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Wirtschaftsrecht
08.10.2020
Wirtschaftsrecht
LG München I: Corona-bedingte Betriebsschließung - Entschädigungspflicht der Versicherung

LG München I, Endurteil vom 1.10.2020 – 12 O 5895/20

Volltext: BB-Online BBL2020-2306-2

Sachverhalt

Der Kläger begehrt von der Beklagten Leistungen aus einer Betriebsschließungsversicherung vor dem Hintergrund der Corona-Krise.

Der Kläger ist seit 2010 Pächter des ....

Zwischen den Prozessparteien besteht gemäß Versicherungsschein Nr. ... (Versicherungsnummer ...) eine Betriebsschließungsversicherung für die Gaststätte am Versicherungsort .... Die Versicherungssumme für einen Schließungsschaden beträgt 1.014.000,00 €. Sie basiert auf einem Wochenumsatz von 286.538,00 €, sieben Öffnungstagen pro Woche und einer vereinbarten Tagesentschädigung von 33.800,00 €. Weiterhin sind Warenschäden mit einer Versicherungssumme von 75.000,00 € versichert. Der Jahresbeitrag für den Zeitraum 01.03.2020 bis 01.03.2021 betrug 6.438,97 €.

Der Versicherungsschein datiert vom 04.03.2020. Als Versicherungsbeginn war der 01.03.2020 vereinbart. Am 11.03.2020 buchte die Beklagte vom Konto des Klägers den fälligen Beitrag in Höhe von 6.438,97 € ab (Bl. 6 d.A.).

Auf den Versicherungsschein (Anlage K 1) wird ergänzend Bezug genommen.

Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Versicherung von Betrieben gegen Schäden wegen behördlicher Anordnung nach dem Infektionsschutzgesetz (Betriebsschließung) ... der Beklagten zugrunde (Anlage K 2).

In Teil B § 1 ... ist folgendes geregelt:

§ 1 Gegenstand der Versicherung, versicherte Gefahren

1.1.1.1.  Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger in Nr. 2 aufgeführten Krankheiten oder Krankheitserreger

a) den versicherten Betrieb [...] schließt; [...]

2. Versicherungsschutz besteht für die folgenden der in §§ 6 und 7 IfSG namentlich genannten, beim Menschen übertragbaren Krankheiten und Erreger nach Fassung des Gesetzes vom 20.07.2000:

a) Krankheiten

In Teil B § 2 ... ist geregelt:

„§ 2 Umfang der Versicherung

„1. Der Versicherer ersetzt im Falle

a) einer Schließung nach § 1 Nr. 1a den Schaden in Höhe der vereinbarten Tagesentschädigung für jeden Tag der Betriebsschließung bis zur Dauer von 30 Schließungstagen. [...]. Die Tagesentschädigung ist auf höchstens 110 % des Anteil an Geschäftskosten und Gewinn eines Tagesumsatzes begrenzt. Tagesumsatz ist der Wochenumsatz geteilt durch die Zahl der wöchentlichen Arbeitstage des versicherten Betriebs; Wochenumsatz ist 1/52 des Jahresumsatzes. [...].“

Unter § 3 AVB BS 2002 ist schließlich geregelt:

„§ 3 Ausschlüsse

1. Der Versicherer haftet nicht

[...]

b) für andere als die in § 1 Ziffer 2 genannten Krankheiten und Krankheitserreger, insbesondere nicht für

Humane spongiforme Enzephalopathien sowie Prionenerkrankungen aller Art

- HIV

- Legionella SP

- das Auftreten von Krankheiten bzw. Erreger nach § 6 Absatz 1 Nr. 1, 5 und Absatz 3, sowie §§ 34 und 42 IfSG; [...].“

Am 31.01.2020 verkündete das Bundesministerium für Gesundheit die Verordnung über die Ausdehnung der Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 S. 1 des IfSG auf Infektionen mit dem Coronavirus vom 30.01.2020 (BAnz AT 31.01.2020 V1). Die Verordnung trat am 01.02.2020 in Kraft.

Am 04.03.2020 gab die Beklagte an ihre Vertriebspartner ein mit „Vertriebsinformation Gewerbe“ überschriebenes Dokument heraus (Anlage K 3). In diesem hielt die Beklagte fest:

„Wir stellen den Coronavirus „2019-nCoV“ den in unseren Bedingungen für die gewerbliche Betriebsschließungsversicherung (...) namentlich genannten Krankheitserregern gleich. Als Basis gilt die Verordnung vom 01.02.2020 durch den Bundesminister für Gesundheit zur Erweiterung der Meldepflicht nach dem Infektionsschutzgesetz.

Somit sind behördlich angeordnete Betriebsschließungen aufgrund des neuartigen Coronavirus in unserer gewerblichen Betriebsschließungsversicherung mitversichert.“

Aufgrund der pandemischen Ausbreitung des Coronavirus wurden ab Mitte März 2020 durch das bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege folgende behördlichen Maßnahmen getroffen:

Am 20.03.2020 (Aktenzeichen Z6a, 68000-2020/122-98) erließ das bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege eine Allgemeinverfügung, die unter Ziffer 2 regelt:

„Untersagt werden Gastronomiebetriebe jeder Art. Ausgenommen ist die Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen.“

Die Allgemeinverfügung trat am 21.03.2020 in Kraft.

Am 24.03.2020 erließ das bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege eine Verordnung mit identischem Inhalt (2126-1-4-G, BayMBl. 2020 Nr. 130). Auch in der Verordnung ist unter § 1 Abs. 2 der Gastronomiebetrieb jeder Art, mit Ausnahme der Abgabe und Lieferung von mitnahmefähigen Speisen, untersagt. Die Verordnung trat gemäß § 2 rückwirkend zum 21.03.2020 in Kraft.

Am 27.03.2020 erließ das bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege eine weitere Verordnung, wonach der Betrieb von Gaststätten jeder Art weiter untersagt wurde (2126-1-4-G, 2126-1-5-G, BayMBl. 2020 Nr. 158). Dies galt nach § 2 Abs. 2 S. 2 auch für Gaststätten und Gaststättenbereiche im Freien (z.B. Biergärten, Terrassen). Gemäß § 5 trat diese Verordnung am 31. März 2020 in Kraft. § 2 Abs. 2 sollte bereits mit Ablauf des 03. April 2020 außer Kraft treten. Das Außerkraftreten wurde jedoch mit Änderungsverordnung vom 31.03.2020 (2126-1-4-G, 2126-1-5-G, BayMBl. 2020 Nr. 162) gestrichen. Die Änderungsverordnung trat am 01. April 2020 in Kraft.

Am 05.05.2020 erließ das bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege eine weitere Verordnung (2126-1-8-G, BayMBl. 2020 Nr. 240), wonach der Betrieb von Gaststätten jeder Art bis 17.05.2020 weiter untersagt wurde (§ 13 der Verordnung).

Die Außengastronomie konnte ab dem 18.05.2020, die Innengastronomie ab dem 25.05.2020 wieder geöffnet werden.

Seit dem 23.05.2020 wird das Coronavirus als Krankheit unter § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. t) IfSG (COVID-19) sowie der Krankheitserreger unter § 7 Abs. 1 Nr. 44a IfSG (SARS-CoV-2) geführt.

Der Kläger erhielt aus staatlichen Mitteln eine Soforthilfe für den Betrieb in Höhe von 50.000 €.

Er forderte vorgerichtlich die Versicherungsleistung bei der Beklagten an.

Die Beklagte bot mit Schreiben vom 08.04.2020 an, einen Teilbetrag in Höhe von 15 %, mithin 152.100,00 € auszubezahlen, wenn der Kläger auf darüber hinausgehenden Rechtsansprüche schriftlich verzichtet (Anlage K 5).

Mit vorgerichtlichem Rechtsanwaltsschreiben vom 09.04.2020 lehnte der Kläger das Angebot der Beklagten ab und forderte die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 23.04.2020 auf, ihre Leistungsbereitschaft zu erklären (Anlage K 6).

Die Beklagte lehnte eine Regulierung mit E-Mail vom 11.05.2020 ab (Anlage K 7).

Der Kläger trägt vor, dass der für ihn seit langem zuständige Betreuer der Beklagten, Herr ..., im Rahmen der Überprüfung des Versicherungsstands im März 2020 auf ihn zugekommen sei und ihn auf eine bestehende Lücke im Zusammenhang mit Corona hingewiesen habe. Da Corona damals schon offiziell Thema gewesen sei, habe man natürlich darüber gesprochen. Herr ... habe erklärt, es sei eine gute Sache, die streitgegenständliche Versicherung abzuschließen. Dieser habe ihm das Schreiben der Beklagten vom 04.03.2020 im Beratungsgespräch ausgehändigt (Bl. 153 d.A.). Dass das Coronavirus vom Versicherungsschutz umfasst sei, sei ihm im Beratungsgespräch auch so mitgeteilt worden. Er habe daraufhin noch Anfang März 2020 die streitgegenständliche Versicherung abgeschlossen.

Vor dem Zustandekommen des Versicherungsvertrags habe er der Beklagten seine betriebswirtschaftliche Auswertung vorgelegt, anhand derer die Tagespauschale durch die Beklagte selbst festgelegt worden sei (Bl. 138 d.A.). Dies sei auf Basis der Formel Jahresumsatz minus Ware geteilt durch 365 Tage erfolgt (Bl. 148 d.A.).

Die Gaststätte habe 1.200 Sitzplätze im Innenbereich, 800 Sitzplätze auf den Terrassen und 5.000 Sitzplätze im Biergarten. Einen Ruhetag gebe es im Betrieb nicht. Der Betrieb sei in der Zeit vom 21.03.2020 bis zum 17.05.2020 vollständig geschlossen gewesen. In dieser Zeit habe auch kein Außerhausverkauf stattgefunden. In den üblichen Zeiten habe der Umsatz aus dem Außerhausverkauf weniger als 0,1 % des Gesamtumsatzes ausgemacht (Bl. 139 d.A.).

Die Corona-Soforthilfe in Höhe von 50.000,00 € habe er wieder zurückzahlen müssen, da die Voraussetzungen nicht vorgelegen hätten. Weitere Hilfen habe er nicht bekommen.

Zur Deckung der laufenden Liquidität habe der Kläger am 28.05.2020 einen Kredit bei seiner Hausbank in Höhe von 800.000,00 € aufnehmen müssen. Für diesen zahle er seit dem 30.05.2020 monatliche Zinsen in Höhe von 1.333,33 € (Bl. 79/80 d.A.).

Der Kläger ist der Ansicht, dass ihm ein Anspruch auf die begehrte Versicherungsleistung zustehe. Der versicherte Betrieb sei durch behördliche Vorgabe geschlossen worden.

Das Coronavirus sei vom Versicherungsschutz umfasst gewesen (Bl. 124 d.A.). Dies ergebe bereits die Auslegung der maßgeblichen Versicherungsbedingungen der Beklagten. Auch die Beklagte selbst habe sich in ihrer Vertriebsinformation vom 04.03.2020 dahingehend geäußert, dass das Coronavirus den namentlich genannten Krankheiten gleichgestellt werde (Anlage K 3). An dieser Rechtsansicht habe die Beklagte auch Ende Juni 2020 noch festgehalten (Anlage K 16).

Auch handele es sich bei Teil B § 1 Ziffer 2 ... der Versicherungsbedingungen nicht um eine abschließende Aufzählung. Die Klausel sei im Übrigen unwirksam (Bl. 50 ff., 128 ff., 151 ff. d.A.).

Die Versicherungsbedingungen würden keine behördliche Einzelanordnung erfordern. Die Auffassung der Beklagten, dass ein Versicherungsfall nur dann vorliegen würde, wenn eine „intrinsische Betroffenheit“ vorliege, sei unzutreffend und werde auch nicht vom Wortlaut der Versicherungsbedingungen gestützt (Bl. 17, 135 ff. d.A.).

Auch seien die Rügen der Wirksamkeit der Allgemeinverfügung beziehungsweise der Rechtsverordnungen durch die Beklagte unzutreffend. Die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung habe die Rechtmäßigkeit der Allgemeinverfügung sowie der Verordnungen des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege im einstweiligen Verfügungsverfahren geprüft und bejaht (Bl. 12 d.A.).

Weiterhin bestehe der Anspruch in voller Höhe. Es handle es sich vorliegend um eine Summenversicherung, nicht um eine Schadensversicherung (Bl. 20 d.A.). § 76 VVG sei daher bereits nicht anwendbar. Ein Anspruch auf öffentlich-rechtliche Entschädigungsleistungen bestehe nicht (Bl. 28 ff. d.A.).

Das Kurzarbeitergeld sei nicht auf den Anspruch des Klägers anzurechnen (Bl. 24 d.A.). Dies gelte auch für die – vom Kläger ohnehin zurückgezahlten – Liquiditätshilfen (Bl. 160 d.A.).

Die Klausel in Teil B § 2 Ziffer 1 lit. a) S. 3 ... sei unwirksam.

Der Kläger beantragt zuletzt:

1.     Die Beklagte wird verurteilt, Euro 1.014.00,00 zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.04.2020 an den Kläger zu zahlen.

2.     Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, Euro 3.180,95 (halbe vorgerichtliche Geschäftsgebühr als Kosten i.S.d. § 4 Abs. 1 ZPO) zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 22.04.2020 an den Kläger zu zahlen.

3.    Die Beklagte wird weiterhin verurteilt, Euro 9.770,85 (Darlehenszinsen 5x Euro 1.333,33, gezahlter Darlehenszins zu Ende Mai 2020, Ende Juni 2020, Ende Juli 2020, Ende August 2020 und zu zahlen Ende September 2020) zzgl. Euro 3.104,20 (Kosten für Notar und Grundbuchamt, SchrS 13.07.2020, S. 2 in Einzelaufstellung) an den Kläger zu zahlen.

Weiterhin wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, beim Kläger anfallenden monatlichen Darlehnszins Euro 1.333,33 für die Zeit ab 01.10.2020 für die anteilige weitere Dauer des Darlehens vom 28.05.2020 bis insoweit Ende Januar 2021 (je Monat Eur 1.333,33) zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte behauptet, der klägerische Betrieb sei nicht vollständig geschlossen gewesen. Der Umsatz aus einem Außerhausverkauf habe vor und nach der behördlichen Anordnung bei 15 % gelegen (Bl. 99 d.A.). Der tatsächliche Schaden des Klägers liege deutlich unter der vereinbarten Tagesentschädigung, und zwar um mehr als 75 % (Bl. 103 d.A.). Die vereinbarte Tagesentschädigung liege zudem über 110 % des Anteils an Geschäftskosten und Gewinn eines Tagesumsatzes und sei daher nach den Versicherungsbedingungen zu kürzen (Bl. 104 d.A.). Weiterhin habe der Kläger staatliche Unterstützungsmaßnahmen in Höhe von 70 % des von ihm behaupteten Schadens erhalten oder hätte diese zumindest erhalten können.

Die Beklagte ist der Ansicht, dass das Coronavirus nicht Gegenstand des Versicherungsumfangs sei. Die Auflistung der versicherten Krankheiten und Krankheitserreger erfasse das Coronavirus erkennbar nicht. Zudem greife der Risikoausschluss ein (Bl. 85, 174 ff. d.A.). Ihre Rechtsansicht sieht die Beklagte durch andere Gerichte bestätigt.

Aus der Vertriebsinformation (Anlage K 3) könne der Kläger keinen weitergehenden Versicherungsschutz ableiten. Die Beklagte habe sich zwar dazu entschlossen – und das gelte bis heute – das Coronavirus den in ihren gewerblichen Betriebsschließungsversicherungen namentlich genannten Krankheitserregern gleichzustellen. Voraussetzung sei jedoch, dass das neuartige Coronavirus auch in dem versicherten Betrieb aufgetreten sei und der bei der Beklagten versicherte Betrieb von der zuständigen Behörde aus diesem Grund vollständig geschlossen würde (Bl. 86 d.A.).

Weiterhin liege keine wirksame Allgemeinverfügung beziehungsweise Rechtsverordnung vor. Diese seien nichtig (Bl. 94 d.A.). Zudem fehle es an einer konkreten Verfügung bezüglich des klägerischen Betriebs. Abstrakt-generalpräventive Gesundheitsmaßnahmen seien nicht Gegenstand einer Betriebsschließungsversicherung.

Bei der streitgegenständlichen Versicherung handle es sich um eine Schadensversicherung (Bl. 102 d.A.). Die vereinbarte Tagesentschädigung sei eine Taxe. Diese sei vorliegend jedoch nicht maßgeblich, da der tatsächliche Schaden des Klägers erheblich abweiche (Bl. 103 d.A.). Insoweit sei darauf abzustellen, dass der Schaden des Klägers bereits durch die anderen behördlichen Maßnahmen der Bundesrepublik und anderer Länder entstanden sei, nämlich vor allem durch die Kontaktbeschränkungen. Auch ohne Einschränkung des klägerischen Betriebs hätte dieser kaum noch Umsätze erzielen können, weil aus ganz anderen Gründen kaum noch Gäste gekommen wären.

Auch stehe dem Kläger kein Anspruch auf Entschädigung zu, da dieser Schadensersatz aufgrund des öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts beanspruchen könne.

Auch habe sich der Kläger Leistungen Dritter, wie die „Soforthilfe Corona“ und auch das Kurzarbeitergeld, anspruchsmindernd anrechnen zu lassen (Bl. 167 f. d.A.).

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.07.2020 Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist weit überwiegend begründet.

I.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch in Höhe der vereinbarten Tagesentschädigung für 30 Schließtage gemäß Teil B § 1 Ziffer 1 lit a) i.V.m. § 2 Ziffer 1 lit. a) der ... der Beklagten zu.

1. Gemäß Teil B § 1 Ziffer 1 lit a) ... leistet der Versicherer Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten den versicherten Betrieb schließt.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hat ab dem 21.03.2020 den klägerischen Betrieb aufgrund des Coronavirus geschlossen.

Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung entsprechend den Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse auszulegen, der die Allgemeinen Versicherungsbedingungen aufmerksam liest sowie vollständig unter Abwägung der Interessen der beteiligten Kreise und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhanges würdigt. Dabei kommt es auf den betreffenden Versicherungszweig an. Spricht der Versicherungsvertrag üblicherweise einen bestimmten Personenkreis an, so kommt es auf die Verständnismöglichkeiten und Interessen der Mitglieder dieses Personenkreises an. Maßgeblich für die Auslegung ist in erster Linie der Klauselwortlaut. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind dabei „aus sich heraus“, also ohne Heranziehung anderer Texte, auszulegen. Die vom Versicherer verfolgten Zwecke sind maßgeblich, sofern sie in den ... Ausdruck gefunden haben, sodass sie dem aufmerksamen und verständigen Durchschnittsversicherungsnehmer erkennbar sind. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses (st. Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 22.01.2020, Az: IV ZR 125/18; BGH, Urteil vom 06.03.2019, Az.: IV ZR 72/18).

Betriebsschließungsversicherungen werden von gewerblich tätigen Versicherungsnehmern abgeschlossen, insbesondere von Betrieben, die mit der Lebensmittelherstellung oder -verarbeitung zu tun haben (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2 IfSG). Bei solchen Unternehmen besteht die Gefahr, dass eine Behörde den Betrieb aufgrund von Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes (lfSG) schließt. Dabei handelt es sich regelmäßig um Betriebe, die einen kaufmännisch eingerichteten Gewerbebetrieb erfordern, weshalb man von den Inhabern oder Geschäftsführern jeweils entsprechende kaufmännische Kenntnisse und Sorgfalt bei dem Durchlesen eines Vertragsformulars erwarten kann. Im Regelfall besitzen die Inhaber oder Geschäftsführer dieser Betriebe jedoch keine vertieften Kenntnisse medizinischer oder rechtlicher Art im Zusammenhang mit dem Inhalt des IfSG.

Gemessen an diesen Voraussetzungen ergibt sich für die Auslegung der von der Beklagten verwendeten ... folgendes:

a) Eine Anordnung der Schließung des klägerischen Betriebs seitens der zuständigen Behörde lag vor.

aa) Die Zuständigkeit des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege für die Maßnahme ergibt sich aus §§ 28 Abs. 1, 32 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 65 Satz 2 Nr. 2 BayZustV und Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 GDVG.

bb) Der Text der Versicherungsbedingungen verwendet im Übrigen keine verwaltungsrechtlichen Rechtsbegriffe. Die Betriebsschließung beruhte zunächst auf der Allgemeinverfügung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 20.03.2020, später auf der Verordnung vom 24.03.2020, welche im Folgenden aufrechterhalten wurde. Nach dem Text der Versicherungsbedingungen kommt es nicht darauf an, in welcher Rechtsform die Anordnung der Schließung vorgenommen wird. Denn in der Allgemeinverfügung und den später erlassenen Verordnungen wird die Schließung rein tatsächlich „angeordnet“.

cc) Nach dem Wortlaut der Bedingungen spielt auch die Rechtmäßigkeit der Schließungsanordnung für den Versicherungsschutz keine Rolle.

Unabhängig davon, ob § 82 VVG auf die Betriebsschließungsversicherung anwendbar ist, wäre auch im Rahmen der Schadensminderungsobliegenheit ein verwaltungsgerichtliches Vorgehen des Klägers gegen die Anordnung weder erfolgversprechend noch zumutbar gewesen.

Der Versicherungsnehmer muss sich – wie jeder andere – grundsätzlich an Gesetze und Verordnungen halten. Diese sind selbst im Falle von Mängeln oder bei Rechtswidrigkeit nicht automatisch unwirksam und damit grundsätzlich zu befolgen. Es ist dem Versicherungsnehmer im Regelfall auch nicht zumutbar, vor der Geltendmachung von Versicherungsleistungen zur Schadensminderung vor den Verwaltungsgerichten gegen eine behördliche Anordnung vorzugehen.

Allenfalls im Fall offensichtlicher, zur Nichtigkeit führender Fehler kann eine Pflicht des Versicherungsnehmers bestehen, sich zur Schadensminderung nicht an die Vorschrift zu halten und gegen sie gerichtlich vorzugehen.

Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Es fehlt bereits an einer offensichtlich unwirksamen Verordnung (vgl. BayVGH, Beschluss vom 30.03.2020, Az.: 20 NE 20.632).

b) Die zuständige Behörde handelte gemäß Teil B § 1 Ziffer 1 ... aufgrund des Infektionsschutzgesetzes.

aa) Es handelte sich um eine Maßnahme zur Bekämpfung der Corona – Pandemie. Die Maßnahme wurde in der Allgemeinverfügung und den nachfolgenden Verordnungen des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege auf Vorschriften des IfSG gestützt, nämlich auf § 28 beziehungsweise § 32 IfSG i.V.m. der Verordnung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 30.01.2020, mit der die Meldepflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 Satz 1 des IfSG auf das neuartige Coronavirus ausgedehnt wurde (BAnz AT 31.01.2020 V1).

bb) Nach dem Wortlaut der Bedingungen ist nicht erforderlich, dass der Betrieb selbst betroffen sein muss. Die Maßnahme muss lediglich aufgrund des IfSG erlassen worden sein.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die übrigen Bestimmungen in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten Bezug auf den versicherten Betrieb nehmen (Tätigkeitsverbote für sämtliche Betriebsangehörige, Desinfektion der Betriebsräume Verwertung oder Vernichtung von Vorräten und Waren, Beschäftigungsverbote für Mitarbeiter oder Einleitung von Ermittlungsverfahren nach dem IfSG, vgl. Teil B § 1 Ziffer 1 lit. b) bis lit. e)). Denn diese Versicherungsgegenstände werden neben der Betriebsschließung als eigener Versicherungsgegenstand genannt.

Zwar sind bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen auch wirtschaftliche Belange der Beteiligten und der vom Versicherer verfolgte Zweck zu berücksichtigen, dies jedoch nur dann, wenn es in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen Ausdruck gefunden hat. Die Beklagte beruft sich hier darauf, dass die vereinbarte Jahresprämie in Höhe von 6.438,97 € im Verhältnis zur Versicherungsleistung sehr gering sei, sodass der Versicherungsnehmer habe erkennen können, dass der Versicherungsschutz nicht bestehe, wenn nicht sein eigener Betrieb betroffen ist. Jedoch ist zu berücksichtigen, dass ein Versicherungsnehmer, der sich über die Relation zwischen Versicherungsbeitrag und Versicherungssumme Gedanken macht, davon ausgehen wird, dass Versicherungsmathematiker derartige Risiken entsprechend ihrer Auftrittswahrscheinlichkeit kalkuliert haben. Auf der anderen Seite ist für die Beklagte offensichtlich, dass es für einen von einer Schließung nach dem IfSG betroffenen Betrieb keinen Unterschied macht, ob die Ursache der Maßnahme in seinem Betrieb selbst liegt oder nicht.

c) Die Beklagte beruft sich darauf, dass der Betrieb des Klägers durch die Anordnung nicht geschlossen worden sei, weil ein Außerhausverkauf weiterhin möglich war. Es habe damit lediglich eine Betriebseinschränkung vorgelegen.

aa) Den Wortlaut der maßgeblichen Versicherungsbedingungen muss der durchschnittliche Versicherungsnehmer grundsätzlich so verstehen, dass die vollständige Schließung der Einrichtung angeordnet worden sein muss, damit ein Anspruch auf Versicherungsleistungen entsteht. Die vereinbarte Tagespauschale wird am Schaden für den gesamten Betrieb berechnet und setzt dies folglich voraus. War der Betrieb nicht vollständig geschlossen, scheiden Ansprüche aus der Betriebsschließungsversicherung grundsätzlich aus (vgl. LG München I, Urteil vom 17.09.2020, Az. 12 O 7208/20).

bb) Hier wurde vor der Betriebsschließung ein Außerhausverkauf durchgeführt und dieser wäre nach der Anordnung des bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege auch weiter zulässig gewesen. Der Nichtbetrieb der Gaststätte könnte daher gemäß Teil A § 8 Ziffer 2 lit. a) aa) ... in Verbindung mit §§ 28 Abs. 2, 82 Abs. 1 VVG eine Obliegenheitsverletzung aus dem Versicherungsvertrag darstellen.

Bei der Frage, ob ein Betrieb tatsächlich mindestens als faktisch geschlossen anzusehen ist, weil ein Weiterbetrieb unter den noch zulässigen Umständen unzumutbar ist (vgl. LG Mannheim, Urteil vom 29.04.2020, Az.: 11 O 66/20, Quelle: juris Rn. 36), wird man unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Belange der Beteiligten und des Grundsatzes von Treu und Glauben von Fall zu Fall entscheiden müssen: Ist ein Gastronomiebetrieb rein auf die Bewirtung von Gästen vor Ort ausgelegt und stellt ein möglicher Außerhausverkauf lediglich ein vollkommen untergeordnetes Mitnahmegeschäft dar, das unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten auf keinen Fall fortgeführt werden kann, läge nach § 242 BGB ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor, wenn die beklagte Versicherung sich darauf berufen würde, dass dieser Bereich des Geschäftsbetriebs trotz der Verordnungen fortzuführen gewesen wäre. Auf einen Außerhausverkauf, der insoweit keine unternehmerische Alternative darstellt, muss sich der Kläger dann nicht verweisen lassen (vgl. Rixecker in Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2. Aufl. 2020, § 11 Rn. 67).

cc) Im konkreten Einzelfall war der Außerhausverkauf keine unternehmerische Alternative. Der Kläger erläuterte im Rahmen der informatorischen Anhörung überzeugend und glaubhaft, dass der Außerhausverkauf in seinem Betrieb eine absolut untergeordnete Rolle spiele. In üblichen Zeiten betrage der Umsatz aus dem Außerhausverkauf weniger als 0,1 % des Gesamtumsatzes. Den Kernbereich seines Betriebs habe der Kläger seit dem 21.03.2020 nicht mehr ausüben können. Das Geschäftsmodell sei nicht auf die Lieferung von Speisen ausgelegt und dahingehend auch keinesfalls rentabel zu betreiben gewesen. Für die Behauptung der Beklagten, dass der Kläger mit dem Außerhausverkauf Umsätze in Höhe von mindestens 15 % der Gesamtumsätze hätte erzielen können, fehlt demgegenüber jeglicher greifbare Anhaltspunkt. Sie erfolgt vielmehr „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ und ist damit unbeachtlich (vgl. BGH, Urteil vom 27. Mai 2003 – IX ZR 283/99). Das insoweit angebotene Sachverständigengutachten (Bl. 167 d.A.) stellt sich als reiner Ausforschungsbeweis dar. Auf den ergänzenden Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 24.09.2020 kam es insoweit für die Entscheidung nicht mehr an.

2. Eine Einschränkung des Versicherungsumfangs durch Teil B § 1 Ziffer 2 ... und die dort aufgezählten Krankheiten und Krankheitserregern besteht nicht.

Dies ergibt sich bereits aus der vertraglichen Vereinbarung der Parteien. Außerdem verstößt die Klausel gegen das sich aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ergebende Transparenzgebot und ist deshalb gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam.

a) Im vorliegenden Einzelfall steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass sich die Parteien bereits darüber geeinigt haben, dass das Coronavirus vom Versicherungsschutz umfasst sein soll.

Der Kläger erläuterte im Rahmen der informatorischen Anhörung überzeugend und glaubhaft, dass die Initiative zum Abschluss der streitgegenständlichen Versicherung Anfang März 2020 von seinem langjährigen Betreuer bei der Beklagten, Herrn ..., ausging. Dieser sei auf ihn zugekommen und man habe, da dies damals bereits offizielles Thema war, in jedem Fall über Corona gesprochen. Herr ... habe ihm die Vertriebsinformation der Beklagten ausgehändigt, wonach diese das Coronavirus den in den Bedingungen für die Betriebsschließung genannten Krankheitserregern gleichstelle. Weiterhin habe Herr ... erklärt, dass es eine gute Sache sei, die Betriebsschließungsversicherung noch abzuschließen. Er habe die streitgegenständliche Versicherung daher Anfang März 2020 gerade aufgrund von Corona und seiner insoweit bestehenden Versicherungslücke geschlossen.

Bei lebensnaher Betrachtung ist für das Gericht unzweifelhaft, dass bei einer Überprüfung des Versicherungsstands und dem Abschluss einer Neuversicherung „Betriebsschließungsversicherung infolge Infektionsgefahr“ am 04.03.2020 – während der Pandemie – über das neuartige Virus gesprochen und der Kläger diese Versicherung eigens dafür abgeschlossen hat. Diese Auffassung wird gestützt durch die „Vertriebsinformation Gewerbe“ der Beklagten vom 04.03.2020 (Anlage K 3), in der diese klarstellt, dass das Coronavirus den namentlich genannten Krankheitserregern gleichgestellt werde, welche dem Kläger zum Vertragsschluss ausgehändigt wurde. Im Übrigen hat sich die Beklagte außerprozessual auch stets nur darauf berufen, dass die Beriebsschließungsversicherung bei generalpräventiven Maßnahmen nicht greife (Anlage K 4 und K 16). Dass das Coronavirus vom Versicherungsumfang grundsätzlich umfasst ist, stellte sie indes erst im Prozess in Abrede.

b) Darüber hinaus ist die Klausel Teil B § 1 Ziffer 2 ... intransparent und deshalb gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB unwirksam.

aa) Nach dem Transparenzgebot ist der Verwender allgemeiner Versicherungsbedingungen gehalten, Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Dabei kommt es nicht nur darauf an, dass eine Klausel in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer verständlich ist. Vielmehr gebieten Treu und Glauben auch, dass sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen soweit erkennen lässt, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (BGH, NJW-RR 2008, 1123, 1125; BGH, NJW 2001, 2014, 2016).

Dem Versicherungsnehmer soll bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen geführt werden, in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden (vgl. BGH, NJW 2018, 1544). Wird der Versicherungsschutz durch eine ...-Klausel eingeschränkt, so muss dem Versicherungsnehmer damit klar und deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel besteht (BGH, r + s 2013, 601 Rn. 9; r + s 2013, 382 Rn. 40, 41; r + s 2001, 124). Nur dann kann er die Entscheidung treffen, ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht (BGH, NJW 2017, 3711). Dabei gilt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen braucht, ohne dass die Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht (BGH, NJW 2019, 2172). Mithin sind Allgemeine Versicherungsbedingungen so zu gestalten, dass dem Versicherungsnehmer die leistungsbeschränkende Wirkung einer Klausel nicht erst nach intensiver Beschäftigung oder aufgrund ergänzender Auskünfte deutlich wird.

Maßgebend sind die Verständnismöglichkeiten des typischerweise bei Verträgen der geregelten Art zu erwartenden Durchschnittskunden. Im Rahmen einer gewerblichen Versicherung ist daher auf den geschäftserfahrenen und gewerblich tätigen Unternehmer abzustellen (vgl. BGH, VersR 2011, 918, 920).

bb) Gemessen an diesen Maßstäben entspricht die Klausel nicht den Erfordernissen des Transparenzgebots.

(1) Der durchschnittliche Versicherungsnehmer wird sich zunächst am Wortlaut der ... orientieren und Teil B § 1 Ziffer 1 ... sowie den dort beschriebenen Versicherungsumfang zur Kenntnis nehmen, der bestimmt, dass der Versicherer Entschädigung leistet, „[...] wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger in Nr. 2 aufgeführter Krankheiten und Krankheitserreger [...] den versicherten Betrieb schließt; [...]“.

Aufgrund des Verweises wird der Versicherungsnehmer erkennen, dass die meldepflichtigen Krankheiten und Krankheitserreger in § 1 Ziffer 2 geregelt sind und sich diese Klausel erschließen.

Der Versicherungsnehmer wird auf Basis des Wortlauts davon ausgehen, dass dieser Versicherungsschutz dem Grunde nach umfassend ist und sich mit dem IfSG – zumindest in der Fassung vom 20.07.2000 – deckt, mithin insoweit umfassender Versicherungsschutz gewährt wird.

Der einleitende Satz in Teil B § 1 Ziffer 2 ... lässt keine Leistungsbeschränkung erkennen. Auch die sich anschließende Formulierung, dass Versicherungsschutz für die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger besteht, ist für den Versicherungsnehmer aufgrund der (werbenden) Länge der sich anschließenden Liste und der damit suggerierten Vollständigkeit nicht dahingehend zu verstehen, dass die Klausel hier einen einschränkenden Versicherungsumfang formuliert und insoweit negative Abweichungen gegenüber dem maßgeblich in Bezug genommenen IfSG bestehen.

Vielmehr kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer aufgrund des Wortlauts und der Verweisung in § 1 Ziffer 1 erwarten, dass eine bloße Wiedergabe der gesetzlich erfassten Krankheiten und Krankheitserreger erfolgt. „Namentlich genannt“ wird der Versicherungsnehmer, welcher nicht über Spezialkenntnisse zum IfSG (§ 9 IfSG sowie §§ 6 Abs. 1 Nr. 5, 7 Abs. 2 IfSG) verfügt, dahingehend verstehen, dass es sich hierbei um die vom IfSG benannte Krankheiten und Krankheitserreger handelt.

Letztlich wird der Versicherungsnehmer auf der folgenden Seite der ... unter § 3 die Ausschlüsse zur Kenntnis nehmen und dabei in § 3 Ziffer 1 lit b) ... hinsichtlich der Krankheiten und Krankheitserreger den Ausschluss für die Humane spongiforme Enzephalopathie sowie Prionenerkrankungen aller Art, HIV, Legionella SP sowie für das Auftreten von Krankheiten bzw. Erreger nach § 6 Absatz 1 Nr. 1, 5 und Absatz 3, sowie §§ 34 und 42 IfSG feststellen. Weitergehende Einschränkungen des Versicherungsschutzes muss der Versicherungsnehmer dem Wortlaut nicht entnehmen.

(2) Der systematische Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der Klausel stützen den Versicherungsnehmer bei diesem Verständnis. Er wird aufgrund der Stellung sowie der jeweiligen Überschriften der Klauseln erkennen, dass Teil B § 1 ... den grundsätzlichen Versicherungsumfang positiv festlegt, während Teil B § 3 ... die Ausschlüsse formuliert.

(3) Auf der Grundlage des Wortlauts, des systematischen Zusammenhangs sowie des erkennbaren Zwecks der Klausel Teil B § 1 Ziffer 2 ... weist diese den durchschnittlichen Versicherungsnehmer, auch im Hinblick auf den maßgeblichen Personenkreis insbesondere der unternehmerischen Gastronomen, nicht mit der gebotenen und möglichen Klarheit darauf hin, dass der Umfang des Versicherungsschutzes gegenüber den in Bezug genommenen §§ 6 und 7 IfSG beschränkt ist.

(a) Allein der Wortlaut der Klausel stellt gerade keine explizite und eindeutige Verengung der erfassten Krankheiten und Krankheitserreger dar. Die katalogartige Aufzählung suggeriert, insbesondere in ihrer optisch erschlagenden Darstellung, eine Vollständigkeit und eine Deckungsgleichheit mit dem IfSG, obwohl die Aufzählung in den ... deutlich enger gefasst ist, als der Gesetzestext. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer müsste, wenn er aufgrund der Bezugnahme auf §§ 6 und 7 IfSG überhaupt auf die Idee käme, zur Überprüfung einer negativen Abweichung vom Gesetz die Regelungen des IfSG zur Hand nehmen und diese mit dem Katalog der Klausel im Einzelnen vergleichen. Erst dann wäre für den Versicherungsnehmer erkennbar, dass der Versicherungsumfang gegenüber der gesetzlichen Regelung negativ abweicht und die Auflistung unvollständig ist, sodass, selbst bei innerbetrieblich aufgetretenen Infektionsquellen, Deckungslücken drohen.

Auch im Rahmen von lediglich leistungsbeschränkenden Klauseln muss es dem Versicherungsnehmer möglich sein, Lücken des Versicherungsschutzes klar und deutlich zu erkennen, ohne dass es insoweit einer intensiven Beschäftigung mit den jeweiligen Klauseln bedarf und die Lücke erst über ergänzende Auskünfte in Form eines synoptischen Gesetzesvergleichs deutlich wird. Von dem typischen Versicherungsnehmer einer solchen Versicherung kann nicht erwartet werden, dass er den Text der Auflistung Wort für Wort mit dem IfSG vergleicht, wobei er sich den Text noch selbst besorgen muss (vgl. BGH, Urteil vom 27.01.2010, Az.: IV ZR 50/09 Rn. 13 – zitiert nach juris). Eine Klausel, deren Tragweite nur durch den Vergleich mit einer gesetzlichen Vorschrift in ihrer Tragweite erkennbar ist, die aber dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer dieser Versicherung nicht bekannt ist, ist intransparent (vgl. BGH a.a.O. Rn. 29 ff. – zitiert nach juris).

Über die Ausschlüsse in Teil B § 3 ... hinaus kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer – der nicht über spezielle Kenntnisse des IfSG verfügt – nicht erkennen, dass der Versicherungsschutz bereits durch § 1 Ziffer 2 ... eingeschränkt werden soll. Derartige Kenntnisse sind aber notwendig, um beurteilen zu können, ob Lücken im Versicherungsschutz bestehen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer kann deshalb auch bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung erkennbarer Sinnzusammenhänge nicht klar erkennen, dass bereits Teil B § 1 Ziffer 2 ... einen von §§ 6 und 7 IfSG verengten Versicherungsumfang beschreibt, welcher nur durch die zusätzliche Konsultation des IfSG in der Fassung vom 20.07.2000 deutlich wird.

Auch ist kaum zu erklären und für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer ohnehin nicht zu erkennen, warum die Liste nach der Argumentation der Beklagten abschließend, mithin „statisch“ den Versicherungsschutz festlegen soll, dann jedoch in Teil B § 3 Ziffer 1 lit. b) ... Krankheiten und Krankheitserreger ausgeschlossen werden, welche in der Liste nicht enthalten sind (Prionenerkrankungen, HIV und Legionella SP). Unverständlich ist auch der Ausschluss für die in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IfSG genannten Krankheiten, denn dabei handelt es sich um alle Krankheiten, die in Teil B § 1 Nr. 2 ... aufgezählten sind. Einerseits soll zwar Versicherungsschutz für die in § 6 IfSG namentlich genannten Krankheiten bestehen, andererseits im Rahmen des Ausschlusses jedoch eine Haftung für das Auftreten von genau diesen Krankheiten ausgeschlossen werden.

(b) Völlig unerwähnt bleibt zudem – auch in der Ausschlussklausel –, dass im IfSG in § 7 Abs. 2 IfSG ein (weiterer) Auffangtatbestand enthalten ist, welcher es den Behörden ermöglicht, auch bei neu auftretenden Erregern, ohne Rücksicht darauf, ob sie schon in die gesetzlichen Listen ausdrücklich benannter Erreger aufgenommen sind, den Betrieb zu schließen. Auch diesen, nach Auffassung der Beklagten bestehenden Ausschluss und die entsprechende Lücke im Versicherungsschutz kann der durchschnittliche Versicherungsnehmer weder Teil B § 1 Ziffer 2 noch § 3 ... entnehmen. Die wirtschaftlichen Belastungen und Nachteile, die die streitgegenständliche Klausel für den Versicherungsnehmer, mit sich bringt, sind für ihn nicht einmal im Ansatz erkennbar.

(c) Erschwerend kommt durch die Beschränkung des Versicherungsschutzes auf die Ursprungsfassung des IfSG vom 20.07.2020 hinzu, dass die Auflistung der Krankheiten und Krankheitserreger seit Einführung des Gesetzes mehrfach geändert wurde (u.a. mit Wirkung zum 04.08.2011, 29.03.2013, 25.07.2017 und 01.03.2020). Es sind jeweils weitere Krankheiten und Krankheitserreger aufgenommen worden. So wurden beispielsweise Mumps (zum 29.03.2013), Keuchhusten und Windpocken (zum 25.07.2017) als Krankheiten sowie bestimmte Formen von Streptokokken, das Denge-Virus oder das Bornavirus (zum 01.03.2020) als Krankheitserreger in das Infektionsschutzgesetz neu aufgenommen. Das alles bleibt dem Versicherungsnehmer verborgen, wenn dieser – was nicht erwartet werden kann – die Änderungshistorie des IfSG nicht kennt und er nicht die Auflistung der Klausel Wort für Wort mit der jeweils aktuell geltenden Fassung des IfSG vergleicht. Einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist nicht erkennbar, dass wenn er – wie im vorliegenden Fall der Kläger – im Jahr 2020 bei der Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung abschließt, auf einen (bereits nicht vollständigen) Versicherungsschutz auf Basis eines Gesetzes von vor 20 Jahren beschränkt werden soll, das seitdem mehrfach substanziell geändert wurde.

Damit ist die Klausel Teil B § 1 Ziffer 2 ... unwirksam und gemäß § 306 Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil geworden. Der Versicherungsumfang bestimmt sich mithin nach Teil B § 1 Ziffer 1 lit. a) ..., dessen Voraussetzungen wie ausgeführt erfüllt sind.

3. Der Anspruch des Klägers ist auch der Höhe nach begründet. Der Kläger hat nach der in der Betriebsschließungsversicherung festgesetzten Tagesentschädigung in Verbindung mit Teil B § 2 Ziffer 1 lit a) S. 1 ... einen Anspruch auf eine Entschädigung für 30 Tage in Höhe von jeweils 33.800 €, insgesamt mithin 1.014.000,00 €.

a) Nach der glaubhaften Aussage des Klägers in seiner informatorischen Anhörung war der Betrieb vom 21.03.2020 an 30 Tage wegen der Allgemeinverfügung beziehungsweise der nachfolgenden Verordnungen geschlossen. Das pauschale Bestreiten der Beklagten zu diesem Punkt war bereits unsubstantiiert. Dass Gaststätten der Betrieb durch die Allgemeinverfügung und die nachfolgenden Verordnungen verboten war, ist allgemein bekannt. Die Beklagte hätte konkrete Umstände vortragen müssen, warum sie davon ausgeht, dass dies für die Beklagte nicht galt. Entsprechendes gilt, soweit die Beklagte bestreitet, der klägerische Betrieb habe mindestens einen Ruhetag pro Woche gehabt. Dahingehend hat die Beklagte im Versicherungsschein selbst sieben Öffnungstage pro Woche bei der Festsetzung der Tagesentschädigung zugrunde gelegt und schriftsätzlich ausgeführt, die wöchentlichen Arbeitstage des versicherten Betriebs zu kennen (Bl. 113 d.A.).

b) Die so errechnete Gesamtentschädigung in Höhe von 1.014.000,00 € ist auch nicht nach Maßgabe des § 76 Abs. 1 VVG zu kürzen, weil die vereinbarte Tagesentschädigung (Taxe) den wirklichen Versicherungswert zu diesem Zeitpunkt erheblich übersteigen würde.

aa) Das Gericht folgt zwar insoweit der Auffassung der Beklagten, dass es sich bei der Betriebsschließungsversicherung um eine Schadensversicherung und nicht um eine betragsmäßig von der Ursache unabhängige Summenversicherung handelt. Denn die vereinbarte Summe für die Tagesentschädigung wurde nach dem Willen der Parteien anhand der Umsatzzahlen der vergangenen Jahre festgestellt. Zweck der Versicherung ist, sich für den Schaden durch Umsatzausfall zu versichern. Der Schaden soll durch einen pauschalierten Betrag abgesichert werden, um Streit über die Höhe der Versicherungssumme zu vermeiden (BGH, Urteil vom 04.04.2001, Az.: IV ZR 138/00; Halbach in MüKo VVG, 2. Aufl. 2016, § 76 Rn. 3; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl., § 76 VVG Rn. 2 m.w.N.). Dafür spricht auch die Klausel zur Anrechnung öffentlich-rechtlicher Entschädigungsleistungen gemäß Teil B § 8 Abs. 1 lit. a) ..., die in diesem Zusammenhang zulässig ist.

bb) Demnach könnte die Beklagte grundsätzlich gemäß § 76 VVG die vereinbarte Tagesentschädigung mindern, wenn sie den wirklichen Versicherungswert erheblich übersteigt.

Dabei gibt es jedoch keine fixe Grenze. Entscheidend sind vielmehr Art und Zweck der Versicherung und der Grund der Vereinbarung der Taxe. Des Weiteren ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Zweck des § 76 VVG zu berücksichtigen, der die Feststellung der Höhe des vom Versicherer zu leistenden Schadensersatzes erleichtern soll. Dieser Zweck würde gefährdet, wenn das Interesse der Parteien an der Verlässlichkeit der Vereinbarung einer Taxe außer Betracht bliebe. Diesem Zweck ist abwägend gegenüberzustellen, dass nach § 76 S. 2 Hs. 2 VVG die Taxe erst dann nicht mehr gelten soll, wenn eine erhebliche Bereicherung des Versicherungsnehmers eintreten würde (BGH a.a.O.; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, § 76 Rn. 12 m.w.N.).

cc) Gemessen daran kommt eine Abweichung von der Taxe hier nicht in Betracht.

(1) Aus dem Sinn und Zweck der vereinbarten Taxe folgt, dass die Umsatzzahlen in der Zeit unmittelbar vor der Anordnung der Schließung als Maßstab für eine erhebliche Abweichung von der Taxe nicht berücksichtigt werden können. Die vereinbarte Pauschale orientiert sich allein an den Tagen der Betriebsschließung. Den Parteien war bei Vertragsabschluss jedoch bewusst, dass der Schaden durch das zugrunde liegende Ereignis ausgelöst wird, nämlich das Auftreten einer Krankheit oder eines Krankheitserregers im Sinne des Infektionsschutzgesetzes. Damit sind im Regelfall bereits vor der behördlichen Anordnung der Schließung Einschränkungen im Gewerbebetrieb verbunden. Zumal im vorliegenden Fall die wöchentlichen Umsatzzahlen des klägerischen Betriebs in der am 01.03.2020 abgeschlossenen Neuversicherung aktuell waren und durch die Parteien beim Abschluss – gerade auch im Bewusstsein des neuartigen Coronavirus – der Tagesentschädigung zugrunde gelegt wurden. Dahingehend rechtfertigt sich eine Abweichung von der knapp drei Wochen zuvor vereinbarten Taxe nicht.

Außerdem leistet die Versicherung vereinbarungsgemäß Schadensersatz nur für eine Höchstdauer von 30 Tagen, egal wie lang die Einschränkungen tatsächlich dauern, sodass der Gesamtschaden tatsächlich auch sehr viel höher sein kann, als die für 30 Tage vereinbarte Taxe (zu ähnlichen Erwägungen vgl. BGH a.a.O.). Folglich kann auch die Zeit kurz vor der Schließung nicht als Vergleichsmaßstab der erheblichen Abweichung des Schadens von der vereinbarten Taxe dienen.

Würde man dahingehend der Argumentation der Beklagten folgen, wonach auf den Zeitraum unmittelbar vor der Betriebsschließung abzustellen wäre, wäre eine Taxe in den typischen Fällen einer Betriebsschließung aufgrund des Infektionsschutzgesetzes wertlos. Im Regelfall wird – auch bei innerbetrieblich aufgetretenen Infektionsquellen – der Betrieb des Versicherungsnehmers bereits vor einer vollständigen Schließung durch die zuständige Behörde Umsatzeinbußen erleiden, sei es durch das Ausbleiben von Kunden aufgrund von Gerüchten oder einer notwendigen Betriebseinschränkung aufgrund der aufgetretenen Infektionsquelle. Die Argumentation der beklagten Seite konsequent zu Ende gedacht, wäre auch in diesem Fall auf den dann – hypothetisch – zu erzielenden Umsatz unmittelbar vor der Betriebsschließung abzustellen, und sei es am letzten Tag davor. Der Sinn und Zweck der Vereinbarung einer Taxe träte hier letztlich vollständig zurück.

(2) Auch ist es der Beklagten insoweit verwehrt, sich auf Teil B § 2 Ziffer 1 lit. a) S. 3 ... zu berufen. Die Klausel normiert, dass „die Tagesentschädigung auf höchstens 110 % des Anteil[s] an Geschäftskosten und Gewinn eines Tagesumsatzes begrenzt [ist]“. Unabhängig davon, dass die Klausel bereits nach dem Wortlaut nur schwer verständlich ist, steht sie in direktem Widerspruch zur vereinbarten Tagesentschädigung, welche aufgrund der Umsatzzahlen des klägerischen Betriebs zwischen den Parteien vereinbart wurde (§ 242 BGB). Im Rahmen der vereinbarten Tagesentschädigung soll der Schaden durch einen pauschalierten Betrag abgesichert werden, um Streit über die Höhe der Versicherungssumme zu vermeiden (s.o.). Die tatsächlichen Geschäftskosten sowie der Gewinn spielen insoweit keine Rolle. Die Parteien haben auf Basis des Wochenumsatzes des klägerischen Betriebs in Höhe von 286.538,00 € noch im März 2020 eine konkrete Tagesentschädigung vereinbart. Eine nachträgliche Beschränkung, wie sie Teil B § 2 Ziffer 1 lit. a) S. 3 ... vorsieht, widerspricht dem Sinn und Zweck der Taxe.

Soweit die Beklagte vorbringt, einer Bereicherung des Versicherungsnehmers entgegenwirken zu wollen, muss sie sich vorhalten lassen, dass sie im umgekehrten Fall auch keine Leistungen über die Tagesentschädigung hinaus erbringen würde, wenn der konkrete Schaden deutlich über der Pauschale liegen würde.

c) Die Beklagte kann außerdem die vereinbarte Taxe nicht nach Teil B § 8 Ziffer 1 lit. a) ... im Hinblick auf Schadensersatzansprüche aufgrund öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts kürzen.

aa) Vorliegend ist dieser Einwand bereits deshalb nicht durchgreifend, weil die Beklagte das Bestehen solcher Ansprüche größtenteils lediglich allgemein und damit unsubstantiiert behauptet (vgl. Bl. 103 ff. d.A.). Sie ist hierfür jedoch darlegungs- und beweispflichtig. Der Kläger ist lediglich nach § 138 Abs. 2 ZPO gehalten, zu entsprechendem konkreten substantiierten Vortrag der Beklagtenseite Stellung zu nehmen.

Die Beklagte ist auch in der Lage, sich zu in Betracht kommenden Ansprüchen substantiiert zu äußern. Öffentlich-rechtliche Entschädigungsansprüche ergeben sich aus Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien. Es handelt sich um Rechtsvorschriften, die nicht durch ein Sachverständigengutachten (so wie von der Beklagten zum Beweis angeboten) erst ermittelt werden müssen. Die Beklagte wäre in der Lage gewesen, konkret vorzutragen.

bb) Vorsorglich wird darauf hingewiesen, dass das LG Hannover nach Prüfung der entsprechenden Anspruchsgrundlagen hinsichtlich der in Teil B § 8 Ziffer 1 lit. a) ... ausdrücklich genannten öffentlich-rechtlichen Entschädigungsansprüche schon zu dem Ergebnis kam, dass solche Ansprüche nicht bestehen (LG Hannover, Urteil vom 09.07.2020, Az: 8 O 2/20).

d) Auch Kurzarbeitergeld sowie die Liquiditätshilfen von Bund und Freistaat Bayern sind nicht anspruchsmindernd anzurechnen.

aa) Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gibt es im Versicherungsrecht kein allgemeines Bereicherungsverbot (BGH, Urteil vom 18.02.2004, Az.: IV ZR 94/03, Rn. 21 – zitiert nach juris; BGH, Urteil vom 04.04.2001, Az.: IV ZR 138/00, Rn. 13; BGH, Urteil vom 08.11.1995, Az.: IV ZR 365/94, Rn. 17 f.). Zum Schutz des Versicherers bedarf es keines allgemeinen Bereicherungsverbots, da dieser in der Lage ist, seine Interessen durch sachgerechte Risikoprüfung und Vereinbarung in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen zu wahren (Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, vor § 74 Rn. 25 m.w.N.).

bb) Nach § 95 Nr. 1 SGB III haben Arbeitnehmer und nicht der Arbeitgeber unter bestimmten persönlichen und betrieblichen Voraussetzungen einen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Das Kurzarbeitergeld schützt mithin die Arbeitnehmer, nicht die Unternehmer. Auch wenn die Beklagte zu Recht anführt, dass der Arbeitgeber – sofern man ihm das Betriebsrisiko gemäß § 615 S. 3 BGB für eine flächendeckende Betriebsschließungen zuweisen möchte – von einer Entgeltfortzahlung (teilweise) befreit wird (Bl. 168 d.A.), übersieht sie, dass das Kurzarbeitergeld bereits begrifflich nicht zu den Entschädigungsansprüchen zählt, auf die Teil B § 8 Ziffer 1 lit. a) ... Bezug nimmt. Es handelt sich nicht um einen Schadensersatzanspruch des Klägers. Deutlich wird dies auch an dem Verweis der Beklagten auf § 6 Ziffer 1 lit. b) .... Dieser normiert ausdrücklich, dass eine Entschädigung nicht zu einer Bereicherung führen darf und dass wirtschaftliche Vorteile angemessen zu berücksichtigen sind. Eine entsprechende Regelung fehlt im Rahmen der vorliegenden ....

cc) Für die Liquiditätshilfen des Bundes sowie des Freistaates Bayern gilt entsprechendes. Nach der maßgeblichen Richtlinie für die Unterstützung der von der Corona-Virus-Pandemie (SARS-CoV-2) geschädigten Unternehmen und Angehörigen Freier Berufe („Soforthilfe Corona“) in der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom 17. März 2020, Az. 52-3560/33/1 (BayMBl. 2020 Nr. 156) erfolgt die Finanzhilfe gerade ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel (Satz 2 der Einführung). Auch auf die Corona-Hilfsmaßnahmen des Bundes besteht kein Rechtsanspruch. Weiterhin handelt es sich ersichtlich nicht um „Schadensersatz auf Grund öffentlich-rechtlichen Entschädigungsrechts“. Es geht bei diesen Maßnahmen um eine Hilfe zur Überwindung kurzfristiger Liquiditätsengpässe, mithin um eine Konjunkturhilfe, welche nicht als Schadenskompensation unter die einschlägige Bestimmung der ... fällt.

Damit kommt es bereits aus Rechtsgründen nicht auf den Bezug beziehungsweise die tatsächliche Höhe des Kurzarbeitergeldes oder etwaiger Corona-Hilfen des Klägers an.

II.

Dem Kläger steht indes kein Zahlungsanspruch auf den geltend gemachten Zinsschaden gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 BGB zu. Auch der zulässige Feststellungsantrag ist insoweit unbegründet.

1. Die Pflichtverletzung der Beklagten ergibt sich dem Grunde nach aus der Weigerung, die vertraglich geschuldete Leistung an den Kläger zu erbringen (s.o.), was diese gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB auch zu vertreten hat.

Die Beklagte befand sich zudem spätestens seit dem 12.05.2020 gemäß § 286 Abs. 1 und 2 Nr. 3 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB (analog) in Verzug. Das Schreiben vom 11.05.2020 musste der Kläger als das letzte Wort der Beklagten hinsichtlich der fälligen und durchsetzbaren Versicherungsleistung auffassen.

Ein Verzug bereits ab dem 22.04.2020 – wie ihn der Kläger geltend macht – scheitert bereits an einer entsprechenden Mahnung. Die bloße Aufforderung zur Erklärung über die Leistungsbereitschaft (Anlage K 6) stellt insoweit keine Mahnung dar (vgl. Grüneberg in Palandt, 79. Aufl. 2020, § 286 Rn. 17). Auch war die vereinbarte Leistungszeit (§ 9 Ziffer 1 ...) noch nicht abgelaufen.

2. Dem Kläger ist aufgrund der Verzögerung grundsätzlich auch ein kausaler Schaden entstanden, soweit dieser am 28.05.2020 bei seiner Hausbank einen Kredit in Höhe von 800.000,00 € in Anspruch nehmen musste, um einen Liquiditätsengpass zu vermeiden. Die Höhe des Ersatzes richtet sich in einem solchen Fall nach der Höhe der Kreditkosten, die dem Kläger entstehen. Insoweit stünden dem Kläger die monatlichen Zinskosten in Höhe von 1.333,33 € (Zinssatz 2 %) zu.

Jedoch muss die Beklagte bereits nach § 288 Abs. 1 BGB Verzugszinsen leisten, welche anzurechnen sind (vgl. Feldmann in: Staudinger, § 288 Rn. 35 m.w.N.). Diese betragen vorliegend für den Zeitraum vom 12.05.2020 bis 30.09.2020 insgesamt 18.589,96 € und übersteigen somit die Kreditforderung erheblich.

3. Auch der zulässige Feststellungsantrag erweist sich insoweit – auf Basis des klägerischen Antrags der Feststellung der Ersatzpflicht bis Ende Januar 2021 (§ 308 Abs. 1 ZPO) – als unbegründet. Auch bis zu diesem Zeitpunkt werden die klägerischen Kreditkosten (Zinskosten bis dahin 11.997,00 €), auch unter Berücksichtigung der Kosten von Notar und Grundbuchamt in Höhe von 3.104,20 € (Bl. 80 d.A.), nicht über den durch die Beklagte zu leistenden Verzugszinsen im Sinn des § 288 Abs. 1 BGB liegen.

III.

Keinen Anspruch hat der Kläger auf Ersatz seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten (Anlage K 17 und K 18). Ein Verzug der Beklagten mit der Versicherungsleistung zum Zeitpunkt der Beauftragung ist durch den Kläger nicht vorgetragen und auch nicht ersichtlich. Eine ernsthafte und endgültige Ablehnung der Leistung – an welche strenge Anforderungen zu stellen ist – ist nicht bereits im Schreiben der Beklagten vom 08.04.2020 (Anlage K 5) zu sehen. Im Übrigen wird zum Verzugsbeginn auf die Ausführungen unter II. Ziffer 1 Bezug genommen.

IV.

Der geltend gemachte Zinsanspruch beruht auf §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 BGB i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB analog.

V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, diejenige der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 1 und S. 2 ZPO.

VI.

Die Streitwertfestsetzung findet ihre Grundlage in den § 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO.

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