BGH: Dieselfall – Beginn der Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den Kfz-Hersteller
BGH, Urteil vom 17.3.2022 – III ZR 226/20
ECLI:DE:BGH:2022:170322UIIIZR226.20.0
Volltext: BB-Online BBL2022-1171-1
Leitsatz
Zur Verjährung von Schadensersatzansprüchen gegen den Fahrzeughersteller in einem sogenannten Dieselfall (Anschluss an BGH, Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 396/21, juris Rn. 27).
Sachverhalt
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasreinigung auf Schadensersatz in Anspruch.
Am 18. März 2015 erwarb die Klägerin von der Autohaus W. GmbH in B. einen gebrauchten Audi A6 Avant TDI S-Line 18 zum Kaufpreis von 26.900 €. Das Fahrzeug verfügt über einen von der Volkswagen AG entwickelten Dieselmotor der Baureihe EA 189, für den die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich der Emissionen von leichten Personenkraftwagen und Nutzfahrzeugen (Euro 5 und Euro 6) und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen für Fahrzeuge (im Folgenden: VO (EG) Nr. 715/2007) erteilt wurde. In ihrem ursprünglichen Zustand erkennt die im Zusammenhang mit dem Motor verbaute Software, ob sich das Fahrzeug auf einem Prüfstand befindet, und schaltet zwischen zwei Betriebsmodi um. Beim Durchfahren des für die amtliche Bestimmung der Fahrzeugemission maßgeblichen Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) schaltet sie in den Stickoxid-optimierten Modus 1 um, in dem eine relativ hohe Abgasrückführung stattfindet mit niedrigem Stickoxidausstoß. Im normalen Fahrbetrieb fährt das Fahrzeug hingegen im Modus 0, bei dem die Abgasrückführung geringer ist, was zu einem höheren Stickoxidausstoß führt.
Im September 2015 wurde der Einsatz dieser Umschaltlogik in den Dieselmotoren des Typs EA 189 öffentlich bekannt. Der sogenannte "Diesel-Abgasskandal" war ab diesem Zeitpunkt täglich prominenter Gegenstand der Berichterstattung in den Medien. Die Beklagte veröffentlichte am 2. Oktober 2015 eine Pressemitteilung, in der es unter anderem heißt: "Jeder Kunde in Deutschland kann sich einfach und schnell darüber informieren, ob sein Audi infolge von Unregelmäßigkeiten mit der verwendeten Software betroffen ist. Dazu gibt er die Fahrgestellnummer seines Autos auf www.audi.de ein". Mit - nicht angefochtenem - Bescheid vom 15. Oktober 2015 vertrat das Kraftfahrtbundesamt (KBA) die Auffassung, dass es sich bei der eingebauten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handele, und ordnete an, diese in den davon betroffenen Fahrzeugen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen. Daraufhin leiteten die Beklagte sowie der Volkswagen-Konzern insgesamt Ende 2015 für die vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge in Abstimmung mit dem KBA eine Rückrufaktion ein, bei der die Fahrzeuge mit einem vom KBA freigegebenen Software-Update ausgestattet wurden. Die Klägerin nahm an der Rückrufaktion teil und ließ das Software-Update installieren.
Die Klägerin hat im Wesentlichen vorgetragen, sie hätte den Kaufvertrag in Kenntnis des tatsächlichen Abgasverhaltens des Pkw nicht geschlossen. Die Beklagte habe die Entwicklung der unzulässigen Abschalteinrichtung bei der R. GmbH beauftragt. Sie habe dabei aus eigennützigen Motiven, mithin bloßem Gewinnstreben, in sittlich anstößiger Weise eine Schädigung der Käufer und somit auch der Klägerin in Kauf genommen. Die Beklagte hat vorgetragen, es seien weder Täuschung noch Irrtum oder Schaden ersichtlich. Sie hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Erstattung des Kaufpreises nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie Feststellung des Annahmeverzugs begehrt. Das die Klage betreffende "Telefax" der Klägerin datiert auf den 31. Dezember 2018, weist aber einen Eingangsstempel des Landgerichts mit dem Datum "04.01.2019" auf.
Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte hinsichtlich der Hauptforderung zur Zahlung von 16.021,46 € verurteilt. Es hat einen Schadensersatzanspruch der Klägerin nach den §§ 826, 31 BGB bejaht, vom Kaufpreis indes für gezogene Nutzungen 10.878,54 € in Abzug gebracht. Gegen diese Entscheidung haben beide Parteien Berufung geführt. Die Klägerin hat ihre erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt, die Beklagte weiterhin Klageabweisung begehrt. Das Berufungsgericht hat die Verjährungseinrede der Beklagten durchgreifen lassen und unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin die Klage (insgesamt) abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin weiterhin ihr ursprüngliches Klagebegehren geltend.
Aus den Gründen
7 Die unbeschränkt zugelassene Revision hat Erfolg.
I.
8 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner - in BeckRS 2020, 20955 veröffentlichten - Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
9 1. Die in Betracht kommenden deliktischen Ansprüche der Klägerin unterlägen der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (§ 195 BGB). Diese beginne gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlange oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Kenntnis im Sinne dieser Norm werde angenommen, wenn dem Geschädigten die anspruchsbegründenden Tatsachen bekannt seien, nicht erforderlich sei hingegen, dass der Geschädigte den Vorgang rechtlich zutreffend beurteile. Von der Kenntnis der Person des Schuldners sei auszugehen, wenn die Verantwortlichkeit soweit geklärt sei, dass der Gläubiger aufgrund der ihm bekannten oder erkennbaren Tatsachen eine hinreichend aussichtsreiche, wenn auch nicht risikolose Klage gegen den Schuldner erheben könne. Ausreichend sei es, dass zumindest eine Feststellungsklage im in Frage stehenden Zeitpunkt erhoben werden könne.
10 Ausgehend von diesen Grundsätzen hätten die Voraussetzungen für eine Klageerhebung bereits im Jahr 2015 vorgelegen. Die Beklagte habe ausführlich dargelegt, wie und in welchem Umfang sowohl von ihr selbst beziehungsweise ihrem Mutterkonzern, der Volkswagen AG, als auch von den Medien über den sogenannten "Diesel-Abgasskandal" informiert worden sei. Dies könne auch als allgemein bekannt unterstellt werden. So sei der Einsatz der inkriminierten Umschaltlogik in den Dieselmotoren des Typs EA 189 im September 2015 öffentlich bekannt gemacht worden und ab diesem Zeitpunkt täglich prominenter Gegenstand der Berichterstattung in den Medien gewesen. In diesen Zusammenhang füge sich nahtlos die Pressemitteilung der Beklagten vom 2. Oktober 2015 ein, in der es unter anderem heiße, dass sich jeder Kunde in Deutschland einfach und schnell mittels Eingabe der Fahrgestellnummer seines Autos auf www.audi.de darüber informieren könne, ob sein Audi infolge von Unregelmäßigkeiten mit der verwendeten Software betroffen sei. Die Beklagte habe vorgetragen, dass es auch der Klägerin möglich gewesen wäre, durch Eingabe der Fahrzeugidentifizierungsnummer (FIN) die Betroffenheit ihres Fahrzeugs zu überprüfen.
11 Diesem Vorbringen der Beklagten sei die Klägerin nicht in erheblicher Weise entgegengetreten. Sie stelle auch nicht in Abrede, von dem "Diesel-Abgasskandal", der sich gemäß der Medienberichterstattung gerade auch auf Fahrzeuge der Marke Audi erstreckt habe, gehört zu haben. Aufgrund der oben aufgezeigten Umstände hätte sich ihr überdies aufdrängen müssen, dass auch ihr Fahrzeug hiervon betroffen gewesen sei und hieraus deliktische Schadensersatzansprüche resultieren könnten. Ihr habe sich aufdrängen müssen, dass sie durch den Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung in dem vom Mutterkonzern der Beklagten hergestellten Motor "betrogen" worden sei und das erworbene Fahrzeug infolgedessen einen Minderwert ausgewiesen habe. Dass sie möglicherweise anhand dieser Umstände nicht den rechtlichen Schluss gezogen habe, dass sie die Erstattung des Kaufpreises verlangen könne, sei unerheblich.
12 Der Annahme einer (zumindest) grob fahrlässigen Unkenntnis der Klägerin stehe auch nicht entgegen, dass im Jahr 2015 nicht bekannt gewesen sei, welches Mitglied des Vorstandes oder welcher verfassungsmäßig berufene Vertreter im Sinne von § 31 BGB in den "Diesel-Abgasskandal" involviert gewesen sei. Die umfangreiche Medienberichterstattung habe sich auch auf die Verwicklung von Vorstandsmitgliedern der Beklagten und ihres Mutterkonzerns erstreckt. Entscheidend sei aber, dass bereits im Jahr 2015 "jedem hätte einleuchten müssen", dass die Entwicklung und vor allem der Einbau der "Schummelsoftware" keinesfalls von untergeordneten Mitarbeitern der Beklagten im Alleingang habe beschlossen und durchgeführt werden können.
13 Der Verjährungsbeginn zum Ende des Jahres 2015 sei auch nicht wegen Unzumutbarkeit der Klageerhebung aufgrund unsicherer oder zweifelhafter Rechtslage hinausgeschoben gewesen. Einerseits hätten bereits im Jahr 2015 ausreichend Kenntnisse auf Seiten der Klägerin vorgelegen, zumindest eine auf deliktische Haftung gestützte Feststellungsklage gegen die Beklagte zu erheben. Andererseits habe der von der Klägerin erhobene Einwand der unsicheren beziehungsweise zweifelhaften Rechtslage diese nicht daran gehindert, am 4. Januar 2019 eine Leistungsklage beim Landgericht einzureichen, ohne darzulegen, welche neuen Erkenntnisse in Bezug auf den "Diesel-Abgasskandal" beziehungsweise in Bezug auf die Betroffenheit ihres Fahrzeugs sich seit 2015 auf ihrer Seite ergeben hätten.
14 2. Sämtliche deliktischen Ansprüche seien daher mit Ablauf des Jahres 2018 verjährt. Es sei davon auszugehen, dass die Klage (erst) am Freitag, dem 4. Januar 2019, eingereicht worden sei. Die Beklagte habe dies so vorgetragen und die Klägerin sei dem nicht substantiiert entgegengetreten. Das "Telefax" der Klägerin bezüglich der Klage datiere zwar auf den 31. Dezember 2018, weise aber den Eingangsstempel des Landgerichts mit dem Datum "04.01.2020" [ersichtlich gemeint: "04.01.2019"] auf. Die Klägerin habe einen Eingang der Klage noch im Jahr 2018 weder in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht noch in derjenigen vor dem Berufungsgericht dargetan, obschon in letzterer die Frage der Verjährung noch einmal ausdrücklich erörtert worden sei.
II.
15 Diese Erwägungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzansprüchen steht - auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen - die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht entgegen.
16 1. Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
17 a) Eine solche Kenntnis liegt im Allgemeinen vor, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form einer Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist. Weder ist notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können. Auch kommt es, von Ausnahmefällen abgesehen, nicht auf die zutreffende rechtliche Würdigung an. Vielmehr genügt im Grundsatz die Kenntnis der den Einzelanspruch begründenden tatsächlichen Umstände. Hierzu gehört in Fällen unzureichender Beratung oder Aufklärung auch die Kenntnis der Umstände einschließlich der wirtschaftlichen Zusammenhänge, aus denen sich die Rechtspflicht zur Aufklärung ergibt. Die dem Geschädigten bekannten Tatsachen müssen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners als naheliegend erscheinen zu lassen. Es muss dem Geschädigten zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit dem verbleibenden Prozessrisiko, insbesondere hinsichtlich der Nachweisbarkeit von Schadensersatz auslösenden Umständen (st. Rspr., zB Senat, Urteil vom 11. September 2014 - III ZR 217/13, WM 2015, 445 Rn. 15; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 - VI ZR 739/20, NJW 2021, 918 Rn. 8; jew. mwN). Die dreijährige Verjährungsfrist gibt dem Geschädigten dann noch hinreichende Möglichkeiten, sich für das weitere Vorgehen noch sicherere Grundlagen, insbesondere zur Beweisbarkeit seines Vorbringens, zu verschaffen (BGH aaO).
18 Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt vor, wenn dem Gläubiger die erforderliche Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen, wie etwa dann, wenn sich dem Gläubiger die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben und er leicht zugängliche Informationsquellen nicht genutzt hat. Dem Gläubiger muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung, eine schwere Form von "Verschulden gegen sich selbst", vorgeworfen werden können (st. Rspr., zB Senat, Urteile vom 8. Juli 2010 - III ZR 249/09, BGHZ 186, 152 Rn. 28 und vom 11. September 2014 aaO Rn. 16; BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 - VI ZR 1118/20, WM 2021, 1665 Rn. 14; jew. mwN). Den Geschädigten trifft dabei im Allgemeinen weder eine Informationspflicht, noch besteht für ihn eine generelle Obliegenheit, im Interesse des Schädigers an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Initiative zur Klärung von Schadenshergang oder Person des Schädigers zu entfalten. Für die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gläubiger zur Vermeidung der groben Fahrlässigkeit zu einer aktiven Ermittlung gehalten ist, kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalls an (BGH aaO Rn. 16 mwN). Das Unterlassen einer Nachfrage ist nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nur dann als grob fahrlässig einzustufen, wenn weitere Umstände hinzutreten, die das Unterlassen aus der Sicht eines verständigen und auf seine Interessen bedachten Geschädigten als unverständlich erscheinen lassen. Für den Gläubiger müssen konkrete Anhaltspunkte für das Bestehen eines Anspruchs ersichtlich sein und sich ihm der Verdacht einer möglichen Schädigung aufdrängen (BGH, Urteil vom 10. November 2009 - VI ZR 247/08, NJW-RR 2010, 681 Rn. 16 mwN).
19 b) Die Darlegungs- und Beweislast für Beginn und Ablauf der Verjährung und damit für die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis des Gläubigers gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB trägt der Schuldner. Soweit es um Umstände aus der Sphäre des Gläubigers geht, hat dieser aber an der Sachaufklärung mitzuwirken und erforderlichenfalls darzulegen, was er zur Ermittlung der Voraussetzungen seiner Ansprüche und der Person des Schuldners getan hat (BGH, Urteil vom 29. Juli 2021 aaO Rn. 17 mwN).
20 c) Die Feststellung, ob die Unkenntnis des Gläubigers von verjährungsauslösenden Umständen auf grober Fahrlässigkeit beruht hat, unterliegt als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht darauf, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften gewürdigt worden ist, und ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grads des Verschuldens wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (st. Rspr., zB etwa Senat, Urteil vom 11. September 2014 aaO Rn. 17; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 aaO Rn. 16; jew. mwN). Die Frage, wann eine für den Beginn der Verjährung hinreichende Kenntnis vorhanden ist, ist allerdings nicht ausschließlich Tatfrage, sondern wird maßgeblich durch den der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegenden Begriff der Zumutbarkeit der Klageerhebung geprägt (Senat aaO; BGH aaO; jew. mwN). Die Frage, wann eine unsichere und zweifelhafte Rechtslage vorliegt, die zur Unzumutbarkeit der Klageerhebung führt, unterliegt der uneingeschränkten Beurteilung durch das Revisionsgericht (BGH, Urteile vom 28. Oktober 2014 - XI ZR 348/13, BGHZ 203, 115 Rn. 44 und vom 17. Dezember 2020 aaO).
21 2. Nach diesen Maßgaben war die Klägerin nicht bereits im Jahr 2015 zur Vermeidung des Vorwurfs grober Fahrlässigkeit gehalten zu ermitteln, ob ihr Fahrzeug von dem Dieselskandal betroffen war.
22 Selbst wenn es der Klägerin, wovon das Berufungsgericht ausgegangen ist, noch in dem verbleibenden - kurzen - Zeitraum seit Bekanntwerden des Dieselskandals und der Freischaltung der von der Beklagten gestellten Online-Plattform im Oktober 2015 bis zum Jahresende möglich gewesen sein sollte, die Betroffenheit des eigenen Fahrzeugs zu ermitteln, liegt darin, dass die Klägerin in dem genannten Zeitraum hiervon keinen Gebrauch machte, kein schwerwiegender Obliegenheitsverstoß in eigenen Angelegenheiten. Mit Rücksicht darauf, dass die Beklagte und ihr Mutterkonzern seit September 2015 mit zahlreichen Informationen an die Öffentlichkeit getreten waren und auch weitere Erklärungen angekündigt hatten, war ein Zuwarten der Klägerin bis zum Ende des Jahres 2015 nicht schlechterdings unverständlich. Diesen vom VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in einem vergleichbaren Fall angestellten Erwägungen (vgl. Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 396/21, juris Rn. 27) schließt sich der erkennende Senat an. Auf die Frage, ob die Klageschrift noch im Jahre 2018 oder (erst) am 4. Januar 2019 beim Landgericht eingegangen ist, kommt es insoweit nicht an.
III.
23 Das Berufungsurteil ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist mangels Entscheidungsreife zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).