R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Wirtschaftsrecht
29.07.2010
Wirtschaftsrecht
OLG München: Die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen verstößt grundsätzlich nicht gegen das Auszahlungsverbot des § 64 S. 3 GmbHG

OLG München, Urteil vom 6.5.2010 - 23 U 1564/10

Leitsatz (nicht amtlich)

Das an den Geschäftsführer gerichtete Verbot, zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führende Zahlungen an einen Gesellschafter zu leisten (§ 64 Satz 3 GmbHG), begründet kein Leistungsverweigerungsrecht im Hinblick auf den Rückzahlungsanspruch aus einem Gesellschafterdarlehen.

GmbHG § 64 S. 3

Sachverhalt

Die Klägerin macht einen Darlehensrückzahlungsanspruch geltend. Die Klägerin, die bis zum 16.7.2001 zu 20 % an der der Beklagten beteiligt war, die damals als P. P. GmbH firmierte, gewährte dieser mit Vertrag vom 8.2.1999 ein Darlehen in Höhe von DM 1.900.000. Das Darlehen wurde in Höhe von DM 1.857.750 abgerufen. Die Beklagte tilgte das Darlehen in Höhe von DM 1.500.750. Der Darlehensvertrag wurde durch 8 Nachträge, zuletzt durch Nachtrag 8 vom 8.11.2004 bis zum 30.9.2005 verlängert. Mit dem Nachtrag 3 vom 28.1.2000 wurde das Darlehen um DM 250.000 erweitert. Am 14.10.2002 schrieb die Klägerin an die Beklagte u. a. „Wir sind uns darüber klar geworden, dass unser Darlehen eigenkapitalersetzenden Charakter bekommen hat. Diese Tatsachen nehmen wir ebenso zur Kenntnis, wie den Umstand, dass die Rückführung nach Ihrer Meinung nur aus künftigen Gewinnen nach Wiederherstellung des nominellen Stammkapitals erfolgen soll." Die Klägerin begehrt neben der Rückzahlung des Darlehens in Höhe von Euro 307.515,92 Verzugszinsen hieraus vom 1.10.2005 bis zum 30.4.2008 in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz in Höhe von insgesamt Euro 82.070,67, sowie Verzugszinsen seit dem 1.5.2008.

Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte nur in geringem Erfolg.

Aus den Gründen

II. ... Die Beklagte ist zur Zurückzahlung des Darlehens verpflichtet, der Klägerin stehen jedoch nur Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz und nur aus dem Hauptsachebetrag in Höhe von Euro 307.515,92 zu (§§ 288 Abs. 1, 289 BGB).

            Darlehensrückzahlungsanspruch der Beklagten

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Darlehensrückzahlungsanspruch gemäß § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. m. Art. 229 § 5 S. 2 EGBGB. Dieser Anspruch wurde zum 1.10.2005 fällig, da das Darlehen unstreitig zuletzt bis zum 30.9.2005 verlängert worden war. Dem Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerin steht keine Durchsetzungs- oder Auszahlungssperre entgegen.

            Keine Stundung des Darlehensrückzahlungsanspruchs

a) Im Schreiben der Klägerin vom 14.10.2002 ist keine Stundung des Darlehensrückzahlungsanspruchs zu sehen. Eine die Fälligkeit der Forderung hinausschiebende vertragliche Abrede lässt sich schon dem Wortlaut des Schreibens nicht entnehmen. Ein Zahlungsziel wird nicht genannt. Die Klägerin nimmt lediglich den Umstand zur Kenntnis, dass die Rückführung des Darlehens nach Meinung der Beklagten nur aus künftigen Gewinnen nach Wiederherstellung des nominellen Stammkapitals erfolgen soll. Dass die Klägerin sich dieser Meinung angeschlossen hätte, lässt sich auch der Formulierung, sie erwarte zumindest ab sofort regelmäßige Zinszahlungen, nicht entnehmen. Im Übrigen wäre eine etwaige Stundung durch den Nachtrag 6 vom 30.10.2002  überholt, mit dem der Darlehensvertrag bis zum 30.9.2003 verlängert wurde.

Dem Schreiben der Klägerin vom 14.10.2002, die zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr Gesellschafterin der der Beklagten war, lässt sich auch nicht entnehmen, dass sie für die Dauer der Krise auf ihre Position als Drittgläubigerin verzichten wollte. Sie hat keine Rangrücktrittserklärung abgeben, also nicht sinngemäß erklärt, sie wolle wegen ihres Darlehensrückzahlungsanspruchs erst nach der Befriedigung sämtlicher Gesellschaftsgläubiger und - bis zur Abwendung der Krise - auch nicht vor, sondern nur zugleich mit den Einlagerückgewähransprüchen ihrer Mitgesellschafter berücksichtigt, also so behandelt werden, als handele es sich bei seiner Gesellschafterleistung um statutarisches Kapital (vgl. BGH Urteil vom 8.1.2001, Az. II ZR 88/99, Tz. 15 = BB 2001, 430 mit Komm. Wicke).

            Ob es sich bei den Darlehenszahlungen um sog. „kapitalersetzende Darlehen" handelt, kann dahinstehen

b) Hinsichtlich der Hauptsacheforderung kann dahinstehen, ob es sich bei den Darlehenszahlungen um sog. „kapitalersetzende Darlehen" handelt, denn die frühere Rechtsprechung zu kapitalersetzenden Darlehen findet nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) zum 1.11.2008 keine Anwendung. Durch das MoMiG sind insbesondere die Rechtsprechungsregeln (§§ 30, 31 GmbHG a. F. analog) durch die neu eingefügte Nichtanwendungsvorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG außer Kraft gesetzt worden. Nach dieser Vorschrift besteht für die Rückzahlung von Gesellschaftsdarlehen und Leistungen auf Forderungen, die wirtschaftlich solchen Darlehen gleichstehen, kein Rückzahlungsverbot. Die Übergangsregelung des § 3 EGGmbHG trifft für diese Vorschrift keine Anordnung (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 6.3.2009, Az. 10 U 162/08, Tz. 27 f).

            Auch das Auszahlungsverbot in § 64 S. 3 GmbHG steht der Durchsetzung des Darlehensrückzahlungsanspruchs nicht entgegen

c) Auch § 64 GmbHG steht der Durchsetzung des Darlehensrückzahlungsanspruch der Klägerin nicht entgegen.

Die Beklagte argumentiert mit § 64 Satz 3 GmbHG und behauptet, die Auszahlung des Darlehensbetrags an die Klägerin würde zur Zahlungsunfähigkeit führen. Letzteres wird jedoch weder in der Berufungsbegründung vom 5.2.2010 noch im Schriftsatz vom 30.3.2010 näher ausgeführt und steht im Widerspruch zu dem früheren Vortrag, auf den in der Berufungsbegründung ebenfalls Bezug genommen wird. Die Beklagte hatte insbesondere im Schriftsatz vom 10.11.2009 vorgetragen, bereits zum Zeitpunkt der ersten Rückzahlbarkeit am 29.4.1999 sei die Liquiditätslage der Beklagten derart angespannt gewesen, dass das fällige Darlehen der Klägerin nicht zurückgezahlt werden konnte. Aus diesen Gründen sei es nachfolgend immer wieder verlängert worden. Bei jedem Rückzahlungszeitpunkt musste festgestellt werden, dass die Rückzahlung nicht möglich war und die Insolvenz der Beklagten ausgelöst hätte. Die Beklagte habe sich ununterbrochen seit dem Geschäftsjahr 2000 bzw. durchgängig seit 1999 in einer Krise im Sinne der Eigenkapitalersatzvorschriften befunden. An der nach § 64 Satz 3 GmbHG erforderlichen Kausalität der Zahlung der für die Zahlungsunfähigkeit fehlt es aber, wenn Zahlungsunfähigkeit im Zahlungszeitpunkt bereits eingetreten war (Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 10. Aufl., § 64 Rn. 83).

Der Senat vermag der Ansicht der Beklagten, das Leistungsverweigerungsrecht einer Gesellschaft analog § 30 GmbHG a. F. setze sich ohne weiteres in § 64 GmbHG fort, nicht zu folgen. Da § 64 Satz 3 GmbHG systematisch als Vorverlagerung des aus § 64 Satz 1 GmbHG abgeleiteten Zahlungsverbots zu verstehen ist (Lutter/Hommelhoff-Kleindiek, GmbHG, 17. Aufl., § 64 Rn. 20) kann die Frage, ob das an den Geschäftsführer gerichtete gesetzliche Zahlungsverbot zu einem Leistungsverweigerungsrecht der Gesellschaft führt, für beide Sätze nur einheitlich beantwortet werden. Dass § 64 Satz 1 GmbHG, der § 64 Abs. 2 GmbHG a. F. entspricht, der Gesellschaft ein Leistungsverweigerungsrecht gibt, wurde soweit ersichtlich, bislang noch nicht vertreten. Für § 64 Satz 3 GmbHG ist die Frage in der Literatur umstritten. Nach Ansicht des Senats begründen § 64 Satz 1 und Satz 3 GmbHG jeweils nur einen Erstattungsanspruch, nicht auch ein Leistungsverweigerungsrecht (in diesem Sinn auch Baumbach/Hueck-Haas, GmbHG, 19. Aufl., § 64 Rn. 107). Westermann (Scholz/Westermann, GmbHG, 10. Aufl., Nachtrag MoMiG § 30 Rn. 16) ist darin zuzustimmen, dass nach der Neuregelung der Geschäftsführer innerhalb einer Krisensituation der Gesellschaft Zahlungen auf Gesellschafterdarlehen leisten, also diesbezüglich auch kein Zurückbehaltungsrecht geltend machen darf, wohl aber auf den Beginn der Anfechtungsperiode nach Insolvenzrecht aufmerksam machen muss. Für die Gegenansicht (Scholz/K. Schmidt, a. a. O., § 64 Rn. 91 m. w. N.), die als ungeschriebene Rechtsfolge von § 64 Satz 3 GmbHG ein Leistungsverweigerungsrecht annimmt, wird als Begründung angeführt, dass die Haftung des Geschäftsführers nicht durch eine Zahlung begründet werden kann, die ein Gesellschafter jederzeit zu fordern berechtigt ist (Spliedt, ZIP 2009, 149, 169). Dagegen wendet überzeugend Altmeppen (Roth/Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl., § 64, Rn. 61 ff) ein, Satz 3 könne sich gar nicht auf Fälle beziehen, in denen der Gesellschafter einen fälligen Anspruch gegen die GmbH hat. Fällige Ansprüche des Gesellschafters gegen die GmbH seien bei der Prüfung der Zahlungsunfähigkeit zu berücksichtigen, bevor gezahlt wird, und deshalb dürfe die Zahlung bereits nach Satz 1 nicht mehr erfolgen. Der Ansichts S. (a. a. O.), den fälligen Anspruch des Gesellschafters beiseite zu lassen, weil Satz 3 anderenfalls überhaupt keinen Anwendungsbereich habe, könne nicht gefolgt werden.

Die Argumentation der Beklagten, die einerseits keinen Insolvenzantrag stellt und sich andererseits auf ein Zurückbehaltungsrecht beruft, da sie bei Erfüllung der Forderung Insolvenzantrag stellen müsste, ist mit dem Zweck der § 64 GmbHG und § 15a Abs. 1 InsO nicht vereinbar. Der allgemeine Normzweck des § 64 GmbHG zielt auf Gläubigerschutz. Die Bestimmung dient dem Schutz der Gläubiger gegen Insolvenzverschleppungsschäden, die sie durch Schmälerung des Gesellschaftsvermögens, also der potenziellen Insolvenzmasse erleiden Scholz/K. Schmidt, a. a. O., § 64 Rn. 6). Sie soll aber nicht eine Krisenfinanzierung aus Gesellschafterhand perpetuieren.

            Zum Anspruch der Beklagten auf Verzugszinsen

2. Der Klägerin stehen Verzugszinsen ab dem 1.10.2005 zu. Da der Darlehensrückzahlungsanspruch erst zu diesem Zeitpunkt fällig wurde, ist gemäß Art. 229 § 1 Abs. 1 Satz 3 EGBGB, § 288 BGB in der seit 1.5.2000 geltenden Fassung anzuwenden. Darlehensrückzahlungsforderungen sind keine Entgeltforderungen und daher nach § 288 Abs. 1 BGB zu verzinsen (Palandt/Grüneberg, 69. Aufl., § 288, Rn. 8). Dem Anspruch der Klägerin auf Verzugszinsen steht keine Durchsetzungssperre gemäß § 30 Abs. 1 GmbH a. F. analog entgegen. Die Voraussetzungen einer Auszahlungssperre nach altem Recht bei eigenkapitalersetzenden Darlehen hat die Beklagte nicht substantiiert vorgetragen.

Hinsichtlich der von der Beklagten behaupteten Krise hat die Beklagte lediglich Handelsbilanzen vorgelegt. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.7.1999, Az. II ZR ZR 87/98, ZIP 1999, 1524; Urteil vom 8.1.2001, Az. II ZR 88/99, Tz. 9 = BB 2001, 430 mit Komm. Wicke) kann die Annahme einer Krise einer GmbH, in der ein ihr gewährtes Gesellschafterdarlehen die Funktion von Eigenkapital erlangt, nicht allein auf das Vorliegen einer Unterbilanz nach fortgeführten Buchwerten gestützt werden. Der Senat verkennt nicht, dass die Klägerin den pauschalen Vortrag der Beklagten, stille Reserven seien nicht vorhanden, nicht entgegengetreten ist. Aus den von der Beklagten vorgelegten Bilanzen ergibt sich jedoch, dass zum Jahresende 2000 kein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag bestand. Im Übrigen hat die Beklagte zu den Voraussetzungen einer „Krise" im Sinne der Vorschriften des Eigenkapitalersatzrechts nicht substantiiert vorgetragen. Zu der lediglich pauschalen Behauptung im Schriftsatz vom 10.11.2009, bei jedem Rückzahlungszeitpunkt musste festgestellt werden, dass Rückzahlung nicht möglich war und Insolvenz der Beklagten ausgelöst hätte, war mangels eines konkreten Tatsachenvortrages nicht Beweis zu erheben. Dass sich die Beklagte Ende September 2000, als der Kredit bis zum 30.09.2001 verlängert wurde und die Klägerin noch Gesellschafterin war, in einer Krise befand, hat die Beklagte nicht konkret vorgetragen. Bei der darauffolgenden Verlängerung am 20.9.2001 war die Klägerin nicht mehr Gesellschafterin, so dass die Voraussetzungen eines „Stehenlassens" des Kredits im Sinn der von der Rechtssprechung entwickelten Eigenkapitalersatzregeln schon aus diesem Grund nicht vorliegen.

Auszahlungen, die ihre Grundlage in einem Individualvertrag haben, der mit einem Gesellschafter wie mit einem Dritten geschlossen wurde (Drittgeschäft), können gegen § 30 GmbHG a. F. solange nicht verstoßen, als für sie eine gleichwertige Gegenleistung erbracht wird, so dass sie auch erfüllt werden dürfen, wenn nach dem Abschluss Unterbilanz eintritt (Scholz/Westermann, GmbHG, 10. Aufl., § 30 Rn. 32). Dass das streitgegenständlichen Darlehen einem Drittvergleich nicht standhalten würde, hat die Beklagte nicht behauptet. Die Tilgung von Gesellschafterdarlehen, die einem Drittvergleich standhalten und nicht kapitalersetzend sind, verstieß nach altem Recht trotz Bestehens einer Unterbilanz nicht gegen das Kapitalerhaltungsgebot (Scholz/Westermann, a. a. O., § 30 Rn. 38; OLG Köln, ZIP 2001, 337).

Hinweis der Redaktion: Das OLG hat die Revision nicht zugelassen.

stats