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Wirtschaftsrecht
20.02.2020
Wirtschaftsrecht
KG Berlin: Dritter bedarf eines berechtigten Interesses zur Ein- sicht in die neben dem Registerordner weiter geführten Ordner

KG Berlin, Beschluss vom 30.7.2019 – 22 W 34/19

ECLI: ECLI:DE:KG:2019:0730.22W34.19.00

Volltext des Beschlusses://BB-ONLINE BBL2020-468-1

unter www.betriebs-berater.de

Leitsätze

1. Zur Einsicht in die neben dem Registerordner weiter geführten Ordner bedarf es für einen Dritten eines berechtigten Interesses im Sinne des § 13 Abs. 2 FamFG

2. Ein berechtigtes Interesse, das wirtschaftlicher, wissenschaftlicher oder auch nur tatsächlicher Art sein kann, ist gegeben, wenn ein Gläubiger Einzelheiten zur Einleitung eines Verfahrens auf Löschung wegen Vermögenslosigkeit in Erfahrung bringen will

HGB § 9 Abs 1; FamFG § 13 Abs 2

Sachverhalt

Mit einem Schreiben vom 28. März 2019 bat der von der Beteiligten zu 2) beauftragte Rechtsanwalt um Akteneinsicht in der Dienststelle in alle für die Beteiligte zu 1) geführten Dateien.

Das Amtsgericht hat mit Schreiben vom 4. April 2019 darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit der Einsicht in den elektronischen Registerordner über das Internet umfassend möglich sei, im Übrigen in Bezug auf den Hauptband aber eine Einsichtnahme ausscheide, da dafür kein ausreichendes rechtliches Interesse vorhanden sei. Die näheren Umstände über die Veräußerung der Gesellschaft ergäben sich aus diesen Unterlagen nicht. Bezüglich der Unterlagen, die sich auf das laufende Löschungsverfahren wegen Vermögenslosigkeit bezögen, sei eine Einsicht wegen der bestehenden Vertraulichkeit unmöglich. Bezüglich dieses Schreibens hat der Bevollmächtigte der Beteiligten zu 2) mit Schreiben vom 12. April 2019 Beschwerde eingelegt und sich auf § 9 HGB und hilfsweise auf das Berliner Informationsfreiheitsgesetz bezogen. Er hat insoweit dargelegt, dass die Beteiligte zu 2) gegen die Beteiligte zu 1) eine Forderung in Höhe von 18.231,85 EUR mit Nebenforderungen habe und diese nicht beitreiben könne, weil die Gesellschaft und auch ihr Geschäftsführer, der in Polen wohne, nicht erreichbar seien. Nachdem eine Vertreterin des ordentlichen Dezernenten zunächst mitgeteilt hat, dass eine Beschwerde nicht in Betracht komme, weil kein förmlicher Ablehnungsbeschluss vorliege, hat der ordentlichen Dezernent der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache mit einem Beschluss vom 15. Mai 2019 dem Senat vorgelegt.

Aus den Gründen

 

II. 1. Die Beschwerde ist unabhängig von der Frage, ob das Schreiben des Amtsgerichts vom 4. April 2019 formal den Anforderungen an eine Ablehnungsentscheidung entspricht, statthaft, weil das Amtsgericht mit der Entscheidung endgültig über den umfassenden Einsichtsantrag der Beteiligten zu 2) entscheiden wollte, wie sich aus der Nichtabhilfeentscheidung vom 15. Mai 2019 ergibt. Es handelt sich auch nicht um eine Zwischenentscheidung, sondern um eine Endentscheidung, weil die Beteiligte zu 2) nicht in einem laufenden Registerverfahren beteiligt ist, sondern Akteneinsicht als außenstehende Dritte begehrt (vgl. dazu OLG Hamm, Beschluss vom 20. Juni 2012 – I-27 W 41/12 –, juris Rdn. 6). Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, die Beschwerdefrist von einem Monat nach § 63 Abs. 1 FamFG ist gewahrt, die Beteiligte zu 2) ist beschwert, weil ein von ihr begehrtes Einsichtsrecht abgelehnt worden ist. Der Beschwerwert von 600 EUR wird erreicht. Die wirtschaftliche Bedeutung ergibt sich aus der Höhe der Forderung, die die Beteiligte zu 2) gegen die Beteiligte zu 1) durchsetzen will.

 

2. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Beteiligten zu 2) ist durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf (vgl. § 13 Abs. 5 FamFG in Verbindung mit § 299 Abs. 3 Satz 1 ZPO) in den Räumen der Dienststelle in der Hardenbergstraße (vgl. § 299 Abs. 3 Satz 2 ZPO) zu gewähren.

 

a) Entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 2) steht ihr ein umfassendes Einsichtsrecht allerdings nicht nach § 9 Abs. 1 HGB zu, weil neben den zum Handelsregister eingereichten Urkunden auch weitere Ordner angelegt werden, in die das weitere Schriftwerk aufgenommen wird. Zur Einsichtnahme in diese Ordner müssen die Voraussetzungen nach § 13 Abs. 2 FamFG vorliegen (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 19. Aufl., § 13 Rdn. 17; Schmidt-Kessel/Müther, Handelsregister, § 9 HGB Rdn. 9). Denn insoweit handelt es sich gerade nicht um Unterlagen, die zum Handelsregister eingereicht worden sind. Die entsprechende Ermessensentscheidung ist nunmehr durch den Senat zu treffen. Zu berücksichtigende und gegen eine Einsicht sprechende Umstände sind nicht gegeben.

 

b) Die Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 FamFG liegen vor. Sie selbst hat ein berechtigtes Interesse geltend gemacht. Hierfür reicht ein Interesse wirtschaftlicher, wissenschaftlicher oder auch tatsächlicher Art aus (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 20. Juni 2012 – I-27 W 41/12 –, juris Rdn. 10). Das liegt hier aber vor, weil die Beteiligte zu 2) durch Vorlage entsprechender Unterlagen glaubhaft gemacht hat, dass sie eine Forderung gegen die Beteiligte zu 1) geltend machen will. Es bedarf dabei – anders als das Amtsgericht meint – keines rechtlichen Interesses.

Es stehen auch keine berücksichtigungsfähigen Interessen eines anderen entgegen. Dabei sind allerdings nicht nur die Interessen der Beteiligten zu 1) zu berücksichtigen, sondern auch die Interessen derjenigen, die sonst aus den Unterlagen ersichtlich Kontakt mit dem Handelsregister aufgenommen haben. Deren Interessen stehen einer Akteneinsicht hier aber nicht entgegen. Aus den Unterlagen und aus dem Vortrag der Beteiligten zu 2) ergibt sich, dass weder die Beteiligte zu 1) noch der Geschäftsführer erreichbar sind, dass es mehrere weitere Gläubiger gibt und dass die Beteiligte zu 1) keinen ordentlichen Geschäftsbetrieb geführt hat, sondern sich schon der Kenntnisnahme der gegen sie gerichteten Forderungen und damit auch einer etwaigen prozessualen Geltendmachung und Vollstreckung planmäßig entzogen hat. Dass die Interessen derjenigen, die sich aus diesem Grund an das Register gewandt haben, gegen eine Einsichtnahme sprechen, ist nicht ersichtlich. Im Fall der Eröffnung einer Insolvenz wäre die Gläubigerstellung jedenfalls den weiteren Gläubigern ebenso bekannt geworden. Dann aber besteht kein Grund, die Tatsache vertraulich zu behandeln, dass ein bestimmter Gläubiger Maßnahmen zur Durchsetzung der von ihm behaupteten Forderung ergriffen hat. Insoweit bedarf es dann auch keiner Nachfrage bei den betroffenen Gläubigern. Dies gilt hier schon deshalb, weil sich die Beteiligte zu 1) und ihr Geschäftsführer nach den bisherigen Feststellungen planmäßig dem Zugriff entziehen, so dass ein Informationsaustausch der Gläubiger sinnvoll ist.

 

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen. Gerichtsgebühren fallen nicht an, eine Erstattung außergerichtlicher Kosten kommt nicht in Betracht. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde scheidet aus. Die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 FamFG sind nicht gegeben.

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