BGH: Dieselfall – keine Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ermittlung der prognostizierten Kfz-Gesamtlaufleistung im Rahmen des Vorteilsausgleichs
BGH, Urteil vom 18.5.2021 – VI ZR 720/20
ECLI:DE:BGH:2021:180521UVIZR720.20.0
Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2021-1620-1
Leitsatz
1. Zur Zurückweisung des die zu erwartende Gesamtleistung eines Fahrzeugs betreffenden neuen Vortrags in der Berufungsinstanz in einem sogenannten Dieselfall.
2. Das Tatgericht ist bei der im Rahmen des Vorteilsausgleichs vorzunehmenden Bemessung des Nutzungsvorteils in einem sogenannten Dieselfall grundsätzlich nicht gehalten, zur Ermittlung der zu erwartenden Gesamtlaufleistung des betroffenen Pkws ein Sachverständigengutachten einzuholen; es kann diese vielmehr grundsätzlich selbst ohne sachverständige Hilfe gemäß § 287 ZPO schätzen (Fortführung Senatsurteile vom 27. April 2021 - VI ZR 812/20, juris Rn. 18 und vom 23. März 2021 - VI ZR 3/20, juris Rn. 11).
EStG § 5 Abs. 2; HGB § 255, § 247 Abs 2; GG Art. 3 Abs. 1
Sachverhalt
Der Kläger erwarb im September 2012 in einem Autohaus einen von der Beklagten hergestellten Neuwagen VW Tiguan Sport & Style 4Motion BM Techn. 2.0 I TDI. In diesem Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs EA189 verbaut. In dessen Motorsteuerung wurde seitens der Beklagten eine Software zur Abgassteuerung installiert, die über zwei unterschiedliche Betriebsmodi zur Steuerung der Abgasrückführung verfügt. Der "Modus 1" ist im Hinblick auf den Stickoxidausstoß optimiert. Er wird auf dem Prüfstand für die Bestimmung der Fahrzeugemissionen nach dem maßgeblichen Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) automatisch aktiviert und bewirkt eine höhere Abgasrückführungsrate, wodurch die gesetzlich geforderten Grenzwerte für Stickoxidemissionen eingehalten werden. Im normalen Fahrbetrieb ist der "Modus 0" aktiviert, der zu einer geringeren Abgasrückführungsrate und zu einem höheren Stickoxidausstoß führt. Im November 2016 wurde dem Fahrzeug deshalb ein Software-Update aufgespielt. Im Wesentlichen mit der Behauptung, er sei vor dem Hintergrund der dargestellten, unzulässigen Software zur Abgassteuerung, die eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, sittenwidrig getäuscht und durch den Abschluss des Kaufvertrags geschädigt worden, nimmt der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von 33.789 € nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des von ihm erworbenen Pkw in Anspruch.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 23.589,45 € nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil dahingehend abgeändert, dass die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen nur zur Zahlung von 22.362,01 € nebst Zinsen verurteilt wird. Die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Antrag, soweit ihm nicht stattgegeben worden ist, weiter.
Aus den Gründen
I.
3 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, die in Juris und unter BeckRS 2020, 30892 veröffentlicht ist, im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB analog ein Anspruch auf Zahlung von 22.362,01 € Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des VW Tiguan zu. Die Entscheidung der Beklagten, dass der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattete Motor in das Fahrzeug eingebaut und dieses mit einer erschlichenen Typgenehmigung in den Verkehr gebracht werde, stelle eine sittenwidrige Handlung dar. Durch den Kauf des Fahrzeugs sei dem Kläger ein kausal auf die Entscheidung der Beklagten zum Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung zurückzuführender Schaden entstanden. Der nach § 826 BGB erforderliche Schädigungsvorsatz sowie die darüber hinaus erforderliche Kenntnis von den die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen seien ebenfalls gegeben. Die Beklagte habe dem Kläger deshalb den für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreis Zug-um-Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs zu ersetzen, müsse sich aber die Gebrauchsvorteile durch die Nutzung des Fahrzeugs anrechnen lassen.
4 Bei der Berechnung der anzurechnenden Gebrauchsvorteile sei nunmehr - anstelle des vom Landgericht für den Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz angenommenen Kilometerstandes von 90.558 - der Kilometerstand des Fahrzeugs im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht von unstreitig 101.456 zugrunde zu legen. Hinsichtlich der für die Berechnung ebenfalls maßgeblichen Gesamtlaufleistung seien die vom Kläger in erster Instanz behaupteten 300.000 Kilometer anzusetzen.
II.
5 Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
6 Die - auch in der Sache zutreffende (vgl. nur Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 12 ff.) - Würdigung des Berufungsgerichts, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB zu, der im Grundsatz auf Ersatz des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Herausgabe und Übereignung des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs gerichtet sei, nimmt die Revision als ihr günstig hin; auch die Revisionserwiderung stellt sie nicht in Frage. Von der Revision unbeanstandet bleibt weiter die - ebenfalls zutreffende (vgl. nur Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 64 ff.) - Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger müsse sich die von ihm gezogenen Nutzungen im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen. Auch die - revisionsrechtlich nicht zu beanstandende (vgl. nur Senatsurteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, BGHZ 226, 322 Rn. 12 f.) - Bemessung der anzurechnenden Vorteile mit der Formel
Nutzungsvorteil = Bruttokaufpreis x gefahrene Strecke (seit Erwerb)
erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt
wird von der Revision nicht angegriffen. Diese wendet sich vielmehr allein gegen die Annahme des Berufungsgerichts, bei der Berechnung der Nutzungsvorteile sei von einer Gesamtlaufleistung des vom Kläger erworbenen VW Tiguan von nur 300.000 Kilometern und nicht von 400.000 oder gar 500.000 Kilometern auszugehen. Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht aber auch insoweit nicht unterlaufen:
7 1. Entgegen der von der Revision erhobenen Rüge hat das Berufungsgericht § 531 Abs. 2 ZPO nicht dadurch verletzt, dass es den Vortrag des Klägers in der Berufungsinstanz, es lasse sich vertreten, "dass das Gericht hier auch eine Gesamtfahrleistung von 400.000 km oder 500.000 km hätte ansetzen können und zwar unabhängig vom Vortrag des Klägers", für jedenfalls gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr berücksichtigungsfähig gehalten hat.
8 a) Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, die Berufung des Klägers stelle zwar die Möglichkeit in den Raum, von einer Gesamtlaufleistung von 400.000 Kilometern oder 500.000 Kilometern auszugehen, gebe die erstinstanzlich zugrunde gelegte Gesamtlaufleistung von 300.000 Kilometern aber nicht ausdrücklich auf; im Übrigen sei nicht vorgetragen und nicht ersichtlich, warum abweichender Vortrag in der Berufung gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sein sollte. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur gewöhnlichen Laufleistung eines Fahrzeugs des vorliegenden Typs sei daher nicht veranlasst.
9 b) Sollte diesen Ausführungen des Berufungsgerichts - was letztlich offenbleiben kann - die das Revisionsgericht gemäß § 314 ZPO bindende tatbestandliche Feststellung zu entnehmen sein, der Kläger habe auch zweitinstanzlich noch behauptet, bei einem Fahrzeug des vorliegenden Typs sei von einer Gesamtfahrleistung von 300.000 Kilometern auszugehen, kommt es auf die Frage, ob vom entsprechenden erstinstanzlichen Vortrag abweichender zweitinstanzlicher Vortrag noch zu berücksichtigen gewesen wäre, nicht an. Denn die vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Behauptung des Klägers, es sei von einer Gesamtlaufleistung von 300.000 Kilometern auszugehen, hat dieser in zweiter Instanz dann nicht geändert.
10 c) Geht man hingegen davon aus, der Kläger habe zweitinstanzlich die vom erstinstanzlichen Vortrag abweichende Behauptung aufgestellt, Fahrzeuge der vorliegenden Art hätten eine Gesamtlaufleistung von 400.000 bis 500.000 Kilometern, so hat das Berufungsgericht diesen neuen Vortrag zu Recht für gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr berücksichtigungsfähig gehalten.
11 aa) Anders als die Revision meint, liegt im Vortrag, die Gesamtlaufleistung von Fahrzeugen der vorliegenden Art betrage 400.000 bis 500.000 Kilometer, eine tatsächliche Behauptung und nicht lediglich die Äußerung einer Rechtsauffassung. Sollte der Kläger nach seiner sich aus den tatbestandlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils ergebenden erstinstanzlichen Behauptung, für ein Fahrzeug dieses Typs sei von einer Gesamtfahrleistung von 300.000 Kilometern auszugehen, nunmehr zweitinstanzlich behauptet haben, die Gesamtfahrleistung betrage 400.000 bis 500.000 Kilometer, so hätte er damit eine neue tatsächliche Behauptung aufgestellt, worin ein neues Angriffsmittel im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO zu sehen wäre (vgl. nur Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 531 Rn. 21).
12 bb) Gründe für die Zulassung solch neuen Vortrags gemäß § 531 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich. Entgegen der Annahme der Revision ergibt sich ein solcher Grund insbesondere auch nicht daraus, dass bereits das Landgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Gesamtlaufleistung prozessrechtswidrig unterlassen hätte. Zwar trifft es zu, dass der Tatrichter auch ohne entsprechenden Parteiantrag gehalten sein kann, ein Sachverständigengutachten einzuholen, wo seine eigene Sachkunde nicht ausreicht, um schlüssig vorgetragene und wirksam bestrittene beziehungsweise von Amts wegen zu prüfende Tatsachen festzustellen (Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 403 Rn. 1; MüKoZPO/Zimmermann, 6. Aufl., ZPO § 403 Rn. 2; vgl. ferner Senatsbeschluss vom 14. März 2017 - VI ZR 225/16, MDR 2017, 783 Rn. 15). Diese Voraussetzungen waren in erster Instanz aber nicht erfüllt. Insbesondere war hier ausweislich der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen tatbestandlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils hinsichtlich der Gesamtlaufleistung allein streitig, ob diese - der Behauptung des Klägers entsprechend - 300.000 Kilometer beträgt oder - der Behauptung der Beklagten entsprechend - nur bei 200.000 bis 250.000 Kilometern liegt. Eine streitige und damit gegebenenfalls beweisbedürftige Behauptung, die Gesamtlaufleistung von Fahrzeugen des vorliegenden Typs liege bei mehr als 300.000 Kilometern, gab es in erster Instanz hingegen nicht.
13 2. Die weitere Rüge der Revision, auch das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft kein Sachverständigengutachten eingeholt und im Berufungsurteil nicht dargelegt, dass die Mitglieder des (Berufungs-)Senats über eigene Sachkunde verfügten, und dadurch zum Nachteil des Klägers §§ 286, 287, 402 ff. ZPO verletzt, greift ebenfalls nicht durch. Die Revision verkennt insoweit bereits, dass sich das Berufungsgericht weder eine Überzeugung gemäß § 286 ZPO gebildet noch eine Schätzung gemäß § 287 ZPO dahingehend vorgenommen hat, dass die Gesamtlaufleistung eines entsprechenden Fahrzeugs nicht bei mehr als 300.000 Kilometern liegt. Denn es ist ohne durchgreifenden Rechtsfehler davon ausgegangen, dass eine entsprechende, im Berufungsverfahren berücksichtigungsfähige Behauptung des Klägers überhaupt nicht vorliegt. Anlass, das von der Revision vermisste Sachverständigengutachten einzuholen und sich auf dessen Grundlage eine Überzeugung im Sinne von § 286 ZPO zu bilden oder eine Schätzung gemäß § 287 ZPO vorzunehmen, hatte es damit nicht. Darauf, dass der Tatrichter nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in Fällen der vorliegenden Art bei der Ermittlung der prognostizierten Gesamtlaufleistung nach § 287 ZPO im Übrigen grundsätzlich auch nicht gehalten ist, ein Sachverständigengutachten einzuholen (vgl. Senatsurteile vom 27. April 2021 - VI ZR 812/20, juris Rn. 18; vom 23. März 2021 - VI ZR 3/20, juris Rn. 11), kommt es im Streitfall mithin nicht mehr an.
Sachverhalt
Der Kläger erwarb im September 2012 in einem Autohaus einen von der Beklagten hergestellten Neuwagen VW Tiguan Sport & Style 4Motion BM Techn. 2.0 I TDI. In diesem Fahrzeug ist ein Dieselmotor des Typs EA189 verbaut. In dessen Motorsteuerung wurde seitens der Beklagten eine Software zur Abgassteuerung installiert, die über zwei unterschiedliche Betriebsmodi zur Steuerung der Abgasrückführung verfügt. Der "Modus 1" ist im Hinblick auf den Stickoxidausstoß optimiert. Er wird auf dem Prüfstand für die Bestimmung der Fahrzeugemissionen nach dem maßgeblichen Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) automatisch aktiviert und bewirkt eine höhere Abgasrückführungsrate, wodurch die gesetzlich geforderten Grenzwerte für Stickoxidemissionen eingehalten werden. Im normalen Fahrbetrieb ist der "Modus 0" aktiviert, der zu einer geringeren Abgasrückführungsrate und zu einem höheren Stickoxidausstoß führt. Im November 2016 wurde dem Fahrzeug deshalb ein Software-Update aufgespielt. Im Wesentlichen mit der Behauptung, er sei vor dem Hintergrund der dargestellten, unzulässigen Software zur Abgassteuerung, die eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle, sittenwidrig getäuscht und durch den Abschluss des Kaufvertrags geschädigt worden, nimmt der Kläger die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von 33.789 € nebst Zinsen Zug-um-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des von ihm erworbenen Pkw in Anspruch.
Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 23.589,45 € nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil dahingehend abgeändert, dass die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen nur zur Zahlung von 22.362,01 € nebst Zinsen verurteilt wird. Die Berufung des Klägers hat es zurückgewiesen. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen ursprünglichen Antrag, soweit ihm nicht stattgegeben worden ist, weiter.
Aus den Gründen
I.
3 Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, die in Juris und unter BeckRS 2020, 30892 veröffentlicht ist, im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stehe gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB analog ein Anspruch auf Zahlung von 22.362,01 € Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des VW Tiguan zu. Die Entscheidung der Beklagten, dass der mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattete Motor in das Fahrzeug eingebaut und dieses mit einer erschlichenen Typgenehmigung in den Verkehr gebracht werde, stelle eine sittenwidrige Handlung dar. Durch den Kauf des Fahrzeugs sei dem Kläger ein kausal auf die Entscheidung der Beklagten zum Einsatz einer unzulässigen Abschalteinrichtung in der Motorsteuerung zurückzuführender Schaden entstanden. Der nach § 826 BGB erforderliche Schädigungsvorsatz sowie die darüber hinaus erforderliche Kenntnis von den die Sittenwidrigkeit begründenden Umständen seien ebenfalls gegeben. Die Beklagte habe dem Kläger deshalb den für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreis Zug-um-Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs zu ersetzen, müsse sich aber die Gebrauchsvorteile durch die Nutzung des Fahrzeugs anrechnen lassen.
4 Bei der Berechnung der anzurechnenden Gebrauchsvorteile sei nunmehr - anstelle des vom Landgericht für den Schluss der mündlichen Verhandlung in erster Instanz angenommenen Kilometerstandes von 90.558 - der Kilometerstand des Fahrzeugs im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht von unstreitig 101.456 zugrunde zu legen. Hinsichtlich der für die Berechnung ebenfalls maßgeblichen Gesamtlaufleistung seien die vom Kläger in erster Instanz behaupteten 300.000 Kilometer anzusetzen.
II.
5 Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Erwägungen des Berufungsgerichts halten revisionsrechtlicher Überprüfung stand.
6 Die - auch in der Sache zutreffende (vgl. nur Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 12 ff.) - Würdigung des Berufungsgerichts, dem Kläger stehe gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 826, 31 BGB zu, der im Grundsatz auf Ersatz des Kaufpreises Zug-um-Zug gegen Herausgabe und Übereignung des vom Kläger erworbenen Fahrzeugs gerichtet sei, nimmt die Revision als ihr günstig hin; auch die Revisionserwiderung stellt sie nicht in Frage. Von der Revision unbeanstandet bleibt weiter die - ebenfalls zutreffende (vgl. nur Senatsurteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 64 ff.) - Auffassung des Berufungsgerichts, der Kläger müsse sich die von ihm gezogenen Nutzungen im Wege des Vorteilsausgleichs anrechnen lassen. Auch die - revisionsrechtlich nicht zu beanstandende (vgl. nur Senatsurteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, BGHZ 226, 322 Rn. 12 f.) - Bemessung der anzurechnenden Vorteile mit der Formel
Nutzungsvorteil = Bruttokaufpreis x gefahrene Strecke (seit Erwerb)
erwartete Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt
wird von der Revision nicht angegriffen. Diese wendet sich vielmehr allein gegen die Annahme des Berufungsgerichts, bei der Berechnung der Nutzungsvorteile sei von einer Gesamtlaufleistung des vom Kläger erworbenen VW Tiguan von nur 300.000 Kilometern und nicht von 400.000 oder gar 500.000 Kilometern auszugehen. Rechtsfehler sind dem Berufungsgericht aber auch insoweit nicht unterlaufen:
7 1. Entgegen der von der Revision erhobenen Rüge hat das Berufungsgericht § 531 Abs. 2 ZPO nicht dadurch verletzt, dass es den Vortrag des Klägers in der Berufungsinstanz, es lasse sich vertreten, "dass das Gericht hier auch eine Gesamtfahrleistung von 400.000 km oder 500.000 km hätte ansetzen können und zwar unabhängig vom Vortrag des Klägers", für jedenfalls gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr berücksichtigungsfähig gehalten hat.
8 a) Das Berufungsgericht hat insoweit ausgeführt, die Berufung des Klägers stelle zwar die Möglichkeit in den Raum, von einer Gesamtlaufleistung von 400.000 Kilometern oder 500.000 Kilometern auszugehen, gebe die erstinstanzlich zugrunde gelegte Gesamtlaufleistung von 300.000 Kilometern aber nicht ausdrücklich auf; im Übrigen sei nicht vorgetragen und nicht ersichtlich, warum abweichender Vortrag in der Berufung gemäß § 531 Abs. 2 ZPO zuzulassen sein sollte. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur gewöhnlichen Laufleistung eines Fahrzeugs des vorliegenden Typs sei daher nicht veranlasst.
9 b) Sollte diesen Ausführungen des Berufungsgerichts - was letztlich offenbleiben kann - die das Revisionsgericht gemäß § 314 ZPO bindende tatbestandliche Feststellung zu entnehmen sein, der Kläger habe auch zweitinstanzlich noch behauptet, bei einem Fahrzeug des vorliegenden Typs sei von einer Gesamtfahrleistung von 300.000 Kilometern auszugehen, kommt es auf die Frage, ob vom entsprechenden erstinstanzlichen Vortrag abweichender zweitinstanzlicher Vortrag noch zu berücksichtigen gewesen wäre, nicht an. Denn die vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Behauptung des Klägers, es sei von einer Gesamtlaufleistung von 300.000 Kilometern auszugehen, hat dieser in zweiter Instanz dann nicht geändert.
10 c) Geht man hingegen davon aus, der Kläger habe zweitinstanzlich die vom erstinstanzlichen Vortrag abweichende Behauptung aufgestellt, Fahrzeuge der vorliegenden Art hätten eine Gesamtlaufleistung von 400.000 bis 500.000 Kilometern, so hat das Berufungsgericht diesen neuen Vortrag zu Recht für gemäß § 531 Abs. 2 ZPO nicht mehr berücksichtigungsfähig gehalten.
11 aa) Anders als die Revision meint, liegt im Vortrag, die Gesamtlaufleistung von Fahrzeugen der vorliegenden Art betrage 400.000 bis 500.000 Kilometer, eine tatsächliche Behauptung und nicht lediglich die Äußerung einer Rechtsauffassung. Sollte der Kläger nach seiner sich aus den tatbestandlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils ergebenden erstinstanzlichen Behauptung, für ein Fahrzeug dieses Typs sei von einer Gesamtfahrleistung von 300.000 Kilometern auszugehen, nunmehr zweitinstanzlich behauptet haben, die Gesamtfahrleistung betrage 400.000 bis 500.000 Kilometer, so hätte er damit eine neue tatsächliche Behauptung aufgestellt, worin ein neues Angriffsmittel im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO zu sehen wäre (vgl. nur Zöller/Heßler, ZPO, 33. Aufl., § 531 Rn. 21).
12 bb) Gründe für die Zulassung solch neuen Vortrags gemäß § 531 Abs. 2 ZPO sind nicht ersichtlich. Entgegen der Annahme der Revision ergibt sich ein solcher Grund insbesondere auch nicht daraus, dass bereits das Landgericht die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Gesamtlaufleistung prozessrechtswidrig unterlassen hätte. Zwar trifft es zu, dass der Tatrichter auch ohne entsprechenden Parteiantrag gehalten sein kann, ein Sachverständigengutachten einzuholen, wo seine eigene Sachkunde nicht ausreicht, um schlüssig vorgetragene und wirksam bestrittene beziehungsweise von Amts wegen zu prüfende Tatsachen festzustellen (Zöller/Greger, ZPO, 33. Aufl., § 403 Rn. 1; MüKoZPO/Zimmermann, 6. Aufl., ZPO § 403 Rn. 2; vgl. ferner Senatsbeschluss vom 14. März 2017 - VI ZR 225/16, MDR 2017, 783 Rn. 15). Diese Voraussetzungen waren in erster Instanz aber nicht erfüllt. Insbesondere war hier ausweislich der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen tatbestandlichen Feststellungen des landgerichtlichen Urteils hinsichtlich der Gesamtlaufleistung allein streitig, ob diese - der Behauptung des Klägers entsprechend - 300.000 Kilometer beträgt oder - der Behauptung der Beklagten entsprechend - nur bei 200.000 bis 250.000 Kilometern liegt. Eine streitige und damit gegebenenfalls beweisbedürftige Behauptung, die Gesamtlaufleistung von Fahrzeugen des vorliegenden Typs liege bei mehr als 300.000 Kilometern, gab es in erster Instanz hingegen nicht.
13 2. Die weitere Rüge der Revision, auch das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft kein Sachverständigengutachten eingeholt und im Berufungsurteil nicht dargelegt, dass die Mitglieder des (Berufungs-)Senats über eigene Sachkunde verfügten, und dadurch zum Nachteil des Klägers §§ 286, 287, 402 ff. ZPO verletzt, greift ebenfalls nicht durch. Die Revision verkennt insoweit bereits, dass sich das Berufungsgericht weder eine Überzeugung gemäß § 286 ZPO gebildet noch eine Schätzung gemäß § 287 ZPO dahingehend vorgenommen hat, dass die Gesamtlaufleistung eines entsprechenden Fahrzeugs nicht bei mehr als 300.000 Kilometern liegt. Denn es ist ohne durchgreifenden Rechtsfehler davon ausgegangen, dass eine entsprechende, im Berufungsverfahren berücksichtigungsfähige Behauptung des Klägers überhaupt nicht vorliegt. Anlass, das von der Revision vermisste Sachverständigengutachten einzuholen und sich auf dessen Grundlage eine Überzeugung im Sinne von § 286 ZPO zu bilden oder eine Schätzung gemäß § 287 ZPO vorzunehmen, hatte es damit nicht. Darauf, dass der Tatrichter nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats in Fällen der vorliegenden Art bei der Ermittlung der prognostizierten Gesamtlaufleistung nach § 287 ZPO im Übrigen grundsätzlich auch nicht gehalten ist, ein Sachverständigengutachten einzuholen (vgl. Senatsurteile vom 27. April 2021 - VI ZR 812/20, juris Rn. 18; vom 23. März 2021 - VI ZR 3/20, juris Rn. 11), kommt es im Streitfall mithin nicht mehr an.