EuGH: EU-Staaten dürfen ausländische Banken zur Auskunft gegenüber inländischen Behörden verpflichten
EuGH, Urteil vom 25.4.2013 - C-212/11, Jyske Bank Gibraltar Ltd gegen Administración del Estado
Tenor
Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, die von Kreditinstituten verlangt, dass sie die zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erbetenen Auskünfte unmittelbar der zentralen Meldestelle dieses Mitgliedstaats übermitteln, wenn diese Institute ihre Tätigkeiten im Inland im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausüben, sofern diese Regelung nicht die praktische Wirksamkeit dieser Richtlinie und des Beschlusses 2000/642/JI des Rates vom 17. Oktober 2000 über Vereinbarungen für eine Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen der Mitgliedstaaten beim Austausch von Informationen beeinträchtigt.
Art. 56 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer solchen Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegensteht, wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, wenn sie geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, wenn sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, und wenn sie in nichtdiskriminierender Weise angewandt wird; dies zu überprüfen, ist Sache des nationalen Gerichts, das dabei folgende Erwägungen zu berücksichtigen hat:
- eine solche Regelung ist geeignet, das Ziel der Verhinderung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu erreichen, wenn sie dem betreffenden Mitgliedstaat ermöglicht, verdächtige Finanztransaktionen von Kreditinstituten, die ihre Dienstleistungen im Inland erbringen, zu überwachen und wirksam zu unterbinden sowie gegebenenfalls gegen die Verantwortlichen vorzugehen und diese zu bestrafen;
- die durch diese Regelung geschaffene Verpflichtung der Kreditinstitute, die ihre Tätigkeiten im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs erbringen, kann in angemessenem Verhältnis zur Verfolgung dieses Ziels stehen, wenn zu dem im Ausgangsverfahren maßgeblichen Zeitpunkt ein wirksamer Mechanismus fehlt, der eine vollständige und lückenlose Zusammenarbeit der zentralen Meldestellen gewährleistet.
Richtlinie 2005/60/EG Art. 22 Abs. 2; AEUV Art. 56
Sachverhalt
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.10.2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung (ABl. L 309, S. 15). Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Jyske Bank Gibraltar Ltd (im Folgenden: Jyske), eines in Spanien im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs tätigen Kreditinstituts mit Sitz in Gibraltar, gegen die Administración del Estado (staatliche Verwaltung); dieser Rechtsstreit betrifft den Beschluss des Consejo de Ministros (Ministerrat) vom 23.10.2009, mit dem der Widerspruch von Jyske gegen den Beschluss des Consejo de Ministros vom 17.4.2009 zurückgewiesen wurde, mit dem gegen Jyske wegen Verweigerung der Erteilung vom Servicio Ejecutivo de la Comisión para la Prevención de Blanqueo de Capitales (Durchführungsstelle für die Verhinderung von Geldwäsche; im Folgenden: Servicio Ejecutivo) angeforderter Auskünfte bzw. mangelnder Sorgfalt bei der Erteilung dieser Auskünfte zwei Bußgelder in Höhe von insgesamt 1 700 000 Euro festgesetzt und zwei öffentliche Verwarnungen ausgesprochen worden waren. Jyske macht zur Begründung ihrer Klage geltend, dass sie nach der Richtlinie 2005/60 nur gegenüber den Behörden von Gibraltar auskunftspflichtig sei und die spanischen Rechtsvorschriften nicht im Einklang mit dieser Richtlinie stünden, da sie diese Verpflichtung auf Kreditinstitute ausdehnten, die in Spanien im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs tätig seien. Unter diesen Umständen hat das Tribunal Supremo beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Kann ein Mitgliedstaat in Anwendung von Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 verlangen, dass die Informationen, die von Kreditinstituten, die in seinem Gebiet ohne feste Niederlassung tätig sind, übermittelt werden müssen, zwingend und unmittelbar seinen für die Verhinderung der Geldwäsche zuständigen Behörden mitgeteilt werden, oder ist das Auskunftsersuchen an die zentrale Meldestelle des Mitgliedstaats zu richten, in dessen Gebiet sich das ersuchte Kreditinstitut befindet?
Aus den Gründen
Zur Vorlagefrage
Zur Begründetheit
37 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, die von Kreditinstituten, die ihre Tätigkeiten im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausüben, verlangt, dass sie die zur Bekämpfung der Geldwäsche erbetenen Informationen unmittelbar der zentralen Meldestelle dieses Mitgliedstaats übermitteln.
38 ... 39 Im vorliegenden Fall hängt die Antwort auf die vorgelegte Frage nicht allein von der Auslegung von Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 ab, sondern erfordert auch, dass zum einen sämtliche Bestimmungen dieser Richtlinie und des Beschlusses 2000/642 sowie zum anderen Art. 56 AEUV berücksichtigt werden.
Zur Richtlinie 2005/60
- ► Art. 22 Abs. 2 der RL ist das dahin auszulegen, dass das Finanzinstitut die verlangten Informationen der zentralen Meldestelle des Herkunftsmitgliedstaats zu übermitteln hat
40 In Bezug auf Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 geht aus deren Wortlaut ausdrücklich hervor, dass die den Verpflichtungen aus dieser Bestimmung unterliegenden Institute und Personen die zur Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erforderlichen Informationen der zentralen Meldestelle des Mitgliedstaats zu übermitteln haben, in dessen Hoheitsgebiet sie sich befinden.
41 Entgegen der Ansicht der spanischen Regierung kann die Wendung „Mitgliedstaat ..., in dessen Hoheitsgebiet sich das Institut oder die Person, von dem bzw. der diese Informationen stammen, befindet" nicht dahin ausgelegt werden, dass sie sich im Fall einer von der betreffenden Einrichtung im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausgeführten Tätigkeit auf das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats bezieht, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird.
42 Zum einen entspricht diese Auslegung nämlich nicht dem gewöhnlichen Sinn der fraglichen Wendung. Zum anderen unterscheidet Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie nicht zwischen den Dienstleistungen, die in dem Mitgliedstaat erbracht werden, in dem sich die Einrichtung befindet, und denjenigen, die in anderen Mitgliedstaaten im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs erbracht werden, und gibt erst recht, was die im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs erbrachten Dienstleistungen angeht, nicht an, dass die zuständige zentrale Meldestelle diejenige des Mitgliedstaats zu sein hätte, in dem diese Dienstleistungen erbracht werden.
43 Somit ist Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie dahin auszulegen, dass er vorsieht, dass die erwähnten Einrichtungen die verlangten Informationen der zentralen Meldestelle des Mitgliedstaats zu übermitteln haben, in dessen Hoheitsgebiet sie sich befinden, d. h. im Fall von im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausgeführten Tätigkeiten der zentralen Meldestelle des Herkunftsmitgliedstaats.
- ► Art. 22 Abs. 2 der RL steht einer nationalen Regelung grundsätzlich nicht entgegen, die zusätzlich die Meldung der verlangten Informationen auch gegenüber der zentralen Meldestelle des Zielstaats vorsieht
44 Es ist jedoch zu prüfen, ob diese Bestimmung den Aufnahmemitgliedstaat insoweit daran hindert, von einem Kreditinstitut, das in seinem Hoheitsgebiet Tätigkeiten im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausübt, zu verlangen, dass es die betreffenden Informationen unmittelbar seiner eigenen zentralen Meldestelle übermittelt.
45 Hierzu ist erstens festzustellen, dass der Wortlaut von Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 eine solche Möglichkeit nicht ausdrücklich verbietet.
46 Zweitens ist zu bemerken, dass die Richtlinie 2005/60 zwar auf einer doppelten Rechtsgrundlage, nämlich Art. 47 Abs. 2 EG (jetzt Art. 53 Abs. 1 AEUV) und Art. 95 EG (jetzt Art. 114 AEUV), beruht und damit auch das ordnungsgemäße Funktionieren des Binnenmarkts gewährleisten soll, ihr Hauptzweck jedoch in der Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zweck der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung besteht, wie aus ihrem Titel und ihren Erwägungsgründen sowie daraus hervorgeht, dass sie, wie die ihr vorhergehende Richtlinie 91/308, in einem internationalen Kontext erlassen wurde, um die Empfehlungen des Arbeitskreises „Financial Action Task Force" (FATF), die das führende internationale Gremium auf dem Gebiet der Bekämpfung der Geldwäsche ist, in der Union anzuwenden und verbindlich zu machen.
47 Daher verfolgt eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren fragliche, die es den zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats ermöglichen soll, die für eine wirksamere Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung notwendigen Informationen zu erhalten, einen dem der Richtlinie 2005/60 vergleichbaren Zweck.
48 Drittens entzieht die Richtlinie 2005/60 den Behörden des Mitgliedstaats, in dem die verdächtigen Vorgänge oder Transaktionen durchgeführt werden, nicht ihre Zuständigkeit für die Ermittlung und Verfolgung von Zuwiderhandlungen im Bereich der Geldwäsche. Dies ist der Fall, wenn die Vorgänge im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs durchgeführt werden.
- ► Allerdings muss die nationale Regelung den in Rn. 49-51 und 54 aufgeführten Voraussetzungen entsprechen
49 Somit steht Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 grundsätzlich der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegen, die von Kreditinstituten, die ihre Tätigkeiten im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausüben, verlangt, dass sie die erbetenen Informationen unmittelbar der zentralen Meldestelle dieses Mitgliedstaats übermitteln, sofern eine solche Regelung dazu dient, unter Beachtung des Unionsrechts die Wirksamkeit der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung zu verbessern.
50 Daher kann eine solche Regelung die durch die Richtlinie 2005/60 eingeführten Grundsätze in Bezug auf die Meldepflichten der ihr unterliegenden Einrichtungen nicht beeinträchtigen und der Wirksamkeit der bestehenden Formen von Zusammenarbeit und Informationsaustausch zwischen den zentralen Meldestellen, wie sie im Beschluss 2000/642 vorgesehen sind, nicht abträglich sein.
51 Hierzu ist zum einen festzustellen, dass der Erlass einer Regelung eines Mitgliedstaats, die von Finanzinstituten, die sich in einem anderen Mitgliedstaat befinden und in seinem Hoheitsgebiet im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs tätig sind, verlangt, dass sie seiner eigenen zentralen Meldestelle die für die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung notwendigen Informationen unmittelbar übermitteln, die von der Richtlinie 2005/60 erfassten Kreditinstitute nicht von ihrer Verpflichtung, die erforderlichen Informationen der zentralen Meldestelle des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet sie sich befinden, gemäß Art. 22 dieser Richtlinie zu übermitteln, entbinden kann.
52 ... 54 Sodann ist festzustellen, dass eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende keine Bestimmung des Beschlusses 2000/642 verletzt, wenn die zentrale Meldestelle des Mitgliedstaats, der eine solche Regelung erlässt, nicht von ihrer Verpflichtung befreit wird, mit den zentralen Meldestellen der anderen Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, und umgekehrt in unveränderter Weise das Recht behält, von ihnen die Übermittlung von Unterlagen oder Informationen zum Zweck der Bekämpfung der Geldwäsche anzufordern.
55 Eine solche Regelung beeinträchtigt nämlich den im Beschluss 2000/642 vorgesehenen Mechanismus der Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen nicht, sondern sieht in dessen Randbereich ein Mittel für die zentralen Meldestellen des betreffenden Mitgliedstaats vor, im spezifischen Fall einer im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs in seinem Hoheitsgebiet ausgeübten Tätigkeit unmittelbar Informationen zu erhalten.
56 Nach allem steht Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegen, wenn sie den in den Randnrn. 49 bis 51 und 54 des vorliegenden Urteils aufgestellten Voraussetzungen entspricht.
Zu Art. 56 AEUV
- ► Trotz ihrer die Dienstleistungsfreiheit beschränkenden Wirkung kann eine nationale Regelung in einem nicht auf Unionsebene (voll-)harmonisierten Bereich gerechtfertigt sein, wenn sie auf zwingenden Gründen des Allgemeininteresses beruht
57 Zur Überprüfung, ob das Unionsrecht im Sinne von Randnr. 49 des vorliegenden Urteils beachtet worden ist, muss ferner bestimmt werden, ob Art. 56 AEUV nicht einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden entgegensteht, wonach ein Kreditinstitut, das Dienstleistungen im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats erbringt, ohne dort niedergelassen zu sein, verpflichtet ist, der zentralen Meldestelle dieses Aufnahmemitgliedstaats seine Meldungen verdächtiger Vorgänge und die Informationen unmittelbar zu übermitteln, die diese Behörde von ihm verlangt.
58 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs verlangt Art. 56 AEUV nicht nur die Beseitigung jeder Diskriminierung des Dienstleistenden aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder des Umstands, dass er in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist als dem, in dem die Dienstleistung erbracht werden soll, sondern auch die Aufhebung aller Beschränkungen - selbst wenn sie unterschiedslos für inländische Dienstleistende wie für solche aus anderen Mitgliedstaaten gelten -, sofern sie geeignet sind, die Tätigkeiten des Dienstleistenden, der in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist und dort rechtmäßig vergleichbare Dienstleistungen erbringt, zu unterbinden, zu behindern oder weniger attraktiv zu machen (Urteile vom 23.11.1999, Arblade u. a., C-369/96 und C-376/96, Slg. 1999, I-8453, Randnr. 33, sowie vom 19.12.2012, Kommission/Belgien, C-577/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
59 Eine Regelung eines ersten Mitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die einem Kreditinstitut, das im Hoheitsgebiet dieses ersten Mitgliedstaats im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs vom Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aus tätig ist, eine Verpflichtung auferlegt, der zentralen Meldestelle des ersten Mitgliedstaats unmittelbar Informationen zu übermitteln, stellt eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar, indem sie für die im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs durchgeführten Tätigkeiten Schwierigkeiten und zusätzliche Kosten verursacht, zu den bereits in dem Mitgliedstaat, in dem sich das betreffende Institut befindet, durchgeführten Kontrollen hinzukommen kann und auf diese Weise dieses Institut davon abschreckt, diese Tätigkeiten auszuführen.
60 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann jedoch eine nationale Regelung, die in einem Bereich erlassen worden ist, der nicht Gegenstand einer Harmonisierung auf Unionsebene ist, und die unterschiedslos für alle im betreffenden Mitgliedstaat tätigen Personen oder Unternehmen gilt, trotz ihrer den freien Dienstleistungsverkehr beschränkenden Wirkung gerechtfertigt sein, wenn sie auf zwingenden Gründen des Allgemeininteresses beruht und dieses Interesse nicht schon durch Vorschriften geschützt wird, denen der Dienstleistende in dem Mitgliedstaat unterliegt, in dem er niedergelassen ist, und wenn sie geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, ohne über das hinauszugehen, was dazu erforderlich ist (vgl. Urteile Arblade u. a., Randnrn. 34 und 35, sowie vom 21.9.2006, Kommission/Österreich, C-168/04, Slg. 2006, I-9041, Randnr. 37).
61 Die Bekämpfung der Geldwäsche ist nicht vollständig auf Unionsebene harmonisiert worden. Die Richtlinie 2005/60 nimmt nämlich eine minimale Harmonisierung vor, und insbesondere erlaubt ihr Art. 5 den Mitgliedstaaten, strengere Vorschriften zu erlassen, wenn diese der Verstärkung der Bekämpfung der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung dienen.
- Zwingender Grund des Allgemeininteresses
- ► Die Verhinderung und die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung stellt ein legitimes Ziel dar, das eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen kann
62 Die Verhinderung und die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung stellen legitime Ziele dar, zu deren Erreichung sich die Mitgliedstaaten sowohl auf internationaler als auch auf Unionsebene verpflichtet haben.
63 Wie es im ersten Erwägungsgrund der Richtlinie 2005/60, die der Umsetzung der Empfehlungen der FATF auf Unionsebene dient, heißt, können „[m]assive Schwarzgeldströme ... die Stabilität und das Ansehen des Finanzsektors schädigen und sind eine Bedrohung für den Binnenmarkt; der Terrorismus greift die Grundfesten unserer Gesellschaft an". Ferner wird im dritten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ausgeführt, dass „Geldwäscher und Geldgeber des Terrorismus versuchen [könnten], Vorteile aus der Freiheit des Kapitalverkehrs und der ... finanziellen Dienstleistungen ... zu ziehen, um ihren kriminellen Tätigkeiten leichter nachgehen zu können".
64 Wie der Gerichtshof bereits eingeräumt hat, stellt die Bekämpfung der Geldwäsche, die Teil des Ziels des Schutzes der öffentlichen Ordnung ist, ein legitimes Ziel dar, das eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs rechtfertigen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30.6.2011, Zeturf, C-212/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnrn. 45 und 46).
- Eignung der in Rede stehenden nationalen Regelung, die mit ihr verfolgten Ziele zu erreichen
- ► Die nationale Regelung ist zur Überwachung aller Finanztransaktionen im Aufnahmemitgliedstaat geeignet und ermöglicht somit auch die kohärente und systematische Bekämpfung der Geldwäsche
65 Da die Behörden des Aufnahmemitgliedstaats für die Strafbarkeit, die Verfolgung und die Ahndung von Straftaten wie Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung, die in ihrem Hoheitsgebiet begangen werden, ausschließlich zuständig sind, ist es gerechtfertigt, dass die Informationen über im Hoheitsgebiet des genannten Mitgliedstaats vorgefallene verdächtige Vorgänge seiner zentralen Meldestelle übermittelt werden. Eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende erlaubt es dem betreffenden Mitgliedstaat, bei vernünftigen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit einer Finanztransaktion die Übermittlung von Informationen zu verlangen, die er für sachdienlich hält, damit die nationalen Behörden ihrer Aufgabe nachkommen und gegebenenfalls gegen die Verantwortlichen vorgehen und sie bestrafen können.
66 Wie nämlich der Generalanwalt in Nr. 109 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, kann nach dieser Regelung der betreffende Mitgliedstaat die Gesamtheit der im Inland von den Kreditinstituten durchgeführten Finanztransaktionen überwachen, und zwar unabhängig davon, zu welcher Form der Dienstleistungserbringung - über die Errichtung eines Gesellschaftssitzes oder einer Zweigstelle oder im Wege des freien Dienstleistungsverkehrs - sich diese entschlossen haben. So unterliegen nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach eine nationale Regelung nur dann geeignet ist, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (Urteil vom 10.3.2009, Hartlauer, C-169/07, Slg. 2009, I-1721, Randnr. 55), alle Institute ähnlichen Verpflichtungen, wenn sie ihre Tätigkeiten im selben nationalen Hoheitsgebiet ausüben und ähnliche Finanzdienstleistungen anbieten, die, in mehr oder weniger großem Umfang, für die Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung verwendet werden können.
67 Infolgedessen erweist sich eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die zur Übermittlung von Informationen über im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats durchgeführte Tätigkeiten an die zentrale Meldestelle dieses Mitgliedstaats verpflichtet, als Maßnahme, die geeignet ist, das mit dieser nationalen Regelung verfolgte Ziel zuverlässig und kohärent zu erreichen.
- Verhältnismäßigkeit
- ► Eine nationale Regelung genügt nur dann dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit, wenn die verlangten Informationen dem Aufnahmemitgliedstaat nur bei fehlendem Mechanismus der Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen zur Verfügung zu stellen sind
68 Nach ständiger Rechtsprechung ist eine den freien Dienstleistungsverkehr einschränkende Maßnahme nur dann verhältnismäßig, wenn sie dazu geeignet ist, die Verwirklichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das hinausgeht, was zu dessen Erreichung erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15.6.2006, Kommission/Frankreich, C-255/04, Slg. 2006, I-5251, EWS 2006, 323, Randnr. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).
69 Um die Geldwäsche und die Terrorismusfinanzierung wirksam bekämpfen zu können, muss ein Mitgliedstaat die notwendigen Informationen erhalten können, um etwaige diesbezügliche Verstöße, die in seinem Hoheitsgebiet stattgefunden haben oder an denen dort ansässige Personen beteiligt sind, aufdecken und verfolgen zu können.
70 Eine nationale Regelung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die die im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs in seinem Hoheitsgebiet tätigen Kreditinstitute verpflichtet, diese Informationen unmittelbar seiner eigenen zentralen Meldestelle zu übermitteln, kann jedoch nur dann verhältnismäßig sein, wenn es der in Art. 22 der Richtlinie 2005/60 vorgesehene Mechanismus in Verbindung mit dem Beschluss 2000/642 nicht bereits dieser zentralen Meldestelle ermöglicht, diese Informationen über die zentrale Meldestelle des Mitgliedstaats zu erhalten, in dem sich das Kreditinstitut befindet, und die Geldwäsche sowie die Terrorismusfinanzierung ebenso wirksam zu bekämpfen.
71 Erhält nämlich die zentrale Meldestelle des Aufnahmemitgliedstaats die notwendigen Informationen von der zentralen Meldestelle des Herkunftsmitgliedstaats, bedeutet dies für das betreffende Kreditinstitut eine geringere verwaltungsmäßige und finanzielle Belastung als die Verpflichtung, diese Informationen unmittelbar der zentralen Meldestelle des Aufnahmemitgliedstaats zu übermitteln. Zum einen ist es möglich, dass die zentrale Meldestelle des Herkunftsmitgliedstaats bereits über die angeforderten Auskünfte verfügt, da das Kreditinstitut verpflichtet ist, ihr die Informationen nach Art. 22 Abs. 2 der Richtlinie 2005/60 zu übermitteln. Zum anderen wäre, falls die zentrale Meldestelle des Mitgliedstaats, in dem sich das Kreditinstitut befindet, diese Informationen ihrerseits bei diesem Institut anfordern müsste, die verwaltungsmäßige Belastung ebenfalls geringer, da das Kreditinstitut nur einen Ansprechpartner hätte, dem es antworten müsste.
72 Daher ist zu prüfen, ob es der durch den Beschluss 2000/642 eingeführte Mechanismus der Zusammenarbeit und des Informationsaustauschs dem Aufnahmemitgliedstaat ermöglicht, die Geldwäsche und die Terrorismusfinanzierung im Zusammenhang mit den Tätigkeiten der Kreditinstitute im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs in seinem Hoheitsgebiet wirkungsvoll zu bekämpfen.
73 Hierzu ist festzustellen, dass der Mechanismus der Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen Lücken aufweist.
74 Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Beschluss 2000/642 erhebliche Ausnahmen von der Verpflichtung der ersuchten zentralen Meldestelle, der ersuchenden die angeforderten Informationen zu übermitteln, vorsieht. So bestimmt Art. 4 Abs. 3 dieses Beschlusses, dass eine zentrale Meldestelle nicht verpflichtet ist, Informationen weiterzugeben, wenn dies laufende strafrechtliche Ermittlungen im ersuchten Mitgliedstaat stören könnte oder wenn die Weitergabe der Informationen eindeutig in einem Missverhältnis zu den legitimen Interessen einer natürlichen oder juristischen Person oder des betreffenden Mitgliedstaates stünde oder nicht mit den Grundprinzipien innerstaatlichen Rechts vereinbar wäre, ohne jedoch diese Begriffe zu definieren.
75 Außerdem steht es fest, dass die Behörden im Bereich der Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung und erst recht bei deren Verhinderung so schnell wie möglich reagieren müssen. Art. 22 Abs. 1 der Richtlinie 2005/60 stellt außerdem ausdrücklich klar, dass die fraglichen Informationen von den Kreditinstituten umgehend zu übermitteln sind, unabhängig davon, ob es sich um spontane Meldungen verdächtiger Transaktionen oder von der zuständigen zentralen Meldestelle angeforderte erforderliche Auskünfte handelt. Infolgedessen erweist sich die Übermittlung der erforderlichen Auskünfte unmittelbar an die zentrale Meldestelle des Mitgliedstaats, in dessen Hoheitsgebiet die Vorgänge erfolgen, als das geeignetste Mittel, um eine wirksame Bekämpfung der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung zu gewährleisten.
76 Sodann sieht der Beschluss 2000/642 weder eine Frist für die Übermittlung der Informationen durch die ersuchte zentrale Meldestelle noch eine Sanktion für den Fall der Unterlassung oder ungerechtfertigten Weigerung der ersuchten zentralen Meldestelle, die angeforderten Informationen zu übermitteln, vor.
77 Schließlich ist feststellen, dass der Rückgriff auf den Mechanismus der Zusammenarbeit zwischen den zentralen Meldestellen für die Einholung der zur Bekämpfung der Geldwäsche oder der Terrorismusfinanzierung erforderlichen Informationen besondere Schwierigkeiten aufwirft, wenn es um im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausgeführte Tätigkeiten geht ... [wird ausgeführt].
- ► Die Regelung im Ausgangsverfahren stellt sich danach weder als unverhältnismäßig noch als diskriminierend dar
81 Unter diesen Umständen genügt eine nationale Regelung eines Aufnahmemitgliedstaats wie die im Ausgangsverfahren fragliche dem Erfordernis der Verhältnismäßigkeit, soweit sie von den Kreditinstituten, die sich in einem anderen Mitgliedstaat befinden, für die im freien Dienstleistungsverkehr durchgeführten Transaktionen die Übermittlung der erforderlichen Informationen für die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung unmittelbar an die zentrale Meldestelle des Aufnahmemitgliedstaats nur verlangt, wenn es an einem wirksamen Mechanismus fehlt, der eine vollständige und lückenlose Zusammenarbeit der zentralen Meldestellen gewährleistet und eine ebenso wirksame Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erlaubt.
82 Im vorliegenden Fall verpflichtet die im Ausgangsverfahren in Rede stehende spanische Regelung die Kreditinstitute, die über Zweigstellen oder ohne feste Niederlassung im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs Tätigkeiten in Spanien ausüben, unmittelbar der spanischen zentralen Meldestelle die Transaktionen mitzuteilen, die Geldtransfers von oder nach bestimmten Gebieten beinhalten, sofern der Betrag der Transaktionen 30 000 Euro übersteigt.
83 Eine solche Regelung, die nicht die Mitteilung beliebiger im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs im spanischen Hoheitsgebiet durchgeführter Transaktionen, sondern nur derjenigen verlangt, die nach vom nationalen Gesetzgeber aufgestellten objektiven Kriterien als verdächtig zu betrachten sind, erscheint nicht unverhältnismäßig.
84 Schließlich stellt sich, wie der Generalanwalt in Nr. 115 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, diese Regelung nicht als diskriminierend dar, da die von ihr auferlegten Verpflichtungen die Gesamtheit der Kreditinstitute und alle Personen und ausländischen Einrichtungen treffen, die in Spanien Tätigkeiten über eine Hauptniederlassung, Zweigstellen oder im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs ausüben.
85 Nach alledem ist auf die vorgelegte Frage wie folgt zu antworten ... [s. Tenor]