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Wirtschaftsrecht
05.11.2020
Wirtschaftsrecht
EuGH: De-minimis-Beihilfe –Einhaltung des Höchstbetrags

EuGH, Urteil vom 28.10.2020 – C-608/19, Istituto nazionale per l’assicurazione contro gli infortuni sul lavoro (INAIL) gegen Zennaro Giuseppe Legnami Sas di Zennaro Mauro & C.

ECLI:EU:C:2020:865

Volltext: BB-Online BBL2020-2561-1

Tenor

1. Die Art. 3 und 6 der Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen sind dahin auszulegen, dass ein Unternehmen, dessen Niederlassungsmitgliedstaat ihm eine De-minimis-Beihilfe zu gewähren beabsichtigt, durch die wegen bestehender früherer Beihilfen der Betrag der diesem Unternehmen insgesamt gewährten Beihilfen den in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1407/2013 vorgesehenen Höchstbetrag von 200 000 Euro in einem Zeitraum von drei Steuerjahren überschreiten würde, bis zur Gewährung dieser Beihilfe für die Verringerung der beantragten Mittel oder den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf frühere bereits erhaltene Zuschüsse optieren kann, um diesen Höchstbetrag nicht zu überschreiten.

2. Die Art. 3 und 6 der Verordnung Nr. 1407/2013 sind dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, den antragstellenden Unternehmen zu gestatten, ihren Beihilfeantrag vor der Gewährung der Beihilfe zu ändern, um den in Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1407/2013 vorgesehenen Höchstbetrag von 200 000 Euro in einem Zeitraum von drei Steuerjahren nicht zu überschreiten. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die rechtlichen Konsequenzen der fehlenden Möglichkeit für die Unternehmen zur Vornahme solcher Änderungen zu beurteilen, wobei diese nur zu einem Zeitpunkt vor der Gewährung der De-minimis-Beihilfe vorgenommen werden dürfen.

Urteil

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 3 und 6 der Verordnung (EU) Nr. 1407/2013 der Kommission vom 18. Dezember 2013 über die Anwendung der Artikel 107 und 108 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union auf De-minimis-Beihilfen (ABl. 2013, L 352, S. 1).

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Istituto nazionale per l’assicurazione contro gli infortuni sul lavoro (Nationale Arbeitsunfallversicherungsanstalt, Italien) (im Folgenden: INAIL) und der Zennaro Giuseppe Legnami Sas di Zennaro Mauro & C. (im Folgenden: Zennaro) wegen der Weigerung des INAIL, bewilligte Mittel an Zennaro auszuzahlen, weil diese zur Überschreitung des Höchstbetrags von 200 000 Euro über einen Zeitraum von drei Steuerjahren nach Art. 3 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1407/2013 (im Folgenden: De-minimis-Höchstbetrag) führen würden.

Rechtlicher Rahmen

3          Die Erwägungsgründe 3, 10, 21 und 22 der Verordnung Nr. 1407/2013 sehen vor:

„(3) Der auf 200 000 [Euro] festgesetzte De-minimis-Beihilfen- Höchstbetrag, den ein einziges Unternehmen in einem Zeitraum von drei Jahren pro Mitgliedstaat erhalten darf, sollte beibehalten werden. Dieser Höchstbetrag ist nach wie vor notwendig, damit davon ausgegangen werden kann, dass die einzelnen unter diese Verordnung fallenden Maßnahmen weder Auswirkungen auf den Handel zwischen Mitgliedstaaten haben noch den Wettbewerb verfälschen oder zu verfälschen drohen.

(10) Der für die Zwecke dieser Verordnung zugrunde zu legende Zeitraum von drei Jahren sollte fließend sein, d. h., bei jeder Neubewilligung einer De-minimis-Beihilfe sollte die Gesamtsumme der im laufenden Steuerjahr und in den vorangegangenen zwei Steuerjahren gewährten De-minimis-Beihilfen herangezogen werden.

(21) Die Kommission hat die Aufgabe zu gewährleisten, dass die Beihilfevorschriften eingehalten werden, und nach dem in Artikel 4 Absatz 3 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit sind die Mitgliedstaaten gehalten, der Kommission die Erfüllung dieser Aufgabe zu erleichtern, indem sie durch geeignete Vorkehrungen sicherstellen, dass der Gesamtbetrag der De-minimis-Beihilfen, die einem einzigen Unternehmen nach den De-minimis-Vorschriften gewährt werden, den insgesamt zulässigen Höchstbetrag nicht übersteigt. Hierzu sollten die Mitgliedstaaten bei Gewährung einer De-minimis-Beihilfe dem betreffenden Unternehmen unter ausdrücklichem Verweis auf diese Verordnung den Betrag der gewährten De-minimis-Beihilfen mitteilen und es darauf hinweisen, dass es sich um eine De-minimis-Beihilfe handelt. Mitgliedstaaten sollten verpflichtet sein, die gewährten Beihilfen zu überprüfen, um zu gewährleisten, dass die einschlägigen Höchstbeträge nicht überschritten werden und die Regeln zur Kumulierung eingehalten werden. Um diese Verpflichtung einzuhalten, sollte der betreffende Mitgliedstaat die Beihilfe erst gewähren, nachdem er eine Erklärung des Unternehmens über andere unter diese Verordnung oder andere De-minimis-Verordnungen fallende De-minimis-Beihilfen, die dem Unternehmen im betreffenden Steuerjahr oder in den vorangegangenen zwei Steuerjahren gewährt wurden, erhalten hat. Die Mitgliedstaaten sollten ihre Überwachungspflicht stattdessen auch dadurch erfüllen können, dass sie ein Zentralregister einrichten, das vollständige Informationen über die gewährten De-minimis-Beihilfen enthält, und sie überprüfen, dass eine neue Beihilfengewährung den einschlägigen Höchstbetrag einhält.

(22) Jeder Mitgliedstaat sollte sich vor der Gewährung einer De-minimis-Beihilfe vergewissern, dass der De-minimis- Höchstbetrag durch die neue De-minimis-Beihilfe in seinem Hoheitsgebiet nicht überschritten wird …“

4          In Art. 3 („De-minimis-Beihilfen“) dieser Verordnung heißt es:

„(1) Beihilfemaßnahmen, die die Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllen, werden als Maßnahmen angesehen, die nicht alle Tatbestandsmerkmale des Artikels 107 Absatz 1 AEUV erfüllen, und sind daher von der Anmeldepflicht nach Artikel 108 Absatz 3 AEUV ausgenommen.

(2) Der Gesamtbetrag der einem einzigen Unternehmen von einem Mitgliedstaat gewährten De-minimis-Beihilfen darf in einem Zeitraum von drei Steuerjahren 200 000 [Euro] nicht übersteigen.

(4) Als Bewilligungszeitpunkt einer De-minimis-Beihilfe gilt der Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen nach dem geltenden nationalen Recht einen Rechtsanspruch auf die Beihilfe erwirbt, und zwar unabhängig davon, wann die De-minimis-Beihilfe tatsächlich an das Unternehmen ausgezahlt wird.

(5) Die in Absatz 2 genannten Höchstbeträge gelten für De-minimis-Beihilfen gleich welcher Art und Zielsetzung …. Der zugrunde zu legende Zeitraum von drei Steuerjahren bestimmt sich nach den Steuerjahren, die für das Unternehmen in dem betreffenden Mitgliedstaat maßgebend sind.

(6) Für die Zwecke der in Absatz 2 genannten Höchstbeträge wird die Beihilfe als Barzuschuss ausgedrückt. Bei den eingesetzten Beträgen sind Bruttobeträge, d. h. die Beträge vor Abzug von Steuern und sonstigen Abgaben, zugrunde zu legen. Bei Beihilfen, die nicht in Form von Zuschüssen gewährt werden, entspricht der Beihilfebetrag ihrem Bruttosubventionsäquivalent.

In mehreren Tranchen zahlbare Beihilfen werden zum Bewilligungszeitpunkt abgezinst. Für die Abzinsung wird der zum Bewilligungszeitpunkt geltende Abzinsungssatz zugrunde gelegt.

(7) Wenn der einschlägige Höchstbetrag nach Absatz 2 durch die Gewährung neuer De-minimis-Beihilfen überschritten würde, darf diese Verordnung für keine der neuen Beihilfen in Anspruch genommen werden.

…“

5          Art. 6 („Überwachung“) der Verordnung bestimmt:

„(1) Beabsichtigt ein Mitgliedstaat, einem Unternehmen im Einklang mit dieser Verordnung eine De-minimis-Beihilfe zu bewilligen, so teilt er diesem Unternehmen schriftlich die voraussichtliche Höhe der Beihilfe (ausgedrückt als Bruttosubventionsäquivalent) mit und weist es … darauf hin, dass es sich um eine De-minimis-Beihilfe handelt. … Der Mitgliedstaat gewährt die Beihilfe erst, nachdem er von dem betreffenden Unternehmen eine Erklärung in schriftlicher oder elektronischer Form erhalten hat, in der dieses alle anderen ihm in den beiden vorangegangenen Steuerjahren sowie im laufenden Steuerjahr gewährten De-minimis-Beihilfen angibt, für die die vorliegende oder andere De-minimis-Verordnungen gelten.

(2) Verfügt ein Mitgliedstaat über ein Zentralregister für De- minimis-Beihilfen mit vollständigen Informationen über alle von Behörden in diesem Mitgliedstaat gewährten De-minimis-Beihilfen, so wird Absatz 1 von dem Zeitpunkt an, zu dem das Register einen Zeitraum von drei Steuerjahren erfasst, nicht mehr angewandt.

(3) Der Mitgliedstaat gewährt die neue De-minimis-Beihilfe nach dieser Verordnung erst, nachdem er sich vergewissert hat, dass dadurch der Betrag der dem betreffenden Unternehmen insgesamt gewährten De-minimis-Beihilfen nicht den einschlägigen Höchstbetrag nach Artikel 3 Absatz 2 übersteigt und sämtliche Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllt sind.

(4) Die Mitgliedstaaten zeichnen sämtliche die Anwendung dieser Verordnung betreffenden Informationen auf und stellen sie zusammen. Diese Aufzeichnungen müssen alle Informationen enthalten, die für den Nachweis benötigt werden, dass die Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllt sind. Die Aufzeichnungen über De-minimis-Einzelbeihilfen sind 10 Steuerjahre ab dem Zeitpunkt aufzubewahren, zu dem die Beihilfe gewährt wurde. Die Aufzeichnungen über De-minimis-Beihilferegelungen sind 10 Steuerjahre ab dem Zeitpunkt aufzubewahren, zu dem die letzte Einzelbeihilfe nach der betreffenden Regelung gewährt wurde.

(5) Der betreffende Mitgliedstaat übermittelt der Kommission auf schriftliches Ersuchen … alle Informationen, die die Kommission benötigt, um prüfen zu können, ob die Voraussetzungen dieser Verordnung erfüllt sind, und insbesondere den Gesamtbetrag der De-minimis-Beihilfen …, die ein Unternehmen erhalten hat.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

6          Zennaro ist auf dem Sektor von Holz und Holzfolgeerzeugnissen tätig. Am 16. Juni 2014 stellte das Unternehmen beim INAIL einen Antrag auf Mittelzuwendung, der auf die Gewährung eines Zuschusses gemäß der öffentlichen Rahmenbekanntmachung des INAIL aus dem Jahr 2013 über „Anreize für Unternehmen zur Durchführung von Maßnahmen im Bereich der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz“ (im Folgenden: öffentliche Bekanntmachung) gerichtet war.

7          Das von dieser öffentlichen Bekanntmachung geregelte Verfahren hinsichtlich der Aufforderung zur Einreichung von Projektvorschlägen sah vier Phasen vor, nämlich erstens die telematische Übermittlung der Anträge, zweitens das Übersenden der Unterlagen zur Finalisierung des Antrags, drittens die Prüfung der übermittelten Dokumente durch das INAIL und die Zulassung des Antrags sowie schließlich viertens die Prüfung und die Erstellung eines Berichts, der die tatsächliche Auszahlung des Zuschusses ermöglicht. Im Rahmen der letztgenannten Phase hatte das Unternehmen eine sogenannte „De minimis“-Erklärung abzugeben, in der es seine Förderfähigkeit in Bezug auf den Zuschuss in der beantragten Höhe dartat. War eine solche Förderfähigkeit nicht gegeben, musste die dem Unternehmen bewilligte Beihilfengewährung widerrufen werden.

8          Mit Bescheid vom 30. Oktober 2014 teilte das INAIL Zennaro mit, dass das Projekt in Höhe von 130 000 Euro zugelassen worden sei und setzte das Unternehmen davon in Kenntnis, dass die Möglichkeit bestehe, vorbehaltlich der vorherigen Vorlage einer Bankgarantie einen Vorschuss in Höhe von 65 000 Euro zu erhalten, den das Unternehmen tatsächlich beantragte.

9          Im Lauf des Verfahrens stellte sich jedoch heraus, dass Zennaro, in vorübergehendem Zusammenschluss mit anderen Unternehmen verbunden, am 1. August 2014 von der Regione Veneto (Region Venetien, Italien) ein weiterer Zuschuss in Höhe von insgesamt 64 483,91 Euro bewilligt worden war, der an sie ausgezahlt wurde. Darüber hinaus hatte das Unternehmen auch eine weitere öffentliche Mittelzuwendung in Höhe von 18 985,26 Euro erhalten. Das vorlegende Gericht führt aus, dass die Hinzurechnung dieser beiden Beträge zu dem vom INAIL bewilligten Betrag von 130 000 Euro zu einem Betrag von 213 469,17 Euro und zum Überschreiten des De-minimis-Höchstbetrags geführt hätte.

10        Mit Schreiben vom 12. Juni 2015 erkundigte sich Zennaro beim INAIL, ob sie zur Vermeidung dieser Überschreitung entweder in der Phase der Berichterstellung die Zuschusshöhe verringern oder eine Projektänderung vorlegen solle, um den Betrag des geplanten Projekts und dementsprechend den Zuschussbetrag zu verringern.

11        Nachdem Zennaro auf dieses Schreiben keine Antwort erhalten hatte, entschied sich das Unternehmen mit E‑Mail vom 12. August 2015 für die zweite Lösung und legte dem INAIL eine Projektänderung vor, die dessen Gesamtkosten auf 171 386,40 Euro verringerte und als Konsequenz den Zuschussbetrag auf 111 401,16 Euro senkte.

12        Mit Bescheiden vom 5. Oktober und vom 18. November 2015 entschied das INAIL zwar, dass die Projektänderung in technischer Hinsicht zulässig sei, sah sich aber außer Stande, Zennaro diese Mittel zu bewilligen; deren teilweise Gewährung sei nur möglich, wenn Zennaro vollständig auf frühere Mittelzuwendungen verzichte. So führte das INAIL im zweiten Bescheid aus, dass „der Zuschuss… nur unter der Voraussetzung gewährt werden [kann], dass das Unternehmen auf den von einer anderen Stelle zuvor gewährten Zuschuss verzichtet“.

13        Daraufhin erhob Zennaro beim Tribunale amministrativo regionale per il Veneto (Regionales Verwaltungsgericht für Venetien, Italien) Klage auf Aufhebung des Bescheids vom 18. November 2015.

14        Mit zertifizierter E‑Mail vom 27. April 2016 übermittelte Zennaro dem INAIL Unterlagen, die bescheinigten, dass das Unternehmen auf den von der Region Venetien ausgezahlten Zuschuss in Höhe von 15 000 Euro, der auf die anderen Mitglieder des vorübergehenden Zusammenschlusses verteilt worden sei, verzichtet hatte; somit sei dargetan, dass die erhaltenen staatlichen Beihilfen den De-minimis‑Höchstbetrag nicht überschreiten würden.

15        Mit Bescheid vom 6. Juni 2016 bestätigte das INAIL, dass es aufgrund seiner Höhe den beantragten Zuschuss nicht auszahlen könne, da die Summe der drei öffentlichen Mittelzuwendungen den De-minimis-Höchstbetrag überschreite und eine teilweise Auszahlung des Zuschusses gegen Art. 3 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1407/2013 verstieße. Das INAIL nahm zwar die Unterlagen zur Kenntnis, aus denen hervorgeht, dass auf den früheren regionalen Zuschuss verzichtet worden und dieser auf die anderen Mitglieder des vorübergehenden Zusammenschlusses verteilt worden sei, stellte aber deren Relevanz in Abrede, indem es ausführte, dass „… nicht ersichtlich [ist], dass dieses Unternehmen auf den früher erhaltenen Zuschuss verzichtet und ihn der auszahlenden Stelle zurückerstattet hat; die Umverteilung dieses Zuschusses zwischen den Mitgliedern des vorübergehenden Zusammenschlusses ist ohne Belang“. Deshalb forderte das INAIL die Rückzahlung des bereits ausgezahlten Vorschusses von 65 000 Euro. Andernfalls werde die Bankgarantie in Anspruch genommen.

16        Am 26. Juni 2016 beantragte Zennaro unter Berufung auf zusätzliche Klagegründe auch die Aufhebung des Bescheids des INAIL vom 6. Juni 2016.

17        Mit Urteil vom 7. September 2016 gab das Tribunale amministrativo regionale per il Veneto (Regionales Verwaltungsgericht für Venetien) der Klage von Zennaro in Anbetracht der Auffassung statt, die die Generaldirektion Wettbewerb der Europäischen Kommission (GD Wettbewerb) in Beantwortung einer ihr von Zennaro zur Auslegung von Art. 3 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1407/2013 gestellten Frage geäußert hatte. In ihrer Antwort wies die GD Wettbewerb darauf hin, dass der Zuschuss von der für seine Auszahlung zuständigen öffentlichen Stelle anteilig verringert werden könne, um den De-minimis-Höchstbetrag einzuhalten. Es sei Sache der nationalen Behörden, die bevorzugte Option zu wählen, da beide Lösungen – die anteilige Verringerung oder die vollständige Versagung des Zuschusses – theoretisch mit der Verordnung im Einklang stünden.

18        Nach Ansicht dieses Gerichts hätte – insbesondere, um das berechtigte Vertrauen der Beteiligten zu schützen – „die vom [INAIL] gegebene Auslegung von Art. 3 Abs. 7 der Verordnung Nr. 1407/2013 über die Unzulässigkeit der Verringerung der Mittel in Höhe des Teils des Zuschusses, der den von der Verordnung auf 200 000 Euro festgelegten Höchstbetrag übersteigt, obwohl sie theoretisch mit den Unionsvorschriften im Bereich der De-minimis-Beihilfen im Einklang steht, in der [öffentlichen Bekanntmachung] ausdrücklich vorgesehen sein müssen, um im vorliegenden Fall ordnungsgemäß angewandt werden zu können“. Die vom INAIL eingewandten Einschränkungen seien dagegen angesichts der in der öffentlichen Bekanntmachung dargelegten Kriterien unvorhersehbar und könnten „im Licht einer in formeller Hinsicht weniger restriktiven Auslegung der Unionsregeln überwunden werden, die zudem eher in Einklang mit der erklärten ,Zielsetzung der [öffentlichen Bekanntmachung stehe], den Unternehmen einen Anreiz zur Durchführung von Projekten zur Verbesserung des Gesundheits- und Sicherheitsniveaus bei der Arbeit zu bieten‘“.

19        Das INAIL legte gegen dieses Urteil beim Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) ein Rechtsmittel ein.

20        Insbesondere unter Berufung auf eine Zusammenschau der Bestimmungen von Art. 3 Abs. 2, 4 und 7 der Verordnung Nr. 1407/2013 macht es geltend, dass als Bewilligungszeitpunkt einer De-minimis-Beihilfe der Zeitpunkt zu gelten habe, zu dem das Unternehmen einen Rechtsanspruch auf die Beihilfe erwerbe, unabhängig davon, wann die De-minimis-Beihilfe tatsächlich ausgezahlt werde. Diese Bestimmungen enthielten zwingende Anforderungen, die in der nationalen Rechtsordnung unmittelbar anwendbar seien. Folglich müsse die Einhaltung des De-minimis‑Höchstbetrags zum Zeitpunkt der Bewilligung des Zuschusses geprüft werden, hier also in der Phase der Zulassung des Antrags. Etwaige Korrekturen seitens des Antragstellers seien daher während dieser Phase einzureichen.

21        Zennaro beanstandet die vom INAIL befürwortete Auslegung. Erstens seien allein die Bestimmungen der öffentlichen Bekanntmachung anwendbar, da aus Art. 3 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1407/2013 hervorgehe, dass es Sache des „geltenden nationalen Rechts“ sei, den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem „das Unternehmen … einen Rechtsanspruch auf die Beihilfe erwirbt“. Zweitens erfasse Art. 6 Abs. 5 dieser Verordnung, der die Pflicht eines Mitgliedstaats zur Übermittlung aller von der Kommission benötigten Informationen betrifft, alle Beihilfen, die das Unternehmen tatsächlich erhalten habe und nicht nur diejenigen, die auf der Grundlage des ersten Bewilligungsakts gewährt worden seien. Drittens schließlich sei die Regelung im Bereich von De-minimis-Beihilfen nicht erlassen worden, um die Unternehmen zu benachteiligen, sondern um im Fall von Beihilfen von begrenzter Höhe den Verwaltungsaufwand zu reduzieren; die vom INAIL vorgeschlagene enge Auslegung führe zu nachteiligen Anwendungen, die der Intention dieser Regelung zuwiderliefen.

22        Das vorlegende Gericht vertritt die Auffassung, dass beiden von den Parteien des Ausgangsverfahrens genannten Auslegungen gefolgt werden könne. Auf der einen Seite sei die vom INAIL vorgebrachte Auslegung günstiger für eine reibungslose Gestaltung des Verfahrensablaufs, da die Voraussetzungen für den Zugang zu Zuschüssen allein zum Zeitpunkt der Zulassung des Antrags geprüft würden. Auf der anderen Seite ermögliche die von Zennaro geltend gemachte Auslegung eine weite Öffnung der Voraussetzungen für den Zugang zu Zuschüssen, auch für Wettbewerber, die, solange sie noch keine Gewissheit über ihre Zulassung erlangt hätten, ihren Antrag nicht ändern könnten, um den Höchstbetrag nicht zu überschreiten. Etwaige Änderungen des Antrags auf Mittelzuwendung ließen sich nämlich schwerer umsetzen, wenn diese Umsetzung in der Phase der Prüfung der zugelassenen Anträge erfolgte, da dies Auswirkungen auf die bis dahin erstellte Rangfolge hätte.

23        Zu den einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 1407/2013 führt das vorlegende Gericht zunächst aus, dass zum einen deren Art. 3 Abs. 4, wonach als Bewilligungszeitpunkt einer De-minimis-Beihilfe „der Zeitpunkt [gilt], zu dem das Unternehmen … einen Rechtsanspruch auf die Beihilfe erwirbt, und zwar unabhängig davon, wann die De-minimis-Beihilfe tatsächlich … ausgezahlt wird“, mit einem Verfahrensmodell nicht unvereinbar erscheine, in dem auf eine erste Zulassungsphase eine eingehendere Untersuchung folge, nach deren Abschluss der Rechtsanspruch auf den Zuschuss schließlich als „erworben“ angesehen werden könne. Zum anderen stelle dieselbe Bestimmung klar, dass das Vorliegen einer „bewilligten“ Beihilfe „nach dem geltenden nationalen Recht“ zu verstehen sei, was die Annahme zulasse, dass diese Bestimmung mit verschiedenen, nicht im Vorhinein bestimmten Verfahrensmodellen in Einklang stehen könne. Sodann finde nach Art. 6 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1407/2013 die Auszahlung der Beihilfe nach Überprüfung der Einhaltung des Höchstbetrags statt, was ebenfalls zu der Annahme führen könne, dass der Rechtsanspruch auf die Förderung erst nach dieser Prüfung definitiv „erworben“ sei. Schließlich ergebe sich aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 letzter Satz der Verordnung Nr. 1407/2013, insbesondere aus dem Verweis auf „alle anderen … gewährten De-minimis-Beihilfen“, dass die Erklärung alle erhaltenen Beihilfen angeben müsse. Es gehe darum, zu bestimmen, ob die Entscheidung, auf einen früheren Zuschuss zu verzichten, zwingend getroffen werden müsse, bevor dieser materiell ausgezahlt worden sei.

24        Unter diesen Umständen hat der Consiglio di Stato (Staatsrat) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Sind die in den Art. 3 und 6 der Verordnung Nr. 1407/2013 festgelegten Regelungen im Bereich der Gewährung von Beihilfen dahin auszulegen, dass es einem antragstellenden Unternehmen, das aufgrund der Kumulierung mit früheren Zuschüssen den zulässigen Beihilfenhöchstbetrag zu überschreiten droht, möglich ist – bis zur tatsächlichen Auszahlung des beantragten Zuschusses –, für eine Verringerung der Mittelzuwendung (durch eine Projektänderung bzw. ‑variante) oder für einen (gänzlichen oder teilweisen) Verzicht auf frühere, eventuell bereits bezogene, Zuschüsse zu optieren, um die Beihilfenhöchstgrenze nicht zu überschreiten?

2. Sind diese Bestimmungen dahin auszulegen, dass die verschiedenen in Erwägung gezogenen Möglichkeiten (Änderung oder Verzicht) auch dann bestehen, wenn sie in den innerstaatlichen Rechtsvorschriften und/oder in der öffentlichen Bekanntmachung über die Gewährung der Beihilfe nicht ausdrücklich vorgesehen sind?

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

25        Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 3 und 6 der Verordnung Nr. 1407/2013 dahin auszulegen sind, dass ein Unternehmen, dessen Niederlassungsmitgliedstaat ihm eine De-minimis-Beihilfe zu gewähren beabsichtigt, durch die wegen bestehender früherer Beihilfen der Betrag der diesem Unternehmen insgesamt gewährten Beihilfen den De-minimis-Höchstbetrag überschreiten würde, bis zur tatsächlichen Auszahlung dieser Beihilfe für die Verringerung der beantragten Mittel oder für den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf frühere bereits erhaltene Beihilfen optieren kann, um diesen Höchstbetrag nicht zu überschreiten.

26        Die Art. 3 und 6 der Verordnung Nr. 1407/2013 sind im Gesamtzusammenhang dieser Verordnung zu betrachten, die die Möglichkeit zum Gegenstand hat, bei staatlichen Beihilfen von begrenzter Höhe von der Regel abzuweichen, dass sämtliche Beihilfen vor ihrer Durchführung bei der Kommission angemeldet werden müssen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Februar 2018, ZPT, C‑518/16, EU:C:2018:126, Rn. 50 und 51).

27        Hieraus folgt, dass sowohl Art. 3 der Verordnung Nr. 1407/2013, der zum Gegenstand hat, die von dem im Vertrag festgelegten Grundsatz des Beihilfenverbots abweichenden De-minimis-Beihilfen zu definieren, als auch ihr Art. 6, der die von den Mitgliedstaaten vorgenommene Überwachung bei Gewährung einer solchen Beihilfe betrifft, eng auszulegen sind.

28        Bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts sind nicht nur deren Wortlaut, sondern auch der Zusammenhang, in den sie sich einfügt, und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. Oktober 2019, BGL BNP Paribas, C‑548/18, EU:C:2019:848, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

29        Als Erstes ist hinsichtlich des Wortlauts der in Rede stehenden Bestimmungen der Verordnung Nr. 1407/2013 zunächst zum einen hervorzuheben, dass nach Art. 3 Abs. 7 dieser Verordnung dann, „[w]enn der einschlägige [De-minimis‑]Höchstbetrag … durch die Gewährung neuer De-minimis-Beihilfen überschritten würde, [die Verordnung Nr. 1407/2013] für keine der neuen Beihilfen in Anspruch genommen werden [darf]“. Dem Wortlaut dieser Bestimmung zufolge ist für die Beurteilung, ob durch die Kumulierung mit anderen De-minimis-Beihilfen der De-minimis-Höchstbetrag überschritten wird, auf den Zeitpunkt der „Gewährung“ der Beihilfe abzustellen.

30        Zum anderen gilt ausweislich des Wortlauts von Art. 3 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1407/2013 darüber hinaus „als Bewilligungszeitpunkt einer De-minimis-Beihilfe … der Zeitpunkt, zu dem das Unternehmen nach dem geltenden nationalen Recht einen Rechtsanspruch auf die Beihilfe erwirbt, und zwar unabhängig davon, wann die De-minimis-Beihilfe tatsächlich an das Unternehmen ausgezahlt wird“.

31        Hierbei ist es nach ständiger Rechtsprechung Sache des vorlegenden Gerichts, nach dem einschlägigen nationalen Recht den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem die fragliche Beihilfe als gewährt anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. März 2013, Magdeburger Mühlenwerke, C‑129/12, EU:C:2013:200, Rn. 40 und 41, sowie vom 6. Juli 2017, Nerea, C‑245/16, EU:C:2017:521, Rn. 32 und 33).

32        Dazu muss das vorlegende Gericht sämtliche Voraussetzungen berücksichtigen, die im nationalen Recht für die Gewährung der Beihilfe vorgesehen sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. März 2013, Magdeburger Mühlenwerke, C‑129/12, EU:C:2013:200, Rn. 41).

33        Folglich wird im vorliegenden Fall das vorlegende Gericht den Zeitpunkt der Gewährung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Beihilfe auf der Grundlage der Bestimmungen der öffentlichen Bekanntmachung und gegebenenfalls der auf diese anwendbaren nationalen Regelung zu bestimmen haben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. März 2013, Magdeburger Mühlenwerke, C‑129/12, EU:C:2013:200, Rn. 40, und vom 6. Juli 2017, Nerea, C‑245/16, EU:C:2017:521, Rn. 32).

34        Insoweit ist festzustellen, dass zwar die Bestimmung des Zeitpunkts der Beihilfegewährung nach Maßgabe der Natur der in Rede stehenden Beihilfe veränderlich ist, jedoch eine Beihilfe, wenn sie nicht gemäß einer mehrjährigen Regelung gewährt wird, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht als zum Zeitpunkt ihrer Auszahlung gewährt angesehen werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2011, France Télécom/Kommission, C‑81/10 P, EU:C:2011:811, Rn. 82).

35        Sodann ist zu den Bestimmungen von Art. 6 der Verordnung Nr. 1407/2013 betreffend die von den Mitgliedstaaten zur Einhaltung der Kumulierungsregeln ausgeübte Überwachung zum einen festzustellen, dass Art. 6 Abs. 2 dieser Verordnung, wonach deren Art. 6 Abs. 1 nicht mehr angewandt wird, wenn ein Mitgliedstaat über ein Zentralregister für De-minimis-Beihilfen mit Informationen über alle von Behörden in diesem Mitgliedstaat gewährten De-minimis-Beihilfen verfügt, auf das Ausgangsverfahren nicht anwendbar ist. Die Italienische Republik verfügt nämlich erst seit dem 12. August 2017, also einem nach dem in Rede stehenden Beihilfenantrag liegenden Zeitpunkt, über das Zentralregister für De-minimis-Beihilfen.

36        Zum anderen sehen die Bestimmungen von Art. 6 Abs. 1 und 3 der Verordnung Nr. 1407/2013 vor, dass „[d]er Mitgliedstaat … die Beihilfe erst [gewährt], nachdem er von dem betreffenden Unternehmen eine Erklärung … erhalten hat, in der dieses alle anderen ihm in den beiden vorangegangenen Steuerjahren sowie im laufenden Steuerjahr gewährten De-minimis-Beihilfen angibt…“, und in allen Sprachfassungen außer der italienischen Fassung, dass „[d]er Mitgliedstaat … die neue De-minimis-Beihilfe nach dieser Verordnung erst [gewährt], nachdem er sich vergewissert hat, dass dadurch der Betrag der dem betreffenden Unternehmen insgesamt gewährten De-minimis-Beihilfen nicht den [De-minimis‑]Höchstbetrag … übersteigt …“. Aus diesen Bestimmungen geht somit klar hervor, dass die von den Mitgliedstaaten ausgeübte Überwachung der Einhaltung der Kumulierungsregeln „vor der Gewährung der Beihilfe“ zu erfolgen hat.

37        Diese Auslegung wird nicht dadurch entkräftet, dass es nur in der italienischen Sprachfassung von Art. 6 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1407/2013 heißt, dass ein Mitgliedstaat keine neue Beihilfe „auszahlt“ (eroga), während alle anderen Sprachfassungen ein Verb verwenden, das im Italienischen dem Verb „gewähren“ (concedere) entspricht. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen einer Vorschrift des Unionsrechts voneinander ab, muss nämlich nach ständiger Rechtsprechung die betreffende Vorschrift insbesondere nach der allgemeinen Systematik der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (Urteil vom 14. Mai 2019, M u. a. [Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft], C‑391/16, C‑77/17 und C‑78/17, EU:C:2019:403, Rn. 88 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Die Erwägungsgründe 21 und 22 der Verordnung Nr. 1407/2013 – die sinngemäß auf deren Art. 6 Abs. 1 und 3 verweisen – verwenden in ihrer italienischen Sprachfassung die Begriffe aiuti concessi („gewährte Beihilfen“) bzw. prima di concedere („vor der Gewährung“). Dass die Sprachfassungen von Art. 6 Abs. 3 der Verordnung Nr. 1407/2013 voneinander abweichen, resultiert folglich aus einem Übersetzungsfehler der italienischen Sprachfassung dieser Bestimmung.

38        Als Zweites ist zum Zusammenhang, in den sich die Art. 3 und 6 der Verordnung Nr. 1407/2013 einfügen, festzustellen, dass diese Verordnung keine Bestimmungen enthält, nach denen die antragstellenden Unternehmen gegebenenfalls ihren Beihilfeantrag ändern könnten, indem sie den Beihilfebetrag verringern oder auf frühere Beihilfen verzichten, um den De-minimis-Höchstbetrag einzuhalten.

39        Da die Gewährung der Beihilfe gemäß Art. 3 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1407/2013 dem geltenden nationalen Recht unterliegt, verfügen die Mitgliedstaaten mithin über einen großen Beurteilungsspielraum bei der Festlegung des Verfahrens zur Beihilfengewährung.

40        Insoweit ist festzustellen, dass dem 21. Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1407/2013 zufolge die Mitgliedstaaten nach dem in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatz der Zusammenarbeit gehalten sind, die Einhaltung der für staatliche Beihilfen geltenden Regeln zu erleichtern, „indem sie durch geeignete Vorkehrungen sicherstellen, dass der Gesamtbetrag der De-minimis-Beihilfen, die einem einzigen Unternehmen nach den De-minimis-Vorschriften gewährt werden, den insgesamt zulässigen Höchstbetrag nicht übersteigt“.

41        Als Drittes ist hinsichtlich der Ziele der Verordnung Nr. 1407/2013 darauf hinzuweisen, dass mit der De-minimis-Regelung der Verwaltungsaufwand der Unternehmen, der Kommission und der Mitgliedstaaten vereinfacht werden soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. März 2002, Italien/Kommission, C‑310/99, EU:C:2002:143, Rn. 94), indem von dem im dritten Erwägungsgrund dieser Verordnung genannten Grundsatz ausgegangen wird, dass Beihilfen, deren Betrag den De-minimis-Höchstbetrag nicht übersteigt, keine Auswirkungen auf den Handel zwischen den Mitgliedstaaten haben und den Wettbewerb nicht verfälschen können.

42        Unter Berücksichtigung dieser Ziele ist die den Mitgliedstaaten zur Verfügung stehende Möglichkeit, den antragstellenden Unternehmen das Recht einzuräumen, ihren Beihilfeantrag bis zur Gewährung der Beihilfe zu ändern, indem sie den Betrag der beantragten Mittel verringern oder auf frühere bereits erhaltene Beihilfen verzichten, für den Ablauf des Verfahrens zur Prüfung ihres Antrags nicht schädlich, da die Voraussetzungen für den Erhalt der Beihilfe in Bezug auf die Einhaltung des De-minimis-Höchstbetrags nur bei der Gewährung der Beihilfe überprüft werden. Daher kann entgegen dem Vorbringen von Zennaro sowie der italienischen und der griechischen Regierung der Umstand, dass es für diese Unternehmen unmöglich sei, ihren Beihilfeantrag nach der Gewährung einer neuen Beihilfe zu ändern, für sich genommen keine „Benachteiligung“ der betreffenden Unternehmen darstellen.

43        Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass die Art. 3 und 6 der Verordnung Nr. 1407/2013 dahin auszulegen sind, dass ein Unternehmen, dessen Niederlassungsmitgliedstaat ihm eine De-minimis-Beihilfe zu gewähren beabsichtigt, durch die wegen bestehender früherer Beihilfen der Betrag der diesem Unternehmen insgesamt gewährten Beihilfen den De-minimis-Höchstbetrag überschreiten würde, bis zur Gewährung dieser Beihilfe für die Verringerung der beantragten Mittel oder den vollständigen oder teilweisen Verzicht auf frühere bereits erhaltene Beihilfen optieren kann, um diesen Höchstbetrag nicht zu überschreiten.

Zur zweiten Frage

44        Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 3 und 6 der Verordnung Nr. 1407/2013 dahin auszulegen sind, dass ein Unternehmen, das eine Beihilfe beantragt, seinen Beihilfeantrag ändern kann, indem es die beantragten Mittel verringert oder auf frühere bereits erhaltene Beihilfen verzichtet, um den De-minimis-Höchstbetrag nicht zu überschreiten, obwohl dies von der Regelung des Mitgliedstaats, in dem es niedergelassen ist, nicht vorgesehen wird.

45        Die Antwort auf diese Frage steht offenkundig in unmittelbarem Zusammenhang mit der Antwort auf die erste Frage. Zum einen enthält die Verordnung Nr. 1407/2013, wie oben in Rn. 38 festgestellt worden ist, keine Bestimmungen, wonach die antragstellenden Unternehmen gegebenenfalls ihren Beihilfeantrag ändern könnten, indem sie die Höhe der Beihilfe verringern oder auf frühere Beihilfen verzichten, um den De-minimis-Höchstbetrag einzuhalten, und erlegt daher den Mitgliedstaaten keine entsprechende Verpflichtung auf. Zum anderen können es die Mitgliedstaaten, wie sich aus den Rn. 42 und 43 des vorliegenden Urteils ergibt, den antragstellenden Unternehmen gestatten, ihren Beihilfeantrag zu ändern, um zu vermeiden, dass durch die Gewährung einer neuen De-minimis-Beihilfe der Betrag der insgesamt gewährten Beihilfen den De-minimis-Höchstbetrag überschreitet, wenn diese Änderungen vor der Gewährung der De-minimis-Beihilfe erfolgen.

46        Folglich ist auf die zweite Frage zu antworten, dass die Art. 3 und 6 der Verordnung Nr. 1407/2013 dahin auszulegen sind, dass die Mitgliedstaaten nicht verpflichtet sind, den antragstellenden Unternehmen zu gestatten, ihren Beihilfeantrag vor der Gewährung der Beihilfe zu ändern, um den De-minimis-Höchstbetrag nicht zu überschreiten. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die rechtlichen Konsequenzen der fehlenden Möglichkeit für die Unternehmen zur Vornahme solcher Änderungen zu beurteilen, wobei diese nur zu einem Zeitpunkt vor der Gewährung der De-minimis-Beihilfe vorgenommen werden dürfen.

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