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Wirtschaftsrecht
28.09.2023
Wirtschaftsrecht
OLG Karlsruhe: Dieselverfahren – Zur Haftung eines Pkw-Herstellers und zu Anforderungen an Darlegung eines unvermeidbaren Verbotsirrtums

OLG Karlsruhe, Urteil vom 22.8.2023 – 8 U 86/21

Volltext: BB-Online BBL2023-2242-4

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

Zur Haftung eines Pkw-Herstellers für ein Dieselfahrzeug mit Thermofenster gem. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV, und zu den Anforderungen an die Darlegung eines unvermeidbaren Verbotsirrtums durch den Fahrzeughersteller, insbesondere zu der Anforderung, nicht nur eine etwaige Unvermeidbarkeit, sondern auch konkret einen Irrtum verantwortlich handelnder Personen des Herstellers darzulegen.

§ 31 BGB, § 823 Abs 2 BGB, § 826 BGB, § 6 Abs 1 EG-FGV, § 27 Abs 1 EG-FGV

Sachverhalt

A.

Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte Ziff. 2 als Fahrzeugherstellerin im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Fahrzeugs mit Dieselmotor durch den Kläger von einem - im Rahmen der ersten Instanz - mitverklagten Autohaus.

Der Kläger schloss unter dem Datum 22.11.2014 mit der Firma Autohaus F. GmbH - der in erster Instanz mitverklagten Beklagten Ziff. 1 - einen Kaufvertrag über ein gebrauchtes und von der Beklagten Ziff. 2 hergestelltes Dieselfahrzeug A. Cabriolet 3.0 TDI zu einem Kaufpreis von 58.650 € brutto ab (Anlage K71). Die Übergabe des Fahrzeugs an den Kläger erfolgte am 27.05.2015. Das Fahrzeug wies zu diesem Zeitpunkt eine Kilometerlaufleistung von 7.000 km auf. Für das Fahrzeug liegt eine EG-Übereinstimmungsbescheinigung vor (Anlage K73), wonach dieses mit dem genehmigten Typ vollumfänglich übereinstimme. Die EG-Typengenehmigung ist derzeit weder zurückgenommen noch widerrufen. Im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht betrug die Laufleistung des Fahrzeugs 58.620 km.

In diesem Fahrzeug ist ein 3.0l-V6-TDI Motor, 150 kW, der Schadstoffklasse Euro 5 verbaut. Über einen SCR-Katalysator verfügt das Fahrzeug nicht. Das Fahrzeug ist mit einem Abgasrückführungssystem ausgestattet, bei welchem das Abgas aus dem Auslassbereich des Motors über ein Abgasrückführungsventil in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeleitet wird und dort einen Teil der Frischladung ersetzt, die für den nächsten Verbrennungsprozess benötigt wird. Hierdurch kommt es zu einer Absenkung der Verbrennungstemperatur, wodurch weniger Stickoxide entstehen. Die Abgase werden daher in den Motor zurückgeführt und nehmen erneut an der Verbrennung teil. Dieses System ist dabei so ausgestaltet, dass diese Abgasrückführung (nachfolgend: AGR) bei Außentemperaturen von 17° C bis 33° C vollumfänglich aktiv ist, bei unter bzw. über diesem Bereich liegenden Temperaturen jedoch reduziert und schließlich gänzlich eingestellt wird (sog. Thermofenster).

Ein verpflichtender Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts (nachfolgend: KBA) wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung liegt für das Fahrzeug nicht vor. Die Beklagte Ziff. 2 bietet in Abstimmung mit dem KBA im Rahmen des „Nationalen Forum Diesel“ ein freiwilliges Software-Update für Fahrzeuge mit V6 oder V8-TDI-Motor an, zu denen auch das vom Kläger erworbene Fahrzeug gehört.

Mit Anwaltsschreiben vom 24.08.2018 wurde die Beklagte Ziff. 2 aufgefordert, wegen eines „unzulässigen Thermofensters“ und einer „Aufwärmstrategie“ den genannten Kaufpreis zu erstatten und das Fahrzeug zurückzunehmen. Ferner wurde gefordert, eine Haftung dem Grunde nach für weitere eingetretene Schäden anzuerkennen (vorgelegt mit Anlage K72).

Das KBA hat der Beklagten Ziff. 2 zwischenzeitlich mitgeteilt, dass unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 14. Juli 2022, wonach eine Abschaltung der AGR unter den im Unionsgebiet herrschenden tatsächlichen Fahrbedingungen nicht während des überwiegenden Teils eines Jahres aktiv sein dürfe, die Möglichkeit bestehe, dass die im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp verbaute temperaturabhängige Abgasrückführung eine unzulässige Emissions-Strategie nach Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 darstelle und somit eine Abweichung von den Vorschriften des Art. 52 Abs. 2 der Verordnung (EU) 2018/858 vorliege. Hierzu wird die Beklagte Ziff. 2 gemäß § 28 VwVfG derzeit angehört.

Der Kläger hat mit seiner Klage die Verkäuferin Autohaus F. auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung gegen Rückgabe des Fahrzeugs in Anspruch genommen und gegenüber der Beklagten Ziff. 2 die Feststellung ihrer Ersatzpflicht für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagte Ziff. 2 das streitgegenständliche Fahrzeug dahingehend beeinflusst habe, dass dieses hinsichtlich er Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweise als im regulären Betrieb im Straßenverkehr, begehrt und mehrere Hilfsanträge bezogen auf die Beklagte Ziff. 2 gestellt.

Der Kläger hat vorgetragen, das streitgegenständliche Fahrzeug sei - wie Fahrzeuge des VW-Konzerns, die mit Motoren des Typs EA189 ausgestattet seien - von Manipulationen betroffen. Es sei ein Motor des Typs EA897 verbaut. In dem Fahrzeug sei weiter ein Automatikgetriebe des Typs AL551 verbaut. Fahrzeuge mit diesem Getriebe enthielten ein sog. Warmlaufprogramm. Die Schaltpunkte des Getriebes lägen bei kaltem Motor ohne Vornahme eines Lenkeinschlags höher als nach einem Lenkeinschlag. Dieses Warmlaufprogramm sei daher bei einem Prüfzyklus des NEFZ auf dem Prüfstand aktiv, im „RealDrive“ hingegen so gut wie nie. Abhängig sei dies von einem Lenkradeinschlag von 15 Grad, der im Prüfzyklus nie, auf der Straße aber ständig auftrete. Folge von den höher liegenden Schaltpunkten sei ein niedriger Ausstoß von Stickoxiden und ein geringer CO²-Ausstoß. Ferner bestehe bei dem Fahrzeug eine sog. Aufheizstrategie, durch welche der SCR-Katalysator schnell auf Betriebstemperatur gebracht werden solle. Das im Fahrzeug vorhandene Thermofenster und die damit temperaturbedingte Abschaltung der Abgasreinigung stelle sich ebenfalls als eine unzulässige Abschalteinrichtung dar. Einer solchen bedürfe es für den Schutz des Motors gerade nicht. Das Fenster sei daher unter keinem technischen Gesichtspunkt notwendig, sondern sei allein auf den Prüfstand im Rahmen des NEFZ ausgerichtet, da die Temperaturen auf dem Prüfstand bei - insofern unstreitig - 20° C bis 24° C lägen. Der Kläger hat weiter vorgetragen, er sei auf der Suche nach einem umweltfreundlichen und wertstabilen Fahrzeug gewesen. Hätte er von den Manipulationen gewusst, hätte er das Fahrzeug nicht gekauft. Der Kläger sei auch durch das sog. On-Board-Diagnosesystem (OBD) getäuscht worden, denn dieses habe gemeldet, dass die Abgassysteme ordnungsgemäß funktionieren würden.

Der Kläger hat zuletzt gegenüber der Beklagten Ziff. 2 beantragt:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei Ziff. 2 verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei Ziff. 2 das Fahrzeug Audi A5 Cabriolet 3.0 TDI, Fahrzeugindifikationsnummer: .... dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandsbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Straßenverkehr.

Hilfsweise:

Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei Ziff. 2 verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu leisten für Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei Ziff. 2 in den Motor, Typ 3.0 l V6 Dieselmotor des Fahrzeugs Audi A5 Cabriolet 3.0 TDI Fahrzeugindifikationsnummer: .... eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, welche bei Erkennung standardisierter Prüfstandsituationen (NEFZ) die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen und Stickoxidemissionsmesswerte reduziert werden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb setzt, so dass es zu einem höheren NOx-Ausstoß führt.

Höchst hilfsweise:

1a. Die Beklagtenpartei Ziff. 2 wird verurteilt, an die Klagepartei 58.650 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p. a. seit 08.09.2018 zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw Audi A5 Cabriolet 3.0 TDI FIN .... .

1b. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei Ziff. 2 verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei Ziff. 2 das Fahrzeug Audi A5 Cabriolet 3.0 TDI, Fahrzeugindifikationsnummer: .... dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandsbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Straßenverkehr.

Hilfsweise:

1b. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei Ziff. 2 verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu leisten für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei Ziff. 2 in den Motor, Typ 3.0 l V6 Dieselmotor des Fahrzeugs Audi A5 Cabriolet 3.0 TDI Fahrzeugindifikationsnummer: .... eine unzulässige Abschalteinrichtung in der Form einer Software eingebaut hat, welche bei Erkennung standardisierter Prüfstandsituationen (NEFZ) die Abgasaufbereitung so optimiert, dass möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen und Stickoxidemissionsmesswerte reduziert werden, und die im Normalbetrieb Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb setzt, so dass es zu einem höheren NOx-Ausstoß führt.

1c. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei Ziff. 2 mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziff. 1a. genannten Pkw im Annahmeverzug befindet.

2. Die Beklagte Ziff. 2 wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.994,04 € freizustellen.

Die Beklagte Ziff. 2 hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte Ziff. 2 hat vorgetragen, in dem Fahrzeug sei ein Motor vom Typ EA896Gen2 verbaut. Sie hat weiter vorgetragen, das streitgegenständliche Fahrzeug verfüge schon nicht über unterschiedliche Getriebeschaltprogramme für den realen Fahrbetrieb und den Rollenprüfstand. Eine sog. Aufheizstrategie finde keine Verwendung, da das Fahrzeug schon - insoweit unstreitig - über keinen SCR-Katalysator verfüge. Das in dem Fahrzeug tatsächlich verwendete Thermofenster sei durch das KBA nicht als unzulässige Abschalteinrichtung bewertet worden. Das System der AGR könne bei kalten Temperaturen nämlich zu Schäden durch Ablagerungen (sog. Versottung) führen. Eine hohe AGR-Rate außerhalb des Thermofensters biete daher die Gefahr von Motorschäden in Folge von Versottung oder Vereisung. Die temperaturabhängige Steuerung der Abgasrückführungsrate diene daher dem Schutz des Motors und stehe in keinem Zusammenhang mit dem Rollenprüfstand oder einer Prüfstanderkennung. Diese temperaturabhängige Anpassung der AGR habe im Zeitpunkt der Entwicklung und der Inverkehrbringung des Fahrzeugs dem Stand der Wissenschaft und Technik entsprochen. Bei Erlangung der Typengenehmigung habe die Beklagte Ziff. 2 auch nicht getäuscht. Sie sei vielmehr davon ausgegangen, dass das Fahrzeug im Zeitpunkt des Inverkehrbringens rechtlich zulässig gewesen sei. Das OBD habe auch den gesetzlichen Anforderungen entsprochen.

Dem Kläger stehe kein deliktischer Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte Ziff. 2 zu. Dem Kläger sei auch kein Schaden entstanden.

Das Landgericht hat die Klage nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. H.P. gegenüber allen Beklagten abgewiesen. Das Landgericht hat insoweit auf die Beklagte Ziff. 2 bezogen ausgeführt, Ansprüche gegen diese Beklagte bestünden nicht, da es sich von einer Manipulation durch die Beeinflussung der Getriebeschaltpunkte nach Durchführung der Beweisaufnahme keine Überzeugung habe bilden können. Der Sachverständige habe kein verändertes Emissionsverhalten bei den von ihm durchgeführten Messungen aufgrund eines Lenkwinkeleinschlags feststellen können. Ein Test im RealDrive sei nicht erforderlich gewesen, um das Vorhandensein der beschriebenen Prüfstandserkennung prüfen zu können. Ansprüche bestünden auch nicht aufgrund des Vorhandenseins eines Thermofensters. Es fehle zumindest am Element des subjektiven Tatbestandes. Erforderlich sei neben der Kenntnis vom Einbau einer unterstellt unzulässigen Abschalteinrichtung auch das Bewusstsein, hiermit gegen gesetzliche Vorschriften zu verstoßen. Dies liege zwar bei einer Software mit Prüfstanderkennung nahe. Anders sei es jedoch, wenn eine Einrichtung verwendet werde, die unabhängig vom Prüfstand die Abgasreduktion beeinflusse und bei der eine ausnahmsweise Zulässigkeit aus Gründen des Motorenschutzes ernsthaft diskutiert werden könne. Zahlreiche Hersteller verwendeten in ihren Dieselfahrzeugen Thermofenster, so dass diese als branchenüblich anzusehen seien. Das KBA habe diese nicht beanstandet, sie seien auch kein Hindernis bei einem Antrag auf eine Typengenehmigung gewesen. Auch heute würden Motorsteuerungen mit einem Thermofenster vom KBA nicht als unzulässig eingestuft. Es sei nicht widerlegt, dass die vertretbare Einschätzung einiger Hersteller vorgelegen habe, ein solches Thermofenster sei zulässig. Es fehle daher an einem Vorsatz des Inverkehrbringens eines Fahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung. Es fehle auch an einem Schädigungsvorsatz, der das Bewusstsein eines möglichen Gesetzesverstoßes verbunden mit einer zumindest billigenden Inkaufnahme desselben erfordere. Eine fahrlässige Verkennung der Rechtslage - insbesondere eine fehlende Überprüfung der branchenweiten Auffassung, sog. Thermofenster seien zulässig, und der diesbezüglichen Zulassungspraxis des KBA - reichten für eine sittenwidrige Täuschung nicht aus. Es müssten weitere Umstände hinzukommen, um von einer Täuschung auszugehen. Die Behauptung des Klägers, „die Abschalteinrichtung“ sei in den Antragsunterlagen nicht enthalten, sei nicht konkret auf den Fahrzeugtyp und das Thermofenster bezogen und damit „ins Blaue hinein“ erfolgt. Der Vortrag des Klägers zu weiteren Manipulationen sei nicht ausreichend substantiiert. Er trage zum Teil zu Fahrzeugen anderer Hersteller vor und vermische seinen Vortrag, ohne dies kenntlich zu machen. Zum Teil werde ausdrücklich zum Motor Typ EA189 formuliert, ohne dass erkennbar werde, weshalb eine „Übertragung der Rechtsprechung“ begründet sein solle. Es erfolge auch Vortrag zu einem unstreitig nicht verbauten SCR-Katalysator. Angesichts dessen sei nicht festzustellen, ob und welche Teile des Vortrags sich tatsächlich auf das konkrete Fahrzeug beziehen sollen. Es bestehe auch kein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. Art. 12, 18 der Richtlinie Nr. 2007/46/EG, §§ 4, 6, 25 EG-FGV. Diesen Normen fehle der Individualrechtsschutzcharakter. Ansprüche nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 16 UWG bestünden ebenfalls nicht. Eine irreführende Werbung sei schon nicht dargelegt.

Wegen der tatsächlichen Feststellungen, soweit sie mit den hier getroffenen nicht im Widerspruch stehen, des Parteivorbringens im Einzelnen sowie der weiteren Entscheidungsgründe wird auf das von dem Kläger mit seiner Berufung angefochtene Urteil des Landgerichts Bezug genommen.

Der Kläger bringt zur Begründung seiner ausschließlich gegen die Abweisung der Klage gegenüber der Beklagten Ziff. 2 als Herstellerin gerichteten Berufung im Wesentlichen vor:

Das Landgericht habe bezüglich des Thermofensters verkannt, dass es auf dessen konkrete Ausgestaltung ankomme und der Kläger eine prüfstandsorientierte Ausrichtung vorgetragen habe, die die Beklagte Ziff. 2 nicht bestritten habe. Die Prüfstandsausrichtung indiziere die sittenwidrige Verwendung. Es sei nach der Klageerwiderung unstreitig gewesen, dass in dem streitgegenständlichen Fahrzeug mehrere Abschalteinrichtungen verbaut worden seien. Der Kläger habe umfassend dargelegt, dass diese unzulässig seien und diese von der Beklagten Ziff. 2 im Genehmigungsverfahren den Behörden vorsätzlich verschwiegen worden seien. Die Beklagte Ziff. 2 habe auch das Vorhandensein unterschiedlicher Schaltprogramme, die eine Prüfstandserkennung beinhalteten, nicht bestritten. Der Kläger habe umfassend dazu vorgetragen, dass die temperaturgesteuerte Abschalteinrichtung gezielt auf den Prüfstand ausgerichtet worden sei und dass die für die Beklagte Ziff. 2 handelnden Personen bei der Entwicklung und Applikation der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein gehandelt hätten, eine per se unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, die nicht dem Motorschutz, sondern allein der Einhaltung der Grenzwerte im Prüfstand gedient habe. Den Gesetzesverstoß habe die Beklagte Ziff. 2 dabei billigend in Kauf genommen. Die Beklagte Ziff. 2 habe gewusst, dass Abschalteinrichtungen per se unzulässig seien. Das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes hätte sie sich von den Behörden genehmigen lassen können. Da sie jedoch gewusst habe, dass sie eine solche Genehmigung nicht erhalten würde, habe sie bewusst riskiert, gegen gesetzliche Bestimmungen zu verstoßen und auch die Benachteiligung der Fahrzeugkäufer billigend in Kauf genommen. Die Beklagte Ziff. 2 habe sich mit verwerflicher Gesinnung und dem Ziel, Gewinn und Absatz zu generieren, die Typengenehmigung erschlichen.

Die Beklagte Ziff. 2 habe ferner nicht erläutert, weshalb ein genau auf die Temperaturen des Prüfstandes ausgerichtetes Temperaturfenster für den Schutz des AGR-Systems und des Motors erforderlich sein solle. Sie habe lediglich abstrakt behauptet, das Thermofenster hierfür genutzt zu haben, aber zum konkreten Thermofenster nicht substantiiert vorgetragen. Die Funktionsweise des von der Beklagten Ziff. 2 verwendeten Thermofensters ergebe sich aus einem - auch in Presseartikeln erwähnten - Gutachten für das KBA („Gutachten zur Bewertung der „AUDI-Akustikfunktion“ als zulässigen oder unzulässigen Eingriff in das Emissionsverhalten eines Fahrzeugs / Motors“, Anlage BK2, in erster Instanz bereits vorlegt als Anlage S 3) bezogen auf Motoren der Schadstoffklasse EU4. Bei dem von der Beklagten Ziff. 2 eingesetzten Thermofenster handele es sich daher ausgehend von dieser Darstellung in dem Gutachten um eine passive Prüfstandserkennung, die nicht durch Bauteilschutzgründe gerechtfertigt sei. Der Kläger habe unbestritten vorgetragen, dass die Beklagte Ziff. 2 im streitgegenständlichen Fahrzeug ein ebensolches Thermofenster verwende. Dass die Arbeitsweise des Thermofensters beim streitgegenständlichen Motor mit dem in der Anlage BK 2 beschriebenen Thermofenster vergleichbar sei, sei nicht streitig. Vorsorglich werde die Behauptung, das streitgegenständliche Thermofenster funktioniere analog dem in der Anlage BK 2 beschriebenen Thermofenster wiederholt. Wollte man das Vorbringen der Beklagten Ziff. 2 als Bestreiten werten, wäre es an ihr gewesen, darzulegen, wie das Thermofenster funktioniere und weshalb es keine unzulässige Abschalteinrichtung darstellen solle. Erst wenn sie dieser sekundären Darlegungslast genügt hätte, wäre Beweis zu erheben gewesen. Dies habe das Landgericht missachtet. Es hätte vielmehr erkennen müssen, dass ein auf die Prüfstandstemperatur abgestimmtes Thermofenster vorliege und die Beklagte Ziff. 2 ihrer sekundären Darlegungslast nicht ansatzweise nachgekommen sei. Der Klage hätte daher ohne Beweisaufnahme nach den Grundsätzen, wie sie zum Motor EA189 aufgestellt worden seien, stattgegeben werden müssen.

Bezüglich der geltend gemachten Getriebemanipulation habe das Landgericht verkannt, dass die Begründung der Beklagten Ziff. 2 hierfür vom Kläger bestritten und im Übrigen auch nicht plausibel sei. Die Bezugnahme des Landgerichts auf das Sachverständigengutachten sei nicht aussagekräftig, weil die Untersuchung der Aktivierung einer Aufwärmstrategie im streitgegenständlichen Fahrzeug vergleichbar einem RealDrive-Betrieb hätte durchgeführt werden müssen. Hierzu gehöre ein Lenkwinkeleinschlag von mindestens 15 Grad im fahrenden Zustand und nicht nur bei Stillstand bzw. im Leerlauf des Fahrzeugs. Die im Testlauf angewendete Methode der Ausstoßmessung sei in der vom Sachverständigen durchgeführten Form ungeeignet, über die Behauptung des Beweisbeschlusses Beweis zu erbringen. Der Lenkwinkeleinschlag, über den Beweis zu erheben gewesen sei, gehöre auch nicht zu den üblichen Testverfahren und müsse daher auch nicht unten den üblichen Testbedingungen durchgeführt werden. Die Untersuchung des Sachverständigen sei nichtssagend, da sie im stehenden Zustand unter engen Bedingungen durchgeführt worden sei. Es sei zudem bereits 2016 davon berichtet worden, dass Audi-Modelle mittels einer sog. Lenkwinkelerkennung unterscheiden würden, ob sie auf dem Prüfstand fahren oder auf der Straße. Werde das Lenkrad nach dem Start im Fahrzustand nicht bewegt, aktiviere sich ein Schaltprogramm für das Getriebe, das besonders wenig CO² produziere.

Der Kläger trägt zudem vor, die Beklagte Ziff. 2 habe bei der Entwicklung und beim Einbau der Abschalteinrichtungen sowie im Zeitpunkt des Typzulassungsverfahrens gewusst, dass sie Abschalteinrichtungen nutze, die sowohl eine Prüfstandserkennung beinhalten, also auch das Emissionsverhalten nachteilig beeinflussten, so dass die Grenzwerte außerhalb des Prüfstandes nicht eingehalten würden. Die Beklagte Ziff. 2 habe ferner gewusst, dass solche Abschalteinrichtungen per se unzulässig seien. Allein deshalb hätte sie diese den Behörden gegenüber offenlegen müssen, um sich eine Ausnahmegenehmigung einzuholen. Dies habe sie mit Wissen und Wollen nicht getan, da sie gewusst habe, dass sie die Typzulassung nicht erhalten werde, und sodann ein Absatz der Motoren und Fahrzeuge so nicht möglich gewesen wäre. Die Beklagte Ziff. 2 habe auf der Grundlage einer für sie getroffenen grundlegenden strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse die Behörden bewusst und gewollt getäuscht, um die erforderlichen Typgenehmigungen zu erhalten und den von ihr entwickelten Motor und die mit Ihnen versehenen Fahrzeuge in den Verkehr bringen zu können. Damit gehe einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könne.

Das Landgericht habe ferner keinerlei Hinweise erteilt, dass es den klägerischen Vortrag in irgendeiner Form nicht für ausreichend erachte. Damit habe es seine Hinweispflichten verletzt. Hätte das Landgericht einen entsprechenden Hinweis erteilt, hätte der Kläger auf das als Anlage BK2 vorgelegte Gutachten und die insofern dargestellte Prüfstandserkennung hingewiesen. Dass die Arbeitsweise des Thermofensters beim streitgegenständlichen Motor mit dem in der Anlage BK2 beschriebenen Thermofenster vergleichbar sei, sei nicht streitig. Die Beklagte Ziff. 2 sei dem nicht entgegengetreten. Die Beklagte Ziff. 2 habe also unstreitig ein auf den NEFZ abgestimmtes Thermofenster eingesetzt, das nicht aus technischen Gründen erforderlich und erlaubt gewesen sei. Bei dem streitgegenständlichen Motor sei das streitgegenständliche Thermofenster nicht erforderlich, sondern der Beklagten Ziff. 2 sei es um die Einhaltung der Emissionsvorschriften auf dem Prüfstand gegangen. Es handele sich - wie die Messergebnisse aus dem Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen (Anlage K13) zeigten - also gerade nicht um eine Softwarefunktion, die auf der Straße und auf dem Prüfstand gleich funktioniere, sondern das streitgegenständliche Thermofenster sorge für ein Einhalten der Emissionsgrenzwerte unter Prüfstandsbedingungen.

Das Landgericht habe auch keinen Hinweis erteilt betreffend den Vortrag zur Getriebemanipulation. Hätte es einen solchen erteilt, hätte der Kläger verdeutlicht, dass es unstreitig sei, dass es in dem streitgegenständlichen Fahrzeug verschiedene Schaltprogramme gebe, die auf dem Prüfstand anders arbeiten, als im echten Fahrbetrieb.

Das Landgericht habe auch unzutreffend Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV und aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB sowie aus § 831 BGB verneint. Die Bestimmungen der EG-FGV seien als Schutzgesetze anzusehen.

Der Kläger bringt weiter vor, das KBA nehme einen verbindlichen Rückruf nur als letztes Mittel vor, wenn keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung stünden. Die Vornahme von nur freiwilligen Maßnahmen durch die Beklagte Ziff. 2 sei daher kein Indiz für das Nichtvorliegen beanstandungswürdiger Funktionen. Die „freiwillige“, mit dem KBA abgestimmte Entfernung einer Funktion im Rahmen eines verbindlichen Rückrufes zeige vielmehr, dass das KBA diese Funktion für grundsätzlich beanstandungswürdig erachtet habe, und nicht etwa, dass diese nicht problematisch gewesen wäre.

Mit Schriftsatz vom 10.07.2023 hat der Kläger seinen ursprünglich mit der Berufungsbegründungsschrift formulierten Antrag um einen Hilfsantrag ergänzt und einen Differenzschaden in Höhe von 15 % der Kaufsumme geltend gemacht, weil ein Thermofenster vorliege.

Der Kläger beantragt zuletzt:

Auf die Berufung des Klägers und Berufungsklägers wird das am 26.01.2021 verkündete Urteil des Landgerichts Baden-Baden (Az.: 3 O 256/18) abgeändert und wie folgt neu gefasst:

1. Die Beklagtenpartei zu 2) wird verurteilt, an die Klagepartei € 58.650,00 abzüglich einer vom Gericht gem. § 287 ZPO zu schätzenden Nutzungsentschädigung zuzüglich Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 08.09.2018 aus dem ausgeurteilten Betrag zu bezahlen, Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW Audi A5 Cabriolet 3.0 TDI FIN .... .

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei zu 2) verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei zu 2) das Fahrzeug Audi A5 Cabriolet 3.0 TDI (Fahrzeugidentifikationsnummer: .... ) dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr.

3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagtenpartei zu 2) mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten PKW im Annahmeverzug befindet.

4. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 2.994,04 freizustellen.

Hilfsweise:

1. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, der Klagepartei einen Betrag in Höhe von 8.797,50 EUR (15% vom Kaufpreis) bezüglich des Fahrzeugs Audi A5 Cabriolet 3.0 TDI (Fahrzeugidentifikationsnummer: .... ) nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit Rechtshängigkeit bezahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei zu 2) verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für weitere Schäden, die daraus resultieren, dass die Beklagtenpartei zu 2) das Fahrzeug Audi A5 Cabriolet 3.0 TDI (Fahrzeugidentifikationsnummer: .... ) dahingehend beeinflusst hat, dass dieses hinsichtlich der Abgasstoffmenge im Prüfstandbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist als im regulären Betrieb im Straßenverkehr.

3. Die Beklagtenpartei wird verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von € 2.994,04 freizustellen.

Die Beklagte Ziff. 2 beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte Ziff. 2 verteidigt das erstinstanzliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Das KBA habe für den streitgegenständlichen Motorentyp unlängst in einer amtlichen Auskunft in einem Parallelverfahren bestätigt, dass in dem Fahrzeug keine unzulässigen Abschalteinrichtungen zum Einsatz kämen (vgl. Anlage BE1). Der streitgegenständliche Motorentyp sei auch im Rahmen der sog. Untersuchungskommission Volkswagen auf das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen, die jenen beim Motor EA189 entsprechen würden, untersucht worden, dies habe das Vorliegen von solchen aber nicht bestätigt. Das KBA habe ferner das von der Beklagten Ziff. 2 freiwillig entwickelte Software-Update erst nach Prüfung der Software auf unzulässige Abschalteinrichtungen freigegeben. Mithin bestünden bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug, für das ein freiwilliges Software-Update im Rahmen des „Nationalen Forum Diesel“ entwickelt und zur Verfügung gestellt worden sei, keine Anhaltspunkte für die Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen. Es gebe daher auch keinerlei Anhaltspunkte für ein unzulässiges Thermofenster. Das KBA habe dieses im Rahmen des freiwilligen Software-Updates untersucht und ausdrücklich als zulässig erachtet. Das KBA habe zudem schon im Zeitpunkt der Erteilung der Typengenehmigung Kenntnis von den den Thermofenstern zugrundeliegenden technischen Gegebenheiten gehabt. Nach eigener Darstellung des KBA sei es im Rahmen des Typengenehmigungsverfahrens nach den regulatorischen Vorgaben des Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 auch nicht notwendig gewesen, die Einzelheiten der Systemleistung des Thermofensters offenzulegen, da eine detaillierte Umschreibung der Emissionsstrategien damals nicht und erst seit dem Inkrafttreten der Verordnung (EU) 2016/646 im Mai 2016 gefordert worden sei (vgl. Anlage BE1).

Die Prüfstandsbezogenheit des Thermofensters sei auch bestritten gewesen. Die durch den Kläger unter Verweis auf Anlage BK2 angeführte Akustikfunktion komme in dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht zum Einsatz. Ferner sei auch immer vorgetragen worden, das im streitgegenständlichen Fahrzeug applizierte Thermofenster sei aus Gründen des Motorenschutzes und zum sicheren Betrieb des Fahrzeuges notwendig. Unter Berücksichtigung der fortschreitenden Erkenntnisse und technischen Möglichkeiten seit ursprünglicher Homologation der Fahrzeuge seien dabei - im Rahmen des freiwilligen Software-Updates - bestimmte Erweiterungen innerhalb der Temperaturbereiche der AGR möglich gewesen. Dem KBA sei von der Beklagten Ziff. 2 zudem sowohl die alte Software als auch das Software-Update für den hier streitgegenständlichen Fahrzeugtyp (und nicht nur für die Repräsentanten) zur Verfügung gestellt worden. Das KBA habe das Software-Update freigegeben und eine entsprechende sog. allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) erteilt. Die Klagepartei könne ihr Fahrzeug bei einem autorisierten Service-Partner des Fahrzeugherstellers aktualisieren lassen.

Nach Einleitung eines Anhörungsverfahrens habe das KBA die Bedatung des Thermofensters über mehrere Monate anhand eigener Messungen intensiv geprüft. Zusätzlich habe das KBA auch die seitens der Beklagten Ziff. 2 vorgelegten Informationen über damalige Schadensfälle, Schadensstatistiken und Ergebnisse von Testläufen analysiert und diese in mehreren Besprechungen mit der Beklagten Ziff. 2 hinterfragt und bewertet. Dem KBA hätte dabei auch die Motorsteuerungssoftware zur Verfügung gestanden. Denn die Beklagte Ziff. 2 habe im Rahmen der Freigabe der Software im Rahmen des „Nationalen Forum Diesel“ dem KBA für jede Motor-Getriebe-Kombination die Software sowohl in der alten als auch in der neuen Version übermittelt. Nach der Prüfung im Anhörungsverfahren zu den Aggregaten V-TDI EU5 Generation 2 sei das KBA zu dem Ergebnis gelangt, dass hinsichtlich der ursprünglichen Bedatung des Thermofensters bei den vom Anhörungsverfahren erfassten Motortypen, wozu auch der hier streitgegenständliche Motortyp zähle, keine unzulässige Abschalteinrichtung festgestellt werden könne (vgl. wieder Anlage BE1).

Thermofenster seien auch nach Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a) der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 weiterhin als zulässig anzusehen. Denn Thermofenster dienten nicht etwa dazu, eine bloße Alterung oder Verschmutzung des Motors zu verhindern. Ihr Zweck bestehe vielmehr darin, plötzliche und unvorhersehbare Motorschäden zu vermeiden, die sich durch regelmäßige Wartungsmaßnahmen gerade nicht verhindern ließen. Diese Notwendigkeit sei auch in aktuellen wissenschaftlichen Studien anerkannt (vgl. Anlage BE4).

Bezüglich des Getriebes sei schon in der Klageerwiderung bestritten gewesen, dass unterschiedliche Getriebeschaltprogramme im realen Fahrbetrieb und auf dem Rollenprüfstand zum Einsatz kämen. Die gegen das Ergebnis der vom Landgericht - trotz der fehlenden Substantiiertheit der klägerischen Behauptung - in Auftrag gegebenen Begutachtung vorgebrachten Einwendungen des Klägers könnten dieses nicht in Frage stellen.

Das Landgericht habe auch seine Hinweispflicht nicht verletzt. Der Kläger teile auch nicht mit, was er im Falle von vermissten Hinweisen vorgetragen hätte, sondern ergehe sich nur in Ausführungen, dass seine Behauptungen unstreitig gewesen seien.

Es fehle im Weiteren an einem Schaden des Klägers. Ein Vorsatz der Beklagten Ziff. 2 sei zudem schon nicht dargelegt.

Die Beklagte Ziff. 2 bringt unter Bezugnahme auf die aktuelle Anhörung durch das KBA im Zusammenhang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 14. Juli 2022 vor, es drohe weder ein Widerruf der bestehenden EG-Typgenehmigung noch das Erlöschen der Betriebserlaubnis kraft Gesetzes gemäß § 19 StVZO. Dies ergebe sich bereits daraus, dass das KBA die EG-Typgenehmigung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp nicht widerrufen habe und auch nicht widerrufen werde.

Die Beklagte Ziff. 2 bringt weiter vor, hinsichtlich einer etwaigen Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB sei durch den Kläger weder eine Kausalität einer etwaigen Rechtsverletzung für den Kaufvertragsschluss dargelegt noch ein fahrlässiges Verhalten der Beklagten Ziff. 2. Ein Fahrlässigkeitsvorwurf sei vielmehr wiederlegt. Die Beklagte Ziff. 2 habe bei Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung nicht fahrlässig gehandelt, da sie damals nicht hätte erkennen können und vermeiden müssen, dass die Übereinstimmungsbescheinigung in Bezug auf das verbaute Thermofenster unrichtig sein könnte.Die Beklagte Ziff. 2 hätte bereits aufgrund der besonders unklaren (regulatorischen) Rechtslage nicht erkennen und vermeiden müssen, dass die ausgestellte Übereinstimmungsbescheinigung wegen der Verwendung eines Thermofensters unrichtig sein könnte. Aufgrund der Einhaltung des jeweils geltenden Stands der Technik bei der Verwendung von Thermofenstern und der Verwaltungspraxis des KBA hätte die Beklagte Ziff. 2 nicht erwägen müssen, dass es sich bei dem eingebauten Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handeln könnte.

Die Beklagte Ziff. 2 hätte sich zudem auf eine Auskunft des KBA als zuständige Genehmigungsbehörde verlassen dürfen. Vorliegend hätte jedoch selbst eine Erkundigung bei dem KBA vor Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung keine bessere Erkenntnis gebracht. Das KBA als zuständige Behörde habe die Verwendung von Thermofenstern als unproblematisch angesehen und Genehmigungen erteilt. Die Beklagte Ziff. 2 habe daher auf die Einschätzung des KBA als relevante Typgenehmigungsbehörde vertrauen dürfen. Ein Verbotsirrtum werde im Rahmen von Fahrlässigkeitsdelikten dann angenommen, wenn der Schädiger davon ausgehe, sorgfaltsgemäß zu handeln. Im Ergebnis habe die Klagepartei den erforderlichen Verschuldensnachweis nicht geführt. Sie könne sich nicht auf einen etwaigen Anscheinsbeweis bzw. eine Vermutung stützen.

Die Beklagte Ziff. 2 macht ferner geltend, dem Kläger stehe auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26. Juni 2023 (Az. VIa ZR 335/21) kein Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV zu.

Das Thermofenster des streitgegenständlichen Fahrzeugs sei zum Zeitpunkt der Ausgabe der Übereinstimmungsbescheinigung aus Gründen des Motorschutzes und zum sicheren Betrieb des Fahrzeugs notwendig und zulässig gewesen. Dabei werde darauf hingewiesen, dass es nicht „das eine Thermofenster“ gebe, da die konkreten Temperaturschwellen des applizierten Thermofensters von Fahrzeugtyp zu Fahrzeugtyp und auch zwischen den Abgasstufen und dem Entwicklungszeitpunkt des Aggregats verschieden seien. Auch innerhalb einer Motorenfamilie könne sich die konkrete Ausgestaltung der temperaturabhängigen Regelung der AGR zwischen Fahrzeugmodellen unterscheiden. Bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14. Juli 2022 (Az. C 134/20) habe es die Anforderung, dass eine temperaturabhängige Regelung der AGR unzulässig sei, wenn sie während des überwiegenden Teils eines Jahres unter den im Unionsgebiet herrschenden tatsächlichen Fahrbedingungen anwendbar wäre, nicht gegeben („verkehrstechnisches Kriterium“). Im Zeitpunkt der Typgenehmigung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp am 29.11.2011 habe keine gesetzliche Regelung bestanden, die vorgesehen habe, dass Fahrzeughersteller die im jeweiligen Fahrzeugtyp verwendeten (allgemeinen und besonderen) Emissionsstrategien in den Genehmigungsunterlagen im Einzelnen darzulegen gehabt hätten.

Die Beklagte Ziff. 2 habe nicht fahrlässig in Bezug auf die Verwendung der Thermofenster bzw. bei der Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung gehandelt, da sie dabei die im Verkehr erforderliche Sorgfalt eingehalten habe. Es habe der allgemeinen Auffassung in der Automobilindustrie und der Verwaltungspraxis der Genehmigungs- und Kontrollbehörden entsprochen, dass die verwendeten Thermofenster, die dem Motorschutz gedient hätten, zulässig seien. Dieser Auffassung sei auch die Beklagte Ziff. 2 gewesen. Wenn man eine rechtliche Unzulässigkeit des im streitgegenständlichen Fahrzeug implementierten Thermofensters zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses unterstelle, so sei die Beklagte Ziff. 2 diesbezüglich einem Irrtum unterlegen. Denn die Beklagte Ziff. 2 sei zum Zeitpunkt der Beantragung der Typgenehmigung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp davon ausgegangen, dass das im streitgegenständlichen Fahrzeug implementierte Thermofenster zum Schutz des Motors und zum sicheren Betrieb des Fahrzeugs erforderlich und damit zulässig sei und dass es darüber hinaus in Bezug auf das Thermofenster keine weitere Anforderung gegeben habe, die regulatorisch noch zu beachten gewesen sei. Insbesondere sei die Beklagte Ziff. 2 nicht davon ausgegangen, dass der Gerichtshof der Europäischen Union am 14.07.2022 mit dem sogenannten verkehrstechnischen Kriterium eine weitere, ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung in Form einer Rückausnahme zur Rechtfertigung wegen Motorschutz schaffen würde. Insbesondere seien die für die Entwicklung der Fahrzeuge bei der Beklagten Ziff. 2 zuständigen Mitarbeiter davon ausgegangen, dass sie mit der gewählten Form der Abrampung der AGR in Abhängigkeit von der Umgebungslufttemperatur den erforderlichen Grad an Motorschutz und dem Schutz des sicheren Fahrzeugbetriebes gefunden hätten, den der Stand der technologischen Entwicklung zu diesem Zeitpunkt ermöglicht habe. Feststellungen zum Vorstellungsbild konkreter, der Beklagten Ziff. 2 zuzurechnenden Personen, seien für die Annahme eines Verbotsirrtums nicht erforderlich. Aus rechtlichen Gesichtspunkten sei auch nicht erforderlich, dass die Beklagte Ziff. 2 eine positive Vorstellung von der Zulässigkeit des Thermofensters gehabt habe. Wenn der Verbotsirrtum der Beklagten Ziff. 2 nicht bereits gemäß § 286 ZPO aus den Gesamtumständen festgestellt werde, ergebe sich die Zurechnung eines Verbotsirrtums (auch) aus der extensiven Anwendung des § 31 BGB durch die Rechtsprechung. Insoweit sei es die Aufgabe der Technischen Entwicklung bei der Beklagten Ziff. 2 gewesen, die regulatorische Zulässigkeit der zu entwickelnden Fahrzeugmodelle sicher zu stellen.

Auch bei detaillierter Darstellung der konkreten Ausgestaltung des streitgegenständlichen Thermofensters im Typgenehmigungsverfahren hätte das KBA das streitgegenständliche Thermofenster nicht beanstandet, sondern für zulässig erachtet und die EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug mit dem streitgegenständlichen Thermofenster erteilt. Dem KBA seien in den Jahren 2019/2020 im Rahmen der Freigabeverfahren verschiedener NFD-Updates Thermofenster von VTDI EU5 Gen2 Fahrzeugen, jeweils in ihrer konkreten Ausgestaltung, offengelegt worden. Die konkret offengelegten Thermofenster seien in Bezug auf die für das „verkehrstechnische Kriterium“ maßgebliche Durchschnittstemperatur im Unionsgebiet von 12°C mit dem streitgegenständlichen Thermofenster vergleichbar, da in allen Fällen eine Abrampung der AGR bei einer Temperatur, die über der vom KBA gesetzten Schwelle von 12°C liege, beginne. Das KBA habe die im Rahmen der NFD-Freigabeverfahren offengelegten Thermofenster in Kenntnis der konkreten Ausgestaltung überprüft, für zulässig erachtet und die von der Beklagten Ziff. 2 für diese Fahrzeugtypen vorgestellten Software-Updates als freiwillige NFD-Maßnahmen freigegeben. Eine Offenlegung der konkreten Ausgestaltung des Thermofensters im streitgegenständlichen Fahrzeugtyp sei im Rahmen der Genehmigung des freiwilligen NFD-Updates zur Aufweitung des Thermofensters erfolgt. Das KBA habe in Kenntnis dieser konkreten Ausgestaltung das freiwillige NFD-Update zur Aufweitung des Thermofensters genehmigt und am 25.01.2019 die Allgemeine Betriebserlaubnis (ABE) mit der Nummer 91759 erlassen. Das KBA habe damit auch das vor dem freiwilligen Update applizierte Thermofenster - wie es auch im Zeitpunkt der Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung und des Kaufs bestanden habe - als zulässig bewertet. Denn es hätte ansonsten das freiwillige Update nicht freigeben, sondern eine amtliche Maßnahme erlassen.

Nach Einleitung eines Anhörungsverfahrens im Jahr 2019/2020 habe das KBA die Bedatung des Thermofensters nochmals über mehrere Monate anhand eigener Messungen intensiv geprüft. Die Beklagte Ziff. 2 habe dem KBA zudem umfangreiche Informationen über die damaligen Schadensfälle und Schadensstatistiken vorgelegt. Sie habe aufgezeigt, dass in den Jahren 2007 bis 2010 bei der Entwicklung der VTDI EU5 Gen2-Aggregate der physikalische Zusammenhang bekannt gewesen sei, dass bei sinkenden Umgebungslufttemperaturen die Wasserkondensatbildung (Taupunktunterschreitung) in den AGR-führenden Bauteilen ansteige. Auch habe man erkannt, dass nach dem damaligen Wissens- und Entwicklungsstand Kondensat zu dem Aufbau einer Versottungsschicht führe und es bei zu viel Kondensat zu einer massiven Versottung und in dem Zusammenhang zu Verstopfungen im Saugrohr kommen könne. Aus diesem Grund seien Maßnahmen zur Vermeidung und Reduktion hoher Kondensatmengen und damit einer erhöhten Versottung als zwingend erforderlich bewertet worden. Zudem habe die Beklagte Ziff. 2 die historische Entwicklung der temperaturabhängigen Abgasrückführung seit der Abgasnorm EU4 und den Motoren vom Typ EA896 EU4 bis hin zum Motortyp V6-TDI EU5 Gen2 gegenüber dem KBA erläutert, Schadensfälle und -entwicklungen dargestellt sowie die Unterschiede der Hardware-Komponenten abgebildet. Sie habe geschildert, dass die Ausgestaltung der temperaturabhängigen Abgasrückführung im Vorgängermodell VTDI EU5 Gen1 im Feld zu hohen Schadensfällen geführt habe. Auch sei aufgrund von Felderfahrungen mit VTDI EU4 und VTDI EU5 Gen1 Fahrzeugen bekannt gewesen, dass das entstehende Kondensat in Kombination mit Ruß zu Versottung und innermotorischen Ablagerungen geführt habe. Alle diese Erkenntnisse habe die Beklagte Ziff. 2 zudem durch 30.000 km Dauerlauftests abgesichert, die sie dem KBA im Rahmen des Anhörungsverfahrens ebenfalls vorgestellt habe.

Die Beklagte Ziff. 2 habe zudem im Frühjahr 2020 einen neuen sog. Sundern-Test durchgeführt. Dieses Testprogramm umfasse ein reproduzierbares Fahrprofil in dem die im Motor zu erwartenden Rußablagerungen ohne eine Reduktion der Abgasführungsrate gemessen worden seien. Die Ergebnisse dieses Sundern-Tests zeigten, dass es bereits nach einer geringen Laufleistung der Fahrzeuge zu einem Anstieg der Ablagerungen und somit zu Versottungsschäden im Motor gekommen wäre, wenn keine temperaturabhängige Anpassung der Abgasrückführungsrate erfolgt wäre.

Das KBA sei daher auf Grundlage dieser umfassenden Informationen und eigener Recherchen und Tests zu dem Ergebnis gelangt, dass hinsichtlich der ursprünglichen Bedatung des Thermofensters bei den von diesem Anhörungsverfahren erfassten Fahrzeugen des Typs VTDI EU5 Gen2 – und damit auch bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug – keine unzulässige Abschalteinrichtung habe festgestellt werden können. Es habe das damalige Anhörungsverfahren daher ohne Erlass eines Rückrufbescheids beendet.

Die Beklagte Ziff. 2 bringt weiter vor, ein Differenzschaden sei nicht gegeben. Der Restwertverlauf des streitgegenständlichen Fahrzeugtyps belege, dass ein Differenzschaden nicht vorliege. Das streitgegenständliche Fahrzeug falle aufgrund des Thermofensters im Wertverlauf nicht hinter seine Konkurrenzmodelle zurück. Auch ein merkantiler Minderwert des streitgegenständlichen Fahrzeugs liege nicht vor. Dass das streitgegenständliche Fahrzeugmodel keinen Minderwert aufweise, sei auch eine denknotwendige Konsequenz daraus, dass alle vergleichbaren Fahrzeuge mit Dieselmotor über ein Thermofenster verfügten. Eine Stilllegungsgefahr habe für das Fahrzeug weder zum Zeitpunkt des Erwerbs noch dem der Übergabe bestanden und bestehe auch nicht zum jetzigen Zeitpunkt. Es entspreche auch der objektiven Rechtslage, die durch das KBA festgestellt worden sei, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt das Thermofenster zulässig gewesen sei und keine Gefahr der Stilllegung gedroht habe. Diese drohe auch jetzt nicht, da ein Software-Update zur Aufweitung des Thermofensters entwickelt worden sei. Die Freigabe dieses Updates habe das KBA auch deswegen erteilt, weil es das überarbeitete Thermofenster überprüft und für zulässig erachtet habe.

An die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach der Differenzschaden innerhalb eines Korridors von 5 bis 15 % zu schätzen sei, sei das Berufungsgericht nicht gebunden. Es müsse der Beklagten Ziff. 2 jedenfalls möglich sein, im Einzelfall das Fehlen eines Schadens darzulegen und zu beweisen. Die „Ansage“ des Bundesgerichtshofs, Vortrag der Parteien zu einem Schaden außerhalb dieses Korridors sei „unerheblich und [könne] eine Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht rechtfertigen“, führe zu einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG).

Ein unterstellter Differenzschaden scheide zudem aus, da dieser durch eine Vorteilsanrechnung vollständig ausgeglichen wäre. Durch das entwickelte Software-Update werde die Gefahr von Betriebseinschränkungen auf null reduziert. Soweit die Klagepartei ein Aufspielen des Updates verweigere, sei die sich hieraus ergebende Stilllegungsgefahr nicht der Beklagten Ziff. 2 zuzurechnen. Zudem seien bei der Vorteilsanrechnung sowohl die Nutzungen als auch der Restwert des Fahrzeugs zu berücksichtigen. Bei den Nutzungen sei dabei von keiner Gesamtlaufleistung von mehr als 250.000 km auszugehen. Nach dem Kilometerstand zum 11.07.2023 ergebe sich daher eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 15.417,47 €. Der Restwert des Fahrzeuges belaufe sich auf mindestens 24.000 €.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze und das Protokoll der mündlichen Verhandlung am 11.07.2023 Bezug genommen.

Mit Schriftsatz vom 11.08.2023 hat die Beklagte Ziff. 2 nochmals neuen Sachvortrag geleistet.

Aus den Gründen

    B.

Die Berufung ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

I. Zulässigkeit der Berufung

Die Berufung des Klägers ist zulässig.

Die Umstellung der Klaganträge durch den Kläger, der mit der Berufung nicht mehr allein die Feststellung einer Ersatzpflicht der Beklagten Ziff. 2 erstrebt, sondern statt des ursprünglich gestellten Hauptantrags die schon in erster Instanz gestellten Hilfsanträge als neue Hauptanträge - neben dem schon in erster Instanz auch gegenüber der Beklagten Ziff. 2 gestellten Antrags auf Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten - mit seiner Klage verfolgt, ist zulässig.

Zwar ist eine Berufung dann unzulässig, wenn sie den in erster Instanz erhobenen Klageanspruch nicht wenigstens teilweise weiterverfolgt, also - im Falle einer erstinstanzlichen Klageabweisung - deren Richtigkeit gar nicht in Frage stellt, sondern im Wege der Klageänderung einen neuen, bislang nicht geltend gemachten Anspruch zur Entscheidung stellt (vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Oktober 2000 – VIII ZR 321/99 –, Rn. 7 m. w. N., juris). Eine zulässige Berufung liegt dagegen vor, wenn der Kläger mit der Berufung ohne Änderung des Klagegrundes die Klage durch Übergang vom Feststellungs- zum Leistungsbegehren erweitert. Der Wechsel von einer - positiven - Feststellungs- hin zu einer Leistungsklage ist dabei nach § 264 Nr. 2 ZPO auch in der Berufung zulässig. (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2004 – V ZR 104/03 –, BGHZ 158, 295-310, Rn. 23, juris).

So liegt der Fall hier, nachdem der Kläger - gestützt auf den gleichen Lebenssachverhalt - weiterhin eine deliktische Haftung der Beklagten Ziff. 2 geltend macht, aber nicht mehr allein deren Ersatzverpflichtung für sämtliche Schäden festgestellt wissen will, sondern vielmehr gegen die Beklagte Ziff. 2 nunmehr im Wege der Leistungsklage vorgeht und daneben noch eine Feststellung der Ersatzpflicht für weitere Schäden begehrt. Der Kläger macht insofern keinerlei anderen prozessualen Anspruch geltend als in erster Instanz.

II. Begründetheit der Berufung

Die Berufung ist jedoch nur in Teilen des zuletzt gestellten Hilfsantrags begründet und führt zu einer Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung im tenorierten Umfang, da dem Kläger ein Anspruch auf Ersatz des sog. Differenzschadens (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21 –, Rn. 28 ff, juris) gegen die Beklagte Ziff. 2 zusteht. Im Übrigen ist die Berufung zurückzuweisen.

1. Soweit der Kläger in der Berufung mit seiner Klage im Hauptantrag die Zahlung eines Betrages in Höhe des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung durch die Beklagte Ziff. 2 Zug um Zug gegen Herausgabe des streitgegenständlichen Fahrzeugs verfolgt, ist sein Rechtsmittel ohne Erfolg. Die Klage ist insoweit unbegründet.

Entsprechende Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte Ziff. 2, die letztlich auf eine Rückgängigmachung des Kaufvertrages ausgerichtet sind, bestehen nicht und wurden im Ergebnis zutreffend durch das Landgericht verneint.

a. Ein Anspruch des Klägers aus §§ 826, 31 BGB besteht nicht. Eine vorsätzlich sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte Ziff. 2 ist nicht festzustellen. Die vom Kläger vorgetragenen und zum Gegenstand seiner Berufungsangriffe gemachten „Abschalteinrichtungen“ sind entweder bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht nachgewiesen, oder jedenfalls nicht geeignet, ein sittenwidriges Verhalten der Beklagten Ziff. 2 zu begründen.

aa. Die vom Kläger beschriebene Getriebemanipulation als eine prüfstandsbezogene unzulässige Abschalteinrichtung ist bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug nicht festzustellen.Der Kläger hat insofern behauptet, dass streitgegenständliche Fahrzeug verfüge über ein sog. Warmlaufprogramm. Die Schaltpunkte des Getriebes seien bei kaltem Motor ohne Lenkeinschlag höher als nach einem Lenkeinschlag. Dieses Warmlaufprogramm sei im Prüfzyklus aktiviert, im RealDrive dagegen so gut wie nie, was abhängig von einem Lenkradeinschlag von 15 Grad sei. Das Bestehen einer solchen Abschalteinrichtung bzw. Manipulation des Emissionsverhaltens des streitgegenständlichen Fahrzeugs ist von der Beklagten Ziff. 2 grundlegend bestritten worden, indem in der Klageerwiderung vom 16.04.2019 auf Seite 14 vorgetragen worden ist, das Automatikgetriebe des streitgegenständlichen Fahrzeuges verfüge nicht über unterschiedliche Getriebeschaltprogramme für den realen Fahrbetrieb und auf dem Rollenprüfstand. Der Einwand des Klägers, seine Behauptung sei in erster Instanz überhaupt nicht bestritten gewesen, greift daher nicht durch.

Eine solche „Manipulation“ des Fahrzeugs hat sich im Rahmen der durch das Landgericht angeordneten Begutachtung durch den Sachverständigen P. nicht bestätigt.

Der Sachverständige hat vielmehr in seinem schriftlichen Gutachten vom 20.03.2020 ausgeführt, dass auch bei Vornahme eines solchen Lenkradeinschlags die gemessenen Emissionswerte des Fahrzeugs die geforderten Werte eingehalten hätten. Dass das Landgericht bei diesem Ergebnis der Begutachtung sich keine Überzeugung davon hat bilden können, dass das Fahrzeug des Klägers in der von ihm behaupteten Weise „manipuliert“ sei, ist nicht zu beanstanden. Eine weitergehende Beweisaufnahme war nicht veranlasst. Das Landgericht ist daher in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis erlangt, dass das Vorliegen der vom Kläger behaupteten Getriebemanipulation nicht nachgewiesen ist.

Ein Erfordernis nach einer weiteren oder ergänzenden Begutachtung zeigt der Kläger auch mit seiner Berufung nicht auf. Soweit der Kläger - der in erster Instanz weder eine ergänzende Begutachtung noch die Anhörung des Sachverständigen beantragt hat - geltend macht, die Untersuchung des Sachverständigen Preiß sei schon nicht aussagekräftig, weil das Fahrzeug nicht im „RealDrive“ getestet worden sei, greift dies nicht durch. Nach der erfolgten Behauptung des Klägers zu der Abschalteinrichtung ist der entscheidende Faktor für die Prüfstanderkennung der Lenkradeinschlag gewesen. Es ist daher folgerichtig gewesen, den Untersuchungsaufbau ähnlich zu dem des NEFZ-Zulassungstests zu wählen und dann dort diesen entscheidenden, vom üblichen Prüfungsaufbau abweichenden Faktor einzubringen, da dann der Nachweis möglich gewesen wäre, dass im Falle nunmehr auftretender auffälliger Emissionswerte die Bewegung des Lenkrades hierfür ursächlich geworden sein muss, was wiederum den Rückschluss auf das Vorhandensein der behaupteten Software zugelassen hätte. Hingegen hätte eine Emissionsmessung im RealDrive-Betrieb - bei der ohnehin andere Werte angesichts der Unterschiede der Bedingungen und unabhängig von der Verwendung einer Umschaltlogik zu erwarten sind als im Rahmen des NEFZ - keinen sicheren Nachweis geboten, dass diese mit Lenkradbewegungen in einem kausalen Zusammenhang stehen.

Soweit der Kläger gegenüber dem Ergebnis des Gutachtens auch beanstandet hat, dass die Start/Stop-Funktion durch den Sachverständigen während der Testung deaktiviert worden sei, ist im Gutachten in dessen Anlage 1 selbst erklärt, dass dies seine Ursache darin hatte, während der Pausen bzw. Stillstandsperioden im Prüfzyklus den Lenkradeinschlag durchzuführen, da dies aufgrund der Servolenkung bei laufenden Motor habe erfolgen müssen und daher bei aktiver Funktion nicht möglich gewesen wäre. Die vom Sachverständigen gewählte Raumtemperatur auf dem Prüfstand ist dabei ersichtlich dem Umstand geschuldet, die Prüfungsumgebung des NEFZ nachzubilden.

Der ferner erfolgte allgemeine Verweis des Klägers auf bereits in erster Instanz vorgelegte Presseveröffentlichungen (angeblich Anlagen R4a und R5, tatsächlich aber Anlage R10 und R11), ohne einen konkreten Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeugtyp aufzuzeigen, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Beide Artikel sprechen nur allgemein von einer „Aufheizstrategie“, die zum Einsatz gekommen sei, ohne dass sich hieraus Folgerungen entnehmen lassen, die die durch das Landgericht durchgeführte Beweisaufnahme als untauglich erscheinen lassen.

Das Vorliegen einer Aufheizstrategie, die der Kläger in erster Instanz mit einem SCR-Katalysator in Verbindung gebracht hat, will der Kläger ausweislich seiner Berufungsbegründung im Übrigen gerade nicht mehr behaupten.

bb. Es bestehen auch keine Ansprüche des Klägers aufgrund vorsätzlich sittenwidriger Schädigung wegen Einsatzes eines sog. Thermofensters.

(1) Der Kläger hat insofern im Rahmen der ersten Instanz vorgetragen, in dem Fahrzeug gebe es ein Thermofenster dergestalt, dass die AGR reduziert bzw. abgeschaltet werde, wenn Außentemperaturen von unter 17° C und über 33° C herrschen. Dem ist die Beklagte Ziff. 2 nicht entgegengetreten, weshalb eine solche umgebungstemperaturgesteuerte Beeinflussung der AGR mit der entsprechenden Bedatung zwischen den Parteien unstreitig ist.

(2) Ansprüche des Klägers wegen sittenwidriger Schädigung ergeben folgen jedoch nicht aus dem Einsatz eines solchen Thermofensters - also der umgebungstemperaturgesteuerten Reduzierung bis Deaktivierung der AGR. Aus dem Einsatz eines solchen Systems kann noch kein als sittenwidrig zu qualifizierendes Verhalten der für die Beklagte Ziff. 2 handelnden Personen abgeleitet werden.

(a) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der objektiven Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19 – Rn. 14, juris).

Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht allein der Umstand, dass die Abgasrückführung durch eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems bei bestimmten Außentemperaturen reduziert (und möglicherweise ganz abgeschaltet) wird, nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte Ziff. 2 handelnden Personen ein sittenwidriges Gepräge zu geben. Dabei kann zugunsten einer klagenden Partei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt werden, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2022 – III ZR 270/20 –, Rn. 15, juris). Der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit ist nur gegeben, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen (BGH, a.a.O.). Aus ihnen muss sich jedenfalls ergeben, dass die handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen (BGH, a.a.O.). Dabei trägt die Darlegungs- und Beweislast für diese Voraussetzung nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19 - Rn. 35, juris). Fehlt es an einer solchen billigenden Inkaufnahme ist bereits der objektive Tatbestand der Sittenwidrigkeit nicht erfüllt (BGH, Urteil vom 26. April 2022 – VI ZR 435/20 –, Rn. 18). Es kommt der klagenden Partei hierbei auch keine Beweiserleichterung zugute (BGH a. a. O. Rn. 21, juris).

(b) Nach diesen Grundsätzen reicht der Umstand, dass das streitgegenständliche Fahrzeug unstreitig über ein Thermofenster im Sinne einer über die Umgebungstemperatur gesteuerte Regulierung der AGR-Rate verfügt, für sich genommen nicht aus, um dem Verhalten der für die Beklagte Ziff. 2 handelnden Personen das vorgenannte Gepräge zu geben. Dies gilt auch dann, wenn mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt wird. Entsprechend hat der Senat das Bestehen einer sittenwidrigen Schädigung bei einem Einsatz von Thermofenstern in der Vergangenheit bereits verneint (etwa Urteil vom 26. April 2022 – 8 U 232/21 –; Urteil vom 22. März 2022 – 8 U 177/20 –; Urteil vom 8. Oktober 2021 – 8 U 12/20 –; Urteil vom 14. Mai 2021 – 8 U 14/20 –, jeweils in juris).

Auch im vorliegenden Fall liegen keine weiteren Umstände vor, die das Inverkehrbringen des Motors bzw. des Fahrzeugs mit dem unzulässigen Thermofenster als besonders verwerflich erscheinen lassen.

(aa) Das hier nicht streitige Thermofenster in Gestalt einer umgebungstemperaturabhängigen Regulierung der AGR-Rate ist als solches nicht mit einer Prüfstandserkennung verbunden, weshalb dessen Verwendung unter diesem Gesichtspunkt nicht einer unmittelbaren arglistigen Täuschung der Fahrzeugerwerber in der Bewertung gleichsteht. Vielmehr unterscheidet die im streitgegenständlichen Fahrzeug eingesetzte temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung nicht danach, ob sich das Fahrzeug auf dem Prüfstand oder im normalen Fahrbetrieb befindet. Sie weist keine Funktion auf, die bei erkanntem Prüfstandsbetrieb eine verstärkte Abgasrückführung aktiviert und den Stickoxidausstoß gegenüber dem normalen Fahrbetrieb reduziert, sondern arbeitet in beiden Fahrsituationen im Grundsatz in gleicher Weise. Der Umstand, dass die Abgasrückführung bei den auf dem Prüfstand herrschenden Temperaturen von 20 °C bis 24 °C immer aktiv ist, während dies im normalen Fahrbetrieb überwiegend nicht der Fall ist, rechtfertigt es nicht, das Thermofenster mit der von der Volkswagen AG beim Motor EA 189 verwendeten Umschaltlogik gleichzusetzen, die den Prüfstand erkennt und bei erkanntem Prüfstandbetrieb in einen besonders emissionsarmen Modus umschaltet.

(bb) Der in der Berufung erfolgte Vortrag des Klägers, das Thermofenster funktioniere „analog“ zu einer sog. Akustikfunktion führt hier zu keinem anderen Ergebnis.

Soweit der Kläger unter Bezugnahme auf das als Anlage BK2 vorlegte Gutachten für das KBA zur sog. Akustikfunktion geltend macht, das hier streitgegenständliche „Thermofenster“ sei mit dem dort beschriebenen „Thermofenster“ vergleichbar und funktioniere analog, ist in diesem Gutachten schon keine außentemperaturgesteuerte Beeinflussung der AGR behandelt, sondern vielmehr - wie dem Senat auch aus anderen Verfahren (etwa Senat, Urteil vom 18.01.2022 – 8 U 49/21 -, juris) bekannt - eine Software, die nach bestimmten Temperaturen des Motorkühlwassers, des Motorschmieröls und des Kraftstoffes bei Motorstart reagiert und deren Aktivierung dann über die Einspritzstrategie und die AGR-Rate die Emissionen vermindert. Es handelt sich daher schon um ein anderes technisches Geschehen als bei dem von der Beklagten Ziff. 2 unstreitig applizierten Thermofenster, bei dem die AGR-Rate außerhalb bestimmter Temperaturbereiche reduziert wird. Eine solche Abschalteinrichtung entsprechend der Akustikfunktion hat der Kläger in erster Instanz jedoch nicht behauptet. Dies ist auch nicht seinem Schriftsatz vom 20.11.2020, Seite 5 ff., zu entnehmen, wo das vorgenannte Gutachten bereits als Anlage S 3 vorgelegt worden ist. Der Kläger hat dort nur allgemein ausgeführt, sein Vorbringen könne nicht als unsubstantiiert angesehen werden, da es weitere Anhaltspunkte gebe, dass sein Fahrzeug „betroffen“ sei und hat hierzu auf einen Presseartikel, der sich auf das vorgenannte Gutachten bezogen hat, und eben das Gutachten selbst hingewiesen. Hieraus hat der Kläger gefolgert, dass damit nachgewiesen sei, dass Motoren der - hier nicht gegenständlichen - Schadstoffklasse Euro 4 über ein „Thermofenster“ verfügten. Insgesamt folgert der Kläger daraus, dass damit erhebliche Anhaltspunkte für die Richtigkeit seines Vortrages vorlägen. Die Behauptung, das hier streitgegenständliche Thermofenster in dem von ihm erworbenen Fahrzeug funktioniere analog zu der in dem Gutachten beschriebenen Akustikfunktion hat der Kläger damit nicht erhoben. Aus diesem Grund war hierzu auch kein weiteres Vorbringen der Beklagten Ziff. 2 in erster Instanz erforderlich.

Dieser Vortrag des Klägers zu einer Abschalteinrichtung in Form eines „Thermofensters“ entsprechend der sog. Akustikfunktion ist daher in der Berufung neu und nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht berücksichtigungsfähig. Denn die Beklagte Ziff. 2 hat im Rahmen ihrer Berufungserwiderung ausdrücklich bestritten, dass in dem Fahrzeug die sog. Akustikfunktion zum Einsatz komme. Weshalb dieser Vortrag nicht bereits in erster Instanz so erfolgt ist, zeigt der Kläger, dem das Gutachten zu dem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen ist, nicht auf.

Darüberhinaus wäre diese Behauptung des Klägers aber auch deshalb prozessual unbeachtlich, weil sie ohne greifbare Anhaltspunkte „ins Blaue hinein“ erfolgt.

Eine Behauptung, mag sie auch – wie hier – auf einer bloßen Vermutung des Klägers beruhen, ist grundsätzlich schon dann prozessual beachtlich, wenn sie in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich ist, das geltend gemachte Recht als in der Person des Klägers entstanden erscheinen zu lassen. Sie ist erst dann unbeachtlich, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" aufgestellt worden ist. Bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne ist Zurückhaltung geboten; in der Regel wird sie nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte gerechtfertigt werden können. Greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung liegen nicht erst dann vor, wenn das KBA bezüglich des konkreten Fahrzeugtyps eine Rückrufaktion angeordnet hat. Ausreichend aber auch notwendig ist, dass ein vergleichbarer Fahrzeugtyp desselben Herstellers wegen unzulässiger Abschalteinrichtungen vom KBA bereits zurückgerufen wurde oder anderweitige Erkenntnisse hinsichtlich vergleichbarer Fahrzeugtypen vorliegen, die auf eine unzulässige Abschalteinrichtung hindeuten. Fahrzeugtypen sind im vorgenannten Sinn vergleichbar, wenn sie über denselben Motor oder Motortyp verfügen und in dieselbe Schadstoffklasse (Euro 5 oder Euro 6) fallen; Vergleichbarkeit der Motoren liegt vor, wenn die Motoren vom gleichen Hersteller stammen und die gleichen technischen Grundkonfigurationen aufweisen (vgl. Senat, Urteil vom 22. März 2022 – 8 U 177/20 –, Rn. 57 m. w. N., juris).

Vor diesem Hintergrund fehlt es an entsprechenden greifbaren Anhaltspunkten für die neue Behauptung des Klägers, bei seinem Fahrzeug komme die sog. Akustikfunktion zum Einsatz. Das vorlegte Gutachten bezieht sich - wie der Kläger selbst darstellt - auf Fahrzeuge mit Motoren der Schadstoffklasse Euro 4, weshalb es schon an vergleichbaren Fahrzeugtypen fehlt. Die Behauptung des Klägers liegt auch vor dem Hintergrund des von ihm in der Berufungsbegründung selbst zitierten und dargestellten Ergebnisses aus dem Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen (vorgelegt als Anlage K13) fern, nachdem auch im Rahmen einer Prüfung NEFZ warm - demnach gerade ohne die bei der Prüfung NEFZ kalt typische Vorkonditionierung, die aber Anknüpfungspunkt für die Akustikfunktion ist - die Grenzwerte durch ein dort untersuchtes vergleichbares Fahrzeug Audi A6 V6 3.0 l Euro 5 eingehalten worden sind. Die im dortigen Untersuchungsergebnis dokumentierte Erhöhung der Emissionen bei den übrigen Testvarianten ist dabei mit den dort jeweils herrschenden Umgebungstemperaturen, die im Bericht ab Seite 15 zu den einzelnen Test-Varianten aufgeführt sind, und der von der Beklagten Ziff. 2 selbst beschrieben umgebungstemperaturabhängigen AGR-Regulierung erklärlich. Der Hinweis auf Diskrepanzen zwischen Stickoxidemissionen unter Prüfstandbedingungen, die nach damaliger Rechtslage (Euro-5-Norm) zur Erlangung der Typgenehmigung allein maßgeblich waren, und unter normalen Betriebsbedingungen auf der Straße genügt ebenfalls nicht, um greifbare Anhaltspunkte für die Verwendung einer Steuerungsstrategie entsprechend der klägerischen Behauptung in dem streitgegenständlichen Fahrzeug zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20 –, Rn. 23, juris)

 (cc) Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte Ziff. 2 im Typgenehmigungsverfahren unzutreffende Angaben über die Arbeitsweise des Abgasrückführungssystems gemacht hat, bestehen ebenfalls nicht.

Nach den - insofern von der Berufung auch nicht angegriffenen - Feststellungen des Landgerichts ist eine solche temperaturgeregelte Steuerung der AGR bei den Dieselmotoren aller Hersteller üblich gewesen, weshalb es auch als „branchenüblich“ anzusehen sei. Das KBA habe Thermofenster nicht beanstandet und sie seien auch kein Hindernis bei einem Antrag auf eine Typengenehmigung gewesen. Das Vorliegen eines Thermofensters habe auch - im Zeitpunkt der landgerichtlichen Entscheidung - weiterhin nicht per se dazu geführt, dass eine Motorsteuerung als unzulässig durch das KBA eingestuft werde.

Ferner beschreibt der vom Kläger selbst vorgelegte Bericht der Untersuchungskommission Volkswagen (Anlage K13) auf Seite 18, dass das von der Beklagten Ziff. 2 im vorliegenden Verfahren auch beschriebene Risiko einer Belagsbildung zweifelsfrei vorhanden und auch von herstellerunabhängigen Forschungsprojekten bestätigt worden sei. Hierzu passend stellen sich auch die weiteren von der Beklagten Ziff. 2 vorgelegten fachtechnischen Stellungnahmen zum Einsatz von Thermofenstern dar (etwa Anlagen B9 und die - aktualisierte Fassung - BE4). Ebenfalls passend hierzu ist ein das streitgegenständliche Fahrzeug betreffender verbindlicher Rückruf des Fahrzeugs durch das KBA trotz des Einsatzes eines Thermofensters bislang nicht erfolgt.

Die Beklagte Ziff. 2 hat zudem im Rahmen der Berufung unwidersprochen vorgetragen, dass Angaben zur genauen Bedatung des Thermofensters im Zeitpunkt der Typgenehmigung für solche Fahrzeuge (vor 2016), zu denen auch das streitgegenständliche Fahrzeug gehört, zumindest nach der Verwaltungspraxis des KBA nicht erforderlich gewesen sind. Entsprechendes lässt sich auch der im Verfahren vorgelegten Auskunft des KBA vom 11.09.2020 (Anlage BE1) entnehmen.

 (dd) Unter diesen Umständen kann nicht festgestellt werden, dass die für die Beklagte Ziff. 2 handelnden Personen bei der Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen.

Vor diesem Hintergrund kann daher auch der in erster Instanz erfolgte Vortrag des Klägers, die Beklagte Ziff. 2 habe bei Beantragung der Typgenehmigung im Beschreibungsbogen keine Abschalteinrichtung beschrieben - die das Landgericht ohnehin als zu unkonkret und ohne Bezug auf den konkreten Fahrzeugtyp erfolgt angesehen hat, woran die Berufung nichts erinnert - kein anderes Ergebnis begründen. Gleiches gilt für den in der Berufung erfolgten Vortrag, die Beklagte Ziff. 2 habe die Abschalteinrichtungen weder dem Grunde nach und noch im Detail in ihrer Bedatung und Funktionsweise gegenüber den Behörden beschrieben, obgleich sie gewusst habe, bei der Entwicklung und beim Einbau der Abschalteinrichtungen sowie im Zeitpunkt des Typzulassungsverfahrens, dass sie Abschalteinrichtungen nutze, die sowohl eine Prüfstandserkennung beinhalteten also auch das Emissionsverhalten nachteilig beeinflussen. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände genügt dies in Bezug auf das hier einzig noch relevante unstreitig vorhandene Thermofenster in Gestalt einer umgebungstemperaturgesteuerten Regulierung der AGR nicht, um von einem Sittenverstoß und einer entsprechenden subjektiven Einstellung bei der Beklagten Ziff. 2 auszugehen.

Wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt die Implementierung von Thermofenstern prinzipiell in technischer Hinsicht in der Verwaltungspraxis als erforderlich akzeptiert wurde, andererseits die konkrete Bedatung im Genehmigungsverfahren nicht maßgeblich gewesen ist, kann aus dem (unterstellten) Verhalten der Beklagten Ziff. 2 im Typgenehmigungsverfahren - selbst wenn überhaupt keine Angaben zum Thermofenster gemacht worden sein sollten - nicht sicher darauf geschlossen werden, dass die Beklagte Ziff. 2 das konkrete Thermofenster nach der damals geltenden Rechtslage für eine unzulässige Abschalteinrichtung gehalten hat. Ob die Beklagte Ziff. 2 vor dem Hintergrund der konkreten Ausgestaltung des hier vorliegenden Thermofensters mit Blick auf seine rechtliche Zulässigkeit eventuell fahrlässig gehandelt hat, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben.

Der zuletzt mit Schriftsatz vom 20.06.2013 erfolgte Hinweis des Klägers, das KBA nehme verbindliche Rückrufe nur vor, wenn keine anderen Möglichkeiten zur Verfügung stünden und er erfolge erst dann, wenn der Verantwortliche nicht selbst Abhilfemaßnahmen vorschlage, führt dabei in der Gesamtschau ebenfalls nicht zum Nachweis einer sittenwidrigen Schädigung. Ferner trägt der Kläger dort selbst vor, dem KBA sei im Zeitpunkt der Typgenehmigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs grundsätzlich bekannt gewesen, dass in Diesel-Fahrzeugen Thermofenster verbaut seien. Dies lässt jedoch eine Täuschungsabsicht der Beklagten Ziff. 2 wiederum nicht naheliegend erscheinen.

b. Ansprüche des Klägers auf eine Zahlung in Höhe des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung gegen Herausgabe des Fahrzeugs ergeben sich auch nicht aus anderen Anspruchsgrundlagen.

Ansprüche nach § 823 Abs. 2 i. V. m. § 263 StGB scheiden bereits deshalb aus, weil zumindest die hierfür erforderliche subjektive Einstellung bei der Beklagten Ziff. 2 nicht nachgewiesen ist. Ferner fehlt es beim Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs von einem mit der Beklagten Ziff. 2 nicht identischen Verkäufer an der erforderlichen Stoffgleichheit (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20 –, Rn. 24 ff, juris).

Es bestehen auch keine Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 4 Nr. 11 a.F., 16 UWG. Jedenfalls die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 16 UWG sind vorliegend nicht festzustellen.

Ein Anspruch, der letztlich auf eine Rückgängigmachung des Kaufvertrages abzielt, ergibt sich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i. V m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV. Auch wenn es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt (s. hierzu sogleich), so dienen die vorgenannten Normen gerade nicht dem Schutz des Interesses eines Erwerbers eines Kraftfahrzeuges, nicht am Vertrag festgehalten zu werden (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21 -, Rn. 19 ff, juris).

2. Die Berufung des Klägers ist weiter unbegründet, soweit er mit seiner Klage die Feststellung eines Annahmeverzugs der Beklagten Ziff. 2 verfolgt. Nachdem der Kläger nicht verlangen kann, so gestellt zu werden, als ob er das Fahrzeug nicht erworben hätte, kommt die Feststellung eines Annahmeverzuges nicht in Betracht.

3. Die Berufung des Klägers ist ferner unbegründet, soweit er mit seiner Klage im Hauptantrag die Feststellung der Ersatzpflicht der Beklagten Ziff. 2 für weitere neben dem sog. großen Schadenersatz entstehende Schäden begehrt. Eine solche Ersatzpflicht der Beklagten Ziff. 2 ist nicht festzustellen, da der Kläger bereits keinen Anspruch auf den großen Schadensersatz hat.

4. Die Berufung des Klägers ist jedoch in Teilen begründet, soweit er mit seiner Klage zuletzt hilfsweise noch die Zahlung eines sog. Differenzschadensersatzes verfolgt. Dem Kläger steht gegen die Beklagte Ziff. 2 als Fahrzeugherstellerin ein Anspruch auf Ersatz eines solchen Schadens in Höhe von 5.865 € aus §§ 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV zu.

a. Die zuletzt mit dem Hilfsantrag erklärte Antragsänderung im Rahmen des Zahlungsantrags ist zulässig. Ein Wechsel der Schadensbemessung, der auf einer Änderung der Disposition des Geschädigten beruht, stellt nach § 264 Nr. 3 ZPO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO keine Klageänderung dar, sofern der Lebenssachverhalt im Übrigen unverändert bleibt (BGH, Urteil vom 22. Februar 2018 – VII ZR 46/17 –, Rn. 53, juris). Dies ist hier der Fall, nachdem der Kläger den Anspruch auf Ersatz eines Differenzschadens auf den Einsatz eines Thermofensters in dem streitgegenständlichen Fahrzeug stützt, auf den er - jedenfalls auch - seinen Anspruch nach § 826 BGB bereits gestützt hat.

b. Ein Anspruch auf Ersatz eines Differenzschadens kann sich aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV gegen den Fahrzeughersteller ergeben, weil ihm aufgrund des Vertragsschlusses ein Vermögensschaden entstanden ist (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 335/21 - Rn. 28, juris).

Das unionsrechtlich geschützte Interesse, durch den Abschluss eines Kaufvertrages über ein Kraftfahrzeug nicht wegen eines Verstoßes des Fahrzeugherstellers gegen das europäische Abgasrecht eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 21.03.2023, C-100/21, Rn. 85; juris) ist von § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV nach der gebotenen unionsrechtlichen Lesart geschützt (BGH a. a. O. Rn. 32). Zentraler Anknüpfungspunkt der Haftung ist die Pflicht des Herstellers, eine Übereinstimmungsbescheinigung für die Zulassung zu überlassen, weshalb der Fahrzeugkäufer vernünftigerweise erwarten könne, dass die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 und insbesondere deren Art. 5 eingehalten seien (BGH a. a. O. Rn. 29). Im Falle des Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung wird der Geschädigte durch Gewährung des Differenzschadens wegen der Enttäuschung des Käufervertrauens so behandelt, als wäre es ihm in Kenntnis der wahren Sachlage und der damit verbundenen Risiken gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen. Sein Schaden liegt daher in dem Betrag, um den er den Kaufgegenstand mit Rücksicht auf die mit der unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Risiken zu teuer erworben hat (BGH a. a. O. Rn. 40).

Wenn die Voraussetzungen der §§ 826, 31 BGB nicht vorliegen, also insbesondere in den Fällen bloßer Fahrlässigkeit, greift § 823 Abs. 2 BGB ein und stellt im Rahmen der Grenzen des nationalen Rechts sicher, dass der Verstoß gegen § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV sowie Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht folgenlos bleibt (BGH, a. a. O. Rn. 44).

Im Rahmen der Erwerbskausalität kann sich der Erwerber auf den Erfahrungssatz stützen, dass er den Kaufvertrag zu dem Kaufpreis nicht geschlossen hätte (vgl. BGH a. a. O. Rn. 55). Es ist hierbei nicht entscheidend, ob ihm überhaupt die unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung vorgelegen und er deren Inhalt zur Kenntnis genommen hat. Denn der Erwerber eines Kraftfahrzeuges geht auch ohne Kenntnisnahme typischerweise davon aus, dass der Hersteller für das Fahrzeug eine Übereinstimmungsbescheinigung ausgegeben hat und dass diese die gesetzlich vorgesehene Übereinstimmung mit allen maßgebenden Rechtsakten zutreffend ausweist (BGH a. a. O. Rn. 56).

Die Schätzung des Differenzschadens unterliegt in den Fällen des Vertrauens eines Käufers auf die Richtigkeit der Übereinstimmungsbescheinigung bei Erwerb eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs unionsrechtlichen Vorgaben für die Anwendung des nationalen Rechts sowohl in Bezug auf die Untergrenze als auch auf die Obergrenze des nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV zu gewährenden Schadensersatzes. Damit wird das Schätzungsermessen innerhalb einer Bandbreite zwischen 5% und 15% des gezahlten Kaufpreises rechtlich begrenzt (vgl. BGH a. a. O. Rn. 73).

c. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 6, 27 EG-FGV sind im vorliegenden Fall erfüllt. Die Beklagte Ziff. 2 hat eine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung erteilt, weil das Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. d. Art 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgerüstet ist und die Beklagte Ziff. 2 auch schuldhaft gehandelt hat.

aa. Die Beklagte Ziff. 2 hat eine unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung (Anlage K73) erteilt, da in dem streitgegenständlichen Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt eines Thermofensters zum Einsatz kommt.

 (1) Eine Übereinstimmungsbescheinigung ist unzutreffend, wenn das jeweilige Kraftfahrzeug mit einer gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet ist, weil die Bescheinigung dann eine tatsächlich nicht gegebene Übereinstimmung des konkreten Kraftfahrzeugs mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausweist. Auf den Inhalt der zugrundliegenden EG-Typengenehmigung kommt es dabei nicht an. Die Übereinstimmungsbescheinigung weist danach gemäß der bindenden Auslegung des Unionsrechts durch den Europäischen Gerichtshof nicht nur die Übereinstimmung des konkreten Kraftfahrzeugs mit dem genehmigten Typ aus, sondern auch die Übereinstimmung des konkreten Kraftfahrzeugs mit allen Rechtsakten, also auch mit Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Die Übereinstimmungsbescheinigung verweist nach ihrem gesetzlichen Inhalt auch auf materielle Voraussetzungen, die im Falle einer unzulässigen Abschalteinrichtung nicht vorliegen (BGH a. a. O. Rn. 34,).

Unter welchen konkreten Umständen eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt, richtet sich nach Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007. Bei der Subsumtion unter Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs auf die Verwendung des Fahrzeugs unter Fahrbedingungen abzustellen, wie sie im gesamten Unionsgebiet üblich sind (EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 - C-128/20, Rn. 40, juris). Dieses Verständnis des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 trägt dem räumlichen Geltungsbereich der Verordnung Rechnung. Für die Bewertung einer Vorrichtung als Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 können deshalb nicht nur die tatsächlichen Fahrbedingungen und darunter die Temperaturverhältnisse in einem Mitgliedstaat oder gar nur in bestimmten Regionen von Mitgliedstaaten von Bedeutung sein (BGH, a. a. O. Rn. 50).

Nach Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 kann eine Abschalteinrichtung schon dann vorliegen, wenn die Funktion nur eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems in Abhängigkeit von bestimmten Parametern verändert und die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs verringert wird. Ob die Grenzwerte unter den Bedingungen des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) auch bei veränderter Funktion eingehalten würden, ist mit Rücksicht auf den Wortlaut des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht von Bedeutung (BGH, a.a.O., Rn. 51).

Nach allgemeinen Regeln trifft die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer Abschalteinrichtung als solcher im Sinne der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 den Kläger als Anspruchsteller, weil es sich um einen anspruchsbegründenden Umstand handelt. Der Beklagten als Anspruchsgegnerin obliegt hingegen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine festgestellte Abschalteinrichtung zulässig ist. Das ergibt sich aus dem Regel-Ausnahme-Verhältnis des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, weil die Verwendung einer Abschalteinrichtung nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 grundsätzlich unzulässig und nur unter den besonderen Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausnahmsweise zulässig ist (vgl. BGH a. a. O. Rn. 53 - 54, juris).

Eine Abschalteinrichtung im Sinne der vorstehenden Norm ist in Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 definiert als ein Konstruktionsteil, das die Temperatur, die Fahrzeuggeschwindigkeit, die Motordrehzahl (UpM), den eingelegten Getriebegang, den Unterdruck im Einlasskrümmer oder sonstige Parameter ermittelt, um die Funktion eines beliebigen Teils des Emissionskontrollsystems zu aktivieren, zu verändern, zu verzögern oder zu deaktivieren, wodurch die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems unter Bedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, verringert wird. Eine Einrichtung, die die Einhaltung der in der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vorgesehenen Emissionsgrenzwerte nur gewährleistet, wenn die Außentemperatur zwischen 15 und 33 Grad Celsius liegt und der Fahrbetrieb unterhalb von 1.000 Höhenmetern erfolgt, ist als eine "Abschalteinrichtung" im Sinne des Art. 3 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu bewerten (vgl. EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – C-128/20 –, Rn. 47; vgl. auch BGH, Urteil vom 1. Dezember 2022 – VII ZR 359/21 – Rn. 23, beide in juris).

 (2) Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug kommt ein Thermofenster in Gestalt einer über die Umgebungstemperatur gesteuerten Beeinflussung der AGR-Rate zur Anwendung. Dieses bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug vorhandene Thermofenster hat die Wirkweise, dass die AGR innerhalb 17° C bis 33° C vollumfänglich aktiv ist, außerhalb dieses Rahmen jedoch reduziert und schließlich ganz abgeschaltet wird.

Ausgehend von der obigen Definition und den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen ist die hier vorliegende Funktionsweise des Thermofensters als Abschalteinrichtung zu bewerten. Denn anhand der Umgebungstemperatur verändert sich die AGR-Rate, was zu höheren Emissionen und damit auch einem veränderten Emissionsverhalten führt und dies - ausgehend von dem hier unstreitigen Temperaturrahmen, bei dem die AGR unvermindert erfolgt - unter Bedingungen, wie sie bei normalen Fahrbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind. Die Durchschnittstemperaturen in Deutschland - ohne dass diese alleine maßgeblich wären - liegen bei 12,7° bis 14,3° C. Nach der vorliegenden Funktionsweise findet eine AGR bei Durchschnittstemperaturen nicht mehr - oder allenfalls nur noch vermindert, was jedoch schon genügen würde - statt. Dass das Fahrzeug die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte auch ohne die - nur im Rahmen des Temperaturfensters voll funktionierende - AGR gleichermaßen einhält, behauptet die Beklagte Ziff. 2 nicht.

 (3) Das vorstehend beschriebene Thermofenster ist nicht gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausnahmsweise zulässig, da keiner der unter lit. a bis c aufgeführten Ausnahmetatbestände vorliegt. Entgegen der Argumentation der Beklagten Ziff. 2 ist das Thermofenster insbesondere nicht notwendig, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.

 (a) Soweit die Beklagte Ziff. 2 sich hier auf Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 beruft, kommt es auf die Frage des Risikos einer Belagsbildung und etwaiger - ggf. auch sicherheitsrelevanter - Gefährdungen für den Motor nicht entscheidend an. Aufgrund des Normzwecks, der eine Begrenzung der NOx-Emissionen von Fahrzeugen vorsieht und daher Abweichungen von diesem Ziel nur unter besonderen Umständen zulässt, ist eine Abschalteinrichtung, die dazu führt, dass die vorgesehene Ausnahme während des überwiegenden Teil des Jahres unter den im Unionsgebiet herrschen tatsächlichen Fahrbedingungen zum Tragen kommt, nicht erforderlich im Sinne der Verordnung (EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – C-128/20 –, Rn. 64; bestätigend EuGH, Urteil vom 21.03.2023, C-100/21, Rn. 66; beide in juris). Die - zwischen den Parteien streitigen - technischen Gesichtspunkte, in welchem Ausmaß überhaupt ein „Motorenschutz“ technisch erforderlich ist, bedürfen daher keiner Klärung. Selbst das in diesem Zusammenhang erfolgte Vorbringen der Beklagten Ziff. 2 zu den Auswirkungen einer nicht temperaturgeregelten AGR-Rate als zutreffend unterstellt, wäre das Thermofenster aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung und seines konkreten Temperaturbereichs keine zulässige Abschalteinrichtung. Es kann - in dieser konkreten Ausgestaltung - nicht im unionsrechtlichen Sinn notwendig sein, weil ansonsten die Ausnahme zur Regel würde.

 (b) Unabhängig davon ist das hier eingesetzte Thermofenster auch deshalb eine unzulässige Abschalteinrichtung, weil nach dem hier anzulegenden unionsrechtlichen Verständnis der Ausnahmetatbestand des Art. 5 Abs. 2 Satz 2 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nur erfüllt sein kann, wenn nachgewiesen ist, dass diese Einrichtung ausschließlich notwendig ist, um die durch eine Fehlfunktion eines Bauteils des AGR-Systems verursachten unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigungen oder Unfall zu vermeiden und diese Risiken derart schwer wiegen, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des mit dieser Einrichtung ausgestatteten Fahrzeugs darstellen (vgl. EuGH, Urteil vom 21.03.2023, C-100/21, Rn. 64; juris). Die Ausnahmevorschrift wäre nämlich ihrer Bedeutung beraubt, wenn ein Hersteller Fahrzeuge allein deshalb mit Abschalteinrichtungen ausstatten könnte, um den Motor vor Verschmutzung und Verschleiß zu schützen (EuGH a. a. O. Rn. 63; juris). Die Abschalteinrichtung ist damit nur gerechtfertigt, wenn sie ausschließlich dazu dient, die aufgrund dieser Fehlfunktion nunmehr eintretenden unmittelbaren Risiken für den Motor in Form von Beschädigung oder Unfall zu verhindern.

Dies ist jedoch nicht der Fall. Das Thermofenster dient nach dem Vortrag der Beklagten 2 dem Zweck zu verhindern, dass bei niedrigen Temperaturen der AGR-Kühler versotten könne, was bedeute, dass sich ohne Thermofenster Ruß in einem Umfang von 8 bis 10 mm an der Wand der AGR-Einleitstelle absetzen könne. Diese dann zunehmende Versottung könne zu einer Verklemmung des AGR-Ventils führen, was zu Beeinträchtigung des Motorenbetriebs führen könne. Aussetzer des Motors wiederum könnten zu einer Beeinträchtigung des Leistungs- und Fahrverhaltens des Fahrzeugs führen. Es bestehe dann keine Sicherheit mehr, dass das Fahrzeug beschleunige und so reagiere, wie es für das sichere Verkehrsverhalten erforderlich sei (S. 11 ff der Klageerwiderung).

Die Beklagte hat damit weder aufgezeigt, dass die Belagsbildung überhaupt zu plötzlichen Ereignissen im Sinne der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs führen kann, noch dass diese Abschalteinrichtung ausschließlich dem Zweck der Verhinderung solcher Ereignisse diene. Ohnehin geht es nach dem Vortrag der Beklagten Ziff. 2 bei dieser Abschalteinrichtung nicht darum, Risiken zu vermeiden, die unmittelbar durch die Fehlfunktion eines Bauteils des AGR-Systems entstehen, sondern es geht darum, bereits eine Fehlfunktion eines solchen Bauteils zu verhindern. Dies entspricht jedoch nicht der vorgenannten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte Ziff. 2 in der Berufungserwiderung unter Bezugnahme auf die zuvor zitierten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs geltend macht, Thermofenster dienten nicht etwa dazu, eine bloße Alterung oder Verschmutzung des Motors zu verhindern, vielmehr bestehe ihr Zweck darin, plötzliche und unvorhersehbare Motorschäden zu vermeiden, die sich durch regelmäßige Wartungsmaßnahmen gerade nicht verhindern ließen, sowie dass es zu nicht vorhersehbaren Schadensabläufen und Risiken für den sicheren Betrieb kommen könne. Denn auch damit hat die Beklagte weder so schwerwiegende Risiken dargelegt, dass sie eine konkrete Gefahr beim Betrieb des Fahrzeugs darstellen, noch dass die Einrichtung dem ausschließlichen Schutz vor solchen Risiken diene.

Die Beklagte Ziff. 2 kann auch nicht damit gehört werden, dass der Einsatz von Thermofenstern nach der im Zeitpunkt der Erteilung der Typengenehmigung geltenden Rechtslage rechtlich zulässig gewesen sei und dies erst durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14.07.2022 (EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – C-128/20, juris) eine Änderung erfahren habe. Eine Änderung der Rechtslage liegt natürlich nicht vor. Der Europäischen Gerichtshof hat die Rechtslage nicht geändert und insbesondere keine ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung geschaffen, sondern lediglich eine am Zweck der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 orientierte Auslegung des Wortlauts von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung vorgenommen. Die Rechtslage war schon vorher nicht anders.

bb. Der Verstoß der Beklagten Ziff. 2 gegen § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV durch die Erteilung einer unzutreffenden Übereinstimmungsbescheinigung ist auch schuldhaft erfolgt.

 (1) Ein Schadensersatzanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB setzt ein Verschulden des Schädigers voraus. Da § 37 Abs. 1 EG-FGV den vorsätzlichen und fahrlässigen Verstoß gegen § 27 Abs. 1 Satz 1 EG-FGV als Ordnungswidrigkeit behandelt, genügt für die Schadensersatzpflicht nach § 823 Abs. 2 BGB der fahrlässige Verstoß gegen die EG-Fahrzeuggenehmigungsverordnung im Sinne des objektiven Fahrlässigkeitsmaßstabs des Bürgerlichen Rechts (BGH a. a. O. Rn. 38). Zwar trifft hinsichtlich des Verschuldens als anspruchsbegründender Voraussetzung gemäß § 823 Abs. 2 BGB gewöhnlich den Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast. Jedoch muss derjenige, der objektiv ein Schutzgesetz verletzt hat, Umstände darlegen und erforderlichenfalls beweisen, die geeignet sind, die daraus folgende Annahme seines Verschuldens in Form einer Fahrlässigkeit auszuräumen. Insofern besteht eine von der objektiven Schutzgesetzverletzung ausgehende Verschuldensvermutung (BGH, a.a.O., Rn. 37 f., 59). Hierbei ist nach dem an der Systematik des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 orientierten Normverständnis, wonach Abschalteinrichtungen nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen zulässig sein können, davon auszugehen, dass das mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV verbundene und letztlich auf Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 beruhende Verbot hinreichend konkret ist (BGH, a.a.O., Rn. 60).

Der Fahrzeughersteller, der sich unter Berufung auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum entlasten will, muss sowohl den Verbotsirrtum als solchen als auch die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums konkret darlegen und beweisen. Nur ein auch bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt unvermeidbarer Verbotsirrtum kann entlastend wirken. Ein entlastend wirkender Verbotsirrtum kann vorliegen, wenn der Schädiger die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig geprüft hat und er bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte (BGH, a.a.O., Rn. 63).

Eine Entlastung ohne Rücksicht auf die aus den vorstehenden Erwägungen folgenden Sorgfaltspflichten, etwa mit Rücksicht auf den Umstand, dass der Verwendung von Thermofenstern ein allgemeiner Industriestandard zugrunde lag oder dass nach Angaben des KBA jedes Kraftfahrzeug mit einem Dieselmotor mit einer Abgasrückführung über ein Thermofenster verfügt, kommt dagegen nach dem gesetzlichen Fahrlässigkeitsmaßstab nicht in Betracht (BGH, a.a.O., Rn. 70).

 (2) Nach diesen Maßstäben hat die Beklagte Ziff. 2 schuldhaft gehandelt. Die Beklagte Ziff. 2 hat die von der objektiven Schutzgesetzverletzung ausgehende Verschuldensvermutung nicht ausgeräumt. Sie kann sich auch nicht auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum berufen.

 (a) Die Beklagte Ziff. 2 hat schon einen Verbotsirrtum als solchen – trotz der von ihr im Schriftsatz vom 11.08.2023 aufgegriffenen Hinweise des Senats im Termin vom 11.07.2023 – nicht konkret (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 63) dargelegt.

Die Beklagte Ziff. 2 führt lediglich aus, sie bzw. die für die Entwicklung der Fahrzeuge bei der Beklagten Ziff. 2 zuständigen Mitarbeiter seien davon ausgegangen, dass das im streitgegenständlichen Fahrzeug implementierte Thermofenster zum Schutz des Motors und zum sicheren Betrieb des Fahrzeugs erforderlich und damit zulässig sei. Feststellungen zum Vorstellungsbild konkreter Personen seien für die Annahme eines Verbotsirrtums nicht erforderlich. Es sei noch nicht einmal erforderlich, dass die Beklagte Ziff. 2 eine positive Vorstellung von der Zulässigkeit des Thermofensters gehabt habe. Es sei die Aufgabe der Technischen Entwicklung bei der Beklagten Ziff. 2 gewesen, die regulatorische Zulässigkeit der zu entwickelnden Fahrzeugmodelle sicher zu stellen.

Dieser allgemein gehaltene Vortrag genügt ersichtlich nicht für die konkrete Darlegung eines Verbotsirrtums. Der mit Rechtsausführungen vermischte Vortrag lässt bereits nicht erkennen, ob sich der Vorstand oder andere zuständige und maßgebliche Entscheidungsträger der Beklagten Ziff. 2 im Sinne des § 31 BGB analog mit der Zulässigkeit des im streitgegenständlichen Fahrzeug implementierten Thermofensters auseinandergesetzt und welche Überlegungen sie hierbei angestellt haben. Aus dem Vortrag der Beklagten Ziff. 2 geht insbesondere nicht hervor, dass und ob sich der Vorstand oder einzelne Mitglieder des Vorstands, vor allem die für die Motorentwicklung und für die Rechtsabteilung zuständigen, konkrete Vorstellungen über die Zulässigkeit des Thermofensters machten, die Grundlage für einen Irrtum sein könnten. Die Beklagte Ziff. 2 behauptet auch nicht, dass das Thermofenster und seine Zulässigkeit nicht Gegenstand der Erörterungen und Beschlüsse des Vorstands gewesen seien. Letztlich lässt der Vortrag der Beklagten Ziff. 2 hierzu alles offen. Auch zu den Entscheidungsprozessen bei der Beklagten Ziff. 2 im Zusammenhang mit dem Thermofenster findet sich nichts.

Daran ändert auch der unter Beweis des Zeugen M.B. gestellte Vortrag nichts, wonach „die Beklagte“ zum Zeitpunkt der Beantragung der Typgenehmigung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp davon ausgegangen sei, dass das im streitgegenständlichen Fahrzeug implementierte Thermofenster zum Schutz des Motors und zum sicheren Betrieb des Fahrzeugs erforderlich und damit zulässig sei und „die für die Entwicklung der Fahrzeuge bei der Beklagten zuständigen Mitarbeiter“ davon ausgegangen seien, dass sie mit der gewählten Form der Abrampung der AGR in Abhängigkeit von der Umgebungslufttemperatur den erforderlichen Grad an Motorschutz und dem Schutz des sicheren Fahrzeugbetriebes gefunden hätten, den der Stand der technologischen Entwicklung zu diesem Zeitpunkt ermöglicht habe. Denn auch damit ist nicht dargelegt, dass eine für die Beklagte Ziff. 2 verantwortliche Person im Sinne des § 31 BGB analog einer Fehlvorstellung über die Zulässigkeit des vorliegenden Thermofensters unterlegen wäre. Damit ist noch nicht einmal vorgetragen, dass der benannten Zeuge selbst sich geirrt hätte. Selbst wenn man dies annehmen wollte, so wäre ein Irrtum dieses für die Entwicklung von Fahrwerksystemen (und nicht für Motoren) zuständigen Mitarbeiters unerheblich, ohne dass es noch darauf ankäme, dass auch für diesen Mitarbeiter die Voraussetzungen von § 31 BGB analog nicht dargelegt sind (vgl. das Organigramm auf S. 16 des Schriftsatzes vom 11.08.2023, wonach sich der Zeuge auf einer noch niedrigeren Hierarchieebene befinden dürfte).

Soweit die Beklagte Ziff. 2 unter Bezugnahme auf strafrechtliche Literatur ausführt, dass es aus rechtlichen Gründen nicht erforderlich sei, dass sie eine positive Vorstellung von der Zulässigkeit des Thermofensters gehabt habe, kann dahinstehen, ob diese Rechtsauffassung zutrifft. Denn ihre Ausführungen lassen schon nicht erkennen, dass es sich im konkreten Fall tatsächlich so verhielt. Auf den Hinweis des Senats, dass die Darlegung eines Verbotsirrtums möglicherweise nur durch Vorlage von Vorstandsprotokollen erfolgen könne, geht die Beklagte Ziff. 2 im Schriftsatz vom 11.08.2023 nicht ein. Sie lässt damit offen, ob der Vorstand in die Entscheidungsprozesse hinsichtlich der Implementierung und Ausgestaltung des Thermofensters eingebunden war.

Soweit die Beklagte Ziff. 2 ausführt, dass es die Aufgabe der Technischen Entwicklung bei der Beklagten Ziff. 2 gewesen sei, die regulatorische Zulässigkeit der zu entwickelnden Fahrzeugmodelle sicher zu stellen, geht daraus weder hervor, welche der aus dem Organigramm auf Seite 16 des Schriftsatzes vom 11.08.2023 ersichtlichen Entwicklungsabteilungen konkret mit der Entwicklung des Thermofensters befasst waren, noch behauptet die Beklagte Ziff. 2 konkret, dass die leitenden Angestellten dieser Abteilungen keine positive Vorstellung von der Zulässigkeit des Thermofensters gehabt hätten, sondern stillschweigend von dessen Zulässigkeit ausgegangen seien, noch dass andere Entscheidungsträger eine oder keine Fehlvorstellung von der Zulässigkeit des Thermofensters gehabt hätten.

Ohnehin ist kaum anzunehmen, dass ein Thermofenster, bei dem die Abrampung bereits bei Temperaturen unter 17°C und über 33°C beginnt, so dass die Abgasrückführung nahezu nur bei Prüfstandstemperaturen uneingeschränkt und unter den im Unionsgebiet herrschenden Fahrbedingungen den überwiegenden Teil des Jahres nur eingeschränkt funktioniert, von den verantwortlichen Entscheidungsträgern der Beklagten Ziff. 2 stillschweigend als zulässig angesehen wird, ohne diese Annahme zu hinterfragen. Immerhin verfügt die Beklagte Ziff. 2 als großer Automobilkonzern in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft über eine eigene, sicherlich bedeutende Rechtsabteilung. Auch und gerade weil die konkrete Ausgestaltung des im streitgegenständlichen Fahrzeug implementierten Thermofensters nahelegt, dass dieses bewusst auf die Bedingungen auf dem Rollenprüfstand zugeschnitten ist, ist kaum vorstellbar, dass die intern verantwortlichen Entscheidungsträger und die Rechtsabteilung der Beklagten Ziff. 2 sich über die Zulässigkeit eines solchen Thermofensters keine Gedanken gemacht und keine rechtlichen Überlegungen angestellt haben.

Ohne konkrete Darlegung des Verbotsirrtums kann der Senat nicht in eine Beweiswürdigung dazu eintreten, ob verantwortliche Personen der Beklagten Ziff. 2 im Sinne des § 31 BGB analog einem solchen unterlagen. Auch wenn Thermofenster gängiger Industriestandard gewesen sein mögen, ist keineswegs ohne Weiteres davon auszugehen, dass die Entscheidungsträger der Beklagten Ziff. 2 ein Thermofenster mit der konkret in Rede stehenden Ausgestaltung nach rechtlicher Prüfung für zulässig hielten oder stillschweigend von seiner Zulässigkeit ausgingen. Es ist in Anbetracht der Regelung des Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 eher naheliegend, dass die Entscheidungsträger der Beklagten Ziff. 2 die rechtliche Problematik erkannt haben, und keinesfalls selbstverständlich, dass sie nach Prüfung zur Zulässigkeit des Thermofensters gelangen mussten.

Dies gilt umso mehr, als dass die Beklagte Ziff. 2 mit Schriftsatz vom 26.06.2023 (S. 14) ausführt, sie hätte bereits aufgrund der besonders unklaren (regulatorischen) Rechtslage nicht erkennen und vermeiden müssen, dass die ausgestellte Übereinstimmungsbescheinigung wegen der Verwendung eines Thermofensters unrichtig sein könnte. Wenn die Beklagte Ziff. 2 die Rechtslage damit aber als unklar angesehen hat, kann sie sich, insbesondere bei sorgfältiger Prüfung der Rechtslage, kaum über die Möglichkeit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte geirrt haben.

Mit dem Argument, der Europäische Gerichtshof habe am 14. Juli 2022 mit dem sogenannten verkehrstechnischen Kriterium „eine weitere, ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung“ in Form einer Rückausnahme zur Rechtfertigung wegen Motorschutz geschaffen, mit der sie im Zeitpunkt der Beantragung der Typgenehmigung nicht habe rechnen müssen, kann die Beklagte Ziff. 2 nicht gehört werden. Denn Europäische Gerichtshof hat - wie bereits an anderer Stelle ausgeführt - keine ungeschriebene Zulässigkeitsvoraussetzung geschaffen, sondern lediglich eine am Zweck der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 orientierte Auslegung des Wortlauts von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung vorgenommen, die ohne weiteres einleuchtend ist und die die Beklagte Ziff. 2 deshalb bei sorgfältiger Prüfung der - von ihr, wie ausgeführt, als besonders unklar beschriebenen - Rechtslage schon im Zeitpunkt der Beantragung der Typgenehmigung ernsthaft in Betracht ziehen musste. Auf die nicht fernliegende Möglichkeit einer solchen Auslegung hat der Senat die Prozessvertreter der Beklagten Ziff. 2 mit Blick auf die Regel des Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 bereits in der mündlichen Verhandlung vom 23.02.2021 in der Sache 8 U 13/20 hingewiesen. Eine abweichende europäische Rechtsprechung gab es zuvor nicht.

 (b) Da es bereits an der Darlegung eines Verbotsirrtums fehlt, kommt es nicht mehr darauf an, ob sich die Beklagte Ziff. 2 auf eine Unvermeidbarkeit eines solchen Irrtums berufen könnte.

cc. Durch den schuldhaften Verstoß der Beklagten Ziff. 2 gegen § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV hat die Klägerin einen Vermögensschaden in Höhe von 5.865 € erlitten.

 (1) Der Kläger hat einen Schaden in Höhe des Betrages erlitten, um den sie das Fahrzeug mit Rücksicht auf die mit der unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Risiken zu teuer erworben hat. Wie bereits ausgeführt, kann sich der Kläger zur Erwerbskausalität nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV auf den Erfahrungssatz stützen, dass sie den Kaufvertrag zu diesem Kaufpreis nicht geschlossen hätte. Für die Anwendung eines solchen Erfahrungssatzes ist nicht von Bedeutung, ob ihm beim Erwerb des Fahrzeugs die von der Beklagten Ziff. 2 ausgegebene unzutreffende Übereinstimmungsbescheinigung vorgelegen und ob er von deren Inhalt Kenntnis genommen hat.

Umstände, die diesen Erfahrungssatz widerlegen, sind im Streitfall weder dargetan noch sonst ersichtlich. Insbesondere hat die Beklagte Ziff. 2 nicht dargelegt, dass sie die Ausrüstung des Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung in einer Art und Weise bekannt gegeben hat, die einem objektiven Dritten die mit dem Kauf des Fahrzeugs verbundenen Risiken verdeutlichen muss (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 32). Die Beklagte Ziff. 2 hat im Gegenteil stets behauptet und macht noch immer geltend, dass das Thermofenster (jedenfalls bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 14.07.2022) keine unzulässige Abschalteinrichtung (gewesen) sei und eine Stilllegung des Fahrzeugs nicht drohe.

Ebenfalls unerheblich ist, dass die Beklagte Ziff. 2 bestritten hat, es sei dem Kläger gerade um den Kauf eines umweltfreundlichen Fahrzeugs gegangen. Der Kläger hat zumindest berechtigt darauf vertrauen können, ein Fahrzeug zu erwerben, welches den gesetzlichen - und auch den unionsrechtlichen - Anforderungen entspricht. Dieses Vertrauen ist losgelöst von einem Wunsch nach einer besonderen Umweltfreundlichkeit; es würde auch dann bestehen, wenn dem Kläger Umweltbelange letztlich bedeutungslos gewesen seien sollten. Denn in jedem Fall hatte der Kläger im Erwerbszeitpunkt Interesse an einem rechtskonformen Fahrzeug, bei dem ihm nicht die Gefahr etwaiger Betriebseinschränkungen droht.

(2) Der Senat schätzt die Höhe des dem Kläger entstandenen Vermögensschadens gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles innerhalb der zuvor beschriebenen unionsrechtlich vorgegebenen Bandbreite mit 10 % des gezahlten Kaufpreises von 58.650 €. Der Senat geht davon aus, dass der objektive Wert des Fahrzeugs durch das mit dem Thermofenster verbundene Risiko der Betriebsstilllegung in diesem Umfang gemindert ist. Der Differenzschaden beläuft sich damit auf 5.865 €.

Die Höhe des entstandenen Differenzschadens ist einer tatrichterlichen Schätzung nach § 287 ZPO zugänglich. Bei der Schätzung des Schadens innerhalb eines Rahmens zwischen 5 und 15 % sind für die Bestimmung des objektiven Werts des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die mit der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung verbundenen Nachteile, insbesondere das Risiko behördlicher Anordnungen, zu berücksichtigen. Weiter ist der Umfang in Betracht kommender Betriebsbeschränkungen und die Eintrittswahrscheinlichkeit solcher Beschränkungen mit Rücksicht auf die Einzelfallumstände in den Blick zu nehmen. Maßgebend ist dabei eine auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogene Betrachtung (BGH, a. a. O. Rn. 76). Über diese originär schadensrechtlichen Gesichtspunkte hinaus sind das Gewicht des der Haftung zugrundeliegenden konkreten Rechtsverstoßes für das unionsrechtliche Ziel der Einhaltung gewisser Emissionsgrenzwerte sowie den Grad des Verschuldens nach Maßgabe der Umstände des zu beurteilenden Einzelfalls zu bewerten, um so dem Gebot einer verhältnismäßigen Sanktionierung auch bezogen auf den zu würdigenden Einzelfall Rechnung zu tragen (BGH a.a.O. Rn. 77).

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände handelt es sich vorliegend in jeder Hinsicht, sowohl was die Art als auch was die möglichen Folgen des Verstoßes angeht, um einen mittelschweren Fall, der die Anwendung des mittleren Prozentsatzes von 10 % rechtfertigt.

Die Einwendungen der Beklagten gegen die Schätzung des Differenzschadens innerhalb der unionsrechtlich vorgegebenen Bandbreite sind unerheblich, weil die Grundsätze der Effektivität auf der einen und der Verhältnismäßigkeit auf der anderen Seite den Ausgleich eines Differenzschadens aus Rechtsgründen begrenzen (BGH, a.a.O., Rn. 79).

Nachdem der Schaden des Klägers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu bestimmen ist, kommt es auf einen bislang nicht erfolgten verpflichtenden Rückruf oder den derzeitigen Fortbestand der EG-Typengenehmigung nicht an. Der mit Schriftsatz vom 26.06.2023 der Beklagten Ziff. 2 erfolgte Vortrag, das KBA werde die Typengenehmigung nicht widerrufen, ist danach für das Vorliegen eines Schadens im Zeitpunkt des Vertragsschlusses unbeachtlich. Solche Umstände können im Rahmen der konkreten Schadensschätzung allenfalls als Indizien dafür herangezogen werden, mit welchen Risiken im Zeitpunkt des Vertragsschlusses zu rechnen war. Der Vortrag, wonach das KBA die Typengenehmigung auch in der Zukunft nicht widerrufen werde, kann dabei schon deshalb keine durchgreifende Bedeutung zukommen, da das KBA durch die Verwaltungsgerichte zum Handeln verpflichtet werden kann (vgl. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 20. Februar 2023 – 3 A 113/18 –, juris). Die nun erfolgende Anhörung der Beklagten Ziff. 2 durch das KBA in Reaktion auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zeigt zudem, dass das KBA zumindest in Erwägung zieht, Maßnahmen wegen des - auch im Falle eines Updates aufgeweiteten - Thermofensters zu ergreifen.

 (3) Auf den genannten Schaden sind vorliegend weder Nutzungsvorteile noch der Restwert des Fahrzeugs anzurechnen.

 (a) Auf den Differenzschaden können im Wege der Vorteilsausgleichung die Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs nach den Grundsätzen für die Berechnung des sogenannten kleinen Schadensersatzanspruchs anzurechnen sein (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 80). Danach sind Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs auf den Anspruch auf kleinen Schadensersatz aber erst dann und nur insoweit schadensmindernd anzurechnen, als sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen (BGH, Urteil vom 24. Januar 2022 – VIa ZR 100/21 –, juris Rn. 22). Im Streitfall übersteigen die Nutzungsvorteile und der Restwert den anfänglichen Fahrzeugwert jedoch nicht, so dass ein zu ersetzender Schaden in vorgenannter Höhe verbleibt.

 (b) Die hier anzusetzende Nutzungsentschädigung kann im Wege der Schätzung gemäß § 287 ZPO ermittelt werden, indem der gezahlte Bruttokaufpreis für das Fahrzeug durch die voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt geteilt und dieser Wert mit den gefahrenen Kilometern multipliziert wird (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 24). Der Senat legt diese lineare Berechnungsmethode seiner Schätzung in ständiger Rechtsprechung zugrunde. Die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit 3.0 l-Motor veranschlagt der Senat mit 300.000 km (vgl. Senat, Urteil vom 16. Juli 2021 – 8 U 32/20 –, juris Rn. 47).

Der Kläger erwarb das Fahrzeug mit einer Laufleistung von 7.000 km. Der Kilometerstand betrug im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung über die Berufung 70.878 km. Nach der vom Senat herangezogenen Berechnungsmethode ergibt sich damit eine Nutzungsentschädigung für die gesamte bisherige Nutzungsdauer des Fahrzeugs von 12.786,50 € (= 58.650 € geteilt durch 293.000 km [= 300.000 km minus 7.000 km] mal 63.878 km [= 70.878 km minus 7.000 km]).

Den Restwert des Fahrzeugs kann vorliegend mit dem von der Beklagten Ziff. 2 im nachgelassenen Schriftsatz vom 11.08.2023 behaupteten Wert von 24.000 € zugrunde gelegt werden, wobei dieser Wert schon über dem in der von der Beklagten Ziff. 2 vorgelegten DAT-Bewertung (Anlage BE10) beschriebenen Verkaufspreis liegt, ohne dass sich hieraus eine Anrechnung auf den Schaden ergibt.

Für den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klägerin ist die Differenz aus dem vom Kläger gezahlten Kaufpreis von 58.650 € und dem unter (2) ermittelten Differenzschaden von 5.865 € zugrunde zu legen, sodass sich dieser Wert auf 52.785 € beläuft.

Daraus folgt, dass die Summe aus den vom Kläger erlangten Nutzungsvorteilen in Höhe von 12.786,50 € und dem Restwert des Fahrzeugs von 24.000 € den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klägerin in Höhe von 52.785 € nicht übersteigt. Erst ein - hier nicht ansatzweise anzunehmender - Restwert des Fahrzeugs von 40.000 € würde zu dem Ergebnis führen, dass Nutzungsvorteile auf den Schaden anzurechnen wären.

 (4) Eine Schadensminderung kommt hier auch nicht aufgrund des Aufspielens eines Updates in Betracht. Die Beklagte Ziff. 2 behauptet bereits nicht, dass der Kläger ein Update bei dem Fahrzeug überhaupt hat aufspielen lassen. Im Übrigen könnte eine Schadensminderung durch ein Update ohnehin nur eintreten, wenn es die Gefahr von Betriebseinschränkungen signifikant reduziert, was wiederum nur der Fall sein kann, wenn es selbst keine unzulässige Abschalteinrichtung enthält (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21 –, Rn. 80, juris).

Zwar bietet die Beklagte Ziff. 2 freiwillig ein Software-Update an, welches zu einer Aufweitung des Thermofensters führen soll. Ob dieses zu einer signifikanten Reduzierung der Gefahr von Betriebseinschränkungen führt, lässt sich dem Vortrag der Beklagten Ziff. 2 allerdings schon deshalb nicht entnehmen, weil sie die genaue Bedatung des nach dem Update vorhandenen Thermofensters, insbesondere dessen Umfang, nicht mitteilt. Dass das KBA ein solches Update freigegeben hat, kann demgegenüber nicht entscheidend sein, da nicht durch das KBA abschließend zu beurteilen ist, ob dieses weiterhin eine unzulässige Abschalteinrichtung enthält, sondern durch die Gerichte. Das zuletzt erfolgte Vorbringen der Beklagten Ziff. 2, wonach die gegenüber dem KBA im Rahmen der NFD-Maßnahmen offengelegten Thermofenster in allen Fällen eine Abrampung der AGR bei einer Temperatur vorgesehen hätten, die über der Durchschnittstemperatur im Unionsgebiet von 12° C liege und das KBA die von der Beklagten Ziff. 2 für vorgestellten Software-Updates als freiwillige NFD-Maßnahmen freigegeben habe, legt vielmehr sogar nahe, dass das auch nach einem etwaigen Update die AGR bei Durchschnittstemperaturen nicht oder jedenfalls nur reduziert wirksam ist. Eine signifikante Reduzierung einer Betriebseinschränkung durch ein solches Update kann vor dem Hintergrund der derzeitigen Anhörung der Beklagten Ziff. 2 durch das KBA ebenfalls nicht angenommen werden. Daher ist nicht entscheidend, ob der Kläger ein solches Software-Update zwischenzeitlich hat durchführen lassen.

c. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 288, 291 BGB.Da sich der Streitgegenstand beim Übergang vom großen Schadensersatz zum Differenzschaden bei unverändertem Lebenssachverhalt nach den Ausführungen unter a. nicht ändert, kann die Kläger Rechtshängigkeitszinsen aus dem in der Hauptsache zugesprochenen Betrag, der den mit der Klageerhebung geltend gemachten Betrag nicht übersteigt, ab dem auf die Zustellung der Klage folgenden Tag und nicht erst ab dem auf die Zustellung des Schriftsatzes mit dem geänderten Klageantrag folgenden Tag beanspruchen. Einen weitergehenden - über Prozesszinsen hinausgehenden - Zinsanspruch verfolgt der Kläger mit seinem auf den Ausgleich eines Differenzschadens ausgerichteten Hilfsantrag nicht.

5. Die Berufung ist demgegenüber unbegründet, soweit der Kläger hilfsweise auch die Feststellung einer Ersatzpflicht für weitere - insofern zusätzlich zu dem geltenden gemachten Differenzschaden entstehende - Schäden geltend macht. Es kann dahin gestellt bleiben (vgl. BGH, Urteil vom 24. Februar 1954 – II ZR 3/53 –, BGHZ 12, 308-321, Rn. 11), ob die Klage ist insoweit bereits unzulässig ist, nachdem Vorbringen des Klägers zu etwaigen neben einem Differenzschaden noch möglichen weiteren Schäden fehlt. Denn die Klage ist insofern in jedem Fall unbegründet, da dem Kläger auch bei Bejahung eines Ersatzanspruches wegen des Differenzschadens keine Ansprüche gegen die Beklagte Ziff. 2 erwachsen, die gerade zum Anknüpfungspunkt haben, dass die Beklagte Ziff. 2 das streitgegenständliche Fahrzeug dahingehend beeinflusst hat, dass es auf dem Prüfstandsbetrieb einen geringeren Ausstoß aufweist, als im regulären Straßenbetrieb. Insofern ist mangels Feststellung einer mit einer gezielten Prüfstandserkennung verbundenen Umschaltlogik einziger Anknüpfungspunkt einer Haftung der Beklagten Ziff. 2 der Einsatz eines Thermofensters, bei dem die AGR-Rate - bei Vorliegen der entsprechenden Umgebungstemperaturen - auch im realen Straßenbetrieb unvermindert wirksam ist.

6. Die Berufung des Klägers ist ebenso insoweit unbegründet, als er von der Beklagten Ziff. 2 die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangt. Ein solcher Anspruch des Klägers besteht - unabhängig davon, dass die vorgerichtliche Tätigkeit auf eine Rückgängigmachung des Kaufvertrages ausgerichtet gewesen ist - nicht.

Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1 Satz 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 15. August 2019 – III ZR 205/17 –, juris Rn. 43; OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.11.2020– 17 U 635/19 –, juris Rn. 82).

Der Kläger hat dazu lediglich vorgetragen, seine Prozessbevollmächtigten hätten seine Ansprüche außergerichtlich geltend gemacht, was sich durch den vorgelegten Schriftverkehr ergebe (Klageschrift S. 200), wobei ein an die Beklagte Ziff. 2 gerichtetes anwaltliches Schreiben als Teil der Anlage K72 vorgelegt worden ist. Daraus folgt aber nicht der für eine schlüssige Darlegung eines Anspruchs notwendige Vortrag, den Prozessbevollmächtigten zunächst lediglich mit der außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt zu haben (OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.11.2020 – 17 U 635/19 –, juris Rn. 83). Letzteres ist auch deshalb unwahrscheinlich, weil anzunehmen ist, dass den Prozessbevollmächtigten des Klägers, die ausweislich der von ihnen verwendeten Textbausteine die Klagen zum Dieselskandal als Massengeschäft betreiben, aufgrund der Vielzahl der von ihnen betreuten Mandate bekannt war, dass die Beklagte Ziff. 2 auf außergerichtliche Zahlungsaufforderungen keine Zahlungen leistete. Eines gerichtlichen Hinweises auf die fehlende Schlüssigkeit des Klagevortrags bedarf es bei bloßen Nebenforderungen nicht (§ 139 Abs. 2 S. 1 BGB).

Ungeachtet dessen scheitert ein Anspruch auf Ersatz von vorgerichtlichen Anwaltskosten auch daran, dass es sich bei einer zunächst nur auf die außergerichtliche Geltendmachung des Anspruchs gerichteten Mandatierung unter den hier gegebenen besonderen Umständen nicht um eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung gehandelt hätte. Denn wie oben dargelegt, war den Prozessbevollmächtigten des Klägers aufgrund der Vielzahl der von ihnen betreuten Mandate im Dieselskandal bekannt, dass die Beklagte Ziff. 2 auf außergerichtliche Zahlungsaufforderungen keine Zahlungen leistete. Sie mussten deshalb annehmen und den Kläger darüber aufklären, dass ein zunächst nur auf die außergerichtliche Geltendmachung des Anspruchs beschränktes Mandat nicht zielführend ist und nur unnötige Kosten verursacht. Das den Prozessbevollmächtigten des Klägers aus anderen Mandaten bekannte Verhalten der Beklagten Ziff. 2 legte für sie den Schluss nahe, die Ansprüche des Klägers nur mittels Erhebung einer Klage realisieren zu können, und gab ihnen daher Veranlassung, sich gleich ein unbedingtes Mandat zur Klageerhebung erteilen zu lassen.

III. Nebenentscheidungen

Soweit die Beklagte Ziff. 2 mit Schriftsatz vom 11.08.2023 erstmals behauptet hat, der Kläger habe das streitgegenständliche Fahrzeug als Unternehmer erworben und er sei vorsteuerabzugsberechtigt, ist dieses neue Vorbringen nach § 296a ZPO als verspätet zurückzuweisen. Der Beklagten Ziff. 2 war ein Schriftsatznachlass im Termin zur mündlichen Verhandlung über die Berufung ausschließlich zu der Ankündigung des Senats, einen Restwert des Fahrzeugs ggf. auf Basis öffentlich zugänglicher Datenbanken zu schätzen sowie zu dem Hinweis, der Nachweis des Bestehens eines Verbotsirrtums bei der Beklagten Ziff. 2 könne möglicherweise nur durch die Vorlage von Vorstandsprotokollen erbracht werden, eingeräumt worden. Hiervon war ein Vorbringen zu einer etwaigen Vorsteuerabzugsberechtigung des Klägers und zu sich hieraus ergebenden weiteren etwaigen Steuervorteilen nicht umfasst. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist weder erforderlich noch geboten, § 156 Abs. 1 und 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, Abs. 2, 97 Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich der Kosten erster Instanz konnte es im Wesentlichen bei der dort getroffenen Kostenentscheidung verbleiben, weil trotz des sich im Rahmen der Berufung nunmehr ergebenden Teilobsiegens allein gegenüber der Beklagten Ziff. 2 sich das Unterliegen des Klägers im Vergleich zum dortigen Streitgegenstand mit Beteiligung einer weiteren - am Berufungsverfahren nicht mehr beteiligten - Beklagten als geringfügig darstellt und er daher weiterhin die gesamten Gerichtskosten dieser Instanz zu tragen hat.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

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