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Wirtschaftsrecht
03.12.2020
Wirtschaftsrecht
OLG Karlsruhe: Dieselskandal – kein Anspruch auf Deliktszinsen des Erwerbers eines betroffenen Kfz

OLG Karlsruhe, Urteil vom 10.11.2020 – 17 U 635/19

Volltext: BB-Online BBL2020-2817-5

Leitsätze

1. Ein Erwerber eines vom „Dieselskandal“ betroffenen Fahrzeugs hat keinen Anspruch auf Deliktszinsen gemäß § 849 BGB (Anschluss an BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 354/19 -, juris Rn. 17 ff.).

2. Ein Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB ab Rechtshängigkeit steht dem Erwerber eines solchen Fahrzeugs nicht nur aus dem ausgeurteilten Schadensersatzbetrag zu, sondern aus einem Betrag, der der Differenz aus dem Kaufpreis und dem zu diesem Zeitpunkt im Wege des Vorteilsausgleichs anzurechnenden Nutzungsersatzanspruch entspricht, und sich sodann – sofern nichts Abweichendes vorgetragen ist – täglich linear verringert.

Sachverhalt

I. Die Parteien streiten über Ansprüche des Klägers im Zusammenhang mit dem Kauf eines von dem sog. „Abgasskandal" betroffenen Fahrzeugs.

Die Beklagte stellte unter der Bezeichnung „EA 189" einen Dieselmotor mit der Abgasnorm Euro 5 her, in dessen Motorsteuerung eine zuvor in Kooperation mit der R. B. GmbH entwickelte Software zur Abgassteuerung installiert wurde. Diese Software verfügt über zwei unterschiedliche Betriebsmodi, welche die Abgasrückführung steuern. In dem im Hinblick auf den Stickoxidausstoß optimierten „Modus 1", der beim Durchfahren des für die amtliche Bestimmung der Fahrzeugemissionen maßgeblichen Neuen Europäischen Fahrzyklus (nachfolgend: NEFZ) automatisch aktiviert wird, kommt es zu einer höheren Abgasrückführungsrate, wodurch die gesetzlich geforderten Grenzwerte für Stickoxidemissionen eingehalten werden. Bei im normalen Straßenverkehr anzutreffenden Fahrbedingungen ist der partikeloptimierte „Modus 0“ aktiviert, der zu einer geringeren Abgasrückführungsrate und damit zu einem höheren Stickoxidausstoß führt.

Der o.g. Dieselmotor wurde auf Veranlassung des Vorstands der Beklagten nicht nur in diversen Fahrzeugtypen der Beklagten, sondern auch in solchen der zum V.-Konzern gehörenden Unternehmen verbaut.

Mit Kaufvertrag vom 6. März 2015 erwarb der Kläger bei der W. G. GmbH (im Folgenden: Verkäuferin) ein gebrauchtes Fahrzeug der Marke V. Jetta (Anlage K 1). Das Fahrzeug, das die Fahrzeugidentifikationsnummer ... erhalten hatte, wurde dem Kläger nach Bezahlung des Gesamtpreises von 22.300 EUR brutto übergeben und wies einen Kilometerstand von 22.500 auf. In dem Fahrzeug ist auf Veranlassung des Vorstandes der Beklagten ein Dieselmotor des o.g. Typs EA 189 mit 2,0 Liter Hubraum verbaut, dessen Motorsteuerung im Zeitpunkt der Übergabe die o.g. Software zur Abgassteuerung enthielt.

Mit Bescheid vom 15. Oktober 2015 verfügte das Kraftfahrtbundesamt (im Folgenden: KBA) gegenüber der Beklagten „zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit der [...] Typengenehmigung [...] des Typs EA 189 EU5“ die „unzulässigen Abschalteinrichtungen“ zu entfernen und drohte damit, andernfalls „die Typengenehmigung ganz oder teilweise zu widerrufen oder zurückzunehmen“. Zugleich wurde die Beklagte verpflichtet, den technischen Nachweis zu führen, dass nach Entfernen der als unzulässig eingestuften Abschalteinrichtung alle technischen Anforderungen der relevanten Einzelrechtsakte der Richtlinie 2007/46/EG erfüllt werden.

Im Laufe des Jahres 2016 bestätigte das KBA der Beklagten gegenüber für das streitgegenständliche Modell, dass die in Reaktion auf den Bescheid vom 15. Oktober 2015 von der Beklagten entwickelten technischen Maßnahmen (konkret: ein Softwareupdate) geeignet sind, die Vorschriftsmäßigkeit herzustellen.

Der Kläger hat das von dem KBA für das hier in Streit stehende Fahrzeug freigegebene Softwareupdate vor Klageerhebung am 9. September 2016 aufspielen lassen.

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 5. November 2018 (Anlage K13) forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung ua zur Anerkennung seiner Schadensersatzansprüche auf.

Mit seiner am 31. Dezember 2018 eingegangenen und der Beklagten am 13. Februar 2019 zugestellten Klage hat der Kläger erstinstanzlich folgende Anträge gestellt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs Marke: V. Typ: Jetta Fahrzeug-Identifizierungsnummer: ... an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 22.300,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%- Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Hilfsweise:

1. Die Beklagte wird verurteilt, einen in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Schadensersatz in Höhe von mindestens 25% des Kaufpreises des Fahrzeugs 22.300,00 EUR, mindestens somit 5.575,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei über den Betrag aus Hilfsantrag zu 1) hinausgehenden Schadensersatz für weitere Schäden, die aus der Ausstattung des Fahrzeugs, FIN: ..., mit der manipulierenden Motorsoftware resultieren, zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Zinsen in Höhe von 4 % aus 22.300,00 EUR seit dem 06.03.15 bis zu Beginn der Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von 1.430,38 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

Zur Begründung hat der Kläger ua vorgetragen,

die Entwicklung und das Inverkehrbringen der streitgegenständlichen Software stelle eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung dar. Er – der Kläger – hätte das Fahrzeug bei Kenntnis von dem Einsatz der Software nicht erworben.

Die Beklagte, die ua eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung des Klägers in Abrede gestellt hat, hat erstinstanzlich Klageabweisung beantragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der Anträge wird auf die in dem angefochtenen Urteil getroffenen Feststellungen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 6. Juni 2019 verurteilt, Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des o.g. Kraftfahrzeugs an den Kläger einen Betrag von 14.080,67 EUR zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14. Februar 2019 (Tenor Ziff. 1). Außerdem hat es die Beklagte zur Zahlung von Zinsen in Höhe von 4 % aus 22.300 EUR von 6. März 2015 bis 13. Februar 2019 (Tenor Ziff. 2) und zur Zahlung von 1.029,35 EUR an vorgerichtlichen Anwaltskosten nebst Zinsen verurteilt (Tenor Ziff. 3). Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger könne von der Beklagten Schadensersatz wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung verlangen. Der Kläger habe daher einen Anspruch auf Rückzahlung des gezahlten Kaufpreises. Allerdings müsse er die gezogenen Nutzungen herausgeben. Da die Laufleistung zum Schluss der mündlichen Verhandlung bei 114.645 km gelegen habe, betrage der Nutzungsvorteil – unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km – insgesamt 8.219,33 EUR. Ferner habe der Kläger einen Anspruch auf Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Verzugszinsen seien ebenso zuzusprechen wie Zinsen aus § 849 BGB.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Ausführungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Hiergegen richten sich die Berufungen der Beklagten und des Klägers.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihren Antrag auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Sie hafte dem Kläger gegenüber bereits dem Grunde nach nicht, da die Voraussetzungen einer sittenwidrigen vorsätzlichen Schädigung nicht erfüllt seien.

Der Kläger tritt der Berufung der Beklagten entgegen und verteidigt das angegriffene Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens.

Mit seiner eigenen Berufung verfolgte der Kläger seine erstinstanzlichen Klageanträge zunächst weiter. Da das Fahrzeug unstreitig am 5. Juli 2019 für 7.900 EUR verkauft wurde, beantragt der Kläger zuletzt:

1. Das Urteil des Landgerichts Mosbach vom 06.06.2019 (Az. 1 O 16/19) wird insoweit abgeändert, als es die gegen die Beklagte gerichtete Klage abgewiesen hat.

2. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Herausgabe des Verkaufserlöses aus dem Verkauf des Fahrzeugs Marke: V. Typ: Jetta Fahrzeug-Identifizierungsnummer: .... in Höhe von EUR 7.900,00 an die Klagepartei weitere EUR 8.219,33 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Die Verurteilung erfolgt Zug um Zug gegen Zahlung einer in das Ermessen des Gerichts zu stellenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Fahrzeugs.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei Zinsen in Höhe von 4 % aus EUR 22.300,00 seit dem 06.03.15 bis zu Beginn der Rechtshängigkeit zu bezahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten des außergerichtlichen Vorgehens in Höhe von weiteren EUR 401,03 nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu erstatten.

Die Parteien haben den Rechtsstreit in Höhe von 7.900 EUR in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der klägerischen Berufung. Sie verteidigt insoweit das angegriffene Urteil des Landgerichts unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.

Den vom Kläger zum 5. Juli 2019 behaupteten Kilometerstand von 115.825 km hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 20. Oktober 2020 unstreitig gestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsrechtszug wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Aus den Gründen

II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist größtenteils unbegründet (1.), die zulässige Berufung des Klägers ist – soweit über sie noch nach der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung zu entscheiden war – insgesamt unbegründet (2.), weshalb dem Kläger die geltend gemachten Ansprüche (lediglich) im tenorierten Umfang zustehen (3.).

1. Die zulässige Berufung der Beklagten ist größtenteils unbegründet.

Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 analog BGB dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch in Bezug auf die Schäden zusteht, die aus der Installation der die Betriebsmodi konfigurierenden Software in die Motorsteuerung des in dem hier in Streit stehenden Fahrzeug verbauten Motors EA 189 resultieren (a)). Indes stehen dem Kläger die von dem Landgericht zuerkannten Ansprüche nur teilweise zu (b)).

a) Der Kläger hat gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 analog BGB einen Schadensersatzanspruch in Bezug auf die Schäden, die aus der Installation der die Betriebsmodi konfigurierenden Software in die Motorsteuerung des in dem hier in Streit stehenden Fahrzeug verbauten Motors EA 189 resultieren (so bereits Senat, Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18 –, juris Rn. 83 ff.; Urteil vom 19. November 2019 – 17 U 146/19 –, juris Rn. 29 ff.; Urteil vom 21. Januar 2020 – 17 U 2/19 –, juris Rn. 33 ff.; so jetzt auch BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 –, juris Rn. 12 ff.). Denn die Beklagte hat dem Kläger in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise vorsätzlich Schaden zugefügt. Dies geschah nicht erst dadurch, dass sie den in dem an den Kläger veräußerten Fahrzeug verbauten Motor des Typs EA 189 mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüstet hat und dieser so ausgestattete Motor in das an den Kläger gelieferte Fahrzeug eingebaut worden ist. Vielmehr war bereits die zuvor von der Beklagten getroffene unternehmerische Entscheidung sittenwidrig (aa)), dass der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattete Motor in unterschiedliche Fahrzeugtypen ihrer Konzernunternehmen und damit auch in den an den Kläger veräußerten V. Jetta eingebaut und dieser sodann mit der erschlichenen Typgenehmigung in Verkehr gebracht wird. Durch diese Entscheidung ist dem Kläger kausal (cc)) ein Schaden entstanden, der im Abschluss des Kaufvertrags über das streitgegenständliche Fahrzeug zu sehen ist (bb)). Schließlich hatte die Beklagte im Zeitpunkt seiner Entscheidung Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens für den Eintritt des Schadens und der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände (dd)), so dass die Beklagte dem Kläger gegenüber aus §§ 826, 31 analog BGB für die Schäden haftet, die aus der Installation der in Streit stehenden Software in die Motorsteuerung des Motors EA 189 resultieren. Bei dieser Sachlage kommt es nicht mehr darauf an, dass dem Kläger ein gleichartiger Schadensersatzanspruch aus §§ 831 Abs. 1 Satz 1, 826 BGB zusteht (vgl. Senat, Urteil vom 18. Juli 2019 – 17 U 160/18 –, juris Rn. 84; ebenso: OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 – 13 U 37/19 –, juris Rn. 93 ff.; Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18 –, juris Rn. 100 ff).

aa) Die Entscheidung der Beklagten, dass der hier in Streit stehende und mit der o.g. Software ausgestattete Motor EA 189 in das vom Kläger erworbene Fahrzeug eingebaut und dieses mit der erschlichenen Typgenehmigung in Verkehr gebracht wird, stellt eine sittenwidrige Handlung dar (so auch BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 –, juris Rn. 13 ff.).

(1) Sittenwidrig ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15 –, juris Rn. 16 mwN; Urteil vom 15. Oktober 2013 – VI ZR 124/12 –, juris Rn. 8 mwN; Urteil vom 4. Juni 2013 – VI ZR 288/12 –, juris Rn. 14 mwN; Urteil vom 20. November 2012 – VI ZR 268/11 –, juris Rn. 25 mwN). Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2016, aaO mwN; Urteil vom 15. Oktober 2013, aaO mwN; Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 217/03 –, juris Rn. 49; Urteil vom 19. Oktober 1987 – II ZR 9/87 –, juris Rn. 21 mwN). Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2016, aaO mwN; Urteil vom 15. Oktober 2013, aaO mwN). Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 2016, aaO mwN; Urteil vom 21. Dezember 2004 – VI ZR 306/03 –, juris Rn. 13 mwN).

(2) Nach diesen allgemeinen Maßstäben ist in der Entscheidung der Beklagten, dass der mit der hier in Streit stehenden Software ausgestattete Motor EA 189 in das o.g. Fahrzeug eingebaut und dieses mit der erschlichenen Typgenehmigung in Verkehr gebracht wird, eine sittenwidrige Handlung zu sehen. Denn als Beweggrund für das Inverkehrbringen der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Motorsteuerung kommt vorliegend allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht ((a)). Hinzu kommt, dass die Beklagte durch diese Strategieentscheidung den Weg vorgezeichnet hat, die EG-Typengenehmigung für alle mit der Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Kfz der Konzerngesellschaften von den dafür zuständigen Erteilungsbehörden zu erschleichen, ohne dass die materiellen Voraussetzungen dafür vorlagen ((b)). Darüber hinaus droht den Käufern eines mit einer derart erschlichenen EG-Typengenehmigung versehenen Fahrzeugs die Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs und damit ein erheblicher Schaden ((c)). Bei Würdigung dieser Umstände ist das Verhalten der Beklagten als Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zu werten ((d)).

(a) Als Beweggrund für das Inverkehrbringen des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung (vgl. hierzu sogleich) versehenen Motors kommt vorliegend allein eine angestrebte Kostensenkung und Gewinnmaximierung durch hohe Absatzzahlen in Betracht. Zum einen erscheint es lebensfremd, dass die Beklagte das mit der Verwendung der Abschaltsoftware verbundene erhebliche Risiko ohne wirtschaftlichen Vorteil eingegangen wäre (so auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 – 13 U 37/19 –, juris Rn. 43; Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18 –, juris Rn. 32; OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018 – 27 U 10/18 –, juris Rn. 20), zum anderen trägt die Beklagte selbst keinen anderen Grund vor.

(b) Die Beklagte hat die Strategieentscheidung getroffen, die EG-Typengenehmigung für alle mit der Motorsteuerungssoftware ausgestatteten Kfz ihrer Konzerngesellschaften von den dafür zuständigen Erteilungsbehörden zu erschleichen, ohne dass die materiellen Voraussetzungen dafür vorlagen.

Das vom Kläger erworbene Fahrzeug verfügte gerade nicht über eine dauerhaft ungefährdete Betriebserlaubnis, weil die installierte Motorsteuerungssoftware eine Umschaltlogik enthielt, die als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) 715/2007 zu qualifizieren ist, weshalb die materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung nicht gegeben waren (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 – VIII ZR 225/17 –, juris Rn. 5 ff.). Dem schließt sich der Senat an.

(c) Den Käufern eines Fahrzeugs, dessen Motorsteuerungssoftware eine Umschaltlogik enthält, die als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn des Art. 5 Abs. 1 und 2 VO (EG) 715/2007 zu qualifizieren ist, droht ein erheblicher Schaden in Form der behördlich angeordneten Stilllegung des erworbenen Fahrzeugs (was bereits senatsbekannt vielfach geschehen ist).

(d) Unter Berücksichtigung der oben dargelegten Gesamtumstände – Kostensenkung und Gewinnmaximierung als Beweggrund für die Entscheidung des Inverkehrbringens des mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Motors; Erschleichen der EG-Typengenehmigung; drohende erhebliche Schäden für die Käufer eines solchen Fahrzeugs – ist die unternehmerische Entscheidung der Beklagten, dass die mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattete Motorsteuerung auch in den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp eingebaut wird, als Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden zu würdigen (im Ergebnis ebenso: OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 – 13 U 37/19 –, juris Rn. 42 ff; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 –, juris Rn. 47 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18 –, juris Rn. 29 ff.; OLG Köln, Beschluss vom 3. Januar 2019 – 18 U 70/18 –, juris Rn. 28 ff.).

Zwar ist allein ein Handeln mit Gewinnstreben nicht als verwerflich zu beurteilen. Allerdings führen die Tragweite der Entscheidung über den Einsatz der unzulässigen Abschalteinrichtung in einem Motortyp, der in einer außergewöhnlich hohen Zahl von Fahrzeugen verschiedener Marken des Konzerns verbaut wird, die Ausnutzung des Vertrauens der Käufer in den V.-Konzern und den ordnungsgemäßen Ablauf des öffentlich-rechtlichen Genehmigungsverfahrens sowie die in Kauf genommenen drohenden erheblichen Folgen für die Käufer in Form der Stilllegung der erworbenen Fahrzeuge zur Sittenwidrigkeit der Entscheidung der Beklagten im Sinne des § 826 BGB.

bb) Dem Kläger ist dadurch, dass er das hier in Streit stehende Fahrzeug gekauft hat, in das ein mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehener Motor EA 189 eingebaut ist, ein Schaden entstanden (so auch BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 –, juris Rn. 44 ff.).

§ 826 BGB knüpft nicht an die Verletzung bestimmter Rechte und Rechtsgüter an, weshalb der nach dieser Norm ersatzfähige Schaden weit verstanden wird. Schaden ist danach nicht nur jede nachteilige Einwirkung auf die Vermögenslage, sondern darüber hinaus jede Beeinträchtigung eines rechtlich anerkannten Interesses und jede Belastung mit einer ungewollten Verpflichtung (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02 –, juris Rn. 41; Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14 –, juris Rn. 19).

Nach diesen Grundsätzen kommt es nicht darauf an, ob das Fahrzeug im Zeitpunkt des Erwerbs im Hinblick auf die unzulässige Abschalteinrichtung einen geringeren Marktwert hatte als ein Fahrzeug mit ordnungsgemäßer Abgasreinigungskonfiguration.

Der Schaden des Käufers liegt in der Belastung mit der ungewollten Verbindlichkeit, nicht erst in dadurch verursachten wirtschaftlichen Nachteilen. Allein maßgebend ist, dass der abgeschlossene Vertrag, nämlich die Eigenschaften des Kaufgegenstands, nicht den berechtigten Erwartungen des Getäuschten entsprach und überdies die Leistung für seine Zwecke nicht voll brauchbar war (vgl. BGH, Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14 –, juris Rn. 16 ff.). Beide Voraussetzungen waren im maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses gegeben, weil vorliegend wegen der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung die Entziehung der EG-Typgenehmigung drohte bzw. die Anordnung von Nebenbestimmungen sowie bei deren Nichterfüllung die Stilllegung des Fahrzeugs. Wegen des zur Rechtswidrigkeit der EG-Typgenehmigung führenden und damit die Zulassung des Fahrzeugs gefährdenden Mangels ist gerade der intendierte Hauptzweck des Fahrzeugs, dieses im öffentlichen Straßenverkehr zu nutzen, bereits vor der tatsächlichen Stilllegung unmittelbar gefährdet (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2019 – VIII ZR 225/17 –, juris Rn. 22), was bereits einen Schaden darstellt (ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 – 13 U 37/19 –, juris Rn. 31; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 –, juris Rn. 85; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18 –, juris Rn. 19).

Für die Frage, ob ein Schaden eingetreten ist, kommt es allein auf den Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses an. Das später von der Beklagten entwickelte – und nach Freigabe durch das KBA im Jahr 2016 in dem hier in Streit stehenden Fahrzeug sodann aufgespielte – Softwareupdate ist insoweit nicht zu berücksichtigen (so auch Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom 14. Februar 2020 – 2 U 128/19 –, juris Rn. 40; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 – 13 U 37/19 –, juris Rn. 32; OLG Koblenz, aaO; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18 –, juris Rn. 20).

cc) Die oben genannte Entscheidung der Beklagten ist kausal für den dem Kläger entstandenen Schaden (so auch BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 –, juris Rn. 44 ff.).

Hätte die Beklagte nicht die Entscheidung getroffen, dass die mit der manipulativ wirkenden Software zur Motorsteuerung ausgerüsteten Motoren des Typs EA 189 in die von der V. AG hergestellten Fahrzeuge vom Typ V. Jetta eingebaut werden, wäre das Fahrzeug mangels EG-Typengenehmigung nicht auf den deutschen Markt gelangt und hätte der Kläger dieses mit der darin verbauten unzulässigen Abschalteinrichtung nicht erwerben können. Jedenfalls hätte er ein Fahrzeug mit erschlichener EG-Typengenehmigung aber nicht erworben. Denn bereits die Lebenserfahrung spricht dafür, dass Kraftfahrzeugkäufer vom Kauf eines Fahrzeugs Abstand nehmen würden, wäre ihnen bekannt, dass das betreffende Fahrzeug zwar formal über eine EG-Typgenehmigung verfügt, aber wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung diese nicht hätte erhalten dürfen, weshalb Maßnahmen der die Typgenehmigung erteilenden Behörde und dem folgend der Zulassungsstelle bis hin zur Stilllegung drohen. Zweck des Autokaufs ist nämlich grundsätzlich – abgesehen von hier nicht einschlägigen Sonderkonstellationen – der Erwerb zur Fortbewegung im öffentlichen Straßenverkehr (so auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 – 13 U 37/19 –, juris Rn. 36; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 –, juris Rn. 93; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18 –, juris Rn. 25; OLG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2018 – 27 U 10/18 –, juris Rn. 12 ff.).

Die Entscheidung der Beklagten, dass die Motoren des Typs EA 189 mit der zugehörigen Motorsteuerung samt der darin enthaltenen unzulässigen Abschalteinrichtung in den hier in Streit stehenden Fahrzeugtyp eingebaut werden, war ferner nicht nur unter ganz besonderen, außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegenden Umständen geeignet, den Schaden herbeizuführen. (vgl. zur notwendigen Adäquanz Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Aufl., Vorb. v. § 249 Rn. 26 mwN). Vielmehr war es so, dass die Motoren gerade für den Einbau in die für die Veräußerung bestimmten Fahrzeuge vorgesehen waren und dass das heimliche Vorgehen hinsichtlich der eingesetzten Software nur dann sinnvoll war, wenn weder die zuständigen öffentlichen Stellen noch Händler noch Kunden informiert werden würden (ebenso OLG Köln, Beschluss vom 3. Januar 2019 – 18 U 70/18 –, juris Rn. 42). Dementsprechend war der Eintritt solcher Schäden, wie sie der Kläger erlitten hat, nicht nur nicht gänzlich unwahrscheinlich, sondern sogar bei gewöhnlichem Lauf der Geschehnisse sicher zu erwarten. Dies gilt sowohl für den – hier nicht vorliegenden – Ersterwerb eines derartigen Neufahrzeugs, als auch für den – hier vorliegenden – Erwerb eines Gebrauchtfahrzeugs. Denn im Hinblick auf die zu Grunde zu legende Gesamtlaufleistung von 250.000 km (vgl. hierzu sogleich unter Ziff. II.1.b)bb)(1)) ist ein Weiterverkauf des langlebigen Wirtschaftsguts nicht nur vorhersehbar, sondern allgemein üblich.

Ein anderes Ergebnis kommt darüber hinaus nicht mit Rücksicht auf den Schutzzweck des hier verletzten Verhaltensgebots in Betracht. Zwar gilt für Ansprüche aus unerlaubten Handlungen allgemein, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden beschränkt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen (vgl. nur BGH, Urteil vom 11. November 1985 – II ZR 109/84 –, juris Rn. 15 mwN). Allerdings war vorliegend bereits die Entscheidung der Beklagten, die mit der unzulässigen Abschalteinrichtung ausgerüsteten Motoren des Typs EA 189 in den hier in Streit stehenden und zur Veräußerung an ahnungslose Kunden vorgesehenen Fahrzeugtyp einzubauen, sittenwidrig (ähnlich OLG Köln, Beschluss vom 3. Januar 2019 – 18 U 70/18 –, juris Rn. 43; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 –, juris Rn. 98). Der Sinn des entsprechenden Verhaltensverbots liegt dabei gerade in der Vermeidung solcher Schäden, wie sie der Kläger erlitten hat. Auf den lediglich öffentlich-rechtlichen Schutzcharakter des § 27 EG-FGV kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.

dd) Schließlich sind die subjektiven Voraussetzungen einer Haftung nach § 826 BGB erfüllt. Die Beklagte hatte im Zeitpunkt ihrer Entscheidung Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens für den späteren Eintritt des Schadens und der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände (so auch BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 –, juris Rn. 60 ff.).

(1) In subjektiver Hinsicht setzt § 826 BGB Schädigungsvorsatz sowie Kenntnis der Tatumstände, die das Verhalten sittenwidrig erscheinen lassen, voraus.

(a) Der erforderliche Schädigungsvorsatz bezieht sich darauf, dass durch die Handlung einem anderen Schaden zugefügt wird. Dabei setzt § 826 BGB keine Schädigungsabsicht im Sinne eines Beweggrundes oder Zieles voraus. Vielmehr genügt für den Vorsatz im Rahmen des § 826 BGB nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Eventualvorsatz. Dabei braucht der Täter nicht im Einzelnen zu wissen, welche oder wie viele Personen durch sein Verhalten geschädigt werden; vielmehr reicht aus, dass er die Richtung, in der sich sein Verhalten zum Schaden irgendwelcher anderer auswirken könnte, und die Art des möglicherweise eintretenden Schadens vorausgesehen und mindestens billigend in Kauf genommen hat (vgl. nur BGH, Urteil vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10 –, juris Rn. 10 mwN; Urteil vom 20. November 2012 – VI ZR 268/11 –, juris Rn. 32; Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02 –, juris Rn. 47 mwN; BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15 –, juris Rn. 25).

Im Einzelfall kann sich aus der Art und Weise des sittenwidrigen Handelns, insbesondere dem Grad der Leichtfertigkeit des Schädigers, die Schlussfolgerung ergeben, dass er mit Schädigungsvorsatz gehandelt hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. November 2012 – VI ZR 268/11 –, juris Rn. 33). Dies kann insbesondere dann naheliegen, wenn der Schädiger sein Vorhaben trotz starker Gefährdung des Rechtsguts durchgeführt hat und es dem Zufall überlässt, ob sich die erkannte Gefahr verwirklicht (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2011 – VI ZR 309/10 –, juris Rn. 11 mwN).

(b) Für den getrennt davon erforderlichen subjektiven Tatbestand der Sittenwidrigkeit genügt die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, die das Sittenwidrigkeitsurteil begründen (vgl. BGH, Urteil vom 13. September 2004 – II ZR 276/02 –, juris Rn. 36).

(c) Die Haftung einer juristischen Person aus § 826 BGB in Verbindung mit § 31 BGB setzt außerdem voraus, dass ein „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinne des § 31 BGB den objektiven und subjektiven Tatbestand verwirklicht hat, wobei der Begriff des „verfassungsmäßig berufenen Vertreters“ über den Wortlaut der §§ 30, 31 BGB hinaus weit auszulegen ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 541/15 –, juris Rn. 14 mwN; Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15 –, juris Rn. 13 mwN). Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit lässt sich dabei nicht dadurch begründen, dass unter Anwendung der Grundsätze der Wissenszurechnung und Wissenszusammenrechnung auf die „im Hause“ der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse abgestellt wird. Insbesondere lässt sich ein sittenwidriges Verhalten nicht durch mosaikartiges Zusammenrechnen der bei verschiedenen Mitarbeitern der juristischen Person vorhandenen Kenntnisse konstruieren (BGH, Urteil vom 28. Juni 2016 – VI ZR 536/15 –, juris Rn. 23). Die erforderlichen Wissens- und Wollenselemente müssen vielmehr kumuliert bei einem Mitarbeiter vorliegen, der zugleich als „verfassungsmäßig berufener Vertreter“ im Sinn des § 31 BGB anzusehen ist und auch den objektiven Tatbestand verwirklicht hat (vgl. BGH, aaO, Rn. 13 mwN).

(2) Nach diesen allgemeinen Maßstäben steht aufgrund des maßgeblichen Sach- und Streitstands fest, dass die Beklagte im Zeitpunkt der sittenwidrigen, oben dargestellten Entscheidung Kenntnis von dem Eintritt eines Schadens, der Kausalität des eigenen Verhaltens für den späteren Eintritt des Schadens und der die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände hatte.

(a) Der Kläger hat umfangreich dazu vorgetragen, wer nach seinem Wissensstand zu welchem Zeitpunkt Kenntnis von den Entscheidungen bei der Beklagten gehabt und diese gebilligt oder angeordnet habe. Bereits in der Klageschrift (dort S. 12 = I 14 ff) hat der Kläger geltend gemacht, „bereits damals [2007] war die Kenntnis dieser Software offensichtlich nicht auf einen kleinen Kreis von Entwicklern beschränkt. Weiter heißt es unter Bezugnahme auf Presseberichte (S. 13 f. = I 15 f.): „Die Organe der Beklagten müssen von der Abgasmanipulation gewusst und damit die schädigenden Auswirkungen auf den Fahrzeugmarkt sehenden Auges hingenommen haben. Es ist somit nach aller Lebenserfahrung nicht vorstellbar, dass die Entwicklung und der Einsatz der Manipulationssoftware nicht vom Vorstand der Beklagten ausging ... Zumal mit M. W. ein ‚ausgewiesener Technik-Spezialist‘ an der Spitze des Konzerns herrschte. ...Dass vorbei an solch einem Konzernlenker eine Manipulationssoftware entwickelt und eingesetzt werden kann, ist schlicht unrealistisch. Neuere Informationen zeichnen insofern auch ein immer deutlicheres Bild.“ Schließlich wird in der Replik (dort S. 28 f. = I 215 f.) ausgeführt, es sei sehr unwahrscheinlich und widerspreche jeglichen Abläufen eines Fahrzeugherstellers, dass der Vorstand keine Kenntnis von diesen Vorgängen gehabt habe, ... „ein eigenmächtiges Handeln von Mitarbeitern unterer Ebenen, die nicht als Repräsentanten anzusehen sind, [ist] nicht vorstellbar“. Damit hat der Kläger seiner Darlegungslast genügt.

Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs dann schlüssig, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen (vgl. nur BGH, Urteil vom 26. März 2019 – VI ZR 163/17 –, juris Rn. 11; Beschluss vom 25. September 2018 – VI ZR 234/17 –, juris Rn. 8; Beschluss vom 26. Oktober 2016 – IV ZR 52/14 –, juris Rn. 27). Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind. Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2019, aaO, Rn. 11).

Nach diesen allgemeinen Maßstäben ist der klägerische Sachvortrag zu den subjektiven Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 826 BGB hinreichend substantiiert und schlüssig. Denn aus dem obigen Vortrag ergibt sich nicht nur die Behauptung, dass (ua) der damalige Vorstandsvorsitzende M. W. frühzeitig Kenntnis von der in die Steuerung der Motoren integrierten unzulässigen Abschalteinrichtung und von dem Eintritt eines kausalen Schadens bei den Käufern hierdurch gehabt haben soll, sondern auch, dass er sämtliche die Sittenwidrigkeit des Verhaltens begründenden Umstände gekannt habe. Ein weitergehender Vortrag ist zur Substantiierung des klägerischen Vortrags nicht erforderlich, wobei es nicht darauf ankommt, dass dem Kläger, dem allein öffentlich zugängliche Quellen zur Verfügung stehen, eine weitergehende Darlegung nicht möglich ist.

(b) Diesen substantiierten und schlüssigen Vortrag hat die Beklagte nicht erheblich bestritten.

Die Beklagte begnügt sich auch in der Berufungsinstanz mit dem erstinstanzlich geführten Einwand (Klageerwiderung, dort S. 36 = I 141, Duplik S. 30 = I 289), der klägerische Sachvortrag sei unsubstantiiert und nicht erwiesen. So trägt sie in der Klageerwiderung (dort S. 36ff. = I 125ff.) vor, „sie habe überdies bestritten, dass ihre Vorstandsmitglieder im aktienrechtlichen Sinne im Kaufvertragszeitpunkt von der Programmierung oder von der Verwendung der Software ... Kenntnis hatten“. die Beklagte berief sich (Klageerwiderung S. 24 = I 117 lediglich darauf, „derzeit über keine Erkenntnisse dafür, dass einzelne Vorstandsmitglieder im Sinne des Aktienrechts an der Entwicklung der Umschaltlogik beteiligt waren oder die Entwicklung oder Verwendung der Umschaltlogik für den EA 189 seinerzeit in Auftrag gegeben oder gebilligt haben“, zu verfügen. Die von ihr eingeleiteten Ermittlungen seien ausreichend und noch nicht abgeschlossen (Duplik S. 30 = I 289).

Im Hinblick auf den mit dem Bestreiten stets verbundenen einschränkenden Hinweis, dass dieser Vortrag auf den Erkenntnissen nach dem aktuellen Stand der internen Ermittlungen beruhe, handelt es sich der Sache nach um eine Erklärung mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO (ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 – 13 U 37/19 – juris Rn. 76; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 –, juris Rn. 70; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18 –, juris Rn. 75).

(aa) Nach § 138 Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen indes nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Bei einer juristischen Person kommt es insoweit auf ihre (derzeitigen) Organe an, nicht hingegen auf Kenntnisse früherer Organmitglieder (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1994 – II ZR 95/93 –, juris Rn. 22; Urteil vom 9. Juli 1987 – III ZR 229/85 –, juris Rn. 31). Die Partei trifft in diesem Zusammenhang aber die Pflicht, die ihr möglichen Informationen von Personen einzuholen, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig geworden sind (BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 – II ZR 139/17 –, juris Rn. 34 mwN; Urteil vom 22. April 2016 – V ZR 256/14 –, juris Rn. 20 mwN). Bestreitet eine Partei trotz des Bestehens einer Informationspflicht mit Nichtwissen, ist dies unzulässig und führt dazu, dass der Vortrag des Gegners gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn sich für die Partei nach Einholen der Erkundigungen bei diesen Personen keine weiteren Erkenntnisse ergeben oder die Partei nicht beurteilen kann, welche von mehreren unterschiedlichen Darstellungen über den Geschehensablauf der Wahrheit entspricht, und sie das Ergebnis ihrer Erkundigungen in den Prozess einführt (BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 – II ZR 139/17 –, juris Rn. 34 mwN; Urteil vom 22. April 2016 – V ZR 256/14, juris Rn. 20; Urteil vom 10. Oktober 1994 – II ZR 95/93 –, juris Rn. 20 ff.).

(bb) Nach diesen Maßstäben gilt der substantiierte klägerische Sachvortrag, wenigstens ein Mitglied des Vorstands habe Kenntnis von der Entscheidung zur serienmäßigen Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung gehabt und dies gebilligt, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO durch die Beklagte als zugestanden. Denn die Beklagte legt nicht dar, welche Nachforschungen sie bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in zweiter Instanz konkret unternommen hat und welche Erkenntnisse sie dabei bisher erzielt hat (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30. März 2017 – I ZR 19/16 –, juris Rn. 15). Weshalb der Beklagten entsprechender Vortrag nicht möglich sein soll, ist nicht ersichtlich. Dies gilt umso mehr, als die Staatsanwaltschaft Braunschweig zwischenzeitlich Anklage ua wegen des Verdachts des besonders schweren Falls des Betrugs gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Dr. W. und weitere Führungskräfte erhoben hat und diesen vorwirft, sie hätten die Existenz der illegalen Abschalteinrichtung, die die Emissionswerte von Diesel-Autos auf dem Prüfstand verringerte, bewusst verschwiegen. Dessen ungeachtet macht die Beklagte keine weiteren Angaben über das Ergebnis ihrer bisher durchgeführten internen Ermittlungen, obwohl seit Bekanntwerden des Abgasskandals mittlerweile mehr als fünf Jahre verstrichen sind.

Auf eine Unzumutbarkeit weiterer Darlegungen wegen des Umfangs der Nachforschungen oder des Aufwands für deren Aufbereitung (hierzu Pfeiffer, ZIP 2017, 2077, 2083) kann sich die Beklagte nicht berufen. Insoweit fehlt es bereits an hinreichenden Darlegungen, weshalb es ihr mit zumutbarem Aufwand nicht möglich sein sollte, sich zur Kenntnis von Vorstandsmitgliedern über die serienmäßige Verwendung der Abschalteinrichtung zu äußern (ähnlich OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 – 13 U 37/19 –, juris Rn. 78; Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18 –, juris Rn. 91). Die Weigerung der Beklagten, irgendwelche Erkenntnisse aus ihren Ermittlungen preiszugeben, geht mir ihr heim.

(c) Da nach alldem der substantiierte und schlüssige klägerische Sachvortrag zur Erfüllung der subjektiven Seite des § 826 BGB durch die Beklagte bereits gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt, kommt es weder auf die im Ergebnis allerdings zu bejahende Frage, ob die Beklagte einer sekundären Darlegungslast nachzukommen hat, noch auf die zu verneinende Frage an, ob sie dieser genügt (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 – 13 U 37/19 – juris Rn. 70 ff.; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 –, juris Rn. 77 ff.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18 –, juris Rn. 51 ff.; BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 –, juris Rn. 39 ff.).

b) Als Rechtsfolge des § 826 BGB kann der Kläger von der Beklagten die Schäden ersetzt verlangen, die aus der Installation der die Betriebsmodi konfigurierenden Software in die Motorsteuerung des in dem hier in Streit stehenden Fahrzeug verbauten Motors EA 189 resultieren.

Der Inhalt der Schadensersatzpflicht gemäß § 826 BGB bestimmt sich nach den §§ 249 ff. BGB. Da der Schaden des Klägers – wie bereits oben dargelegt – in der Belastung mit der ungewollten Verbindlichkeit zu sehen ist, ist er – was das Landgericht zutreffend erkannt hat – im Wege der Naturalrestitution so zu stellen, als hätte er den Kaufvertrag über das hier in Streit stehende Fahrzeug nicht geschlossen. Damit steht ihm ein Anspruch auf Rückgängigmachung der Folgen dieses Vertrags zu, das heißt, er kann Ausgleich der für diesen Vertrag getätigten Aufwendungen gegen Herausgabe des aus dem Vertrag Erlangten verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2004 – II ZR 402/02 –, juris Rn. 41; Urteil vom 28. Oktober 2014 – VI ZR 15/14 –, juris Rn. 28).

Nach diesen allgemeinen Grundsätzen hat der Kläger gegen die Beklagte grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung des an die Verkäuferin gezahlten Kaufpreises abzüglich einer unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km zu errechnenden Nutzungsentschädigung sowie auf Zinsen auf die von ihm erbrachte Kaufpreiszahlung.

Indes ist zu berücksichtigen, dass sich in der landgerichtlichen Berechnung ein Rechenfehler (Nichtberücksichtigung der bereits beim Kauf gefahrenen 22.500 km) eingeschlichen hat, und der Kläger sich die von ihm mit dem Fahrzeug zwischen den Instanzen bis zum Verkauf am 5. Juli 2019 zurückgelegten Kilometer als weiteren Vorteil anrechnen lassen muss, wobei von einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km auszugehen und die landgerichtliche Berechnung zu korrigieren ist (aa)). Begründet ist die Berufung der Beklagten ferner in Bezug auf ihre Verurteilung zur Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (bb)) und hinsichtlich der Zinsen aus § 849 BGB (cc)).

aa) Der Kläger hat gegen die Beklagte – wie der Senat bereits mehrfach entschieden hat (vgl. nur Urteil vom 19. November 2019 – 17 U 146/19 –, juris Rn. 99 ff.) – einen Anspruch auf Erstattung des an die Verkäuferin gezahlten Kaufpreises (hier: 22.300 EUR) abzüglich einer unter Zugrundelegung einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km ((2)) zu errechnenden Nutzungsentschädigung ((1)) sowie des Weiterverkaufspreises von 7.900 EUR, so dass ihm lediglich ein Zahlungsanspruch in Höhe von 5.252,10 EUR zusteht ((3)).

(1) In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass sich der Kläger im Wege des Vorteilsausgleichs die von ihm gezogenen Nutzungen anrechnen lassen muss (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 –, juris Rn. 64 ff.).

(2) Für die Berechnung des Vorteils ist grundsätzlich der objektive Wert der gezogenen Nutzungen maßgeblich (BGH, Urteil vom 31. März 2006 – V ZR 51/05 –, juris Rn. 10). Bei der Eigennutzung beweglicher Sachen wird der Wert von Gebrauchsvorteilen grundsätzlich nach der zeitanteiligen linearen Wertminderung berechnet, also nach einem Vergleich zwischen dem tatsächlichen Gebrauch und der voraussichtlichen Gesamtnutzungsdauer der Sache unter Berücksichtigung des Werts der Sache bzw. des vereinbarten Kaufpreises (vgl. BGH, aaO, Rn. 12 mwN). Bei der hier vorzunehmenden Rückabwicklung eines Kaufvertrags über einen Pkw ist die für jeden gefahrenen Kilometer zu zahlende Nutzungsentschädigung daher in der Weise zu ermitteln, dass der vereinbarte (Brutto-)Kaufpreis durch die voraussichtliche Restlaufleistung des Fahrzeugs im Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs an den Käufer geteilt wird, wobei grundsätzlich von einer Gesamtlaufleistung von 250.000 km auszugehen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Dezember 2014 – VIII ZR 196/14 –, juris Rn. 3; Senat, Urteil vom 19. November 2019 – 17 U 146/19 –, juris Rn. 108; Beschluss vom 6. Dezember 2018 – 17 U 4/18 –, juris Rn. 50 mwN [zum Mängelgewährleistungsrecht]; OLG Saarbrücken, Urteil vom 14. Februar 2020 – 2 U 128/19 –, juris Rn. 60 mwN; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. März 2019 – 13 U 142/18 –, juris Rn. 110 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 10. September 2019 – 13 U 149/18 –, juris Rn. 92; OLG Koblenz, Urteil vom 16. September 2019 – 12 U 61/19 –, juris Rn. 78; OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 – 13 U 37/19 –, juris Rn. 108; Reinking/Eggert, Autokauf, 13. Aufl., Rn. 3574 mwN; aA [Gesamtleistung 300.000 km]: OLG Köln, Beschluss vom 3. Januar 2019 – 18 U 70/18 –, juris Rn. 49; KG, Urteil vom 26. September 2019 – 4 U 77/18 –, juris Rn. 151; OLG Düsseldorf, Urteil vom 17. Oktober 2019 – 13 U 106/18 –, juris Rn. 37; OLG Oldenburg, Urteil vom 21. Oktober 2019 – 13 U 73/19 –, juris Rn. 22; OLG Koblenz, Urteil vom 12. Juni 2019 – 5 U 1318/18 –, juris Rn. 109 und nachgehend BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 –, juris Rn. 78 ff.).

Gründe, von diesem Grundsatz abzuweichen, zeigt der Kläger nicht auf. Auf die Frage, ob einzelne Fahrzeuge desselben Fahrzeugtyps tatsächlich eine höhere Gesamtlaufleistung erreicht haben, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an, da die gewöhnliche – dh durchschnittliche – Nutzungsdauer die relevante Rechnungsgrundlage zur Bemessung gezogener Gebrauchsvorteile ist. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass die Fahrleistung, die ein Fahrzeug in seiner Lebensdauer zurücklegen kann, von verschiedenen Faktoren – wie der Lebensdauer des Motors und anderer Bauteile sowie dem Nutzungsverhalten des Fahrers – abhängig ist.

(3) Vor diesem Hintergrund war die Berechnung des Landgerichts unzutreffend. Denn es hat – wegen der Außerachtlassung der bereits gefahrenen 22.500 km zum Kaufzeitpunkt – den zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung in erster Instanz anzurechnenden Nutzungsersatzanspruch auf lediglich 8.219,33 EUR (und nicht, wie zutreffend gewesen wäre, 9.032,24 EUR) festgesetzt. Seit diesem Zeitpunkt ist der Kläger bis zum Verkauf am 5. Juli 2019 weitere 1.180 km (115.825 km – 114.645 km) gefahren. Unter Berücksichtigung des Kilometerstandes im Verkaufszeitpunkt von 115.825 berechnet sich die Nutzungsentschädigung daher auf 9.147,90 EUR (= 22.300 EUR [= Kaufpreis] x 93.325 gefahrene km : 227.500 km [= zu erwartende Rest-Gesamtlaufleistung]), so dass dem Kläger ein Zahlungsanspruch in Höhe von 13.152,10 EUR (= 22.300 EUR abzüglich 9.147,90 EUR) zusteht. Davon in Abzug zu bringen ist der erzielte Weiterverkaufserlös von 7.900 EUR, sodass 5.252,10 EUR verbleiben.

bb) Einen Anspruch auf Ersatz von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat der Kläger nicht (Klageantrag Ziffer 3). Denn der Kläger hat dazu, ob sich der erteilte Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wurde, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben, nicht hinreichend vorgetragen.

(1) Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1 Satz 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 15. August 2019 – III ZR 205/17 –, juris Rn. 43).

(2) Der Kläger hat dazu im ersten Rechtszug lediglich vorgetragen, seine Prozessbevollmächtigten hätten die Beklagte aufgefordert, sämtliche Ansprüche der Klagepartei auf Schadensersatz hinsichtlich sämtlicher Schäden bzw. zukünftiger Schäden im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt anzuerkennen (Klageschrift, dort S. 16 = I 18 und Anlage K 13). Im Berufungsrechtszug hat er dazu ausgeführt, die Klagepartei habe die Unterzeichnerin zunächst beauftragt, außergerichtlich gegen die Beklagte vorzugehen. Die erteilte Vollmacht habe hierbei lediglich als umfassende Formularvollmacht gedient und nicht als ausdrücklicher Klageauftrag (Berufungserwiderung S. 38, II 125). Dabei übersieht er, dass sich daraus der für eine schlüssige Darlegung eines Anspruchs notwendige Vortrag, den Prozessbevollmächtigten zunächst lediglich mit der außergerichtlichen Vertretung beauftragt oder einen nur bedingten Prozessauftrag erteilt zu haben, gerade nicht ergibt (i.E. ebenso OLG Karlsruhe, Urteil vom 6. November 2019 – 13 U 12/19 –, juris Rn. 114 ff.). Angesichts der umfassenden Formularvollmacht, die die Prozessführung umfasste und derer sich die Prozessbevollmächtigte bediente, hätte es substantiierten Vortrags dazu bedurft, dass Mandat und Vollmacht ausnahmsweise einen unterschiedlichen Umfang hatten. Auf den Hinweis in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (vgl. Protokoll vom 20. Oktober 2020, II 195) erfolgte kein weiterer Vortrag dazu.

cc) Einen Anspruch auf Deliktszinsen hat der Kläger nicht (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 354/19 –, juris Rn. 17 ff.). Soweit der Senat diesbezüglich bisher eine andere Rechtsansicht vertreten hat (vgl. Senat, Urteil vom 19. November 2019 – 17 U 146/19 –, juris; zuletzt: Urteile vom 14. Juli 2020 – 17 U 544/19 – und 17 U 554/19 –, jeweils nv), hält er hieran nicht weiter fest.

dd)Ein Anspruch auf Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins steht dem Kläger gem. §§ 291, 288 Abs. 1 BGB ab Rechtshängigkeit, somit ab 14. Februar 2019, zu. Indes ist dieser nicht nur aus dem zuzusprechenden Erstattungsbetrag von 5.252,10 EUR zu zahlen, sondern zunächst aus 16.005,66 EUR und dann im Zeitraum vom 14. Februar 2019 bis zum 6. Juli 2019 auf linear sinkende Beträge bis zu 13.152,10 EUR. Danach sind Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über Basiszins durchgehend auf den – durch den Weiterverkaufserlös verminderten – Schadensersatzbetrag von 5.252,10 EUR geschuldet.

In Ermangelung anderweitigen Vortrags ist davon auszugehen, dass der Kläger seine Gesamtfahrleistung mit dem erworbenen Fahrzeug im Zeitraum zwischen Fahrzeugerwerb und Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung gleichmäßig erbracht hat. Die auf den Kaufpreiserstattungsanspruch anzurechnenden Nutzungsvorteile wurden mithin zum Teil erst zwischen dem Eintritt der Rechtshängigkeit und dem Schluss der mündlichen Berufungsverhandlung erlangt. Demnach lag der nach § 291 BGB zu verzinsende Betrag bei Eintritt der Rechtshängigkeit höher als der zuzusprechende Erstattungsbetrag und hat sich dann sukzessive auf diesen letztlich zuzuerkennenden Betrag ermäßigt (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 397/19 -, juris Rn. 38; OLG Koblenz, Urteil vom 27. August 2020 – 6 U 2186/19 –, juris Rn. 42,)

Im Rahmen der Verzinsung sind Wertschwankungen oder - wie hier - -reduzierungen regelmäßig taggenau zu berücksichtigen. Daraus ergibt sich die folgende Berechnungsmethode (vgl. OLG Koblenz, aaO, juris Rn. 42 f.), um den Zinsschaden im Rahmen des § 287 ZPO zu bemessen:

Der bei Eintritt der Rechtshängigkeit zu verzinsende Betrag entspricht der Differenz aus dem Kaufpreis und dem zu diesem Zeitpunkt im Wege des Vorteilsausgleichs anzurechnenden Nutzungsersatzanspruch. Für diesen Zeitpunkt am 13. Februar 2019 schätzt der Senat ausgehend vom Kaufvertrag am 6. März 2015 und einer Gesamtfahrleistung des Klägers beim Weiterverkauf am 5.Juli 2019 von 93.325 km (Nutzungsdauer seit Übergabe = 1.582 Tage) die Fahrleistung des Klägers auf 86.718 km (93.325 : 1.582 Tage x 1.470 Tage Nutzungsdauer bis zum 13. Februar 2019). Unter Zugrundelegung der vorgenannten Berechnungsformel (siehe oben 1. b) aa)) ergab sich hiernach eine damals geschuldete Nutzungsentschädigung von 6.294 EUR (Kaufpreis 22.300 EUR x 86.718 km : verbleibende Gesamtlaufleistung von 227.500 km), so dass sich nach Abzug vom Kaufpreis ein Betrag von 16.005,66 EUR ergab. Dieser ermäßigte sich durch die weitere Nutzung bis zum Weiterverkauf am 5. Juli 2019 linear auf 13.152,10 EUR.

Nach dem Weiterverkauf ab 6. Juli 2019 besteht der Zinsanspruch nur noch auf den um den Erlös aus dem Weiterverkauf verminderten Betrag von 5.252,10 EUR.

2. Die zulässige Berufung des Klägers hat hinsichtlich der begehrten Zahlung weiterer 8.219,33 EUR (= vom Landgericht abgezogener Nutzungsersatzanspruch), hinsichtlich Zinsen aus § 849 BGB sowie höherer Rechtsanwaltskosten keinen Erfolg. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 1. verwiesen.

3. Nach alldem stehen dem Kläger die folgenden Ansprüche zu:

a) Der Kläger hat Anspruch auf Zahlung von 5.252,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. aus einem Betrag von 16.005,66 EUR, der sich ab 14. Februar 2019 bis 5. Juli 2019 Tag für Tag linear auf 13.152,10 EUR ermäßigt, sowie aus 5.252,10 EUR seit 6. Juli 2019.

b) Einen Anspruch auf die von ihm darüber hinaus geltend gemachten – und ihm von dem Landgericht teilweise zuerkannten – Ansprüche hat der Kläger nicht, so dass die Klage insoweit abzuweisen ist.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91a, 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils (Weiterverkaufspreis von 7.900 EUR) hätte die Klage Erfolg gehabt (siehe oben II. 1.).

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht. Das Urteil orientiert sich an der höchstrichterlichen Rechtsprechung.

Gemäß § 63 Abs. 2 GKG war der Streitwert des Berufungsverfahrens festzusetzen.

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