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Wirtschaftsrecht
22.05.2024
Wirtschaftsrecht
OLG München: DSGVO – Zum Löschungsanspruch von Daten in Gesellschafterliste

OLG München, Beschluss vom 25.4.2024 – 34 Wx 90/24 e

Volltext: BB-Online BBL2024-1217-4

Amtliche Leitsätze

1. Ein Anspruch auf Löschung von in der Gesellschafterliste enthaltenen und gesetzlich nicht zwingend erforderlichen Daten durch Austausch der im Registerordner aufgenommen Gesellschafterliste besteht nicht.

2. Die Beibehaltung sämtlicher Gesellschafterlisten im Registerordner und damit auch die Verarbeitung der bei der Einreichung der Listen übermittelten Daten ist für die Wahrnehmung der Aufgaben des Handelsregisters zwingend erforderlich. 

3. § 9 Abs. 7 HRV stellt keine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Austausch von Dokumenten im Registerordner dar, sondern regelt lediglich die Durchführung.

 

Aus den Gründen

I. Der Beteiligte ist Gesellschafter und Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung, die seit 18.2.2008 im Handelsregister eingetragen ist.

Am 2.7.2012 wurde aufgrund der Abtretung eines Geschäftsanteils eine notariell bescheinigte Gesellschafterliste in den Registerordner aufgenommen, in der bei den beiden Gesellschaftern G. S. und M. S. [= der Beteiligte] jeweils die vollständige Wohnanschrift (Postleitzahl, Ort, Ortsteil, Straße und Hausnummer) angegeben ist. Bei dem Beteiligten ist als Wohnort die Gemeinde P. angegeben, aktuell ist er wohnhaft in der Gemeinde V.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.11.2023 beantragte der Beteiligte die Löschung personenbezogener Daten, namentlich die in der Gesellschafterliste vom 2.7.2012 enthaltenen Angaben von Straße und Hausnummer. Nach Art. 17 DSGVO bestehe ein Anspruch auf Löschung dieser Daten. Beigefügt war eine von dem Beteiligten mit Datum vom 2.7.2012 unterzeichnete Gesellschafterliste, bei der für den Beteiligten nicht mehr die vollständige Anschrift, sondern als Wohnort lediglich die Gemeinde V. angegeben ist. Unter Löschung sei der Austausch der aktuellen im Handelsregister hinterlegten Gesellschafterliste mit der übersandten neuen Liste zu verstehen.

Mit Beschluss vom 27.12.2023 wies die Richterin am Registergericht den Antrag zurück. Eine Rechtsgrundlage bestehe hierfür nicht. Aufgrund der Publizitätsfunktion des Handelsregisters, § 9 HGB, sowie der Grundsätze der Registerwahrheit und Registerkontinuität komme eine Austausch von in den Registerordner aufgenommenen Dokumenten nur auf der Basis einer entsprechenden Rechtsgrundlage in Betracht. Eine solche ergebe sich weder aus Art. 17 Abs. 1 DSGVO, noch aus Art. 21 oder Art. 18 DSGVO. Auch die Neuregelung des § 9 Abs. 7 HRV enthalte keine rechtliche Grundlage für die Löschung einer Gesellschafterliste.

Gegen den am 4.1.2024 zugestellten Beschluss wendet sich der Beteiligte mit seiner Beschwerde vom 2.2.2024, die er mit Schriftsatz vom 4.3.2024 begründete. Der Verarbeitung der beanstandeten Daten fehle aus sämtlichen rechtlichen Gesichtspunkten die notwendige datenschutzrechtliche Erforderlichkeit. Mangels einer solchen sei der Anspruch auf Löschung nicht nach Art. 17 Abs. 3 DSGVO ausgeschlossen.

Das Registergericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 19.3.2024 nicht abgeholfen. Das Handelsregister erfülle eine fortdauernde Transparenz- und Beweisfunktion. Ein etwaiger Löschungsanspruch würde diesen Prinzipien zuwiderlaufen. Die Vorhaltung eines stabilen Datenbestandes wäre im Fall eines Löschungsanspruchs nicht mehr gewährleistet. Die Grundsätze der Registerwahrheit und der Registerkontinuität verböten es dem Registergericht grundsätzlich, und vor allem abseits von gesetzlichen Ermächtigungen, Änderungen an eingereichten Dokumenten vorzunehmen bzw. diese nachträglich der unbeschränkten Einsicht zu entziehen. Eine derartige gesetzliche Ermächtigung liege nicht vor.

II. 1. Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft und wurde form- und fristgerecht eingelegt, §§ 63 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1, 64 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG.

2. Die Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Das Registergericht hat im Ergebnis zu Recht den Antrag auf Löschung der vom Beschwerdeführer beanstandeten Daten (Straße und Hausnummer) im Wege des Austauschs der Gesellschafterliste vom 2.7.2012 abgelehnt.

a) Zutreffend weist der Beschwerdeführer zwar darauf hin, dass in der Gesellschafterliste lediglich die Angabe von Name, Vorname, Geburtsdatum und Wohnort, nicht aber die Angabe der kompletten Wohnanschrift gesetzlich vorgeschrieben ist, § 40 Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Unabhängig von der Frage, ob und gegebenenfalls welche Anspruchsgrundlage für die begehrte Datenlöschung besteht, kommt ein Austausch der Gesellschafterliste vom 2.7.2012 vorliegend bereits deshalb nicht in Betracht, da keine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende „bereinigte“ Liste eingereicht wurde. Gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG – auch in der im Jahr 2012 geltenden Fassung – ist im Falle einer Geschäftsanteilsabtretung (vgl. § 15 Abs. 3 GmbHG) die Einreichung einer notarbescheinigten Liste erforderlich. Ein Austausch könnte daher allenfalls dadurch erfolgen, dass seitens des beurkundenden Notars eine § 40 Abs. 2 GmbHG entsprechende Liste – ohne die gesetzlich nicht zwingend erforderlichen Daten – eingereicht wird. Das Registergericht ist nicht befugt, notarielle Urkunden zu verändern oder veränderte Abschriften hiervon herzustellen. Es ist dagegen Aufgabe der Anmeldenden, die für den Registerordner erforderlichen Urkunden beizubringen. Die vom Beschwerdeführer nunmehr mit seinem Antrag vom 23.11.2023 vorgelegte Liste ist nicht vom beurkundenden Notar bescheinigt und entspricht damit nicht den gesetzlichen Anforderungen. Im Übrigen weist die „neue“ Liste vom 2.7.2012 für den Beteiligten nunmehr einen von der bisherigen Liste abweichenden Wohnort aus. Nach zutreffender Ansicht könnte ein Austausch ferner ausschließlich aufgrund eines notariellen Antrags erfolgen (OLG Naumburg NZG 2023, 711; Wollenschläger NZG 2023, 690/693). Ein solcher liegt nicht vor.

b) Ferner ist eine Anspruchsgrundlage für die geforderte Löschung der Daten (durch Austausch des Dokuments) nicht ersichtlich.

aa) Art. 17 Abs. 1 DSGVO kommt als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht. Diese Bestimmung findet nach der Ausnahmevorschrift des Art. 17 Abs. 3 lit. b Fall 1 DSGVO im Registerwesen aufgrund der fortdauernden Transparenz- und Beweisfunktion keine Anwendung (MüKoHGB/Krafka, 5. Aufl. § 10a Rn. 14; BT-Drs. 18/12611, 69; OLG Naumburg NZG 2023, 711; BGH BeckRS 2024, 5836 Rn. 18). Die Tätigkeit eines Hoheitsträgers, die darauf gerichtet ist, in Erfüllung von Publizitätspflichten übermittelte Daten in einer Datenbank zu speichern sowie interessierten Personen Einsicht zu gewähren, gehört zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse (EuGH GRUR 2013, 191). Eine solche Tätigkeit stellt auch eine im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe i.S.d. Art. 17 Abs. 3 lit. b DSGVO dar (Ebenroth/Bujong/Schaub HGB 5. Aufl. § 10a Rn. 2). Zutreffend hat das Registergericht mit seiner Nichtabhilfeentscheidung insoweit darauf hingewiesen, dass eine rechtliche Verpflichtung zur Datenverarbeitung nach § 387 Abs. 2 FamFG i.V.m § 9 Abs. 1 HRV, § 9 Abs. 1 HGB, § 40 GmbHG besteht und das Handelsregister damit eine fortdauernde Transparenz- und Beweisfunktion erfüllt. Der Grundsatz der Datenerhaltung stellt dabei den Kern des registerrechtlichen Publizitätsprinzips dar (MüKoHGB/Krafka § 10a Rn. 12). Eine gesetzliche Ermächtigung, Dokumente nachträglich zu verändern bzw. diese nachträglich der unbeschränkten Einsicht zu entziehen, ist nicht vorhanden. Insbesondere bei den Gesellschafterlisten erfordert es die auf ihnen beruhende Legitimationswirkung nach § 16 Abs. 1 GmbHG, chronologisch die dort angegebene Inhaberschaft an den Gesellschaftsanteilen unzweifelhaft nachvollziehen zu können. Wie das Registergericht in dem Beschluss vom 27.12.2023 zu Recht festgestellt hat, ist selbst die Entfernung oder Korrektur einer fehlerhaften Liste daher nicht möglich, sondern lediglich die Aufnahme einer neuen fehlerfreien Liste (MüKoGmbHG/Heidinger 4. Aufl. § 40 Rn. 190, 299). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Rechtswirkungen des § 16 Abs. 1 GmbHG ist die Aufnahme der jeweiligen Gesellschafterliste in das Handelsregister (Wicke GmbHG 4. Aufl. § 16 Rn. 3a). Vorliegend bestünde bei einer Ersetzung der am 2.7.2012 in den Registerordner aufgenommenen Liste durch eine neue Liste für den Rechtsverkehr völlige Unklarheit über den Gesellschafterbestand im Zeitraum zwischen der Aufnahme und der Entfernung der alten Liste. Zwar könnte und müsste bei der Aufnahme einer neuen Liste in den Registerordner auf einen nach § 9 Abs. 7 HRV durchgeführten Austausch hingewiesen werden, für den Einsichtnehmenden bliebe aber offen, welchen Inhalt die entfernte Liste hatte und wer die Legitimationswirkung bis zum Austausch für sich in Anspruch nehmen konnte. Die Beibehaltung sämtlicher eingereichter Gesellschafterlisten und damit auch die Verarbeitung der von dem Beschwerdeführer bei der Einreichung der Liste freiwillig übermittelten Daten durch Beibehaltung dieser Liste im Registerordner ist daher für die Wahrnehmung der Aufgaben des Handelsregisters zwingend erforderlich, Art. 6 Abs. 1 Satz 1 lit. e DSGVO.

Der Europäische Gerichtshof hat ferner zur von der DSGVO abgelösten Datenschutzrichtlinie, die eine mit Art. 17 Abs. 3 lit. b DSGVO vergleichbare Anwendungsausnahme nicht kannte, hervorgehoben, dass die Registerpublizität, gleichsam als Preis für die Verleihung der Rechtspersönlichkeit an Kapitalgesellschaften mit beschränkter Haftung, grundsätzlich Vorrang vor dem Persönlichkeitsschutz genießt. Nichts anderes kann für die Rechtslage seit Inkrafttreten der DSGVO gelten (EuGH ZD 2017, 325/327; OLG Naumburg NZG 2023, 711; Wollenschläger NZG 2023, 690). Eine besondere Schutzbedürftigkeit des Beteiligten ist nicht ersichtlich.

bb) Auch Art. 21 DSGVO begründet keinen Löschungs- oder Austauschanspruch des Beschwerdeführers. Das Widerspruchsrecht ist gemäß § 10a Abs. 3 HGB auf die in zum Handelsregister einzureichenden Dokumenten enthaltenen personenbezogenen Daten nicht anwendbar. Ein Anspruch nach Art. 18 DSGVO besteht ebenfalls nicht, da die Registerführung aus Gründung wichtiger öffentlicher Interessen erfolgt, vgl. Art. 18 Abs. 2 DSGVO (MüKoHGB/Krafka § 10a Rn. 12, 14).

cc) § 9 Abs. 7 HRV stellt keine eigenständige Anspruchsgrundlage für einen Austausch dar, sondern regelt lediglich die Durchführung (vgl. BR-Drucksache 560/22, S. 29, wonach es sich bei der Vorschrift lediglich um eine Klarstellung handelt). Mit § 9 Abs. 7 HRV hat der Verordnungsgeber eine registerverfahrensrechtliche Grundnorm für den Austausch von Dokumenten im Handelsregister geschaffen. Diese verfahrensrechtliche Regelung begründet allerdings noch keinen Anspruch auf einen solchen Austausch. In der Regel besteht ein derartiger Anspruch nicht (Strauß DNotZ 2023, 496/509).

III. Der Beschwerdeführer trägt kraft Gesetzes die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens, § 22 Abs. 1 GNotKG. Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 70 FamFG liegen nicht vor.

 

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