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Wirtschaftsrecht
22.03.2012
Wirtschaftsrecht
BGH: Dauertestamentsvollstreckung über den Nachlass eines Kommanditisten

BGH, Beschluss vom 14.2.2012 - II ZB 15/11

leitsatz

Ist über den Nachlass eines Kommanditisten Dauertestamentsvollstreckung ange-ordnet, so ist auf Antrag des Testamentsvollstreckers ein Testamentsvollstrecker-vermerk in das Handelsregister einzutragen.

BGB § 2209; HGB § 106 Abs. 2 Nr. 1, § 177

sachverhalt

I. Der Antragsteller ist Testamentsvollstrecker über den Nachlass des am 22. April 2009 verstorbenen J. B. Dessen Erben sind ausweislich eines privatschriftlichen Testaments R. B. und M. B. Der Erblasser war mit einer Hafteinlage von 10.000 € Kommandi-tist der O. GmbH & Co. KG.

Der Antragsteller hat unter Beifügung einer Ausfertigung des Testa-mentsvollstreckerzeugnisses und einer beglaubigten Ablichtung des Testa-ments folgende Eintragung in das Handelsregister beantragt:

Der Gesellschafter J. B. ist verstorben. Seine Beteiligung ist auf die Erbengemeinschaft, bestehend aus R. B. und M. B. , im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen. Es ist Tes-tamentsvollstreckung angeordnet.

Die übrigen Gesellschafter haben sich gemäß einer Erklärung der Kom-plementärin dem Antrag angeschlossen.

Das Amtsgericht - Registergericht - hat dem Antragsteller mit Zwischen-verfügung vom 31. März 2011 mitgeteilt, dass die Erben nicht als Erbenge-meinschaft eingetragen werden könnten, dass ein schützenswertes Interesse an der Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks nicht bestehe und dass die Vorlage eines Erbscheins jedenfalls dann erforderlich sei, wenn das Nachlassgericht die Nachlassakten nicht auf Anforderung übersende.

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Antragstellers hat das Oberlan-desgericht zurückgewiesen. Es hat die Rechtsbeschwerde nach § 70 Abs. 2 Nr. 2 FamFG zugelassen und zur Begründung ausgeführt: Bislang habe nur das Kammergericht entschieden, dass ein Testamentsvollstreckervermerk in Bezug auf einen Kommanditanteil nicht eingetragen werden könne. Ein Teil des Schrifttums sehe das anders. Deshalb sei eine höchstrichterliche Klärung dieser Frage angemessen.

Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller seinen Eintragungs-antrag weiter.

aus den gründen

7          II. Die Rechtsbeschwerde ist unstatthaft und damit unzulässig, soweit sie sich dagegen richtet, dass das Registergericht die Eintragung der Erbenge-meinschaft als Rechtsnachfolgerin des Erblassers abgelehnt und einen Erb-schein als möglicherweise erforderlich angesehen hat.

8          Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 1 FamFG nur statthaft, wenn sie vom Beschwerdegericht oder vom Oberlandesgericht zugelassen wird. Hier hat das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nur beschränkt auf den An-trag bezüglich der Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks zugelas-sen. Das ergibt sich zwar nicht aus dem Tenor, aber, was ausreichend ist (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteil vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, ZIP 2011, 2491 Rn. 18, für die vergleichbare Frage bei der Revisionszulassung), aus den Gründen des Beschlusses.

9          Die vom Beschwerdegericht gegebene Begründung für die Zulassung der Rechtsbeschwerde betrifft allein die Frage, ob bei einer Vererbung eines Kommanditanteils mit Anordnung der Testamentsvollstreckung ein Testaments-vollstreckervermerk in das Handelsregister eingetragen werden kann.

10        Eine Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde auf diese Fra-ge ist möglich. Es handelt sich um einen rechtlich selbständigen und abtrennba-ren Teil des Streitstoffs, auf den der Antragsteller selbst seine Rechtsbe-schwerde hätte begrenzen können. Bezieht sich die Rechtsfrage, zu deren Klä-rung das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, auf einen derart abtrennbaren Teil des Streitstoffs, ist die Zulassungsentscheidung so auszulegen, dass das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde lediglich beschränkt auf diesen Teil des Streitgegenstands zugelassen hat (BGH, Be-schluss vom 7. Dezember 2009 - II ZR 63/08, ZIP 2010, 879 Rn. 4; Urteil vom 27. September 2011 - II ZR 221/09, ZIP 2011, 2491 Rn. 18, jeweils zur Revisi-onszulassung; Unger in Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 3. Aufl., § 70 Rn. 12; Meyer/Holz in Keidel, FamFG, 17. Aufl., § 70 Rn. 38; Müther in Bork/Jacoby/Schwab, FamFG, § 70 Rn. 19).

11        III. Soweit die Rechtsbeschwerde zulässig ist, hat sie in der Sache Er-folg.

12        1. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Beschwerdegericht in-soweit ausgeführt: Das Registergericht habe zu Recht die Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks abgelehnt. Dabei schließe sich das Gericht der Auffassung des Kammergerichts in dessen Beschluss vom 4. Juli 1995 (WM 1995, 1890) an. Danach sei ein Testamentsvollstreckervermerk nicht eintra-gungsfähig. Eine im Schrifttum vertretene Gegenmeinung berufe sich allein auf ein Publizitätserfordernis. Dieses bestehe aber nicht, weil sich die Haftungsver-hältnisse in Bezug auf den Kommanditanteil durch die Testamentsvollstreckung nicht änderten.

13        2. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsirrtum.

14        a) Das Beschwerdegericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass eine Testamentsvollstreckung sich auf einen Kommanditanteil beziehen kann. Das entspricht, sofern die übrigen Gesellschafter einverstanden sind oder der Gesellschaftsvertrag es vorsieht, der Rechtsprechung des Bundesgerichts-hofs (BGH, Beschluss vom 3. Juli 1989 - II ZB 1/89, BGHZ 108, 187, 191 ff.).

15        b) Unzutreffend ist aber die Annahme des Beschwerdegerichts, eine derartige Testamentsvollstreckung könne nicht im Handelsregister vermerkt werden. Jedenfalls wenn eine Dauervollstreckung im Sinne des § 2209 BGB angeordnet ist, kann ein entsprechender Testamentsvollstreckervermerk im Handelsregister eingetragen werden (ebenso Ulmer, NJW 1990, 73, 82; D. Mayer in Handbuch der Testamentsvollstreckung, 4. Aufl., Rn. 5.212; ders., ZIP 1990, 976, 978; Plank, ZEV 1998, 325, 327 ff.; Schaub, ZEV 1996, 68 f.; Weidlich, Die Testamentsvollstreckung im Recht der Personengesellschaften, 1992, S. 90 f.; Winkler, Der Testamentsvollstrecker nach bürgerlichem, Han-dels- und Steuerrecht, 20. Aufl., Rn. 373; Aderhold in Westermann, Handbuch Personengesellschaften, Stand: September 2008, Rn. 2448; MünchKommHGB/K. Schmidt, 2. Aufl., § 177 Rn. 37; Staudinger/Reimann, BGB (2003), Vorbem. zu §§ 2197-2228 Rn. 102; Lorz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 139 Rn. 89; von Gerkan/Haas in Röhricht/Graf von Westphalen, HGB, 3. Aufl., § 177 Rn. 18; Oetker, HGB, 2. Aufl., § 177 Rn. 15; Strohn in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 177 Rn. 22; Koller in Koller/Roth/Morck, HGB, 7. Aufl., § 177 Rn. 7; aA KG, WM 1995, 1890 ff.; Reinke, Rpfleger 1994, 1, 5 f.; Soergel/Damrau, BGB, 13. Aufl., § 2205 Rn. 44; Krafka/Kühn, Registerrecht, 8. Aufl., Rn. 769; MünchKommBGB/Zimmermann, 5. Aufl., § 2205 Rn. 46; anders auch für eine Testamentsvollstreckung an einem Han-delsgeschäft RGZ 132, 138; offen gelassen von BGH, Beschluss vom 3. Juli 1989 - II ZB 1/89, BGHZ 108, 187, 190).

16        aa) Grundsätzlich werden in das Handelsregister allerdings nur die Tat-sachen und Rechtsverhältnisse eingetragen, deren Eintragung gesetzlich vor-gesehen ist. Aufgrund der Funktion des Handelsregisters, Umstände zu ver-lautbaren, die für den Rechtsverkehr von wesentlicher Bedeutung sind, lässt die Rechtsprechung aber auch darüber hinausgehende Eintragungen zu, wenn ein erhebliches Bedürfnis des Rechtsverkehrs an der entsprechenden Information besteht (BGH, Beschluss vom 28. Februar 1983 - II ZB 8/82, BGHZ 87, 59, 62; Beschluss vom 30. Januar 1992 - II ZB 15/91, ZIP 1992, 395, 397; Beschluss vom 10. November 1997 - II ZB 6/97, ZIP 1998, 152). Die dem Handelsregister zukommende Publizitätsfunktion soll es der Öffentlichkeit - wie den Arbeitneh-mern, den künftigen oder gegenwärtigen Gläubigern, den Gesellschaftern und den potentiellen Anteilserwerbern - ermöglichen, sich über die Rechtsverhält-nisse von Kaufleuten und Gesellschaften zu unterrichten (BGH, Beschluss vom 24. Oktober 1988 - II ZB 7/88, BGHZ 105, 324, 344).

17        bb) Im vorliegenden Fall besteht ein schutzwürdiges Bedürfnis des Rechtsverkehrs, durch das Handelsregister über die angeordnete Dauertesta-mentsvollstreckung informiert zu werden.

18        Nach § 177 HGB wird die Kommanditgesellschaft beim Tod eines Kom-manditisten mit den Erben fortgesetzt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht der Kommanditanteil dabei nicht im Wege der Ge-samtrechtsnachfolge auf die Erbengemeinschaft über. Vielmehr erwerben die zur Nachfolge des Kommanditisten bestimmten Erben im Wege der Sonder-rechtsnachfolge jeweils eigenständige Gesellschaftsanteile im Umfang ihrer Erbquoten (BGH, Urteil vom 22. November 1956 - II ZR 222/55, BGHZ 22, 186, 191 ff.; Urteil vom 10. Februar 1977 - II ZR 120/75, BGHZ 68, 225, 229 ff.; Urteil vom 4. Mai 1983 - IVa ZR 229/81, NJW 1983, 2376; Urteil vom 14. Mai 1986 IV ZR 155/84, BGHZ 98, 48, 50 ff.). Ist an dem Nachlass eine Testamentsvoll-streckung angeordnet, erfasst sie auch diese im Wege der Sonderrechtsnach-folge übergegangenen Gesellschaftsanteile, sofern das im Gesellschaftsvertrag vorgesehen ist oder die übrigen Gesellschafter zustimmen (BGH, Beschluss vom 3. Juli 1989 - II ZB 1/89, BGHZ 108, 187, 191 ff.). Allein der Testamentsvollstrecker ist - soweit der Erblasser ihm nicht nur beschränkte Rechte einge-räumt hat - nach §§ 2205, 2211 BGB befugt, die Rechte und Pflichten der Er-ben hinsichtlich des Kommanditanteils auszuüben und über den Anteil zu ver-fügen. Eine sich aus dem Gesellschaftsrecht ergebende Einschränkung besteht lediglich insoweit, als er die persönliche und nicht auf den Nachlass beschränk-bare (BGH, Beschluss vom 3. Juli 1989 - II ZB 1/89, BGHZ 108, 187, 191 ff., 197 f.) Haftung der Kommanditisten-Erben nach §§ 128, 171, 172 Abs. 4 HGB nicht erweitern darf.

19        Daraus ergeben sich Folgerungen für die Haftungsverhältnisse. Durch die Testamentsvollstreckung werden die Gesellschafter-Erben zwar nicht davor geschützt, für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft in den Grenzen der §§ 171 ff. HGB persönlich in Anspruch genommen zu werden. Eine Beschrän-kung der Haftung auf den Nachlass würde den gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen widersprechen. Die Eigengläubiger des Gesellschafter-Erben können aber nach § 2214 BGB nicht auf das Nachlassvermögen Zugriff neh-men (Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., S. 697). Das der Testamentsvollstre-ckung unterliegende Nachlassvermögen und damit auch der Kommanditanteil dienen während der Dauer der Testamentsvollstreckung nur den Nachlassgläu-bigern, nicht auch den Eigengläubigern der Gesellschafter-Erben als Haftungs-masse. Insoweit entfaltet die Terstamentsvollstreckung eine unmittelbare haf-tungsrechtliche Außenwirkung.

20        Ein Interesse des Rechtsverkehrs an der Verlautbarung der Testaments-vollstreckung besteht auch insofern, als der Testamentsvollstrecker nicht be-rechtigt ist, die Haftsumme des Kommanditisten-Erben zu erhöhen, jedenfalls ohne dessen dadurch ausgelöste persönliche Haftung mittels einer Leistung aus dem Nachlass sogleich auszuschließen (MünchKommBGB/Zimmermann, 5. Aufl., § 2205 Rn. 44). Tut er das dennoch, überschreitet er damit seine Ver-tretungsbefugnis oder missbraucht sie (BGH, Beschluss vom 3. Juli 1989 II ZB 1/89, BGHZ 108, 187, 197 f.). Das Registergericht wird einen solchen Gesellschafterbeschluss nicht eintragen. Dennoch kann ein entsprechendes Vertrauen der Gesellschaftsgläubiger auf die Wirksamkeit der Haftsummener-höhung begründet werden, wenn ihnen die Erhöhung von der Gesellschaft nach § 172 Abs. 2 HGB mitgeteilt wird. Besteht eine Testamentsvollstreckung, ist diese Mitteilung indes für den Nachlass ohne Folgen, sofern ihr nicht sowohl der Testamentsvollstrecker als auch der Gesellschafter-Erbe zugestimmt ha-ben.

21        Die Vertreter der Gegenmeinung, nach der die Eintragung der Testa-mentsvollstreckung unzulässig sein soll, berufen sich zu Unrecht darauf, dass die Publizitätsfunktion des Handelsregisters das Verhältnis der Gesellschaft zu Dritten betreffe, die Testamentsvollstreckung aber allein das Verhältnis des Ge-sellschafters zu Dritten (KG, WM 1995, 1890 ff.). Das Handelsregister soll nach § 106 Abs. 2 Nr. 1, §§ 107, 162 HGB auch Auskunft über die Personen geben, die an der Gesellschaft beteiligt sind. Sie haben entscheidenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft. Deshalb hat der Rechtsverkehr ein berechtig-tes Interesse, über diese Personen informiert zu werden. Das gilt im Grundsatz auch für die Kommanditisten. Diese sind zwar im gesetzlichen Regelfall von der Geschäftsführung ausgeschlossen (§ 164 Satz 1 Halbsatz 1 HGB). Sie haben aber an etwaigen Änderungen des Gesellschaftsvertrages mitzuwirken und ihnen steht gemäß § 164 Satz 1 Halbsatz 2 HGB ein Widerspruchsrecht bei Handlungen zu, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehen. Da diese Rechte gemäß §§ 2205, 2211 BGB, jedenfalls soweit nicht in die unent-ziehbare Rechtsstellung des Gesellschafters eingegriffen wird (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 3. Juli 1989 - II ZB 1/89, BGHZ 108, 187, 198 f.), allein der Testamentsvollstrecker ausüben kann, hat der Rechtsverkehr ein berechtigtes Inte-resse, nicht nur die Namen der Kommanditisten zu erfahren, sondern auch über die angeordnete Testamentsvollstreckung unterrichtet zu werden.

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