LG Tübingen: Die Erhebung von Negativzinsen im Wege eines Preisaushangs bei Einlagen auf einem Girokonto mit Kontoführungsgebühr
LG Tübingen, Urteil vom 25.5.2018 – 4 O 225/17
Volltext: BB-ONLINE BBL2018-1922-5
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Amtlicher Leitsatz
Die Erhebung von Negativzinsen im Wege eines Preisaushangs bei Einlagen auf einem Girokonto, für welches Kontoführungsgebühren erhoben werden, führt zu einer unangemessenen Benachteiligung von Bankkunden und ist daher gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB unzulässig.
Sachverhalt
Der Kläger ist ein in der Liste qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG geführter gemeinnütziger Verbraucherschutzverein. Er hat nach vorausgegangener Abmahnung gegen die Beklagte, eine Genossenschaftsbank, nach dem UKlaG in der Hauptsache verschiedene Unterlassungsanträge gestellt, die sich auf einen von der Beklagten zwischen dem 17.05.2017 und 26.06.2017 verwendeten Preisaushang beziehen. Die Hauptanträge (Ziff. 1 a), Ziff. 1 c) und Ziff. 2) sowie der Hilfsantrag (Ziff. 1 b)) hatten folgenden Wortlaut:
1.
Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR - und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft - oder eine Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, zu vollstrecken an den Vorständen der Beklagten, zukünftig zu unterlassen,
a)
im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern in Vertragsbedingungen für Girokonten folgende und/oder eine inhaltsgleiche Bestimmung zu verwenden und/oder sich darauf zu berufen, wenn zugleich auch Kontoführungsgebühren erhoben werden:
„Entgelt auf das Guthaben für die Verwahrung von Einlagen auf Kontokorrentkonten: 0,500% p.a.“,
wie dies in dem als Anlage K 3 vorgelegten „Preisaushang“ der Beklagten, Stand: 17. Mai 2017, geschehen ist,
hilfsweise,
b)
die unter Buchst. a) genannte Klausel und/oder eine inhaltsgleiche Bestimmung im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern in Vertragsbedingungen für Girokonten zu verwenden und/oder sich darauf zu berufen, wenn zugleich auch Kontoführungsgebühren erhoben werden sowie gleichzeitig darauf hingewiesen wird, die Beklagte erhebe für Guthaben unter 0,5 Mio. EUR keine Negativzinsen, behalte sich das aber für die Zukunft vor,
wie dies in dem als Anlage K 3 vorgelegten „Preisaushang“ der Beklagten, Stand: 17. Mai 2017, unter gleichzeitigem Hinweis geschehen ist, die Beklagte erhebe derzeit keine Negativzinsen von Normalsparern, behalte sich dies aber für die Zukunft vor, siehe Anlagen K 4 und K 5,
und/oder
c)
auf Grundlage der unter Buchst. a) genannten Klausel von Verbrauchern Entgelte zu fordern und/oder einzuziehen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 200,00 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Im Termin vom 27.04.2018 hat die Beklagte im Anschluss an die Erörterung der Sach- und Rechtslage eine strafbewehrte Unterlassungserklärung mit folgendem Inhalt abgegeben:
„I.
Die Beklagte verpflichtet sich gegenüber dem Kläger, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern auf Grundlage von Verträgen über Zahlungsverkehrskonten ("Girokonten") ein Entgelt auf das Guthaben für die Verwahrung von Einlagen oder ein inhaltsgleiches Entgelt zu erheben oder sich auf eine entsprechende Klausel zu berufen, wenn dies nicht zuvor ausdrücklich vertraglich vereinbart wurde. Als vertragliche Vereinbarung gilt nicht die einseitige Einführung über den Preisaushang.
II.
Die Beklagte verpflichtet sich weiter, für jeden Fall zukünftiger schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die unter Ziff. 1 aufgeführte Verpflichtung - jedoch unter Ausschluss der Geltung von § 348 HGB - eine von dem Kläger nach billigem Ermessen im Einzelfall zu bestimmende Vertragsstrafe zu zahlen, deren Angemessenheit im Streitfalle vom erkennenden Gericht zu überprüfen ist.
III.
Diese strafbewehrte Unterlassungserklärung steht unter der auflösenden Bedingung, dass höchstrichterliche Rechtsprechung oder eine veränderte Gesetzeslage das unter Ziff. 1 aufgeführte Verhalten ohne die dort beschriebene Beschränkung als rechtlich zulässig qualifiziert.“
Die Anträge Ziff. 1 a) und Ziff. 1 b) wurden vor diesem Hintergrund im Termin von beiden Parteien in der Hauptsache für erledigt erklärt. Die Beklagte hat ferner in Bezug auf die Anträge Ziff. 1 c) und Ziff. 2 ein Anerkenntnis abgegeben.
Aus den Gründen
1.
Die Verurteilung der Beklagten in Bezug auf die Anträge Ziff. 1 c) und Ziff. 2 beruht auf dem Anerkenntnis der Beklagten (§ 307 Abs. 1 ZPO). Da es sich nicht auf alle Anträge des Klägers bezogen hat, handelt es sich um ein Teil-Anerkenntnisurteil.
Hinsichtlich des Anerkenntnisses folgt die Kostenentscheidung aus § 91 Abs. 1 ZPO. Ein sofortiges Anerkenntnis i.S.v. § 93 ZPO liegt nicht vor, nachdem die Beklagte in der Klageerwiderung einen Klagabweisungsantrag angekündigt und diesen im Termin vom 27.04.2018 zunächst auch gestellt hatte. Im Übrigen hatte die Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben, da die vom Kläger erfolgte Abmahnung erfolglos geblieben ist.
2.
Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt worden ist (Anträge Ziff. 1a) und Ziff. 1 b)), ist die Rechtshängigkeit entfallen. Insoweit war nur noch eine Kostenentscheidung zu treffen gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO.
a)
Im Fall von § 91 a Abs. 1 ZPO ist über die Kostentragung auf der Grundlage der vor Eintritt des erledigenden Ereignisses geltenden Rechtslage unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Nach dieser Vorschrift richtet sich die Kostentragungspflicht regelmäßig danach, wie der Rechtsstreit ohne die Erledigung voraussichtlich ausgegangen wäre (BGHZ 67, 345; BGH NJW 2007, 3429). Eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten ist ausreichend (Zöller/Vollkommer, ZPO, 33. Aufl., § 91 a Rn. 25 m.w. Nachw.).
b)
Danach waren insoweit ebenfalls der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen. Denn die Klage hätte in Bezug auf den Antrag Ziff. 1 a) ohne die übereinstimmende Erledigungserklärung Erfolg gehabt (§ 1 UKlaG). Dies folgt bereits daraus, dass mit dem streitgegenständlichen Preisaushang auch Altkunden der Beklagten zu einem Entgelt bei Verträgen über ein Girokonto herangezogen werden, was AGB-rechtlich unzulässig war. Zur Begründung kann auf die rechtskräftige Entscheidung der Kammer vom 26.01.2018 i.S. 4 O 187/17 (WM 2018, 226; veröffentlicht in juris) Bezug genommen werden.
Das vorerwähnte Urteil führte letztlich auch zur Abgabe der im Tatbestand zitierten strafbewehrten Unterlassungserklärung durch die Beklagte, woraus zu entnehmen ist, dass die Beklagte den Antrag Ziff. 1 a) ebenfalls für begründet erachtet hat.
Dieser Antrag wäre darüber hinaus aber auch deshalb erfolgreich gewesen, weil in einem Nebeneinander von Kontoführungsgebühren für das Girokonto einerseits und einem Entgelt von 0,5 % p.a. für die Verwahrung von Einlagen eine unangemessene Benachteiligung der Bankkunden i.S.v. § 307 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 S. 1 BGB liegt.
aa)
§ 307 Abs. 3 Satz 1 BGB beschränkt die Inhaltskontrolle nach §§ 307 bis 309 BGB auf solche Bestimmungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Darunter fallen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weder Klauseln, die unmittelbar den Preis der vertraglichen Hauptleistung regeln, noch solche, die das Entgelt für eine rechtlich nicht geregelte, zusätzlich angebotene Sonderleistung bestimmen (BGH, Urteile vom 14.10.1997 - XI ZR 167/96, BGHZ 137, 27, 30, vom 18.05.1999 - XI ZR 219/98, BGHZ 141, 380, 382 f., vom 30.11.2004 - XI ZR 200/03, BGHZ 161, 189, 190 f., vom 21.04.2009 - XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 Rn. 16 m.w.N). Hat die Regelung hingegen kein Entgelt für eine Leistung, die dem Kunden auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erbracht wird, zum Gegenstand, sondern wälzt der Verwender durch die Bestimmung allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten oder für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden ab, so ist sie kontrollfähig (BGH, Urteil vom 07.12.2010 - XI ZR 3/10, BGHZ 187, 360 m.w.N.). Solche (Preis-) Nebenabreden werden durch § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht der AGB-Kontrolle entzogen. Eine kontrollfähige Nebenabrede ist auch dann gegeben, wenn durch sie das Hauptleistungsversprechen geändert, eingeschränkt oder sonst ausgestaltet wird (BGH, Urteil vom 12.03.1987 - VII ZR 37/86, BGHZ 100, 157, 173 f).
bb)
Da die Beklagte mit ihren Kunden eine Kontoführungsgebühr bereits vertraglich vereinbart hatte, ist das zusätzliche Verlangen nach einem Entgelt für die Verwahrung durch den Preisaushang als Preisnebenabrede zu qualifizieren. Denn damit wälzt die Beklagte allgemeine Betriebskosten, Aufwand zur Erfüllung eigener Pflichten oder für Tätigkeiten, die im eigenen Interesse liegen, auf den Kunden ab, ohne dass diesem eine zusätzliche (Sonder-) Leistung angeboten wird. Die Verwahrung des Guthabens schuldete die Beklagte ohnehin bereits auf der Basis des bestehenden Vertrages zur Führung des Girokontos, der als unregelmäßiger Verwahrungsvertrag i.S.v. § 700 BGB zu beurteilen ist (BGH, Urteil vom 08.07.1982 - I ZR 148/80, BGHZ 84, 371; BGH, Urteil vom 30.11.1993 - XI ZR 80/93, BGHZ 124, 254).
Im Ergebnis hätten Kunden der Beklagten für eine Leistung - nämlich die Verwahrung des Guthabens auf dem Girokonto - eine doppelte Gegenleistung zu erbringen, nämlich neben der Kontoführungsgebühr zusätzlich ein Entgelt in Form einer Negativverzinsung. Sowohl die Kontoführungsgebühr als auch die negative Verzinsung sollen den Aufwand bezogen auf die Verwaltung vergüten als auch einen Gewinn auf Seiten des Kreditinstitutes erzielen. Eine zusätzliche, rechtlich nicht geregelte (Sonder-) Leistung der Bank steht der Negativverzinsung, wie schon dargelegt worden ist, gerade nicht gegenüber. Aus diesem Grund handelt es sich um eine doppelte Bepreisung einer identischen Leistung, die den Kunden unangemessen benachteiligt und daher unzulässig ist (vgl. OLG Hamburg, Urteil vom 15.05.1996 - 5 U 246/95, NJW 1996, 1902).
Auf die Begründetheit des Hilfsantrages muss unter diesen Umständen nicht näher eingegangen werden.
Demnach hat die Beklagte die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 1 ZPO. Die Kostenentscheidung nach § 91a ZPO hat Beschlusscharakter und ist daher nicht vorläufig vollstreckbar. Der Streitwert wurde in Anbetracht der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtsstreits für die Beklagte auf bis zu 45.000,00 EUR festgesetzt (§ 3 ZPO).