19.03.2025, S. 8).
Auch infolge der von den Sachverständigen von Frey et al. (2018) aus Gründen der Vergleichbarkeit übernommenen Reibungsparameter – in den Berechnungen nach RAMMS::debrisflow wurde ein Reibungsbeiwert von 0,04 statt eines realistischen Wertes >0,1 angesetzt – werden die Fließstrecke und somit das Gefährdungspotential aufgrund der gewählten Eingabedaten überschätzt (S. 112 SVG II, Prot. vom 19.03.2025 S. 8).
Angesichts der vorstehenden Ausführungen kann dahingestellt bleiben, ob eine Überschätzung der von einem Ereignis ausgelösten Welle aufgrund der von den Sachverständigen verwendeten Dichte des potenziellen Lawinenereignisses und des ins Tal fließenden Fluids von jeweils 1.000 kg/m³ vorliegt, ob aufgrund der von den Sachverständigen durchgeführten Validierungsberechnungen der Lawinenereignisse vom 19.03.2003 und 05.02.2019 das Volumen der im Jahr 2003 ausgelösten Lawine unterschätzt worden ist, ob im Hinblick auf das Ereignis im Jahr 2019 der Ort des Ablösens der Lawine zutreffend gewählt wurde und ob dies Auswirkungen auf die Geschwindigkeit der Lawine hat (S. 148 ff. SVG II). Alle vorgenannten Punkte wirken sich – wenn überhaupt – zu Gunsten des Klägers aus.
(e)
Eine Erstbegehungsgefahr i.S.d. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB lässt sich schließlich erst recht nicht unter Berücksichtigung des Umstandes bejahen, dass der Wasserspiegel der Laguna Palcacocha mit den vorhandenen Mitteln und Installationen dauerhaft um mehrere Meter abgesenkt werden könnte. Denn durch die Absenkung des Seewasserspiegels würde die ohnehin sehr geringe Eintrittswahrscheinlichkeit der Gefährdung des Hauses noch einmal deutlich reduziert.
(aa)
Unstreitig sind an der Lagune insgesamt zwölf Heberleitungen (sog. „Siphons“) zur kontrollierten Absenkung des Wasserspiegels installiert, die aber – zumindest zum Zeitpunkt des Ortstermins – nur teilweise in Betrieb waren.
Im Rahmen des vom Senat und den Beteiligten am 27.05.2022 vor Ort am Corte Superior de Justicia de Ancash mit den Vertretern der verschiedenen Behörden durchgeführten Besprechungstermins wurde deutlich, dass im Hinblick auf die Lagune widerstreitende Interessen der verschiedenen Behörden bestehen. Während die Behörden einerseits im Rahmen der Risikovorsorge gehalten sind, die von der Lagune ausgehende Gefahr einer Überflutung weitestmöglich zu minimieren, indem der Wasserspiegel möglichst niedrig gehalten wird, dient der See auf der anderen Seite als Wasserreservoir, um die Versorgung der Bevölkerung mit Trink- und Nutzwasser sicherzustellen. Ausweislich des Besprechungsvermerks bestand Konsens zwischen den verschiedenen Behördenvertretern dahingehend, dass der Pegel über die vorhandenen Heberleitungen um mindestens vier Meter dauerhaft abgesenkt werden könnte – nach Aussage des Vertreters der Regionalregierung von Ancash sogar um zwölf Meter –, hierauf aber mit Blick auf die Nutzung der Lagune als Trinkwasserreservoir verzichtet wird (vgl. S. 29 f. des informellen Vermerks über die Orts- und Besprechungstermine in Huaraz und an der Laguna Palcacocha in der Zeit vom 24.05. bis 27.05.2022, Bl. 2847 f. d.A.). Nach dem Vortrag des Klägers (Bl. 3449 d.A.) wurde ihm in einem aktuelleren Gespräch von der Regionalregierung Ancash am 05.03.2024 mitgeteilt, dass der Seewasserpegel mithilfe des bestehenden Siphonsystems um zwei Meter reduziert werden könne. Zweifel an der Richtigkeit dieser Aussage haben bis zur mündlichen Verhandlung weder der Kläger – der sich die behördliche Aussage im Gegenteil zu eigen gemacht hat – noch die Beklagte geäußert. Soweit der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2025 unter Bezugnahme auf seinen Privatgutachter Q. behauptet hat, bei den Heberleitungen handele es sich nur um ein Provisorium, das nicht dem Stand der Technik entspreche und über das nur kurzfristig im Notfall eine Regulierung erfolgen könne (Prot. vom 19.03.2025, S. 13 f.), kann die Richtigkeit dieses Vortrages im Ergebnis dahinstehen. Es ist letztlich unstreitig, dass von Menschenhand in die Pegelregulierung an der Laguna Palcacocha eingegriffen werden kann und eingegriffen wird. Ob die mögliche Absenkung des Seespiegels von 2 m nur im Notfall erfolgt oder auch darüber hinaus, ändert an der entsprechenden Möglichkeit der lokalen Behörden nichts.
(bb)
Eine Absenkung des Wasserpegels der Lagune um 2 m hätte nach den Ausführungen der Sachverständigen zur Folge, dass das Überströmungsvolumen über die Dammkrone um rund 10 % reduziert würde. Die errechnete Eintrittswahrscheinlichkeit für eine Gefährdung des klägerischen Hausgrundstücks von 1 % würde mithin noch einmal deutlich verringert.
Nach Einschätzung der Sachverständigen würde das Grundstück des Klägers bei Ansatz realitätsnaher Berechnungsparameter selbst bei Zugrundelegung eines Einstoßvolumens von 3 Mio. m³ infolge einer Eislawine, eines Gletscherabbruchs oder einer Gesteinsrutschung in keinem Szenario von der durch die Überströmung verursachten Flutwelle erreicht (S. 106 ff., 133 SVG II).
(cc)
Da der Senat bereits ohne Berücksichtigung einer möglichen Absenkung des Wasserpegels der Laguna Palcacocha zu dem Ergebnis gelangt, dass die im Rahmen des § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB erforderliche Erstbegehungsgefahr nicht vorliegt, bedarf es keiner vertiefenden Ausführungen zu der Frage, ob und inwiefern es der Beklagten zuzurechnen ist, wenn die zuständigen Behörden sich in Kenntnis und unter Inkaufnahme der von der Lagune möglicherweise ausgehenden Gefahr eines Gletscherseeausbruchs im Rahmen der Abwägung zwischen den oben dargestellten gegenläufigen Interessen bewusst dafür entscheiden, auf die maximal mögliche Absenkung des Wasservolumens aus Gründen der Trinkwasserversorgung zu verzichten. Es soll aber gleichwohl angemerkt werden, dass der Senat diese Frage im Ergebnis verneint.
II. Zweiter Hauptantrag / Zahlungsantrag
Der auf Hinweis des Senats vom 27.01.2021 unbedingt gestellte Antrag des Klägers, die Beklagte zur Zahlung von 6.384,00 EUR zuzüglich Zinsen seit Rechtshängigkeit zu verurteilen, ist zulässig, aber unbegründet.
1.
Bedenken gegen die Zulässigkeit sieht der Senat nicht. Bezüglich der Zuständigkeit kann auf die Ausführungen unter Ziff. I verwiesen werden.
2.
Ebenso wie der Feststellungsantrag hat aber auch der Zahlungsantrag in der Sache keinen Erfolg.
Da nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme eine unmittelbar drohende Beeinträchtigung des Grundbesitzes des Klägers nicht zu befürchten ist, scheidet ein Anspruch des Klägers auf Erstattung der anteiligen Kosten der Selbstvornahme gem. §§ 1004 Abs. 1 S. 2 i.V.m. 677 ff., 812 BGB aus. Es kann vor diesem Hintergrund dahinstehen, ob die vom Kläger vorgenommenen Maßnahmen an seinem Hausgrundstück überhaupt geeignet waren, um die Gefahr einer Beeinträchtigung seines Eigentums abzuwehren oder jedenfalls – durch Verbesserung der Flutsicherheit – auf einen geringstmöglichen Grad zurückzuführen.
In Ermangelung einer drohenden Eigentumsbeeinträchtigung bedarf es gleichfalls keiner näheren Ausführungen dazu, ob sich ein Anspruch des Klägers im Grundsatz auch aus §§ 1, 3 UmweltHG i.V.m. § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB i.V.m. GoA oder Bereicherungsrecht ergeben könnte.
III. Erster Hilfsantrag / Klageantrag zu 3.
Soweit der Kläger mit dem Klageantrag zu 3. die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, anteilig zu ihrem nach § 287 ZPO durch das Gericht zu bestimmenden Verursachungsbeitrag die Kosten für geeignete Schutzmaßnahmen zugunsten seines Eigentums vor einer Gletscherflut aus der Laguna Palcacocha zu tragen, ist dieser Antrag mangels Bestimmtheit unzulässig.
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift neben der bestimmten Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs auch einen bestimmten Antrag enthalten. Damit wird der Streitgegenstand abgegrenzt und zugleich eine Voraussetzung für die etwa erforderlich werdende Zwangsvollstreckung geschaffen. Daran gemessen ist ein Klageantrag grundsätzlich hinreichend bestimmt, wenn er den erhobenen Anspruch konkret bezeichnet, dadurch den Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 ZPO) absteckt, Inhalt und Umfang der materiellen Rechtskraft der begehrten Entscheidung (§ 322 ZPO) erkennen lässt, das Risiko eines Unterliegens des Klägers nicht durch vermeidbare Ungenauigkeit auf den Beklagten abwälzt und schließlich eine Zwangsvollstreckung aus dem Urteil ohne eine Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren erwarten lässt (BGH, Urteil vom 21.11.2017 – II ZR 180/15, Rn. 8; BGH, Urteil vom 28.11.2002 – I ZR 168/00, Rn. 46; BGH, Urteil vom 14.12.1998 - II ZR 330/97, Rn. 7 m.w.N.).
Diesen Anforderungen genügt der vorliegende Klageantrag nicht. Denn durch die fehlende Benennung einer konkreten Haftungsquote wird das Risiko eines teilweisen Unterliegens des Klägers auf die Beklagte abgewälzt. Der Hinweis der Klägerseite auf § 287 ZPO geht fehl. Diese Vorschrift erleichtert dem Geschädigten lediglich die Beweisführung; sie bietet keinen Anlass, ihm darüber hinaus auch noch die Erhebung einer konkret bezifferten Forderung zu ersparen (Zöller/Greger, a.a.O., § 253 Rn. 14 a).
Im Übrigen wäre der Antrag aus den unter Ziff. I.2. dargestellten Gründen auch unbegründet.
IV. Zweiter Hilfsantrag / Klageantrag zu 4.
Der Klageantrag zu 4. – gerichtet auf die Verurteilung der Beklagten, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass das Wasservolumen in der Laguna Palcacocha von heute 17,4 Mio. m³ dauerhaft um 0,38 %, reduziert wird – ist zulässig, aber ebenfalls unbegründet. Soweit im Antrag das zu reduzierende Wasservolumen mit 81.780 m³ beziffert wird, ist dem in der Verhandlung vom 17./19.03.2025 mit dem geänderten Antrag nicht Rechnung getragen worden; letztlich kommt es hierauf aber nicht mehr an.
1.
Der Zulässigkeit dieses Antrages steht nicht entgegen, dass die von der Beklagten vorzunehmende Handlung – die „geeigneten Maßnahmen“ – nicht näher konkretisiert wird. Bei einem Antrag auf Beseitigung einer Störung nach § 1004 Abs. 1 BGB genügt die Angabe des begehrten Erfolgs, denn die Wahl mehrerer zur Beseitigung geeigneter Mittel bleibt regelmäßig dem Schuldner überlassen. Erst in der Zwangsvollstreckung (§§ 887, 888 ZPO) geht das Wahlrecht auf den Gläubiger über, falls nicht ausnahmsweise nur eine bestimmte Beseitigungsmaßnahme als erfolgversprechend und zumutbar in Betracht kommt (BGH, Urteil vom 17.12.1982 – V ZR 55/82, Rn. 17; BGH, Urteil vom 22.10.1976 – V ZR 36/75, Rn. 11 f.; Zöller/Greger, a.a.O., § 253, Rn. 13c).
2.
Der Antrag ist indessen unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte aus § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB hat. Auf die obigen Ausführungen wird vollumfänglich verwiesen.
Es bedarf deshalb keiner näheren Ausführungen dazu, ob der verlangten Maßnahme an der Lagune zur Reduzierung des Wasservolumens eine subjektive Unmöglichkeit (§ 275 Abs. 1 BGB) in Form eines rechtlichen Leistungshindernisses entgegenstehen könnte, da die Beklagte nicht Eigentümerin des Gletschersees ist und daher dort nicht eigenmächtig in irgendeiner Weise tätig werden kann.
Dahinstehen kann gleichfalls, ob die begehrte Verpflichtung der Beklagten auch – entsprechend dem Begehren des Klägers – in die Zukunft erstreckt werden kann, indem die Beklagte dafür Sorge zu tragen hat, dass das Wasservolumen dauerhaft um diese Wassermenge reduziert bleibt. Dies begegnet deshalb Zweifeln, weil dazu festgestellt werden müsste, worauf ein etwaiger zukünftiger Wiederanstieg des Wasservolumens zurückzuführen wäre. Da sich die Zahl der Emittenten und der Umfang ihres CO2-Ausstoßes ebenso wie der Einfluss natürlicher Ursachen für einen Anstieg der Wassermenge ständig ändert, könnte eine einmal festgestellte Verursachungsquote der Beklagten nicht auch für die Zukunft als gleichbleibend unterstellt werden. Vielmehr verändert sich diese Quote ständig und wäre demgemäß anzupassen.
V. Dritter Hilfsantrag / Klageantrag zu 5.
Der Klageantrag zu 5., nach dem die Beklagte verurteilt werden soll, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass das Wasservolumen der Laguna Palcacocha von heute 17,4 Mio. m³ entsprechend dem Verursachungsbeitrag der Beklagten, der durch das Gericht nach § 287 ZPO zu bestimmen ist, dauerhaft reduziert wird, ist unzulässig.
Aus den gleichen Gründen wie dem Klageantrag zu 3. fehlt es auch diesem Antrag an der erforderlichen Bestimmtheit.
Überdies ist der Antrag aus den unter Ziff. I.2. dargestellten Gründen auch unbegründet.
VI. Feststellung der Teilerledigung
Der im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.03.2025 gestellte Antrag auf Feststellung der Teilerledigung – als solcher ist die teilweise Erledigungserklärung der Klage auszulegen – ist unbegründet, da die ursprüngliche Klage aus den unter Ziff. I.2. dargestellten Gründen bei Eintritt des erledigenden Ereignisses nicht begründet war.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 713 i.V.m. 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Die Zurückweisung der Berufung beruht auf einer umfangreichen und komplexen Würdigung der erhobenen Beweise und stellt somit eine Einzelfallentscheidung dar. Daher erfordert weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.
Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird bis zum 27.01.2021 auf insgesamt 23.384 € festgesetzt. Die Anträge zu 1. bis 5. betreffen bei wirtschaftlicher Betrachtung denselben Gegenstand, sodass nach § 45 Abs. 1 S. 3 GKG der höchste Wert maßgebend ist. Den höchsten Wert hat der mit 17.000 € bezifferte (hilfsweise gestellte) Zahlungsantrag zu 5. Auf den – äußerst hilfsweise gestellten – Antrag zu 6. (Zahlungsantrag) entfallen weitere 6.384 €.
Für die Zeit bis zum 17.03.2025 wird der Streitwert auf 19.544 € festgesetzt. Davon entfallen auf den Feststellungsantrag (0,47 % von 3,5 Mio. € x 80%) 13.160,00 € und auf den nunmehr als zweiten Hauptantrag gestellten Zahlungsantrag 6.384 €. Die Hilfsanträge haben keinen eigenen wirtschaftlichen Wert.
Ab dem 18.03.2025 wird der Streitwert auf 17.024 € festgesetzt. Auf den Feststellungsantrag entfallen (0,38 % von 3,5 Mio. € x 80%) 10.640,00 € und auf den Zahlungsantrag 6.384 €.