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Wirtschaftsrecht
16.11.2023
Wirtschaftsrecht
EuGH: DSGVO-konforme Pflicht der Fahrzeughersteller zur Bereitstellung der FIN an unabhängige Wirtschaftsakteure

EuGH, Urteil vom 9.11.2023 – C-319/22, Gesamtverband Autoteile-Handel e. V. gegen Scania CV AB

ECLI:EU:C:2023:837

Volltext: BB-Online BBL2023-2689-1

unter www.betriebs-berater.de

Tenor

1. Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EU)  2018/858 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, zur Änderung der Verordnungen (EG)  Nr. 715/2007 und (EG)  Nr. 595/2009 und zur Aufhebung der Richtlinie 2007/46/EG ist wie folgt auszulegen:

Die Verpflichtung, die in diesem Absatz genannten Angaben leicht zugänglich in Form von maschinenlesbaren und elektronisch verarbeitbaren Datensätzen darzubieten, gilt für alle „Reparatur- und Wartungsinformationen“ im Sinne von Art. 3 Nr. 48 der Verordnung und nicht nur für Ersatzteilinformationen nach Anhang X Nr. 6.1 der Verordnung.

2. Art. 61 Abs. 1 Satz 2 und Art. 61 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung 2018/858 sind wie folgt auszulegen:

-           Die Fahrzeughersteller sind nicht verpflichtet, Fahrzeugreparatur- und Wartungsinformationen über eine Datenbankschnittstelle zugänglich zu machen, die eine maschinengesteuerte Abfrage und den Download der Ergebnisse ermöglicht. Sie sind jedoch verpflichtet, diese Informationen unabhängigen Wirtschaftsakteuren in Dateien bereitzustellen, deren Format der unmittelbaren elektronischen Weiterverarbeitung der in diesen Dateien enthaltenen Datensätze dient.

-           Die Fahrzeughersteller sind in Verbindung mit Art. 61 Abs. 4 und Anhang X Nr. 6.1 Abs. 3 der Verordnung verpflichtet, eine Datenbank einzurichten, die ermöglicht, nicht nur anhand der Fahrzeug‑Identifizierungsnummer (FIN) , sondern auch anhand zusätzlicher in der letztgenannten Bestimmung vorgesehenen Merkmale nach allen Teilen zu suchen, mit denen das Fahrzeug vom Hersteller ausgerüstet ist.

3. Art. 61 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 61 Abs. 4 und Anhang X Nr. 6.1 der Verordnung 2018/858 ist wie folgt auszulegen:

Er begründet für die Fahrzeughersteller eine „rechtliche Verpflichtung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU)  2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) , die FIN der von ihnen hergestellten Fahrzeuge unabhängigen Wirtschaftsakteuren als „Verantwortlichen“ im Sinne von Art. 4 Nr. 7 der Verordnung bereitzustellen.

 

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 61 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU)  2018/858 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 über die Genehmigung und die Marktüberwachung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge, zur Änderung der Verordnungen (EG)  Nr. 715/2007 und (EG)  Nr. 595/2009 und zur Aufhebung der Richtlinie 2007/46/EG (ABl. 2018, L 151, S. 1)  sowie von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c der Verordnung (EU)  2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung)  (ABl. 2016, L 119, S. 1)  (im Folgenden: DSGVO) .

 

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Gesamtverband Autoteile-Handel e. V. (im Folgenden: Gesamtverband) , einem deutschen Branchenverband des Großhandels für Kraftfahrzeugteile, und der Scania CV AB (im Folgenden: Scania) , einem schwedischen Fahrzeughersteller, über die Bereitstellung von Informationen aus dem On-Board-Diagnosesystem (OBD)  von Fahrzeugen sowie von Reparatur- und Wartungsinformationen durch Scania.

 

Rechtlicher Rahmen

Verordnung 2018/858

3          In den Erwägungsgründen 50, 52 und 62 der Verordnung 2018/858 heißt es:

„(50) Unbeschränkter Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen mittels eines vereinheitlichten Formats zum Auffinden technischer Informationen und ein wirksamer Wettbewerb auf dem Markt für Dienstleistungen zur Bereitstellung solcher Informationen sind für ein besseres Funktionieren des Binnenmarkts notwendig, insbesondere für den freien Warenverkehr, die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit…

(52) Damit ein wirksamer Wettbewerb auf dem Markt für Fahrzeugreparatur- und Fahrzeugwartungsinformationsdienste gewährleiste[t] und außerdem präzisiert werden kann, dass die betreffenden Informationen auch Informationen umfassen, die unabhängigen Wirtschaftsakteuren, die keine Reparaturbetriebe sind, zur Verfügung zu stellen sind, damit der unabhängige Markt der Fahrzeugreparatur und Fahrzeugwartung insgesamt mit Vertragshändlern konkurrieren kann[,] … muss festgelegt werden, welche Informationen für die Zwecke des Zugangs zu Reparatur- und Wartungsinformationen im Einzelnen bereitgestellt werden müssen.

(62) Wenn die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen mit der Verarbeitung personenbezogener Daten verbunden sind, sollten sie gemäß [der DSGVO] durchgeführt werden …“

 

4          Art. 3 Nrn. 40, 45, 48 und 49 der Verordnung 2018/858 lautet:

„Für die Zwecke dieser Verordnung und der in Anhang II aufgeführten Rechtsakte – soweit dort nichts anderes bestimmt ist – bezeichnet der Ausdruck

40. ‚Hersteller‘ eine natürliche oder juristische Person, die für alle Aspekte der Typgenehmigung eines Fahrzeugs, Systems, Bauteils oder einer selbstständigen technischen Einheit oder für die Fahrzeug-Einzelgenehmigung oder das Autorisierungsverfahren für Teile und Ausrüstungen, für die Gewährleistung der Übereinstimmung der Produktion und für die Angelegenheiten der Marktüberwachung im Zusammenhang mit diesem Fahrzeug, Bauteil, dieser selbstständigen technischen Einheit, diesem Teil und dieser Ausrüstung verantwortlich ist, und zwar unabhängig davon, ob diese Person unmittelbar an allen Phasen der Konstruktion und des Baus des Fahrzeugs, Systems, Bauteils oder der selbstständigen technischen Einheit beteiligt ist;

45. ‚unabhängiger Wirtschaftsakteur‘ eine natürliche oder juristische Person, die kein Vertragshändler oder keine Vertragswerkstatt ist und direkt oder indirekt an der Wartung und Reparatur von Fahrzeugen beteiligt ist, einschließlich Reparaturbetriebe, Hersteller oder Händler von Werkstattausrüstung, Werkzeugen oder Ersatzteilen, sowie Herausgeber von technischen Informationen, Automobilclubs, Pannenhilfsdienste, Anbieter von Inspektions- und Prüfdienstleistungen sowie Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung von Mechanikern, Herstellern und Reparaturkräften für Ausrüstungen von Fahrzeugen, die mit alternativen Kraftstoffen betrieben werden; hierzu gehören auch Vertragswerkstätten und Händler, die zum Vertriebsnetz eines Fahrzeugherstellers gehören, sofern sie Reparatur- und Wartungsarbeiten an Fahrzeugen ausführen, die nicht von dem Hersteller stammen, zu dessen Vertriebsnetz sie gehören;

48. ‚Reparatur- und Wartungsinformationen‘ sämtliche Informationen, die für Diagnose, Instandhaltung und Inspektion eines Fahrzeugs, seiner Vorbereitung auf Straßenverkehrssicherheitsprüfungen, Reparatur, Neuprogrammierung oder Neuinitialisierung des Fahrzeugs oder für Ferndiagnoseleistungen für das Fahrzeug sowie für die Anbringung von Teilen und Ausrüstungen an Fahrzeugen erforderlich sind – einschließlich aller nachfolgenden Ergänzungen und Aktualisierungen dieser Informationen –, die der Hersteller seinen Vertragspartnern, ‑händlern und ‑reparaturbetrieben zur Verfügung stellt oder die vom Hersteller für Reparatur- und Wartungszwecke verwendet werden;

49. ‚Fahrzeug-OBD‑Informationen‘ Informationen, die von einem On-Board-Diagnosesystem (OBD-System)  generiert werden, das sich in einem Fahrzeug befindet oder an einen Motor angeschlossen und in der Lage ist, eine Fehlfunktion festzustellen und deren Auftreten gegebenenfalls durch ein Warnsystem anzuzeigen und mit Hilfe rechnergespeicherter Informationen den wahrscheinlichen Bereich von Fehlfunktionen anzuzeigen sowie diese Informationen nach außen zu übermitteln“.

 

5          In Art. 61 („Pflichten des Herstellers zur Bereitstellung von Fahrzeug-OBD- und Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen“)  der Verordnung 2018/858 heißt es:

„(1) Die Hersteller gewähren unabhängigen Wirtschaftsakteuren uneingeschränkten, standardisierten und diskriminierungsfreien Zugang zu Fahrzeug-OBD‑Informationen, Diagnose- und anderen Geräten und Instrumenten einschließlich der vollständigen Referenzinformationen und verfügbaren Downloads für die zu verwendende Software sowie zu Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen. Die Angaben sind leicht zugänglich in Form von maschinenlesbaren und elektronisch verarbeitbaren Datensätzen darzubieten …

(2) Bis die [Europäische] Kommission die einschlägigen Normen mit Hilfe des Europäischen Komitees für Normung (CEN)  oder eines vergleichbaren Normungsgremiums erlassen hat, werden die Fahrzeug-OBD‑Informationen sowie die Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen leicht zugänglich so dargeboten, dass unabhängige Wirtschaftsakteure sie mit angemessenem Aufwand verarbeiten können.

Die Fahrzeug-OBD‑Informationen sowie die Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen werden auf den Webseiten der Hersteller [in einem vereinheitlichten Format] oder, wenn das aufgrund der Art der Informationen nicht möglich ist, in einem anderen geeigneten Format veröffentlicht. Unabhängige Wirtschaftsakteure, die keine Reparaturbetriebe sind, erhalten die Angaben auch in einem maschinenlesbaren Format, das mit herkömmlichen IT‑Instrumenten und herkömmlicher Software elektronisch verarbeitet werden kann und unabhängigen Wirtschaftsakteuren ermöglicht, die mit ihrem Geschäft verbundenen Aufgaben in der Lieferkette des Zubehör- und Ersatzteilmarkts wahrzunehmen.

(4) Die Einzelheiten der technischen Anforderungen an den Zugang zu den Fahrzeug-OBD‑Informationen und Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen, insbesondere technische Angaben über die Art und Weise der Bereitstellung von Fahrzeug-OBD‑Informationen und Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen, sind in Anhang X im Einzelnen festgelegt.

…“

 

6          Nach Anhang X („Zugang zu OBD- sowie Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen“)  Nr. 2.5.1 der Verordnung enthalten diese Informationen „eine der Verantwortung des Herstellers obliegende eindeutige Identifizierung des Fahrzeugs, des Systems, des Bauteils oder der selbstständigen technischen Einheit“.

 

7          Nr. 6.1 Abs. 3 und 4 dieses Anhangs lautet:

„Informationen über alle Fahrzeugteile, mit denen das durch die [Fahrzeug‑Identifizierungsnummer (FIN) ] und zusätzliche Merkmale wie Radstand, Motorleistung, Ausstattungsvariante oder Optionen identifizierbare Fahrzeug vom Hersteller ausgerüstet ist, und die durch Ersatzteile – vom Fahrzeughersteller seinen Vertragshändlern und ‑werkstätten oder Dritten zur Verfügung gestellt – anhand der Originalteil-Nummer ausgetauscht werden können, sind in Form maschinenlesbarer und elektronisch verarbeitbarer Datensätze in einer unabhängigen, Marktteilnehmern leicht zugänglichen Datenbank bereitzustellen.

Diese Datenbank enthält die FIN, die Originalteil-Nummern, die Originalteilbezeichnungen, Gültigkeitsangaben (Gültigkeitsdaten von – bis) , Einbaumerkmale und gegebenenfalls strukturbezogene Merkmale.“

 

Verordnung (EU)  Nr. 19/2011

8          Art. 2 Nr. 2 der Verordnung (EU)  Nr. 19/2011 der Kommission vom 11. Januar 2011 über die Typgenehmigung des gesetzlich vorgeschriebenen Fabrikschilds und der Fahrzeug‑Identifizierungsnummer für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger zur Durchführung der Verordnung (EG)  Nr. 661/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen, Kraftfahrzeuganhängern und von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge hinsichtlich ihrer allgemeinen Sicherheit (ABl. 2011, L 8, S. 1) , deren Gültigkeit am 5. Juli 2022 endete, die aber zeitlich auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbar bleibt, bestimmte:

„Für die Zwecke dieser Verordnung gelten folgende Begriffsbestimmungen:

2. [FIN] ist der alphanumerische Code, den der Hersteller einem Fahrzeug zu dem Zweck zuweist, dass jedes Fahrzeug einwandfrei identifiziert werden kann“.

 

9          Anhang I („Technische Anforderungen“)  Teil B Nr. 1.2 der Verordnung Nr. 19/2011 sah vor, dass „[d]ie FIN … einmalig und zweifelsfrei einem bestimmten Kraftfahrzeug zuzuweisen [ist]“.

 

DSGVO

10        Art. 2 („Sachlicher Anwendungsbereich“)  Abs. 1 DSGVO lautet:

„Diese Verordnung gilt für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen.“

 

11        In Art. 4 DSGVO heißt es:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

1. ‚personenbezogene Daten‘ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person … beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann;

2. ‚Verarbeitung‘ jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung;

7. ‚Verantwortlicher‘ die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet …

…“

 

12        Art. 6 („Rechtmäßigkeit der Verarbeitung“)  DSGVO bestimmt:

„(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:

c) die Verarbeitung ist zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich, der der Verantwortliche unterliegt;

(3) Die Rechtsgrundlage für die Verarbeitungen gemäß Absatz 1 Buchstaben c und e wird festgelegt durch

a) Unionsrecht oder

b) das Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt.

Der Zweck der Verarbeitung muss in dieser Rechtsgrundlage festgelegt … sein … Das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten müssen ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck stehen.

…“

 

Richtlinie 1999/37

13        Abschnitt II.5 von Anhang I der Richtlinie 1999/37/EG des Rates vom 29. April 1999 über Zulassungsdokumente für Fahrzeuge (ABl. 1999, L 138, S. 57)  in der durch die Richtlinie 2003/127/EG der Kommission vom 23. Dezember 2003 (ABl. 2004, L 10, S. 29)  geänderten Fassung stellt klar, dass die Zulassungsbescheinigung eines Fahrzeugs die FIN sowie den Namen und die Anschrift des Inhabers der Zulassungsbescheinigung enthalten muss, denen der harmonisierte gemeinschaftliche Code E bzw. C vorangestellt wird.

 

14        Gemäß Abschnitt II.5 und Abschnitt II.6 dieses Anhangs kann in der Zulassungsbescheinigung eine natürliche Person als Fahrzeughalter (Codes C.2 und C.4)  oder als Person, die aufgrund eines anderen Rechtstitels denn als Halter über das Fahrzeug verfügen kann, ausgewiesen werden.

 

Richtlinie (EU)  2019/1024

15        Im 35. Erwägungsgrund der Richtlinie (EU)  2019/1024 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über offene Daten und die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors (ABl. 2019, L 172, S. 56)  heißt es:

„Ein Dokument sollte als maschinenlesbar gelten, wenn es in einem Dateiformat vorliegt, das so strukturiert ist, dass Softwareanwendungen die konkreten Daten einfach identifizieren, erkennen und extrahieren können …“

 

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

16        Scania, einer der größten Lkw-Hersteller in Europa und „Hersteller“ im Sinne von Art. 3 Nr. 40 der Verordnung 2018/858, gewährt unabhängigen Wirtschaftsakteuren über eine Website manuellen Zugang zu Fahrzeuginformationen, zu Informationen betreffend die Reparatur und Wartung dieser Fahrzeuge sowie zu OBD‑Informationen. Auf dieser Website kann anhand allgemeiner Fahrzeuginformationen wie Modell, Motorisierung oder Baujahr recherchiert werden, oder es kann nach einem bestimmten Fahrzeug gesucht werden, indem die letzten sieben Ziffern der Fahrzeug‑Identifizierungsnummer (im Folgenden: FIN)  eingegeben werden. Die Ergebnisse dieser Suchen können nur ausgedruckt oder als PDF‑Datei auf dem Computer gespeichert werden, was eine automatisierte Verarbeitung dieser Daten ausschließt. Suchergebnisse zu Ersatzteilinformationen können als XML-Datei gespeichert werden.

 

17        Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass Scania die FIN unabhängigen Wirtschaftsakteuren nicht bereitstellt. Nur Werkstätten haben Zugang zu diesen Daten, und zwar über die Zulassungspapiere oder die Angabe auf dem Fahrgestell des zur Wartung oder Reparatur anstehenden Kundenfahrzeugs.

 

18        Der Gesamtverband repräsentiert mit seinen Mitgliedern 80 % des Umsatzes des freien Kfz-Teilehandels in Deutschland. Er war der Ansicht, dass der von Scania gewährte Zugang zu den Informationen hinter den Anforderungen von Art. 61 Abs. 1 und 2 der Verordnung 2018/858 zurückbleibe. Daher beantragte er beim Landgericht Köln (Deutschland) , dem vorlegenden Gericht, Scania zu verurteilen, den von Art. 3 Nr. 45 der Verordnung erfassten unabhängigen Wirtschaftsakteuren, die keine Reparaturbetriebe sind, einen Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen im Sinne von Art. 3 Nr. 48 der Verordnung über eine Datenbankschnittstelle so anzubieten, dass maschinengesteuerte Suchanfragen gestellt und die Ergebnisse als Datensätze in einem für die Weiterverarbeitung bestimmten Format heruntergeladen werden können.

 

19        Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts hängt der Ausgang des bei ihm anhängigen Rechtsstreits von der Auslegung von Art. 61 Abs. 1 und 2 der Verordnung 2018/858 ab. Als Erstes fragt es sich, ob die nach diesem Abs. 1 für Fahrzeughersteller geltende Verpflichtung, die Angaben „leicht zugänglich in Form von maschinenlesbaren und elektronisch verarbeitbaren Datensätzen“ darzubieten, für alle Reparatur- und Wartungsinformationen im Sinne von Art. 3 Nr. 48 der Verordnung gilt oder nur für die Ersatzteilinformationen nach Anhang X Nr. 6.1 Abs. 3 der Verordnung, auf den ihr Art. 61 Abs. 4 verweise.

 

20        Als Zweites weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass Art. 61 Abs. 1 und 2 der Verordnung 2018/858 den Fahrzeughersteller zwar nicht ausdrücklich verpflichte, eine Datenbankschnittstelle einzurichten, jedoch verlange, die Angaben „leicht zugänglich“ darzubieten. Die manuelle Abfrage dieser Informationen, die es als einen aufwendigen Zugangsweg ansieht, genüge diesem Erfordernis nicht.

 

21        Als Drittes fragt sich das vorlegende Gericht, ob Art. 61 Abs. 1 und 2 der Verordnung 2018/858 dahin auszulegen ist, dass er es dem Fahrzeughersteller erlaubt, den Zugang zu Fahrzeugreparatur- und Wartungsinformationen auf gezielte Abfragen anhand der FIN zu beschränken, ohne jedoch den unabhängigen Wirtschaftsakteuren eine aktuelle Liste aller FIN seiner Fahrzeuge bereitzustellen.

 

22        Als Viertes weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass Art. 61 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2018/858, soweit er vorschreibe, dass die in dieser Bestimmung genannten Angaben unabhängigen Wirtschaftsakteuren in Form von „maschinenlesbaren und elektronisch verarbeitbaren Datensätzen“ darzubieten seien, nicht bedeute, dass das Dateiformat ohne einen Zwischenschritt wie die Konvertierung in ein anderes Dateiformat unmittelbar elektronisch weiterzuverarbeiten sei. Es hat jedoch Zweifel, ob die Tabellen und Texte einer PDF‑Datei mit der Richtlinie 2019/1024 im Einklang stehen, nach deren 35. Erwägungsgrund ein Dokument, damit es als maschinenlesbar gelte, in einem strukturierten Dateiformat vorliegen müsse, so dass Softwareanwendungen die konkreten Daten einfach identifizieren, erkennen und extrahieren können.

 

23        Fünftens ist das vorlegende Gericht der Ansicht, dass FIN in der Regel zwar keine personenbezogenen Daten darstellten, doch stelle sich die Frage, ob Art. 61 der Verordnung 2018/858 dahin auszulegen ist, dass er für Fahrzeughersteller eine rechtliche Verpflichtung zur Datenverarbeitung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO darstellt.

 

24        Unter diesen Umständen hat das Landgericht Köln (Deutschland)  beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Umfasst die Vorgabe in Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung 2018/858 sämtliche Reparatur- und Wartungsinformationen im Sinne von Art. 3 Nr. 48 der Verordnung, oder ist diese Vorgabe beschränkt auf sogenannte Ersatzteilinformationen gemäß Anhang X Nr. 6.1 der Verordnung?

2. Sind Art. 61 Abs. 1 Satz 2 und Art. 61 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung 2018/858 so auszulegen, dass der Fahrzeughersteller seinen entsprechenden Verpflichtungen nur dadurch nachkommt, dass er

a) die Angaben über das Internet durch eine maschinengesteuerte Abfrage über eine Datenbankschnittstelle mit der Möglichkeit des Downloads der Ergebnisse zugänglich macht, oder reicht es aus, dass er auf einer Webseite nur eine manuelle Recherche durch einen menschlichen Nutzer am Bildschirm ermöglicht und das Abfrageergebnis auf den sichtbaren Inhalt von Bildschirmseiten beschränkt,

und

b) die Suche nach allen in der Datenbank mit seinen FIN verknüpften Informationen anhand dieser von ihm in einer gesonderten Liste bereitzustellenden FINs und unabhängig davon

- auch anhand anderer Merkmale zur Identifikation von Fahrzeugen gemäß Anhang X Nr. 6.1 Abs. 3 der Verordnung 2018/858

- sowie anhand der sonst von ihm verwendeten Begriffe für Kategorien (wie z. B. Kategorien von Komponenten, Ersatzteilen, Reparatur- und Wartungsanleitungen und technischen Abbildungen)  und anderer Datenbankeinträge in beliebigen Verknüpfungen

ermöglicht, oder reicht es aus, dass der Hersteller die Suche ausschließlich als Einzelabfrage anhand der FIN eines einzelnen, konkreten Fahrzeugs anbietet, ohne gleichzeitig eine aktuelle Liste aller FINs seiner Fahrzeuge zur Verfügung zu stellen,

und

c) diese Datensätze in Dateien bereitstellt, deren Format bestimmungsgemäß der unmittelbaren elektronischen (Weiter‑) Verarbeitung der enthaltenen Datensätze dient, unter Angabe der entsprechenden Datensatzbeschreibung (bei Texten und Tabellen) , oder genügt dafür die Möglichkeit der Ausgabe der bloßen Bildschirmansicht in einem beliebigen herkömmlichen Dateiformat wie einer PDF‑Datei?

3. Stellt Art. 61 Abs. 1 der Verordnung 2018/858 für Fahrzeughersteller eine rechtliche Verpflichtung im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO dar, die die Herausgabe von FIN bzw. mit FIN verknüpften Informationen an unabhängige Wirtschaftsakteure als andere Verantwortliche im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO rechtfertigt?

 

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

25        Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung 2018/858 dahin auszulegen ist, dass die Verpflichtung, die in diesem Absatz genannten Angaben leicht zugänglich in Form von maschinenlesbaren und elektronisch verarbeitbaren Datensätzen darzubieten, für alle „Reparatur- und Wartungsinformationen“ im Sinne von Art. 3 Nr. 48 der Verordnung oder nur für Ersatzteilinformationen nach Anhang X Nr. 6.1 der Verordnung gilt.

 

26        Gemäß Art. 61 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung 2018/858 sind die Fahrzeughersteller verpflichtet, unabhängigen Wirtschaftsakteuren uneingeschränkten, standardisierten und diskriminierungsfreien Zugang u. a. zu „Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen“ im Sinne von Art. 3 Nr. 48 der Verordnung zu gewähren. Nach Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung sind alle diese Angaben leicht zugänglich in Form von maschinenlesbaren und elektronisch verarbeitbaren Datensätzen darzubieten.

 

27        Schon aus dem Wortlaut der letztgenannten Bestimmung ergibt sich somit, dass sich die darin vorgesehene Verpflichtung auf dieselben wie die in Art. 61 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung genannten Informationen bezieht, d. h. insbesondere auf Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen.

 

28        Zwar sind nach Art. 61 Abs. 4 der Verordnung 2018/858 „[d]ie Einzelheiten der technischen Anforderungen an den Zugang zu … Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen, insbesondere technische Angaben über die Art und Weise der Bereitstellung von … Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen, …in Anhang X im Einzelnen festgelegt“, und Nr. 6.1 Abs. 3 dieses Anhangs bezieht sich nur auf Informationen über Fahrzeugteile, die durch Ersatzteile ausgetauscht werden können, doch regelt die letztgenannte Bestimmung selbst nicht den Umfang des Zugangs zu Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen. Sie kann daher nicht dazu führen, dass diese Informationen auf Ersatzteilinformationen beschränkt werden.

 

29        Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 61 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung 2018/858 dahin auszulegen ist, dass die Verpflichtung, die in diesem Absatz genannten Angaben leicht zugänglich in Form von maschinenlesbaren und elektronisch verarbeitbaren Datensätzen darzubieten, für alle „Reparatur- und Wartungsinformationen“ im Sinne von Art. 3 Nr. 48 der Verordnung und nicht nur für Ersatzteilinformationen nach Anhang X Nr. 6.1 der Verordnung gilt.

 

Zur zweiten Frage

30        Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 61 Abs. 1 Satz 2 und Art. 61 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung 2018/858 dahin auszulegen sind, dass die Fahrzeughersteller verpflichtet sind, erstens Fahrzeugreparatur- und Wartungsinformationen über eine Datenbankschnittstelle zugänglich zu machen, die eine maschinengesteuerte Abfrage und den Download der Ergebnisse ermöglicht, zweitens eine Datenbank einzurichten, die eine Suche nicht nur anhand der FIN, sondern auch anhand zusätzlicher Merkmale ermöglicht, und drittens diese Informationen unabhängigen Wirtschaftsakteuren in Dateien bereitzustellen, deren Format der unmittelbaren elektronischen Weiterverarbeitung der in diesen Dateien enthaltenen Datensätze dient.

 

31        Erstens sind, wie in Rn. 26 des vorliegenden Urteils dargelegt, die Fahrzeughersteller gemäß Art. 61 Abs. 1 der Verordnung 2018/858 verpflichtet, unabhängigen Wirtschaftsakteuren uneingeschränkten, standardisierten und diskriminierungsfreien Zugang u. a. zu Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen zu gewähren und diese Angaben „leicht zugänglich in Form von maschinenlesbaren und elektronisch verarbeitbaren Datensätzen“ darzubieten.

 

32        Nach Art. 61 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 der Verordnung sind die Hersteller verpflichtet, die Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen auf ihren Webseiten in einem vereinheitlichten Format oder, wenn das aufgrund der Art der Informationen nicht möglich ist, in einem anderen geeigneten Format zu veröffentlichen. Gemäß Art. 61 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 der Verordnung sind die Hersteller verpflichtet, diese Angaben unabhängigen Wirtschaftsakteuren, die keine Reparaturbetriebe sind, in einem maschinenlesbaren Format bereitzustellen, das mit herkömmlichen IT‑Instrumenten und herkömmlicher Software elektronisch verarbeitet werden kann, so dass es diesen Wirtschaftsakteuren möglich ist, die mit ihrem Geschäft verbundenen Aufgaben in der Lieferkette des Zubehör- und Ersatzteilmarkts wahrzunehmen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Oktober 2022, ADPA und Gesamtverband Autoteile-Handel, C‑390/21, EU:C:2022:837, Rn. 28) .

 

33        Bis die Kommission die einschlägigen Normen erlassen hat, müssen die Hersteller gemäß Art. 61 Abs. 2 Unterabs. 1 der Verordnung 2018/858 diese Informationen „leicht zugänglich“ darbieten, so dass unabhängige Wirtschaftsakteure sie „mit angemessenem Aufwand“ verarbeiten können.

 

34        Art. 61 der Verordnung 2018/858 enthält jedoch keine Verpflichtung der Fahrzeughersteller, eine Schnittstelle einzurichten, die für die Abfrage ihrer Datenbanken verwendet werden kann.

 

35        Zweitens lautet Anhang X Nr. 6.1 Abs. 3 der Verordnung 2018/858, auf den Art. 61 Abs. 4 der Verordnung verweist: „Informationen über alle Fahrzeugteile, mit denen das durch die FIN und zusätzliche Merkmale wie Radstand, Motorleistung, Ausstattungsvariante oder Optionen identifizierbare Fahrzeug vom Hersteller ausgerüstet ist, und die durch Ersatzteile – vom Fahrzeughersteller seinen Vertragshändlern und ‑werkstätten oder Dritten zur Verfügung gestellt – anhand der Originalteil-Nummer ausgetauscht werden können, sind in Form maschinenlesbarer und elektronisch verarbeitbarer Datensätze in einer unabhängigen, Marktteilnehmern leicht zugänglichen Datenbank bereitzustellen.“

 

36        Bereits aus dem Wortlaut dieser Nr. 6.1 Abs. 3 ergibt sich, dass die Hersteller hinsichtlich der Informationen über Teile, die durch Ersatzteile ersetzt werden können, verpflichtet sind, eine Datenbank zu erstellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. September 2019, Gesamtverband Autoteile-Handel, C‑527/18, EU:C:2019:762, Rn. 32) , die es ermöglicht, Suchen nicht nur anhand der FIN, sondern auch anhand der in dieser Bestimmung vorgesehenen „zusätzlichen Merkmale“ durchzuführen.

 

37        Diese Auslegung steht im Einklang mit dem in den Erwägungsgründen 50 und 52 der Verordnung 2018/858 genannten Zweck, einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt für Fahrzeugreparatur- und Fahrzeugwartungsinformationsdienste zu gewährleisten. Zu diesem Zweck müssen unabhängige Wirtschaftsakteure wie Herausgeber technischer Informationen und Teilehersteller zur Wahrnehmung der mit ihrem Geschäft verbundenen Aufgaben in der Lieferkette des Zubehör- und Ersatzteilmarkts in der Lage sein, anhand aller in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannten Merkmale Recherchen durchzuführen.

 

38        Drittens muss die in Art. 61 Abs. 1 der Verordnung 2018/858 vorgesehene Verpflichtung der Hersteller, unabhängigen Wirtschaftsakteuren Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen in elektronisch verarbeitbarer Form bereitzustellen, diesen Wirtschaftsakteuren das „Auffinden technischer Informationen“ ermöglichen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Oktober 2022, ADPA und Gesamtverband Autoteile-Handel, C‑390/21, EU:C:2022:837, Rn. 27) .

 

39        Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass nach dem 35. Erwägungsgrund der Richtlinie 2019/1024 ein Dokument, damit es als maschinenlesbar gelten kann, in einem „Dateiformat“ vorliegen muss, „das so strukturiert ist, dass Softwareanwendungen die konkreten Daten einfach identifizieren, erkennen und extrahieren können“.

 

40        Aus der Vorlageentscheidung geht jedoch hervor, dass eine Bereitstellung von Informationen in einem Format wie dem von Scania angebotenen nur für eine mittelbare elektronische Weiterverarbeitung geeignet ist und den genannten Wirtschaftsakteuren abverlangt, Zwischenschritte zur Konvertierung von Dateien vorzunehmen, die keine automatisierte Auswertung in einem unmittelbar verarbeitbaren Format zulassen. Vorbehaltlich der Prüfungen, die letztlich vom vorlegenden Gericht vorzunehmen sind, steht eine solche Bereitstellung nicht im Einklang mit Art. 61 Abs. 1 Satz 2 und Art. 61 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 2018/858.

 

41        Diese Auslegung steht im Einklang mit dem in den Erwägungsgründen 50 und 52 der Verordnung 2018/858 genannten Zweck, einen wirksamen Wettbewerb auf dem Markt für Fahrzeugreparatur- und Fahrzeugwartungsinformationsdienste zu gewährleisten. Wie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt hat, ist es zu diesem Zweck wesentlich, dass unabhängige Wirtschaftsakteure technische Informationen aus dem Format, in dem ihnen die Hersteller die erforderlichen Angaben bereitstellen, extrahieren und diese Daten unmittelbar nach ihrer Erhebung zum Zweck ihrer Weiterverwendung speichern können.

 

42        Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 61 Abs. 1 Satz 2 und Art. 61 Abs. 2 Unterabs. 2 der Verordnung 2018/858 wie folgt auszulegen sind:

- Die Fahrzeughersteller sind nicht verpflichtet, Fahrzeugreparatur- und Wartungsinformationen über eine Datenbankschnittstelle zugänglich zu machen, die eine maschinengesteuerte Abfrage und den Download der Ergebnisse ermöglicht. Sie sind jedoch verpflichtet, diese Informationen unabhängigen Wirtschaftsakteuren in Dateien bereitzustellen, deren Format der unmittelbaren elektronischen Weiterverarbeitung der in diesen Dateien enthaltenen Datensätze dient.

- Die Fahrzeughersteller sind in Verbindung mit Art. 61 Abs. 4 und Anhang X Nr. 6.1 Abs. 3 der Verordnung verpflichtet, eine Datenbank einzurichten, die ermöglicht, nicht nur anhand der FIN, sondern auch anhand zusätzlicher in der letztgenannten Bestimmung vorgesehenen Merkmale nach allen Teilen zu suchen, mit denen das Fahrzeug vom Hersteller ausgerüstet ist.

 

Zur dritten Frage

43        Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 61 Abs. 1 der Verordnung 2018/858 dahin auszulegen ist, dass er für die Fahrzeughersteller eine „rechtliche Verpflichtung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO begründet, die FIN der von ihnen hergestellten Fahrzeuge unabhängigen Wirtschaftsakteuren als „Verantwortlichen“ im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO bereitzustellen.

 

44        Zur Beantwortung dieser Frage ist in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die FIN unter den Begriff „personenbezogene Daten“ im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO fällt, der diesen Begriff als „alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person … beziehen“, definiert.

 

45        Diese Definition gilt, wenn die betreffenden Informationen aufgrund ihres Inhalts, ihres Zwecks und ihrer Auswirkungen mit einer bestimmten natürlichen Person verknüpft sind (Urteil vom 8. Dezember 2022, Inspektor v Inspektorata kam Visshia sadeben savet [Zwecke der Verarbeitung personenbezogener Daten – Strafrechtliche Ermittlungen], C‑180/21, EU:C:2022:967, Rn. 70) . Bei der Entscheidung, ob eine natürliche Person unmittelbar oder mittelbar identifizierbar ist, sollten alle Mittel berücksichtigt werden, die vernünftigerweise entweder von dem Verantwortlichen im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO oder von einem Dritten eingesetzt werden könnten, um die betreffende Person zu bestimmen, ohne dass es jedoch erforderlich ist, dass sich alle zur Identifizierung dieser Person erforderlichen Informationen in den Händen einer einzigen Einrichtung befinden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 19. Oktober 2016, Breyer, C‑582/14, EU:C:2016:779, Rn. 42 und 43) .

 

46        Wie der Generalanwalt in den Nrn. 34 und 39 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, werden Daten wie die FIN – die gemäß Art. 2 Nr. 2 der Verordnung Nr. 19/2011 als alphanumerischer Code, den der Hersteller einem Fahrzeug zu dem Zweck zuweist, dass es einwandfrei identifiziert werden kann, definiert sind, und die als solche keine „personenbezogenen“ Daten darstellen – für denjenigen, der bei vernünftiger Betrachtung über Mittel verfügt, die es ermöglichen, sie einer bestimmten Person zuzuordnen, zu personenbezogenen Daten.

 

47        Aus Anhang I Abschnitt II.5 der Richtlinie 1999/37 ergibt sich, dass die FIN wie auch der Name und die Anschrift des Inhabers der Zulassungsbescheinigung in der Zulassungsbescheinigung enthalten sein müssen. Außerdem kann nach den Abschnitten II.5 und II.6 des Anhangs eine natürliche Person in der Zulassungsbescheinigung als Fahrzeughalter oder als Person, die aufgrund eines anderen Rechtstitels denn als Halter über das Fahrzeug verfügen kann, ausgewiesen werden.

 

48        Unter diesen Umständen handelt es sich bei der FIN um ein personenbezogenes Datum im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO der in der Zulassungsbescheinigung ausgewiesenen Person, sofern derjenige, der Zugang zur FIN hat, über Mittel verfügen könnte, die es ihm ermöglichen, die FIN zur Identifizierung des Halters des Fahrzeugs, auf das sich die FIN bezieht, oder zur Identifizierung der Person, die aufgrund eines anderen Rechtstitels denn als Halter über das betreffende Fahrzeug verfügen kann, zu nutzen.

 

49        Wie der Generalanwalt in den Nrn. 34 und 41 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, stellt die FIN, wenn die unabhängigen Wirtschaftsakteure bei vernünftiger Betrachtung über Mittel verfügen können, die es ermöglichen, die FIN einer identifizierten oder identifizierbaren natürlichen Person zuzuordnen – was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist –, für diese Wirtschaftsakteure sowie mittelbar für die Fahrzeughersteller, die die FIN bereitstellen, ein personenbezogenes Datum im Sinne von Art. 4 Nr. 1 DSGVO dar, selbst wenn die FIN für sich genommen für die Fahrzeughersteller kein persönliches Datum darstellt, insbesondere dann nicht, wenn das Fahrzeug, dem sie zugewiesen wurde, nicht einer natürlichen Person gehört.

 

50        Wenn die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils angeführte Überprüfung ergibt, dass eine FIN als personenbezogenes Datum zu betrachten ist, fällt sie gemäß Art. 2 Abs. 1 DSGVO in den Anwendungsbereich der DSGVO und muss daher im Einklang mit dieser Verordnung verarbeitet werden.

 

51        Der Begriff „Verarbeitung“ ist nach Art. 4 Nr. 2 DSGVO definiert als jede mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführter Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung. Dieser Begriff umfasst somit die Bereitstellung einer FIN durch den „Verantwortlichen“ im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO, wenn diese FIN die Identifizierung einer natürlichen Person ermöglicht.

 

52        In Art. 6 DSGVO sind die Bedingungen für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung solcher Daten festgelegt. Nach Abs. 1 Buchst. c dieses Artikels ist die Verarbeitung rechtmäßig, wenn sie zur Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung erforderlich ist, der der Verantwortliche unterliegt.

 

53        Des Weiteren stellt Art. 6 Abs. 3 DSGVO klar, dass diese Verarbeitung ihre Rechtsgrundlage im Unionsrecht oder in dem Recht der Mitgliedstaaten, dem der Verantwortliche unterliegt, haben und die betreffende Rechtsgrundlage den Zweck der Verarbeitung definieren, ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen und in einem angemessenen Verhältnis zu diesem verfolgten Ziel stehen muss.

 

54        Wie es im 62. Erwägungsgrund der Verordnung 2018/858 heißt, sind die Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten stets anzuwenden, wenn die in dieser Verordnung vorgesehenen Maßnahmen mit der Verarbeitung personenbezogener Daten verbunden sind.

 

55        Im Licht der vorstehenden Erwägungen sind in einem zweiten Schritt Inhalt und Tragweite von Art. 61 Abs. 1 der Verordnung 2018/858 zu prüfen.

 

56        Wie bereits in den Rn. 26 und 31 des vorliegenden Urteils dargelegt, sind die Fahrzeughersteller nach dieser Bestimmung zunächst verpflichtet, unabhängigen Wirtschaftsakteuren u. a. Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen bereitzustellen. Diese sind in Art. 3 Nr. 48 der Verordnung definiert als „sämtliche Informationen, die für Diagnose, Instandhaltung und Inspektion eines Fahrzeugs, seiner Vorbereitung auf Straßenverkehrssicherheitsprüfungen, Reparatur, Neuprogrammierung oder Neuinitialisierung des Fahrzeugs oder für Ferndiagnoseleistungen für das Fahrzeug sowie für die Anbringung von Teilen und Ausrüstungen an Fahrzeugen erforderlich sind – einschließlich aller nachfolgenden Ergänzungen und Aktualisierungen dieser Informationen –, die der Hersteller seinen Vertragspartnern, ‑händlern und ‑reparaturbetrieben zur Verfügung stellt oder die vom Hersteller für Reparatur- und Wartungszwecke verwendet werden“.

 

57        Außerdem stellt Anhang X Nr. 2.5.1 der Verordnung 2018/858, auf den Art. 61 Abs. 4 der Verordnung verweist, klar, dass diese Fahrzeugreparatur- und Wartungsinformationen eine „eindeutige Identifizierung des Fahrzeugs“ beinhalten. Des Weiteren muss die FIN gemäß Nr. 6.1 Abs. 4 dieses Anhangs in der Datenbank enthalten sein, die der Hersteller nach Nr. 6.1 Abs. 3 für Teile, mit denen das Fahrzeug vom Hersteller ausgerüstet ist und die durch Ersatzteile ausgetauscht werden können, einzurichten hat.

 

58        Diese unionsrechtlichen Bestimmungen erlegen den Fahrzeugherstellern somit eine „rechtliche Verpflichtung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO auf, unabhängigen Wirtschaftsakteuren neben anderen Daten die FIN bereitzustellen. Eine solche „rechtliche Verpflichtung“ erfüllt die in Rn. 52 des vorliegenden Urteils genannte erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten.

 

59        Sodann ist in Art. 61 Abs. 1 der Verordnung 2018/858 der Zweck dieser Verpflichtung zur Datenverarbeitung definiert. Er besteht darin, unabhängigen Wirtschaftsakteuren uneingeschränkten, standardisierten und diskriminierungsfreien Zugang u. a. zu Fahrzeugreparatur- und ‑wartungsinformationen im Sinne von Art. 3 Nr. 48 der Verordnung zu gewähren. Die „rechtliche Verpflichtung“ der Hersteller, die FIN ihrer Fahrzeuge unabhängigen Wirtschaftsakteuren bereitzustellen, entspricht somit dem im 52. Erwägungsgrund der Verordnung genannten Ziel, einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb auf dem Markt für Fahrzeugreparatur- und Fahrzeugwartungsinformationsdienste zu gewährleisten.

 

60        Nach dem 50. Erwägungsgrund der Verordnung 2018/858 ist ein solcher Wettbewerb für ein besseres Funktionieren des Binnenmarkts notwendig, insbesondere für den freien Warenverkehr, die Niederlassungsfreiheit und die Dienstleistungsfreiheit. Somit liegt das in der vorstehenden Randnummer genannte Ziel im öffentlichen Interesse und ist folglich legitim (vgl. entsprechend Urteil vom 1. August 2022, Vyriausioji tarnybinės undikos komisija, C‑184/20, EU:C:2022:601, Rn. 75) . Die in Rn. 53 des vorliegenden Urteils genannte zweite Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten ist somit erfüllt.

 

61        Was schließlich die dritte Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten angeht, die in Art. 6 Abs. 3 DSGVO bestimmt ist und wonach diese Verarbeitung „in einem angemessenen Verhältnis zu dem verfolgten legitimen Zweck“ stehen muss, genügt in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 52 vierter Gedankenstrich seiner Schlussanträge die Feststellung, dass zum einen nur die Suche über die FIN zur exakten Identifizierung der Daten eines bestimmten Fahrzeugs führt und zum anderen die dem Gerichtshof vorliegende Akte keine andere, mildere Maßnahme der Identifizierung aufzeigt, die die Effektivität der Suche über die FIN wahrt und es zugleich ermöglicht, das in der vorstehenden Randnummer dargelegte, im öffentlichen Interesse liegende Ziel zu verfolgen. Art. 61 Abs. 1 der Verordnung 2018/858 erfüllt somit die dritte in Rn. 53 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Voraussetzung.

 

62        Nach alledem ist auf die dritte Frage zu antworten, dass Art. 61 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 61 Abs. 4 und Anhang X Nr. 6.1 der Verordnung 2018/858 dahin auszulegen ist, dass er für die Fahrzeughersteller eine „rechtlichen Verpflichtung“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Buchst. c DSGVO begründet, die FIN der von ihnen hergestellten Fahrzeuge unabhängigen Wirtschaftsakteuren als „Verantwortlichen“ im Sinne von Art. 4 Nr. 7 DSGVO bereitzustellen

 

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