R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Wirtschaftsrecht
04.07.2024
Wirtschaftsrecht
OLG Düsseldorf: Dreistreifenkennzeichnung

OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.5.2024 – I-20 U 120/23

ECLI:DE:OLGD:2024:0528.20U120.23.00

Volltext: BB-Online BBL2024-1602-5

unter www.betriebs-berater.de

 

Amtliche Leitsätze

1. Ob wirksam an eine inländische Zweigstelle eines Unternehmens mit Hauptsitz im EU-Ausland, für die weder ein Zustellungsbevollmächtigter noch ein ständiger Vertreter (§ 13e HGB) benannt ist, zustellt werden kann, ist zweifelhaft.

2. Die Möglichkeit, unmittelbar einen ausländischen Gerichtsvollzieher im Zustellungsstaat mit der Zustellung zu beauftragen, steht einer Parteizustellung unter Vermittlung des erlassenden Gerichts (Art. 20 EuZVO n. F.) nicht entgegen (Abweichung von OLG Frankfurt a. M., NJW-RR 2022, 211).

3. Die „Dreistreifenkennzeichnung“ gewährt markenrechtlichen Schutz trotz ihrer Bekanntheit nur dann, wenn sie beim angegriffenen Erzeugnis nicht als bloße Verzierung aufgefasst wird.

 

 

Sachverhalt

A)

Die Antragstellerin wendet sich im Wege der einstweiligen Verfügung gegen die Gestaltung von insgesamt fünf seitens der Antragsgegnerin vertriebenen Sporthosen und macht insoweit marken- sowie wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend.

Die Antragstellerin ist die zweitgrößte Sportartikelherstellerin der Welt und kennzeichnet die von ihr vertriebenen Sportschuhe und Sporttextilien seit Jahrzehnten mit ihrer Drei-Streifen-Kennzeichnung. Bei Sporttextilien sind die drei parallelen Streifen zumeist in Längsrichtung entlang den Seitennähten angebracht. Regelmäßig steht die Farbe der Streifen im Kontrast zum Untermaterial. Die Antragstellerin ist unter anderem Inhaberin der beim Deutschen Patent- und Markenamt mit Priorität vom 4. März 1999 unter der Registernummer DE …6 eingetragenen Bildmarke

 

 

 

 

jpeg-16711.jpeg

 

 

 

 Abb. 1

 


 (im Folgenden: Verfügungsmarke), die in der Klasse 25 für „Hosen, insbesondere Sport- und Freizeithosen einschließlich Shorts“ Schutz genießt.

 

Die Antragsgegnerin, ein mit dem Weltmarktführer im Bereich Sportbekleidung, der X., ..., verbundenes Unternehmen, vertreibt ebenfalls Sportbekleidung, so auch die im nachfolgend wiedergegebenen Tenor der einstweiligen Beschlussverfügung abgelichteten Sporthosen. Nach einem Testkauf im Online-Shop der Antragsgegnerin unter www.x.com im Juli 2022 ließ die Antragstellerin die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schreiben vom 15. August 2022 (Anlage LSG 5) erfolglos abmahnen.

 

Die Antragstellerin stützt ihre Unterlassungsansprüche in erster Linie auf die Verfügungsmarke, hilfsweise auf ihre Rechte aus § 4 Nr. 2 MarkenG, weiter hilfsweise auf ihre Rechte an ihrer Streifenkennzeichnung auf Grund notorischer Bekanntheit im Sinne des § 4 Nr. 3 MarkenG und äußerst hilfsweise auf § 5 Abs. 2 UWG bzw. § 4 Nr. 3 lit. b) UWG.

 

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes erster Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

 

Mit diesem hat die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf ihre einstweilige Beschlussverfügung vom 5. September 2022, die der Antragsgegnerin am 8. September 2022 an deren Zweigniederlassung in B. und am 7. November 2022 im Wege der gerichtlichen Auslandszustellung nach Art. 8 ff. EuZVO an ihrem Sitz in den Niederlanden zugestellt worden ist, bestätigt, mit der sie der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt hat,

 

innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Hosen anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen und/oder einzuführen oder auszuführen sowie zu bewerben, die mit einer Streifen-Kennzeichnung gemäß nachstehenden Abbildungen versehen sind:

 

 

 

 

 

Dreistreifenkennzeichnung

 

 

 

 

 

 Abb. 2

 

 

 

 

 

 

 

jpeg-16715.jpeg

 

 Abb. 3


und/oder

 

 

 

 

 

 

 

jpeg-16717.jpeg

 

 

 Abb. 4

 

 

 

 

 

 

 

jpeg-16719.jpeg

 

 

 Abb. 5

 

 

 

 

 

 


und/oder

 

 

 

 

 

 

 

 

jpeg-16721.jpeg

 

 Abb. 6

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

jpeg-16723.jpeg

 

 Abb. 7

 

 

 

 

 

 

 

 

 


und/oder

 

 

 

 

 

 

jpeg-16725.jpeg

 

 Abb. 8

 

 

 

 

 

 


und/oder

 

 

 

 

 

jpeg-16727.jpeg

 

 Abb. 9

 

 

 


Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die einstweilige Verfügung sei durch Zustellung des Beschlusses an die Zweigniederlassung der Antragsgegnerin in B. am 8. September 2022 wirksam vollzogen worden. Die Zweigniederlassung sei im Handelsregister eingetragen, so dass an dieser (deutschen) Anschrift eine (Inlands-)Ersatzzustellung gemäß § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO habe erfolgen können. Auf die Wirksamkeit der daneben durchgeführten Auslandszustellung komme es deshalb nicht an. Der Verfügungsanspruch sei gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG begründet. Die streitgegenständliche Zwei- bzw. Dreistreifenkennzeichnung stelle eine markenmäßige Benutzung dar, weil diese den Kennzeichnungsgewohnheiten der Branche folge, sie blickfangmäßig herausgestellt sei und der angesprochene Verkehr daran gewöhnt sei, hierin auch einen Herkunftshinweis auf Waren der Antragstellerin zu sehen. Der Umstand, dass bei den angegriffenen Sporthosen weitere Zeichen aufgebracht seien, stehe dem nicht entgegen. Es bestehe auch Verwechslungsgefahr. Geschützt bzw. betroffen seien Sporthosen, so dass Warenidentität bestehe. Weiter besitze die Verfügungsmarke aufgrund ihrer umfangreichen und jahrzehntelangen Verwendung für Sportartikel eine gesteigerte Kennzeichnungskraft, was die Mitglieder der Kammer aufgrund eigener Sachkunde beurteilen könnten. Eine Schwächung dieser Kennzeichnungskraft habe die Antragsgegnerin nicht aufzuzeigen vermocht. Die einander gegenüberstehenden Zeichen seien in wesentlichen Teilen derart ähnlich, dass unter Einbeziehung der zuvor genannten Faktoren (gesteigerte Kennzeichnungskraft und Warenidentität) eine unmittelbare Verwechslungsgefahr bejaht werden könne.

 

Gegen dieses Urteil wendet sich die Antragsgegnerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufung. Sie macht unter anderem geltend, die einstweilige Verfügung sei bereits nicht wirksam vollzogen worden. Das Landgericht habe verkannt, dass der Anwendungsbereich der EuZVO eröffnet sei, da ihre Zweigniederlassung in B. keine „bekannte Zustelladresse“ im Sinne der Verordnung darstelle. Die daneben durch das Landgericht durchgeführte Auslandszustellung sei ebenfalls unwirksam, denn trotz der bestehenden Möglichkeit, eine Zustellung im Parteibetrieb im Wege der unmittelbaren Zustellung nach Art. 20 EuZVO durchzuführen, sei nur eine Zustellung durch das Gericht nach Art. 8 bis 15 EuZVO – und überdies nicht innerhalb der Vollziehungsfrist – erfolgt. Auch bestehe der erforderliche Verfügungsanspruch nicht. Markenrechtliche Ansprüche schieden bereits deshalb aus, weil die allein maßgebliche Verkehrsauffassung in den Streifenverzierungen der angegriffenen Produkte keinen Hinweis auf ihre betriebliche Herkunft erblicken werde. So sei die Kennzeichnungspraxis der Antragstellerin nicht ausschlaggebend für die Frage, ob die Streifenverzierungen auf den angegriffenen Hosen markenmäßig verwendet würden, da sie nicht der Kennzeichnungspraxis der gesamten Branche entspreche. Auch seien die angegriffenen Hosen unübersehbar mit ihrem eigenen, überragend bekannten Herkunftszeichen versehen. Jedenfalls aber fehle es an einer Verwechslungsgefahr. Die Verfügungsmarke besitze eine unterdurchschnittliche, allenfalls aber durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Eine Zeichenähnlichkeit sei zu verneinen.

 

Die Antragsgegnerin beantragt,

das am 20. September 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Düsseldorf (Az. 34 O 92/22) zu ändern und den Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 5. September 2022 zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil unter Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Ihrer Streifen-Kennzeichnung komme ohne weiteres der Rang einer berühmten Marke mit einem Bekanntheitsgrad von mehr als 95 % bei der allgemeinen Bevölkerung und von annährend 100 % bei Käufern von Sportbekleidung zu. Angesichts der überdies bestehenden Warenähnlichkeit hielten die angegriffenen Kennzeichnungen nicht den erforderlichen Abstand zu der Verfügungsmarke ein. Zumindest aber bestehe ein solcher Grad der Ähnlichkeit der Zeichen, dass der Verkehr einen Zusammenhang zwischen den angegriffenen Zeichen und der Verfügungsmarke sehe, das heißt, sie gedanklich miteinander verknüpfe. Hierdurch würden die Unterscheidungskraft und die Wertschätzung der Verfügungsmarke bzw. der Drei-Streifen-Kennzeichnung im Allgemeinen in unlauterer Weise ausgenutzt.

Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Aus den Gründen

B)

Die Berufung der Antragsgegnerin ist zulässig und hat auch in der Sache teilweise Erfolg.

 

Zwar ist die einstweilige Verfügung vom 5. September 2022 innerhalb der Vollziehungsfrist wirksam vollzogen worden (nachstehend zu I.) und es liegt auch der erforderliche Verfügungsgrund vor (nachfolgend zu II.). Indes fehlt es in Bezug auf die S. Pants und die P. Pants an dem erforderlichen Verfügungsanspruch; im Übrigen aber ist er zu bejahen (nachstehend zu III.).

I. Die Beschlussverfügung ist innerhalb der Vollziehungsfrist gemäß §§ 936, 929 Abs. 2 ZPO wirksam vollzogen worden.

 

Zur Vollziehung einer Verbotsverfügung in Beschlussform ist die Zustellung im Parteibetrieb unabdingbar. Die Beschlussverfügung wird erst dadurch wirksam, dass der Antragsteller sie dem Antragsgegner zustellen lässt, §§ 922 Abs. 2, 936 ZPO. 

 

1. Das Landgericht hat insoweit angenommen, die Zustellung der Beschlussverfügung sei wirksam an die Zweigniederlassung der Antragsgegnerin vorgenommen worden.

In der Tat können nach nationalem Recht Zustellungen an eine juristische Person nach § 170 ZPO nur an den gesetzlichen Vertreter bewirkt werden und zwar entweder gemäß § 177 ZPO an jedem Ort, an dem dieser angetroffen wird, oder im Wege der Ersatzzustellung, insbesondere an eine im Geschäftsraum des Adressaten beschäftigte Person, § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO.

 

Die Annahme des Landgerichts, bei der Zweigniederlassung der Antragsgegnerin in B. handele es sich um einen Geschäftsraum im Sinne des § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO stellt die Antragsgegnerin zu Recht auch nicht in Abrede.

 

2. Indes gilt, wenn ein gerichtliches oder außergerichtliches Schriftstück in einem anderen EU-Mitgliedstaat zugestellt werden muss, ausschließlich die EuZVO (Matthes in Cepl/Voß, Prozesskommentar Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, § 183 ZPO Rn. 15 ff.). Dabei erfordert im Anwendungsbereich des europäischen Zivilverfahrensrechts der Begriff der Auslandzustellung wegen der in zahlreichen Mitgliedstaaten anerkannten fiktiven Inlandszustellungen eine autonome Auslegung i. S. d. EuZVO. Deshalb gilt die EuZVO nur dann nicht, wenn die zustellungstaugliche Anschrift des Adressaten unbekannt ist (Art. 1 Abs. 2 EuZVO) oder wenn der Adressat einen Bevollmächtigten im Inland bestellt hat (Art. 1 Abs. 3 EuZVO), der sich also in dem Land befindet, in dem das Verfahren anhängig ist. So hat der Europäische Gerichtshof der Auffassung, dass Fälle der fiktiven Inlandszustellung mangels Grenzüberschreitung nicht der EuZVO unterfielen, eine klare Absage erteilt (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012, Az.: C-325/11, Krystyna Alder u.a./Sabina Orlowska u.a., NJW 2013, 443). Denn bliebe die Anknüpfung der Auslandszustellung der lex fori überlassen, könnten die Mitgliedstaaten den Anwendungsbereich der EuZVO beschränken und dem Adressaten den Schutz der EuZVO entziehen.

 

Im Anwendungsbereich der EuZVO sind deshalb bei bekanntem Auslandaufenthalt Inlandszustellungen wegen der abschließenden Regelung der Zustellungsarten durch die Verordnung selbst grundsätzlich ausgeschlossen.

 

Ob im Streitfall hiervon eine Ausnahme zu machen ist, weil die Zustellung an eine in der Zweigniederlassung der Antragsgegnerin in B. beschäftigte Person eine solche im Sinne des Art. 1 Abs. 3 EuZVO ist, erscheint fraglich. Der Begriff des Bevollmächtigten wird in der Verordnung selbst nicht näher definiert. Allerdings deutet bereits das Wort „Bevollmächtigung“ darauf hin, dass nicht jedes erdenkliche Vertragsverhältnis zwischen der Partei und der für sie tätig gewordenen Person ausreichend ist. Auch sprechen Sinn und Zweck der Verordnung, ein hohes Maß an Sicherheit und Schutz bei der Übermittlung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke – unter Wahrung des Schutzes der Rechte der Empfänger – zu gewährleisten, dafür, dass der Bevollmächtigte befugt sein muss, die Partei gerichtlich und außergerichtlich – zumindest bei der Entgegennahme von Schriftstücken – zu vertreten. Die Antragsgegnerin hat indes unstreitig für ihre Zweigniederlassung in B. weder einen Zustellungsbevollmächtigten (§13e Abs. 2 S. 4 HGB) noch einen ständigen Vertreter (§ 13e Abs. 2 S. 5 Nr. 3 HGB) benannt und ins Handelsregister eintragen lassen. Die letztgenannten Vorschriften beruhen auf Art. 30 Abs. 1 lit. e) Richtlinie (EU) 2017/1132 und können möglicherweise zur Auslegung des Begriffs „Bevollmächtigter“ in Art. 1 Abs. 3 EuZVO herangezogen werden.

 

Letztlich bedarf dies aber keiner Entscheidung, da von einer wirksamen Zustellung der Beschlussverfügung im Ausland auszugehen ist.

 

3. Die einstweilige Beschlussverfügung ist im Wege der förmlichen Zustellung gemäß Artt. 8 ff. EuZVO durch einen niederländischen Gerichtsvollzieher am 7. November 2022 zugestellt worden (Bl. 25 d. eAkte „Auslandszustellung eV“). Der Umstand, dass die Antragstellerin sich selbst unmittelbar an die ausländische Stelle hätte wenden können, da die Niederlande eine unmittelbare Zustellung nach Art. 20 EuZVO für zulässig erklärt haben (vgl. Bundesamt für Justiz, abrufbar unter www.bundesjustizamt.de/SharedDocs/Downloads/DE/IRZH/Niederlande.pdf), eine „Vermittlung“ seitens des Gerichts mithin nicht zwingend erforderlich gewesen wäre, steht nach Auffassung des Senats der Wirksamkeit der Zustellung nicht entgegen (anders aber OLG Dresden NJW-RR 2019, 319; OLG Frankfurt NJW-RR 2022, 211). So erfolgt auch eine solche Zustellung letztlich „auf Betreiben der Partei“ (§§ 922 Abs. 2, 935, 936 ZPO). Auch bestehen erhebliche Bedenken, ob diese Auslegung dem Sinn und Zweck der EuZVO entsprechen würde. Diese soll die grenzüberschreitende Zustellung erleichtern und in die Verfahrensautonomie der Mitgliedstaaten möglichst zurückhaltend eingreifen (Erwägungsgrund Nr. 3 der EuZVO). Daher ist relevant, wie das deutsche Recht außerhalb des Anwendungsbereichs der EuZVO die Auslandszustellung im Parteibetrieb regelt. §§ 191, 192 ZPO verweisen auf § 183 ZPO. Das bedeutet, dass der Partei, die ein gerichtliches Schriftstück im Parteibetrieb ins Ausland zustellen lassen muss, die gleichen Zustellungswege und –varianten zur Verfügung stehen wie bei der Zustellung von Amts wegen. Es spricht deshalb vieles dafür, dass Art. 20 EuZVO nur eine zusätzliche Möglichkeit bieten, nicht aber die übrigen Optionen zwingend verdrängen soll (so auch Geimer in Zöller, ZPO, 35. Auflage, Art. 20 EuZVO, Rn. 2; Ulrici in Rauscher, Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht EuZPR/EuIPR, 5. Auflage, 5. Ausweg bei Divergenz Rn. 20).

 

Der Senat merkt an, dass nach Neufassung der EuZVO auch die Möglichkeit einer unmittelbaren Zustellung durch Aufgabe zur Post per Einschreiben nach Art. 18 EuZVO diskutiert wird (bejahend: Musielak/Voit, ZPO, 21. Auflage, Art. 18 EuZVO Rn. 1, Elsner/Deters, IPRax 2023, 146 ff.; verneinend: Geimer, a.a.O., Art. 18 EGV 1393/2007 Rn. 1).

 

4. Schließlich steht der Wahrung der Vollziehungsfrist auch nicht entgegen, dass die Zustellung an die Antragsgegnerin erst am 7. November 2022 erfolgt ist. Denn im Falle einer erforderlichen Zustellung im Ausland reicht es zur Wahrung der Vollziehungsfrist regelmäßig aus, dass der Antragsteller innerhalb der Vollziehungsfrist den Antrag auf Auslandszustellung bei Gericht einreicht und die tatsächliche Zustellung entweder gleichfalls innerhalb dieser Frist oder aber jedenfalls „demnächst“ i.S.v. § 167 ZPO i. V. m. Art. 13 Abs. 2 EuZVO erfolgt. Soweit letzteres voraussetzt, dass die Zustellung ohne jede vom Antragsteller zu vertretende Verzögerung bewirkt wird (OLG Frankfurt GRUR-RR 2015, 183), sind diese Anforderungen im Streitfall ohne Weiteres erfüllt. So hat die Antragstellerin nur wenige Tage nach Erhalt der einstweiligen Beschlussverfügung einen Antrag auf Auslandszustellung bei Gericht gestellt und sehr zügig für die Beibringung einer Übersetzung gesorgt.

 

Dass das Gericht zur Vermittlung der Zustellung nicht zwingend hätte eingesetzt werden müssen, vielmehr der Antragstellerin, wie vorstehend ausgeführt, auch der Zustellungsweg des Art. 20 EuZVO offen gestanden hätte, steht diesem Ergebnis nicht entgegen. Ungeachtet dessen, dass der Bundesgerichtshof § 167 ZPO großzügig, beispielsweise für materiell-rechtliche Fristen auch dann anwendet, wenn diese sowohl durch gerichtliche als auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden können (BGH NJW 2009, 765 mwNw; aA BAG NZA 2016, 1154), hätte es vorliegend auch bei einem Vorgehen nach Art. 20 EuZVO zur Bewirkung der Zustellung der Einschaltung eines Gerichtsvollziehers, also einer außerhalb des Einflussbereichs der Antragstellerin stehenden dritten Person, bedurft. § 167 ZPO dient aber gerade dazu, einen Verfahrensbeteiligten durch Verzögerungen, die nicht in seinem Einflussbereich liegen, nicht unvertretbar zu belasten (BGH NJW 2010, 856 f. m.w.Nw.).

 

II. Es besteht auch der erforderliche Verfügungsgrund.

 

Die Dringlichkeit wird gemäß § 140 Abs. 3 MarkenG vermutet. Sie entfällt auch nicht deswegen, weil die Antragstellerin durch ihr prozessuales Verhalten zu erkennen gegeben hat, dass ihr die Sache nicht eilig sei (sog. Selbstwiderlegung der Dringlichkeit).

 

Steht der Antragstellerin eine Zustellung sowohl nach Art. 20 EuZVO als auch – unter Einschaltung des Gerichts – nach Art. 8 ff. EuZVO offen, dann kann nach Auffassung des Senats ein dringlichkeitsschädliches Verhalten nicht darin gesehen, dass sie sich für den Weg der förmlichen Zustellung entscheidet, zumal wenn dieser Weg als sichere Variante bezeichnet wird (vgl. Matthes, a.a.O., Rn. 18) und einen Prozessbevollmächtigten einer Partei als Rechtsanwalt regelmäßig berufsrechtlich die Verpflichtung trifft, den zur Rechtsdurchsetzung sichersten Weg zu wählen (st. Rspr; vgl. nur BGH NJW 1995, 51 m.w.Nw.).

 

III. Ein Verfügungsanspruch besteht indes nur insoweit, als sich die Antragstellerin gegen den Vertrieb der L. Pants (Sporthosen mit drei gleichfarbigen Streifen) wendet (nachfolgend zu 2.). In Bezug auf die S. Pants (Sporthosen mit zwei Streifen) und die P. Pants (Sporthosen mit drei Streifen in den Farben blau und rot) steht der Antragstellerin hingegen der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu (nachfolgend zu 1.).

 

1. Die Antragstellerin kann nicht von der Antragsgegnerin die Unterlassung des Angebots, des Inverkehrbringens, des Besitzes, der Ein- und Ausfuhr und der Bewerbung der angegriffenen S. Pants und P. Pants verlangen.

 

a) Ein solcher Anspruch besteht nicht aus § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG wegen einer Verletzung der Verfügungsmarke.

 

Nach dieser Vorschrift ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird.  

 

aa) Die Antragstellerin ist zwar als Inhaberin der Verfügungsmarke aktivlegitimiert.

 

bb)  In der angegriffenen Verwendung liegt aber keine markenmäßige Benutzung.

 

(1) Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann der Inhaber einer Marke der Benutzung eines mit dieser Marke identischen Zeichens für Waren oder Dienstleistungen, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist, nur widersprechen, wenn diese Benutzung eine der Funktionen der Marke beeinträchtigen kann. Zu den Funktionen der Marke gehören neben der Hauptfunktion, der Gewährleistung der Herkunft der Ware oder Dienstleistung, auch ihre anderen Funktionen wie unter anderem die Gewährleistung der Qualität der mit ihr gekennzeichneten Ware oder Dienstleistung oder die Kommunikations-, Investitions- oder Werbefunktion (vgl. EuGH GRUR 2009, 756 Rn. 58 – L'Oréal/Bellure; GRUR 2010, 445 Rn. 76 f. – Google France und Google; GRUR 2010, 841 Rn. 29 f. – Portakabin/Primakabin). Kann die Benutzung des mit der Marke identischen Zeichens keine der Funktionen der Marke beeinträchtigen, kann der Markeninhaber ihr nicht widersprechen (EuGH GRUR 2010, 841 Rn. 29 – Portakabin/Primakabin). Die Benutzung zu rein beschreibenden Zwecken verwirklicht keinen der Verletzungstatbestände der Markenrichtlinie (EuGH GRUR 2003, 55 Rn. 54 – Arsenal FC), genauso wenig wie eine Verwendung, bei der es ausgeschlossen ist, dass die benutzte Marke im Verkehr als betriebliches Herkunftszeichen aufgefasst wird (EuGH GRUR 2002, 692 Rn. 17 – Hölterhoff).

 

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine beeinträchtigende Benutzung des Zeichens vor, wenn es durch den Dritten markenmäßig oder – was dem entspricht – als Marke verwendet wird und diese Verwendung die Funktionen der Marke und insbesondere ihre wesentliche Funktion, den Verbrauchern die Herkunft der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, beeinträchtigt oder beeinträchtigen kann (BGH GRUR 2013, 1239 Rn. 20 – VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; BGH GRUR 2015, 1201 Rn. 68 – Sparkassen-Rot/Santander-Rot; BGH GRUR 2018, 924 Rn. 25 – ORTLIEB; BGH GRUR 2019, 522 Rn. 25 - SAM).

 

Nach der noch zum Warenzeichenrecht ergangenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es für die Frage der zeichenmäßigen Benutzung eines Zeichens nicht auf dessen Zweckbestimmung durch den Verwender, sondern allein darauf an, ob ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs das Zeichen auch als Hinweis auf die Herkunft der Ware aus einem bestimmten Betrieb versteht (BGH GRUR 1961, 280, 281 – Tosca). Ob dies der Fall ist, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (BGH GRUR 1988, 307– Gaby). Diese Grundsätze gelten weiterhin. Dabei wird die Verkehrsauffassung auch durch die konkrete Aufmachung bestimmt, in der die angegriffene Bezeichnung dem Publikum entgegentritt (vgl. EuGH GRUR 2008, 698 Rn. 64 – O2/Hutchison; BGH GRUR 2002, 809, 811 – FRÜHSTÜCKS-DRINK I; BGH GRUR 2010, 838 Rn. 20 – DDR-Logo; BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 19– pjur/pure; BGH GRUR 2017, 520 Rn. 26 – MICRO COTTON). Abzustellen ist auf die Kennzeichnungsgewohnheiten in dem maßgeblichen Warensektor (vgl. BGH GRUR 2004, 865 Rn. 36 f. – Mustang), insbesondere die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren üblicherweise verwendet werden. Im Bekleidungssektor gibt es verschiedene Kennzeichnungsgewohnheiten. Ob der Verkehr ein auf einem Bekleidungsstück angebrachtes Zeichen als Hinweis auf die Herkunft des Bekleidungsstücks oder als bloßes dekoratives Element auffasst, kann nach der Art und der Platzierung des Zeichens variieren. Bei Bildern, Motiven, Symbolen und Wörtern, die auf der Vorderseite oder der Rückseite von Bekleidungsstücken angebraucht sind, geht der Verkehr nicht generell davon aus, es handele sich um einen Herkunftshinweis; ob dies der Fall ist, bedarf vielmehr einer Beurteilung im jeweiligen Einzelfall. Dagegen wird der Verkehr in Zeichen, die sich auf eingenähten Etiketten auf der Innenseite von Bekleidungsstücken befinden, regelmäßig einen Herkunftshinweis sehen (BGH GRUR 2018, 932 Rn. 18 – #darferdas?). Erforderlich ist jedoch in jedem Einzelfall die Feststellung, dass der angesprochene Verkehr in der konkret in Rede stehenden Art der Verwendung einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller des in Rede stehenden Kleidungsstücks erblickt (BGH GRUR 2019, 1289 – Damen Hose MO).

 

(2) Hiervon ausgehend wird der an dem Kauf von Sportkleidung interessierte angesprochene Verkehr, zu dem auch die Mitglieder des Senats zählen, in den angegriffenen Zeichen keinen Herkunftshinweis erkennen, sondern sie als reine Verzierung wahrnehmen.

 

So mag es unbestritten den Kennzeichnungsgewohnheiten der Antragstellerin entsprechen, ihre Sportkleidung mit drei seitlich angebrachten, vertikal verlaufenden, gleichbreiten und jeweils gleich voneinander (in etwa streifenbreit) beabstandeten, gleichfarbigen und zur Grundfarbe des Kleidungsstücks kontrastierenden Längsstreifen zu versehen. Auch mag der Verkehr angesichts dieser Kennzeichnungspraxis der Antragstellerin daran gewöhnt sein, in der in Rede stehenden Aufmachung von Bekleidungsstücken mitunter einen Herkunftshinweis zu sehen (vgl. BGH GRUR 2001, 158 – Drei-Streifen-Kennzeichnung). Dies führt aber nicht zu der Annahme, dass jedes seitlich angebrachte Streifenmuster, unabhängig von seiner konkreten Ausgestaltung und unabhängig von der sonstigen Gestaltung des Kleidungsstücks zwingend oder zumindest, was ausreichend ist, von einem Teil der angesprochenen Verkehrskreise als Herkunftshinweis verstanden wird. Denn der Verkehr kennt nicht nur die Kennzeichnungsgewohnheiten der Antragstellerin. Er kennt auch die Tradition, beispielsweise Uniformhosen mit sog. Lampassen zu verzieren, und weiß, worauf die Antragsgegnerin unter Verweis auf die als Anlagen AG 2 und 6 vorgelegten Beispiele hingewiesen hat, dass andere Hersteller von Sport- und Freizeitkleidung Streifen und/oder Streifenmuster entlang der Außennaht einer Hose als rein dekorative Elemente verwenden. Auch Jeanshosen oder – wie im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert – die Uniformhosen der bayerischen Polizei weisen seitlich entlang der Außennaht ein Streifenmuster auf. Dabei geht es nicht um die Frage, ob diese Verwendungen geeignet sind, die Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke zu schwächen. Entscheidend ist, dass dem Verkehr bekannt ist, dass (irgendwie gestaltete) Streifenmuster entlang der Außennaht der Hose auch nur zu reinen Dekorationszwecken verwendet werden. Dies hat die Antragsgegnerin durch die angeführten Beispiele ausreichend dargelegt und dem ist die Antragstellerin durch ihr einfaches Bestreiten nicht substantiiert entgegengetreten. Soweit einzelne Hersteller – wie die Antragstellerin beispielhaft aufgezeigt hat – in die Streifenmuster ihre Marken einbetten, kommt diesen Zeichen ihre Eignung zum Herkunftshinweis nicht aufgrund ihrer Position auf der Hose zu, sondern aufgrund der den jeweiligen Zeichen von Haus aus zukommenden, von der Position auf der Kleidung gänzlich unabhängigen Kennzeichnungskraft der Wort- und/oder Bildmarken/Logos der Hersteller (Champion, UNDER ARMOUR, Lacoste, Kappa-Logo, Fred-Perry-Logo etc.). Weiter stellt die Antragstellerin selbst ausdrücklich nicht in Abrede, dass die Verwendung von Streifenmustern zu Dekorationszwecken auf seit langem bekannte Ornamentik zurückgeht. Ein seitlich entlang der Außennaht einer Hose angebrachtes beliebiges Streifenmuster ist mithin kein Alleinstellungsmerkmal der Antragstellerin und die dortige Positionierung als solche auch nicht allein das, was die Verfügungsmarke prägt.

 

Deshalb ist es auch hier – anders als möglicherweise im Rahmen des Zeichenvergleichs – geboten, sowohl die konkrete Streifengestaltung als auch die weiteren Zeichen auf den angegriffenen Sporthosen mit in die Betrachtung einzubeziehen.

 

(2.1) Die Sporthosen S. Pants sind anders als in dem der zuvor zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zugrundeliegenden Fall mit einem weiteren Zeichen, dem ebenfalls sehr bekannten X. „H.“ versehen. Nun mag die Anbringung einer zusätzlichen markenmäßig verwendeten Kennzeichnung die markenmäßige Verwendung eines daneben angebrachten Zeichens zwar nicht von vornherein ausschließen. Der Verkehr wird allerdings dann, wenn neben der Streifendekoration ein weiterer Herstellerhinweis auf der Sportkleidung angebracht ist, Zweifel bekommen, ob angesichts dessen auch den Streifen noch ein Herkunftshinweis zukommen soll. Er wird dies umso weniger annehmen, je unübersehbarer und unzweideutiger ein Herstelleremblem die Blicke auf sich zieht und je weiter sich die Streifenornamentik von der Ausgestaltung entfernt, welche ihm als die Kennzeichnungspraxis eines großen Sportartikelherstellers bekannt ist (vgl. OLG Köln GRUR-RR 2006, 360 – Sportjacken mit 2-Ärmelstreifen).

 

Im Fall der S. Pants ist auf der Vorderseite der Hosen das nicht minder bekannte Zeichen der Antragsgegnerin groß und – auch in der Benutzungssituation in Kombination mit einem T-Shirt – deutlich sichtbar angebracht. Die Auffassung der Antragstellerin, es sei alltagsüblich, Sporthosen (allein) von der Seite zu betrachten, vermag der Senat nicht zu teilen. Der „H.“ wird auch nicht durch das „X“ verdeckt, bleibt vielmehr deutlich sichtbar. Weiter ist die Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Streifenkennzeichen nur gering. So verfügen die S. Pants nur über zwei statt drei Streifen, die überdies zwar parallel, aber mit einem nur geringen Abstand zueinander angeordnet verlaufen. Es findet sich somit gerade kein repetitives Muster aus sich abwechselnden, gleichförmigen, aber scharf kontrastierenden Streifen, wie es für die Verfügungsmarke der Antragstellerin im Übrigen prägend ist. Angesichts dieser nur geringen Ähnlichkeit wird der Verkehr nicht allein auf Grund des Umstandes, dass die Verfügungsmarke auch Streifen aufweist und diese an derselben Stelle positioniert sind, annehmen, neben dem eindeutig in seiner Markenfunktion wahrnehmbaren „H.“ komme auch den Streifen die Funktion zu, ihn auf die Herkunft der Hosen hinzuweisen, mögen auf dem Sektor der Sport- und Freizeitbekleidung auch die Anbringung von Zweitkennzeichen üblich sein und Abwandlungen einer „klassischen“ Marke vorkommen. Denn auch in letzterem Fall ist und bleibt das Charakteristische der Marke stets erkennbar.

 

Das Ergebnis der seitens der Antragstellerin in Auftrag gegebenen Befragung vermag – ungeachtet der Frage ihrer Verwertbarkeit und Belastbarkeit (vgl. hierzu auch Entscheidung des Gerichtshofs Den Haag, Urteil vom 28. Januar 2020, Az.: 200.235.724/01, Anlage AG 1a) – die Annahme einer markenmäßigen Benutzung auch nicht zu stützen.

 

Abgesehen davon, dass die Feststellung des markenmäßigen Gebrauchs im Wesentlichen der Beurteilung des Tatrichters obliegt und die Einholung eines demoskopischen Gutachtens in aller Regel und insbesondere dann nicht veranlasst ist, wenn dieser, wie hier, zu den angesprochenen Verkehrskreisen gehört (Ströbele/Hacker/Thiering, Markengesetz, 14. Auflage, § 14 Rn. 142 m.w.Nw.), kann dem Gutachten in Bezug auf die S. Pants (Anlage LSG 28) vor allem entnommen werden, dass auf die völlig offene Frage, woran man denke, wenn man das Produkt sehe, zwar 12,3 % der Befragten „X.“ angegeben haben, aber lediglich 7,1 % der Befragten damit „Y.“ oder jedenfalls eine „Y.-Fälschung“ assoziiert haben, wobei dies, wie aus der Aufstellung der Antworten zu Frage 5 der Befragung geschlossen werden kann, keineswegs allein auf dem Streifenmuster beruhte, sondern teils zB auch nur geraten wurde. Dabei waren den Befragten lediglich zwei Abbildungen der Hose gezeigt worden, die die Hose ausschließlich von der Seite zeigten und damit die Streifen prominent ins Blickfeld der Befragten rückten. Erst auf die weitere Frage, „Bringen Sie dieses Produkt mit irgendeinem oder mehreren Unternehmen bzw. Marken in Verbindung“, was bereits dahingehend lenkend wirkte, dass den Befragten die Möglichkeit mehrfacher Kennzeichnung aufgezeigt wurde, gaben 16,7 % „Y.“ bzw. 0,2 % „Ähnlich wie Y.“ an (vgl. zur Schwierigkeit, regelkonforme Umfragen zu erstellen, auch Urteil des Court of Appeal vom 19. März 2024, [2024] EWCA Civ 262, Lidl Great Britain Limited and anr, para 114, per LJ Arnold).

 

(2.2) Die P. Pants wiederum weisen zwar einen eher kleinen, weniger auffälligen A. „H.“ auf. Auch verfügen sie an der Außenseite über parallel zueinander verlaufende Streifen, von denen drei zur Untergrundfarbe deutlich kontrastieren und die beiden anderen aufgrund ihrer Breite und ihrer Farbe eher als Zwischenraum erscheinen. Angesichts ihres geringen Abstands zueinander kommen die drei Streifen aber nicht isoliert zur Geltung, sondern sie erscheinen wie ein einheitliches Zierband. Verstärkt wird dieser Eindruck noch dadurch, dass die Streifen ihrerseits nicht gleich- sondern mehrfarbig sind, wobei der mittlere Streifen quasi von den beiden äußeren Streifen eingefasst wird. Der rein dekorative Charakter des Bandes wird schließlich dadurch unterstrichen, dass die Club-Farben von P. aufgegriffen werden. Angesichts dessen weckt die angegriffene Gestaltung beim angesprochenen Verkehr keine Assoziationen an die Drei-Streifen-Kennzeichnung der Antragstellerin, mag diese auch bekannt sein.

 

Soweit die Antragstellerin geltend macht, der Verkehr sei daran gewöhnt, dass sie ihre Drei-Streifen-Kennzeichnung in unterschiedlichen Variationen verwende, kann dem nicht einschränkungslos gefolgt werden. Es mag sein, dass der Verkehr daran gewöhnt ist, dass die Antragstellerin ihre Bekleidung in unterschiedlichen Farben anbietet und jeweils passend zur Grundfarbe des Bekleidungsstücks die Farbe der Streifen wählt, die dann möglicherweise auch einmal nicht so stark kontrastieren. Dass der Verkehr aber daran gewöhnt ist, dass sie auch mehrfarbige Streifen (Anlage LSG 31) und/oder breitere Streifen mit kleineren Abständen zueinander (Anlage LSG 32) verwendet, hat die Antragstellerin nicht ausreichend darzulegen und glaubhaft zu machen vermocht. Das Anführen einzelner Beispiele genügt insoweit ersichtlich nicht.

 

Kleinere Abweichungen mag der Verkehr vernachlässigen und er wird auch durchaus in Betracht ziehen, dass Markeninhaber ihre Marken abwandeln. Hier führen indes die Abweichungen zu einem ganz anderen visuellen Eindruck des Streifenmusters und rufen dem Verkehr gerade nicht die Drei-Streifen-Kennzeichnung der Antragstellerin in Erinnerung.

 

Auch hier steht das Ergebnis der von der Antragstellerin in Auftrag gegebenen Befragung der Annahme einer bloßen Verzierung nicht entgegen. Die Befragung hatte schon nicht das konkret hier in Rede stehende Produkt zum Gegenstand. Aber auch in Bezug auf das dort betroffene Produkt stellten lediglich 7,2 % der Befragten eine Verbindung zu „Y.“ her.

 

b) Der Anspruch ist auch nicht aus § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5 MarkenG glaubhaft gemacht.

 

Hiernach ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen ein mit der Marke identisches Zeichen oder ein ähnliches Zeichen für Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.

 

Im Streitfall fehlt es bereits an einer gedanklichen Verknüpfung.

 

aa) Eine rechtsverletzende Benutzung eines mit der bekannten Marke identischen oder ihr ähnlichen Zeichens setzt voraus, dass die beteiligten Verkehrskreise die einander gegenüberstehenden Zeichen gedanklich miteinander verknüpfen (EuGH GRUR 2004, 58 Rn. 29 – Adidas/Fitnessworld; GRUR 2008, 503 Rn. 41 – adidas/Marca Mode u.a.).

 

Die im Wesentlichen dem Tatgericht obliegende Beurteilung der Frage, ob eine gedankliche Verknüpfung gegeben ist, hat unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des konkreten Falls zu erfolgen, zu denen der Grad der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen, die Art der fraglichen Waren und Dienstleistungen einschließlich des Grades ihrer Nähe, das Ausmaß der Bekanntheit der Verfügungsmarke, ihre originäre oder durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft und das Bestehen von Verwechslungsgefahr zählen (BGH GRUR 2020, 401 – ÖKO-Test I mwNw; Nordemann-Schiffel in Ingerl/Rohnke/Nordemann, Markengesetz, 4. Auflage, § 14 Rn. 1348).

 

bb) Der Umstand, dass ein Zeichen von den beteiligten Verkehrskreisen nur als Verzierung wahrgenommen wird, steht hiernach für sich genommen der Annahme eines Anspruchs aus § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 MarkenG nicht entgegen, einer markenmäßigen Benutzung bedarf es mithin nicht. Fassen die beteiligten Verkehrskreise das Zeichen – wie hier – aber nur als Verzierung auf, so stellen sie naturgemäß gerade keine gedankliche Verknüpfung mit der eingetragenen Marke her. Der Grad der Ähnlichkeit zwischen dem Zeichen und der Marke ist dann also nicht hoch genug, um zu einer solchen Verknüpfung zu führen (EuGH GRUR 2004, 58 Rn. 39 ff. – Adidas/Fitnessworld).

 

c) In der Folge kommt auch ein Anspruch aus § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 bzw. 3, Abs. 5 MarkenG wegen einer Verletzung einer etwaigen Benutzungs- oder Notorietätsmarke im Sinne von § 4 Nr. 2 bzw. 3 MarkenG nicht in Betracht. Auch insoweit gilt, dass es an einer markenmäßigen Benutzung ebenso mangelt wie an einer gedanklichen Verknüpfung. Auf die seitens der Antragsgegnerin zu Recht gestellte Frage, welchem Zeichen der Antragstellerin konkret ein diesbezüglicher Schutz zustehen soll, kommt es deshalb nicht an.

 

d) Der Unterlassungsanspruch ergibt sich schließlich nicht hilfsweise aus § 8 Abs. 1, § 3 Abs. 1, § 5 Abs. 2 UWG oder § 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, § 4 Nr. 3 lit. b) UWG.

 

Dass den Sporthosen der Antragstellerin unter Außerachtlassung ihrer Kennzeichnung wettbewerbliche Eigenart zukommt, macht die Antragstellerin nicht geltend. Ein Herkunftshinweis und damit wettbewerbliche Eigenart kann sich zwar auch durch die verwendete Kennzeichnung ergeben. Es entspricht indes der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der ganz herrschenden Meinung im Schrifttum, dass bei der Anwendung der lauterkeitsrechtlichen Vorschriften zum Schutz vor Herkunftstäuschungen Wertungswidersprüche zum Markenrecht zu vermeiden sind. Dem Zeicheninhaber darf über das Lauterkeitsrecht keine Rechtsposition eingeräumt werden, die ihm nach dem Kennzeichenrecht nicht zukommt (BGH GRUR 2018, 924 Rn. 65 – Ortlieb; BGH GRUR 2018, 935 Rn. 57 – goFit; BGH GRUR 2016, 965 Rn. 23 – Baumann II; A. Nordemann in Ingerl/Rohnke/Nordemann, a.a.O., § 2 Rn. 1a ff.). Da – wie vorstehend ausgeführt – die Antragstellerin sich kennzeichenrechtlich dem Vertrieb der Sporthosen nicht widersetzen kann, weil es an der erforderlichen markenmäßigen Benutzung bzw. gedanklichen Verknüpfung fehlt, ist auch eine Eignung zur Irreführung zu verneinen.

 

2. Die Antragstellerin kann allerdings von der Antragsgegnerin die Unterlassung des Angebots, des Inverkehrbringens, des Besitzes, der Ein- und Ausfuhr und der Bewerbung der angegriffenen L. Pants verlangen.

 

Ein solcher Anspruch folgt bereits aus § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, Abs. 5 MarkenG wegen einer Verletzung der Verfügungsmarke, so dass es auf die weiteren, hilfsweise geltend gemachten Anspruchsgrundlagen nicht (mehr) ankommt.

 

a) Ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise wird in den Streifen auf diesem Hosenmodell einen Hinweis auf dessen betriebliche Herkunft sehen.

 

Denn auch wenn – wie nachstehend im Rahmen des Zeichenvergleichs noch näher ausgeführt werden wird – zwischen den in Rede stehenden Zeichen und der Verfügungsmarke Unterschiede bestehen, so sind doch die Gemeinsamkeiten so hoch, dass zumindest ein Teil des Verkehrs die Ähnlichkeit der Streifen mit der Drei-Streifen-Kennzeichnung der Antragstellerin wahrnimmt und sie deshalb nicht nur als dekoratives Element, sondern als Produktkennzeichen auffassen wird. Das auch auf diesem Hosenmodell zu findende „Zeichen“ tritt aufgrund seiner farblichen Gestaltung und Größe nicht derart in Erscheinung, als dass er dieser Wahrnehmung der Verbraucher wirksam begegnen könnte.

 

b) Zwischen der Verfügungsmarke und dem angegriffenen Zeichen

 

 

 

 

 

jpeg-16729.jpeg

 

 Abb. 10           




                      

 

besteht Verwechslungsgefahr. Denn angesichts der bestehenden gesteigerten Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke und im Hinblick auf die gegebene Warenidentität ist die bestehende – wenn auch eher geringe – Ähnlichkeit zwischen der angegriffenen Kennzeichnung der Antragsgegnerin und der Verfügungsmarke ausreichend, um zu einer Verwechslungsgefahr zu führen.

 

aa) Ob Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 MarkenG vorliegt, ist nach der Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen (EuGH GRUR 2010, 1098 Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; EuGH GRUR 2011, 915 Rn. 45 UNI; BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; BGH GRUR 2012, 930 Rn. 22 – Bogner B/Barbie B). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum Vergleich stehenden Marken sowie der von diesen erfassten Waren oder Dienstleistungen. Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der Klagemarke und – davon abhängig – der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungsgefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (BGH GRUR 2013, 833 Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; BGH GRUR 2012, 1040 Rn. 25 – pjur/pure; EuGH GRUR 2008, 343 Rn. 48 Il Ponte Finanziaria SpA/HABM). So kann ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren bzw. Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder eine erhöhte Kennzeichnungskraft ausgeglichen werden oder umgekehrt (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 – Sabèl/PUMA; EuGH GRUR 1998, 922, 923 – Canon; BGH GRUR 2018, 79 Rn. 9 – OXFORD/Oxford Club; Ingerl/Rohnke in Ingerl/Rohnke, a.a.O., § 14 Rn. 370 f., 431 ff.). Abzustellen ist dabei auf den durchschnittlich informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren- bzw. Dienstleistungsart (vgl. EuGH GRUR Int. 1999, 734, 736 – Lloyd).

 

bb) Es besteht Warenidentität zwischen den Waren, für die die Verfügungsmarke Schutz genießt, und den durch das streitgegenständliche Zeichen gekennzeichneten Waren (jeweils Sporthosen).

 

cc) Die Verfügungsmarke verfügt über eine gesteigerte Kennzeichnungskraft.

 

Zwar kommt ihr nach Auffassung des Senats angesichts ihrer Gestaltung aus einfachen und vorbekannten Elementen von Hause aus nur eine geringe Unterscheidungskraft zu. Zumindest aber erfüllt sie bei der gebotenen Gesamtsicht (Position und konkrete Ausgestaltung der Streifen) die Eintragungsvoraussetzungen.

 

Die Kennzeichnungskraft der Verfügungsmarke ist allerdings aufgrund der Benutzungslage für die hier maßgeblichen Waren „Sport- und Freizeithosen“ bis hin zur Bekanntheit gesteigert, was der Senat aus eigener Sachkunde beurteilen kann. So wird die Drei-Streifen-Kennzeichnung, wie sie der Verfügungsmarke zugrunde liegt, gerichtsbekannt, § 291 ZPO, seit Jahrzehnten von deutschen und ausländischen Spitzensportlern getragen und begegnet jedermann regelmäßig im Rahmen der Print- und Online-Sportberichterstattung sowie im Rahmen von Fernsehübertragungen deutscher wie internationaler Sportveranstaltungen, aber auch im Straßenbild durch das Tragen von Sport- und Freizeitbekleidung. Die Verfügungsmarke ist damit dem angesprochenen Verkehr, wozu die Mitglieder des Senats zählen, wegen ihrer offenkundigen, umfangreichen und jahrzehntelangen Verwendung für Sportartikel bekannt.

 

Eine eingetretene Schwächung der Kennzeichnungskraft durch Drittmarken hat die insoweit darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastete Antragsgegnerin schon nicht darzulegen vermocht. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt eine solche Schwächung voraus, dass die Drittkennzeichen in gleichen oder eng benachbarten Branchen und in einem Umfang in Erscheinung treten, der geeignet erscheint, die erforderliche Gewöhnung des Verkehrs an die Existenz weiterer Kennzeichen im Ähnlichkeitsbereich zu bewirken (BGH GRUR 2009, 685 Rn. 25 – ahd.de; GRUR 2001, 1161 – CompuNet/ComNet; BGH GRUR 2008, 1104 Rn. 25 – Haus & Grund II). 

 

dd) Zwischen den sich gegenüberstehenden Zeichen besteht eine zumindest geringe Zeichenähnlichkeit.

 

(1) Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist auf den jeweiligen Gesamteindruck abzustellen, den die einander gegenüberstehenden Zeichen bei den angesprochenen Verkehrskreisen hervorrufen. Dabei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Verkehr die jeweiligen Kennzeichen regelmäßig nicht gleichzeitig wahrnimmt und miteinander vergleicht und die übereinstimmenden Merkmale in einem undeutlichen Erinnerungseindruck häufig stärker ins Gewicht fallen als die Unterschiede (vgl. nur BGH GRUR 2015, 1004 Rn. 23– IPS/ISP; BGH GRUR 2005, 264, 265 – Das Telefon-Sparbuch). Erfahrungsgemäß bleiben dem Verkehr unterscheidungskräftige, insbesondere berühmte Kennzeichnungen eher in Erinnerung; solche ihm bekannten Kennzeichnungen wird das angesprochene Publikum deshalb auch eher in einer anderen Kennzeichnung wiederzuerkennen glauben (vgl. BGH GRUR 2001, 158 – Drei-Streifen-Kennzeichnung).

 

(2) Die in den Farben Schwarz und Weiß eingetragene Verfügungsmarke besteht aus drei schwarzen, gleichbreiten, parallel zueinander verlaufenden Streifen, die vertikal entlang der Außennaht einer weißen Sporthose (unabhängig von ihrem konkreten Schnitt) angebracht sind, wobei zwischen den Streifen jeweils ein etwa streifenbreiter Abstand in der Grundfarbe der Sporthose besteht.

Schutzgegenstand ist bei schwarz-weißen Marken die Marke in der eingetragenen schwarz-weiß Form (Büscher GRUR 2015, 305,310). Dieser Schutzgegenstand bestimmt den Identitätsbereich (vgl. hierzu BGH GRUR 2015, 1009 – BMW-Emblem).

 

Dass das angegriffene Zeichen nicht mit der Verfügungsmarke identisch ist, steht zwischen den Parteien aber auch zu Recht außer Streit.

 

(3) Indes besteht eine zumindest geringe Zeichenähnlichkeit.

 

Das angegriffene Zeichen besteht aus drei hellblauen, parallel zueinander verlaufenden Streifen, die vertikal entlang der Außennaht einer lilafarbenen Sporthose angebracht sind, wobei zwischen den Streifen jeweils ein schmaler Abstand in der Grundfarbe der Sporthose besteht. Soweit die blauen Streifen nicht allesamt gleich breit sind, sondern der mittlere Streifen breiter als die beiden äußeren Streifen ist, fällt dieser Unterschied schon aus kürzerer Distanz nicht mehr auf. Gleiches gilt, soweit die Streifen zur Fußöffnung der Hose hin breiter werden, denn die Zunahme der Streifenbreite ist derart gering, dass die von der Antragsgegnerin angeführte „visuell wirksame Trapezform“ nicht nachvollzogen werden kann. Auch der Umstand, dass die Streifenkennzeichnung das Bündchen der Hose ausspart, ist in der üblichen Benutzungssituation, in der zu der Hose ein T-Shirt getragen wird, oft nicht mehr sichtbar.

 

Die weiteren Zeichen („M.“ bzw. der „H.“) sind nicht mit in den Zeichenvergleich aufzunehmen, da sie – was das M.-Zeichen betrifft – nicht als Herkunftshinweis bzw. – was den „H.“ betrifft – als selbständige Mehrfachkennzeichnung verstanden werden.

 

Übereinstimmungen bestehen daher in der Anzahl der Streifen und in der Zweifarbigkeit des Streifenmusters. Die konkrete farbliche Abweichung (nicht schwarz-weiß, sondern blau-lila) ist von untergeordneter Bedeutung. Der Verwechslungsschutz erfasst regelmäßig auch farbige Wiedergaben sowie auch eine Kontrastumkehr, insbesondere, wenn sie, wie hier, nicht zu einem anderen visuellen Eindruck führen (vgl. Boddien in Ingerl/Rohnke/Nordemann, a.a.O., § 14 Rn. 957). So besteht auch beim angegriffenen Zeichen ein erkennbarer Kontrast zwischen den gleichfarbigen Streifen und der hiervon abweichenden Grundfarbe der Hose und lässt deshalb die Streifen klar und deutlich hervortreten. Soweit ein erkennbarer Unterschied in der Breite der Streifen und in ihrem Abstand zueinander liegt, führt diese Abweichung das angegriffene Zeichen nicht aus dem Ähnlichkeitsbereich heraus. So bleiben die jeweils gleich breiten Trennstreifen zwischen den blauen Streifen auch bei einer Betrachtung aus weiterer Distanz deutlich erkennbar und verfügt auch das angegriffene Zeichen über eine geometrische Regelmäßigkeit und eine Wiederholung seiner einzelnen Bestandteile, mögen sich auch nicht gleichbreite Streifen in unterschiedlichen Farben abwechseln (schwarz-weiß-schwarz-weiß-schwarz), sondern breite Streifen in der Farbe Blau mit schmalen Streifen in der Farbe Lila. Denn es bleibt der Eindruck eines Musters, also einer durch die Wiederholung ihrer Merkmale gekennzeichneten Struktur, wie sie für die Verfügungsmarke so prägend ist.

 

ee) Unter Berücksichtigung der vorstehend unter aa) bis dd) gemachten Ausführungen ist deshalb festzustellen, dass eine jedenfalls ausreichend geringe Zeichenähnlichkeit zwischen den Vergleichszeichen auf Grund ihrer Gemeinsamkeiten im Gesamteindruck gegeben ist, so dass der zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr angesichts der gesteigerten Kennzeichnungskraft und der Warenidentität zu fordernde deutliche Abstand zu der Verfügungsmarke durch das angegriffene Zeichen nicht eingehalten wird, vielmehr die Gefahr besteht, dass der Verkehr davon ausgeht, dass er sich einer Hose der Antragstellerin gegenübersieht.

 

C. Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Antragstellerin vom 8. Mai 2024 gab keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO. Der Verweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. November 2017 (GRUR 2018, 516 – form-strip II) rechtfertigt bereits deshalb keine abweichende Entscheidung, da anhand der dort eingelichteten Abbildungen der angegriffenen Schuhe die von der Antragstellerin angeführten Kennzeichnungen mit dem Schriftzug „PUMA“ bzw. der Bildmarke „Springende Raubkatze“ und schon gar nicht deren konkrete Ausgestaltung und damit Sichtbarkeit, auf die es aber maßgeblich ankommt, nachvollzogen werden können. Wie die von der Antragstellerin angeführten fiktiven Beispiele zu lösen sind, bedarf an dieser Stelle ebenfalls keiner Erörterung, zumal sie – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – mit der hiesigen Fallkonstellation gerade nicht ohne Weiteres vergleichbar sind. 

 

Auch der nicht nachgelassene Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 21. Mai 2024 gab keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO.

 

D. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

 

Eine Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ist entbehrlich, da dieses Urteil gemäß § 542 Abs. 2 ZPO nicht revisibel ist.

 

Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf 1.600.000 € festgesetzt (entsprechend der nicht angegriffenen erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, wobei der vom Landgericht festgesetzte Streitwert gemäß § 45 Abs. 1 S. 2 GKG im Hinblick auf die Prüfung der hilfsweise geltend gemachten Ansprüche maßvoll zu erhöhen ist (vgl. nur BGH GRUR 2016, 1300 Rn. 73 – Kinderstube).

 

stats