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Wirtschaftsrecht
20.04.2023
Wirtschaftsrecht
BGH: Direktanspruch gegen Haftpflichtversicherer – Anwendungsfall des Schadensersatz- Rechtsschutzes bei Anspruch aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung

BGH, Urteil vom 15.2.2023 – IV ZR 312/21

ECLI:DE:BGH:2023:150223UIVZR312.21.0

Volltext: BB-Online BBL2023-897-2

unter www.betriebs-berater.de

Amtlicher Leitsatz

Bei der Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers eines Schädigers gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG handelt es sich dann um einen Anwendungsfall des Schadenersatz-Rechtsschutzes nach § 2 a) (der hier vereinbarten) ARB, wenn die Inanspruchnahme des Schädigers auf einem Anspruch aus bürgerlich- rechtlicher Prospekthaftung beruht.

ARB § 2 a); VVG § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2

 

Sachverhalt

Der Kläger begehrt Rechtsschutz für die Geltendmachung eines Direktanspruchs nach § 115 VVG gegen einen Berufshaftpflichtversicherer.

Der Kläger unterhielt bei der Beklagten zwischen 1992 und dem 30. Juni 2019 eine Rechtsschutzversicherung unter anderem für die Leistungsarten "Schadenersatz-Rechtsschutz" und "Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht". Die dem Vertrag zugrundeliegenden "NRV 2005 PLUS Allgemeine Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB)" (im Folgenden: ARB) lauteten auszugsweise wie folgt:

"§ 1 Aufgaben der Rechtsschutzversicherung

Der Versicherer sorgt dafür, dass der Versicherungsnehmer seine rechtlichen Interessen wahrnehmen kann, und trägt die für die Interessenwahrnehmung erforderlichen Kosten (Rechtsschutz).

§ 2 Leistungsarten

 […] Je nach Vereinbarung umfasst der Versicherungsschutz

a) Schadenersatz-Rechtsschutz

für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, soweit diese nicht auch auf einer Vertragsverletzung oder einer Verletzung eines dinglichen Rechtes an Grundstücken, Gebäuden oder Gebäudeteilen beruhen;

 […]

d) Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht

für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus privatrechtlichen Schuldverhältnissen und dinglichen Rechten, soweit der Versicherungsschutz nicht in den Leistungsarten a), b) oder c) enthalten ist;

 […]

§ 4 Voraussetzungen für den Anspruch auf Rechtsschutz

 (1) Anspruch auf Rechtsschutz besteht nach Eintritt eines Rechtsschutzfalles

a) im Schadenersatz-Rechtsschutz gemäß § 2 a) von dem

Schadenereignis an, das dem Anspruch zugrunde liegt;

 […]

c) in allen anderen Fällen von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll.

 […]

§ 18 Verfahren bei Ablehnung des Rechtsschutzes durch den Versicherer wegen Mutwilligkeit bzw. fehlender Erfolgsaussichten

 (1) Lehnt der Versicherer den Rechtsschutz ab,

a) weil der durch die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen voraussichtlich entstehende Kostenaufwand unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Versichertengemeinschaft in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg steht

oder

b) weil in den Fällen des § 2 a) bis g) […] die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, ist dies dem Versicherungsnehmer unverzüglich unter Angabe der Gründe schriftlich mitzuteilen.

 […]"

Der Kläger schloss am 19. Februar 2014 mit einer Stiftung einen Vertrag über den Erwerb von Anlagegold mit Beginn zum 1. April 2014, einer Laufzeit von vier Jahren und einer Investition in Höhe von insgesamt 23.000 €. Veranlasst hierzu wurde er durch falsche Angaben in Prospektunterlagen zu den Vertragsverhältnissen, der Sicherheit der Anlage, zu den Eigentumsverhältnissen an dem Gold, den kapitalmarktrechtlichen Verhältnissen und der Insolvenzfestigkeit der Anlage. Für den Inhalt der Unterlagen war die K       Rechtsanwaltsgesellschaft mbH (im Folgenden: GmbH) als Garantin und berufsmäßige Sachkennerin verantwortlich. Sie unterhielt eine Berufshaftpflichtversicherung bei der E    Versicherung AG (im Folgenden: AG). Mit Schreiben der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht vom 6. Februar 2015 erging eine Abwicklungsanordnung gegenüber den Einlagengeschäften, die die Rückzahlung der Anlegergelder beinhaltete. Am 14. August 2015 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger verlangte mit Schreiben vom 19. Dezember 2018 erfolglos eine Begleichung des Schadens von der AG. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2018 meldete er eine Forderung über 23.000 € beim Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH an. Am 23. Mai 2019 beantragte er bei der Beklagten Rechtsschutz im Rahmen der Geltendmachung des Schadensersatzes im Insolvenzverfahren sowie gegenüber der AG. Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 1. Juli 2019 mit, dass die geltend gemachten Ansprüche aus ihrer Sicht bereits verjährt seien, und lehnte einen Versicherungsfall mangels ablehnenden Schreibens der AG ab.

Der Kläger hat - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - beantragt festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm wegen Schadensersatzes Rechtsschutz zur außergerichtlichen Wahrnehmung seiner Interessen gegenüber der AG zu gewähren.

Das Amtsgericht hat insoweit die Klage abgewiesen; die hiergegen gerichtete Berufung hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein diesbezügliches Klagebegehren weiter.

Aus den Gründen

6          Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

 

7          I. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist ein Versicherungsfall bezüglich des Anspruchs gegenüber der AG im versicherten Zeitraum nicht eingetreten. Anwendung finde § 4 c) ARB, nicht § 4 a) ARB, da es sich bei dem Direktanspruch nicht um einen Schadensersatzanspruch handele. Die Geltendmachung eines Direktanspruchs gegen den Vermögensschaden-Haftpflichtversicherer gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG stelle einen eigenständigen Rechtsschutzfall im Sinne des § 4 Nr. 1 c) ARB und nicht nur eine Fortsetzung des Rechtsschutzfalls betreffend die Interessenwahrnehmung gegen den Schädiger dar. Nach dem für den Eintritt des Rechtsschutzfalls maßgeblichen Vortrag des Klägers sei ein Rechtsverhältnis zwischen diesem und der AG erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen die GmbH entstanden. Der maßgebliche Rechtsverstoß für das Vorliegen eines Rechtsschutzfalls könne daher nur in der Ablehnung der Eintrittspflicht gegenüber dem Kläger liegen.

8          Die Nichtleistung könne für einen Verstoß im Sinne des § 4 c) ARB genügen, jedenfalls wenn die Forderung fällig gestellt worden sei. Letzteres sei hier der Fall. Die Kammer halte indes eine entsprechende Anwendung des § 14 VVG für geboten. Eine Fälligkeit des Anspruchs nach Abschluss der Ermittlungen durch die AG und die sich daran anschließende Nichtleistung innerhalb des versicherten Zeitraums habe der Kläger, auf dessen Behauptungen es bei der Bestimmung des Rechtsschutzfalls ankomme, nicht vorgetragen.

 

9          II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der gegebenen Begründung hätte das Berufungsgericht einen Anspruch des Klägers auf Rechtsschutz für die außergerichtliche Wahrnehmung seiner Interessen gegenüber der AG nicht verneinen dürfen.

 

10        1. Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, macht der Kläger gegen die AG gemäß § 2 a) ARB einen Schadenersatzanspruch geltend, der nicht auch auf einer Vertragsverletzung beruht. Dies ergibt die Auslegung der Klausel.

 

11        a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (Senatsurteil vom 26. Januar 2022 - IV ZR 144/21, BGHZ 232, 344 Rn. 10; st. Rspr.).

 

12        b) Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird bei der Lektüre der ARB erkennen, dass die Geltendmachung des Direktanspruchs gegenüber der AG nur dann vom Versicherungsschutz umfasst ist, wenn sie unter eine der vereinbarten Leistungsarten nach § 2 ARB fällt (vgl. zum Grundsatz der Spezialität des versicherten Risikos Senatsurteil vom 29. Oktober 2008 - IV ZR 128/07, NJW-RR 2009, 322 Rn. 15). Da der Kläger einen Schaden geltend macht und Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht gemäß § 2 d) ARB nur in Frage kommt, soweit der Versicherungsschutz nicht in der Leistungsart des § 2 a) ARB enthalten ist, wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer seine Aufmerksamkeit zunächst auf diese Klausel richten.

 

13        c) Vom Wortlaut des § 2 a) ARB wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer das vom Kläger verfolgte Interesse umfasst ansehen.

 

14        aa) Die Inanspruchnahme der AG wird er als "Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen" bzw. eines Schadensersatzanspruchs verstehen.

 

15        (1) Der Ausdruck "Schadensersatzansprüche" verweist den durchschnittlichen Versicherungsnehmer entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht auf den Bereich der Rechtssprache, weil es dort schon keinen in seinen Konturen eindeutig festgelegten Schadensersatzbegriff gibt (vgl. Senatsurteile vom 18. November 2020 - IV ZR 217/19, BGHZ 227, 279 Rn. 17; vom 8. Dezember 1999 - IV ZR 40/99, VersR 2000, 311 unter II 4 b bb, cc [juris Rn. 18 f.]; Prölss/Martin/Armbrüster, VVG 31. Aufl. Einleitung Rn. 272; Prölss/Martin/Piontek, VVG 31. Aufl. ARB 2010 § 2 Rn. 6; Schaltke, VersR 2020, 73, 74; ders., VersR 2017, 860, 861; a.A. OLG Bamberg r+s 1999, 329, 330; Harbauer/Obarowski, Rechtschutzversicherung 9. Aufl. ARB 2010 § 2 Rn. 37; Mathy, VersR 2010, 318, 322; Harbauer, NVersZ 1999, 308). In der Umgangssprache umschreibt der Ausdruck "Schadensersatz" allgemein den Ausgleich eines erlittenen Nachteils. Dementsprechend wird der Versicherungsnehmer unabhängig davon, wie die einschlägige gesetzliche Haftpflichtbestimmung diese Rechtsfolge beschreibt, Versicherungsschutz jedenfalls dann erwarten, wenn der geltend gemachte Anspruch auf Ausgleich eines eingetretenen Schadens im Wege der Wiederherstellung des Zustands vor dem Schadenereignis gerichtet ist (vgl. Senatsurteil vom 18. November 2020 aaO Rn. 18, 23 m.w.N.).

 

16        (2) Nach diesem Maßstab handelt es sich bei dem gegenüber der AG gemäß § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG geltend gemachten Anspruch um einen Schadensersatzanspruch nach § 2 a) ARB.

 

17        (a) Wie bereits die Formulierungen "[…] seinen Anspruch […]" und "[…] auch gegen den Versicherer […]" in § 115 Abs. 1 Satz 1 VVG zeigen, geht es bei dem gegen den Haftpflichtversicherer geltend gemachten Ersatzanspruch um den des Geschädigten gegen den Schädiger, für den der Versicherer im Rahmen des § 115 Abs. 1 VVG nur im Wege eines gesetzlichen Schuldbeitritts haftet (vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 2019 - VI ZR 337/18, VersR 2019, 1359 Rn. 20 m.w.N.). Hier nimmt der Kläger die GmbH als Schädigerin aus bürgerlich-rechtlicher Prospekthaftung im engeren Sinne (vgl. dazu BGH, Urteil vom 17. September 2020 - III ZR 283/18, BGHZ 227, 49 Rn. 34 ff.; Beschluss vom 22. Januar 2019 - II ZB 18/17, NJW-RR 2019, 621 Rn. 17 f.) in Anspruch. Rechtsfolge einer solchen Haftung wäre die Verpflichtung der GmbH zur Naturalrestitution nach § 249 BGB. Eine solche ist aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers auf Ausgleich des eingetretenen Schadens im Wege der Wiederherstellung des Zustands vor dem Schadenereignis gerichtet (vgl. Senatsurteile vom 11. Dezember 2002 - IV ZR 226/01, BGHZ 153, 182 unter II 3 b [juris Rn. 20] m.w.N.; vom 8. Dezember 1999 - IV ZR 40/99, VersR 2000, 311 unter II 4 b cc - 5 a [juris Rn. 19-21]).

 

18        (b) Soweit das Berufungsgericht einen Rechtsschutzfall nach § 2 a) ARB abweichend mit der Begründung verneint hat, dass es sich bei dem Anspruch aus § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG nicht selbst um einen Schadensersatzanspruch handele (vgl. auch OLG Köln VersR 2019, 752, 753 [juris Rn. 3 ff.]; anders im Sinne einer Einordnung als deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch eigener Art oder gesetzlicher Schadensersatzanspruch MünchKomm-VVG/Schneider, 2. Aufl. § 115 Rn. 1; Beckmann/Matusche-Beckmann/Schneider, Versicherungsrechts-Handbuch 3. Aufl. § 24 Rn. 176; Freymann/Wellner/Lennartz, jurisPK-Straßenverkehrsrecht 2. Aufl. § 115 VVG Rn. 9 [Stand 16. September 2022]), kommt es auf die rechtliche Qualifikation des Anspruchs aus § 115 Abs. 1 Satz 1 VVG (vgl. hierzu noch zu § 3 PflVG a.F. BGH, Urteil vom 23. November 1971 - VI ZR 97/70, BGHZ 57, 265 unter II 1, 2 a [juris Rn. 20 f.]) schon nicht an. Anders als das Berufungsgericht gemeint hat, steht der Einordnung des Direktanspruchs als Schadensersatzanspruch nach § 2 a) ARB auch nicht entgegen, dass der Direktanspruch nur im Rahmen der Leistungspflicht des Versicherers aus dem Versicherungsverhältnis besteht (§ 115 Abs. 1 Satz 2 VVG) und lediglich in Geld zu erfüllen ist (§ 115 Abs. 1 Satz 3 VVG). § 115 Abs. 1 Satz 2 VVG zeigt im Zusammenhang mit dem Schuldbeitritt des Versicherers nur die Grenzen auf, innerhalb derer der Geschädigte seinen Anspruch auch gegen den Versicherer geltend machen kann. An der Qualifikation dieses Anspruchs als Schadensersatzanspruch nach § 2 a) ARB aus Sicht des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ändert dies nichts (vgl. noch zu § 3 Nr. 1 PflVG a.F. BGH, Urteil vom 23. November 1971 aaO; BT-Drucks. IV/2252 S. 15). Entsprechendes gilt für § 115 Abs. 1 Satz 3 VVG. Dieser trägt lediglich dem Grundsatz der Schadenversicherung Rechnung, dass ein Versicherungsunternehmen Ersatzleistungen nicht durch Naturalherstellung zu erbringen hat (vgl. noch zu § 3 Nr. 1 Satz 2 PflVG a.F. BGH, Urteil vom 14. Juni 1983 - VI ZR 213/81, VersR 1983, 758 unter II 1 a aa [juris Rn. 14]; BT-Drucks. IV/2252 S. 15). Auch wenn der Versicherer danach nicht verpflichtet ist, selbst den früheren Zustand vor der Schädigung wiederherzustellen, ist seine Geldleistung doch auf eine Wiederherstellung gerichtet (vgl. noch zu § 3 Nr. 1 Satz 2 PflVG a.F. BGH, Urteil vom 14. Juni 1983 aaO).

 

19        (c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Vorliegen der Voraussetzungen von § 2 a) ARB keine Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 157 VVG a.F. - jetzt § 110 VVG - entgegen. Der Senat hat in einer auf § 157 VVG a.F. gestützten Einziehungsklage gegen einen Haftpflichtversicherer keinen auf die Verfolgung eines Schadensersatzanspruchs gerichteten Rechtsschutzfall gesehen, weil die Kläger nicht mehr den gegen den Schädiger gerichteten Schadensersatzanspruch, sondern den ihnen zu Vollstreckungszwecken zugewiesenen vertraglichen Deckungsanspruch dieses Schädigers aus dessen Haftpflichtversicherungsverhältnis geltend gemacht haben (Senatsurteil vom 5. November 2014 - IV ZR 22/13, VersR 2014, 1498 Rn. 14). Vorliegend ist dies gerade nicht der Fall, die Senatsentscheidung also nicht auf die hiesige Konstellation übertragbar (a.A. OLG Köln VersR 2019, 752, 753 [juris Rn. 6 f.]). Wie die Revision zu Recht einwendet, macht der Kläger gegenüber der AG nicht den vertraglichen Anspruch der GmbH aus dem Deckungsverhältnis geltend. Er nimmt die AG vielmehr - im Haftpflichtverhältnis - als weiteren Schuldner neben der GmbH aus Prospekthaftung in Anspruch. Von dem Wortlaut des § 2 a) ARB ist auch diese Inanspruchnahme umfasst. Für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar differenziert die Klausel nicht danach, gegenüber wem der Schadensersatzanspruch geltend gemacht wird.

 

20        bb) Dem Wortlaut nach beruht der geltend gemachte Schadensersatzanspruch - anders als noch das Amtsgericht gemeint hat - nicht (auch) auf einer "Vertragsverletzung".

 

21        (1) Der Begriff "Vertragsverletzung" verweist den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ebenfalls nicht auf den Bereich der Rechtssprache (vgl. Prölss/Martin/Piontek, VVG 31. Aufl. ARB 2010 § 2 Rn. 6; Schaltke, VersR 2017, 860, 862; a.A. Harbauer, NVersZ 1999, 308). Während der Ausdruck "Vertrag" dort noch eindeutig festgelegt ist (vgl. zur Definition nur BGH, Urteil vom 24. August 2016 - VIII ZR 100/15, BGHZ 211, 331 Rn. 21 m.w.N.), gilt Entsprechendes nicht für eine "Vertragsverletzung". Zwar ist dieser Begriff in der Rechtssprache ebenfalls sehr geläufig (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 133 f.). § 280 Abs. 1 BGB als grundlegende Vorschrift für einen Schadensersatzanspruch nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 133) knüpft aber schon nicht an diesen Begriff, sondern die Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis an. Hinzu kommt, dass es der wertenden Auslegung durch die Rechtsprechung bedarf, welche Pflichten (im Sinne von § 241 BGB) sich überhaupt aus einem konkreten Schuldverhältnis - beziehungsweise einem Vertrag - ergeben (vgl. nur Grüneberg/Grüneberg, 82. Aufl. § 241 Rn. 1, 7 f.; Schaltke, VersR 2017, 860, 862). Gibt es demnach schon in der Rechtssprache keinen umfassenden, in seinen Konturen eindeutig festgelegten Vertragsverletzungsbegriff, führt der Rückgriff auf die Rechtssprache allein nicht zur Klärung, was in den Bedingungen der Beklagten unter dem dort verwendeten Ausdruck "Vertragsverletzung" zu verstehen ist.

 

22        (2) Dem allgemeinen Sprachgebrauch nach wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer unter einem "Vertrag" eine rechtlich gültige Vereinbarung zweier oder mehrerer Partner verstehen, in der die gegenseitigen Verbindlichkeiten und Rechte festgelegt sind (vgl. Duden, Das Bedeutungswörterbuch, 5. Aufl. "Vertrag"). Als "Verletzung" wird er in diesem Kontext jedenfalls das Nichtbeachten von Pflichten beziehungsweise das Übertreten von Grenzen aus einem solchen Vertrag ansehen (vgl. Duden aaO "Verletzung"). Ob er hierzu - wegen des sachlichen und zeitlichen Zusammenhangs - auch solche Pflichtverletzungen zählen wird, die gemäß § 311 Abs. 2 BGB bereits bei Anbahnung eines solchen Vertrags oder im Zuge der Verhandlungen hierüber erfolgt sind (verneinend Beckmann/Matusche-Beckmann/Obarowski, Versicherungs-Handbuch 3. Aufl. § 37 Rn. 76; Harbauer/Obarowski, Rechtsschutzversicherung 9. Aufl. ARB 2010 § 2 Rn. 49; HK-VVG/Münkel, VVG 4. Aufl. ARB 2010 § 2 Rn. 3; van Bühren/Plote/Hillmer-Möbius, ARB 3. Aufl. ARB 2010 § 2 Rn. 6; Happel, VersR 2019, 193, 194; a.A. Prölss/Martin/Piontek, VVG 31. Aufl. ARB 2010 § 2 Rn. 7; differenzierend Looschelders/Paffenholz/Looschelders, ARB 2. Aufl. § 2 ARB 2010, Rn. 15), bedarf keiner Entscheidung. Abgesehen davon, dass eine Prospekthaftung im engeren Sinn den Grundgedanken einer Vertrauenshaftung nur weiterführt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Oktober 1980 - II ZR 60/80, BGHZ 79, 337 unter I 1 [juris Rn. 18]) und - anders als eine Haftung nach § 311 Abs. 2 BGB - lediglich an die Inanspruchnahme typisierten Vertrauens des Anlegers anknüpft (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2022 - II ZR 22/22, WM 2023, 28 Rn. 40), wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer eine Vertragsverletzung nach dem Sprachgebrauch jedenfalls nur durch den (späteren) Vertragspartner für möglich erachten. (Späterer) Vertragspartner des Klägers war indessen die Stiftung, nicht die GmbH.

 

23        d) Auch unter zusätzlicher Berücksichtigung des mit dem Bedingungswerk verfolgten Zwecks und des Sinnzusammenhangs ergibt sich, dass die Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers auf der Grundlage von § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG für den Fall der Verfolgung eines Schadenersatzanspruchs, der nicht auf einer Vertragsverletzung beruht, dem Schadenersatz-Rechtsschutz nach § 2 a) ARB zuzuordnen ist. Wegen der für den Versicherungsnehmer mit Blick auf § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 VVG erkennbaren Gleichartigkeit des Anspruchs gegen den Schädiger und - auf der Grundlage eines gesetzlich angeordneten Schuldbeitritts - dessen Haftpflichtversicherer wird der Versicherungsnehmer annehmen, dass auch im Rahmen der Rechtsschutzversicherung von einheitlichen Voraussetzungen - hier denen des Schadenersatz-Rechtsschutzes - auszugehen ist, unter denen der Rechtsschutzversicherer für die Inanspruchnahme des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherer Deckung zu gewähren hat. Nur bei dieser Auslegung von § 2 a) ARB ist die mit § 1 ARB vorausgesetzte Unterstützung des Versicherungsnehmers bei der Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen (vgl. hierzu Senatsurteil vom 3. Juli 2019 - IV ZR 111/18, BGHZ 222, 354 Rn. 28) nachvollziehbar gewährleistet.

24        Die Gefahr einer zu weiten Vorverlagerung des Versicherungsschutzes zu Lasten des Versicherers droht hier entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht, denn dieser ist einheitlich auf den Zeitpunkt des Schadenereignisses begrenzt (vgl. § 4 Abs. 1 a) ARB).

 

25        2. Der Rechtsschutzfall ist ferner in versicherter Zeit eingetreten.

 

26        a) Für das Schadenereignis, das dem Anspruch gemäß § 4 Abs. 1 a) ARB zugrunde liegt, kommt es - nach der erneut maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers (vgl. Senatsurteil vom 3. Juli 2019 - IV ZR 111/18, BGHZ 222, 354 Rn. 14 f.) - darauf an, mit welchem Tatsachenvortrag der Versicherungsnehmer den Schadensersatzanspruch begründet; als frühestmöglicher Zeitpunkt kommt das dem Anspruchsgegner vorgeworfene pflichtwidrige Verhalten in Betracht, aus dem der Versicherungsnehmer den Anspruch herleitet (vgl. Senatsurteil vom 21. Oktober 2015 - IV ZR 266/14, r+s 2015, 604 Rn. 21 m.w.N.). Dies ist hier die Behauptung des Klägers, die GmbH sei als Garantin und berufsmäßige Sachkennerin für den Inhalt der - falschen - Prospektunterlagen der Stiftung verantwortlich. Anspruchsbegründende Wirkung haben diese Unterlagen mit dem Abschluss des Vertrags über den Erwerb des Goldes durch den Kläger entfaltet, hier mithin im Jahr 2014.

 

27        b) Weitere Voraussetzungen für den Eintritt des Rechtsschutzfalls stellt § 4 Abs. 1 a) ARB wie ausgeführt nicht auf. Jedenfalls im Rahmen des hier einschlägigen Schadenersatz-Rechtsschutzes ist es hierfür nach der zutreffenden Ansicht der Revision unerheblich, ob der Anspruch - wie es das Berufungsgericht gemeint hat - nicht mehr in versicherter Zeit fällig geworden ist. Die Fälligkeit könnte allein für die Erfolgsaussichten des Begehrens des Klägers relevant sein (vgl. § 18 Abs. 1 b) ARB).

 

28        III. Ob sich die angefochtene Entscheidung aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO), vermag der Senat aufgrund der bislang getroffenen Feststellungen nicht zu beurteilen. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), weil sie nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht hat es - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - nicht für maßgeblich erachtet, ob dem Kläger deshalb kein Anspruch auf Rechtsschutz zusteht, weil die Wahrnehmung seiner Interessen gegenüber der AG - wie die Beklagte behauptet - mutwillig ist oder insbesondere wegen einer Verjährung des Direktanspruchs keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. § 18 Abs. 1 ARB). Hierzu hat das Berufungsgericht bislang ebenso wenig Feststellungen getroffen wie zu der sich insofern zunächst stellenden Frage, ob sich die Beklagte entgegen der Annahme des Klägers überhaupt noch auf eine solche Mutwilligkeit oder fehlende Erfolgsaussicht berufen kann. Wie der Senat bereits im Wege der Auslegung vergleichbarer Versicherungsbedingungen entschieden hat, kann sich der Versicherer nicht mehr auf eine Mutwilligkeit oder fehlende Erfolgsaussicht der Interessenwahrnehmung des Versicherungsnehmers berufen, wenn er diesem den Ablehnungsgrund - hier entgegen § 18 Abs. 1 ARB - nicht unverzüglich schriftlich und mit dem nach § 128 Satz 2 VVG vorgeschriebenen Hinweis auf ein Gutachterverfahren oder ein anderes Verfahren mit vergleichbaren Garantien für die Unparteilichkeit mitgeteilt hat (vgl. Senatsurteile vom 20. Juli 2016 - IV ZR 245/15, VersR 2016, 1184 Rn. 32 ff.; vom 19. März 2003 - IV ZR 139/01, r+s 2003, 363 unter 2 [juris Rn. 11 ff.]). Die Zurückverweisung bietet dem Berufungsgericht die Gelegenheit, die notwendigen Feststellungen nachzuholen.

 

 

 

 

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