EuGH: Conny – Erfüllung der Anforderungen gem. § 312j Abs. 3 BGB an Online-Bestell-Button auch dann, wenn Zahlungsverpflichtung von weiterer Bedingung abhängt
EuGH, Urteil vom 30.5.2024 – C-400/22, VT, UR gegen Conny GmbH
ECLI:EU:C:2024:436
Volltext: BB-Online BBL2024-1345-1
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Tenor
Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass im Fall von über Webseiten geschlossenen Fernabsatzverträgen die dem Unternehmer obliegende Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich mit einer Zahlungsverpflichtung einverstanden ist, auch dann Anwendung findet, wenn der Verbraucher erst nach der Erfüllung einer weiteren Bedingung verpflichtet ist, dem Unternehmer die entgeltliche Gegenleistung zu zahlen.
Aus den Gründen
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64).
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen VT und UR, den Vermietern einer Wohnung, auf der einen Seite (im Folgenden: Vermieter) und der Conny GmbH auf der anderen Seite über die an Conny abgetretenen Ansprüche eines Mieters (im Folgenden: Mieter), die als Zessionar der Ansprüche dieses Mieters von den Vermietern die Rückzahlung zu viel gezahlter Miete verlangt.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
3 In den Erwägungsgründen 4, 5, 7 und 39 der Richtlinie 2011/83 heißt es:
„(4) Gemäß Artikel 26 Absatz 2 AEUV umfasst der Binnenmarkt einen Raum ohne Binnengrenzen, in dem der freie Verkehr von Waren und Dienstleistungen sowie die Niederlassungsfreiheit gewährleistet sind. Die Harmonisierung bestimmter Aspekte von im Fernabsatz und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verbraucherverträgen ist unabdingbar, wenn ein echter Binnenmarkt für Verbraucher gefördert werden soll, in dem ein möglichst ausgewogenes Verhältnis zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bei gleichzeitiger Wahrung des Subsidiaritätsprinzips gewährleistet ist.
(5) … [D]ie vollständige Harmonisierung der Verbraucherinformation und des Widerrufsrechts in Verträgen, die im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, [dürfte] zu einem hohen Verbraucherschutzniveau und zum besseren Funktionieren des Binnenmarkts für Geschäfte zwischen Unternehmen und Verbrauchern beitragen.
…
(7) Die vollständige Harmonisierung einiger wesentlicher Aspekte der einschlägigen Regelungen sollte die Rechtssicherheit für Verbraucher wie Unternehmer erheblich erhöhen. Sowohl die Verbraucher als auch die Unternehmer sollten sich auf einen einheitlichen Rechtsrahmen stützen können, der auf eindeutig definierten Rechtskonzepten basiert und bestimmte Aspekte von Verträgen zwischen Unternehmen und Verbrauchern unionsweit regelt. Durch eine solche Harmonisierung sollte es zur Beseitigung der sich aus der Rechtszersplitterung ergebenden Hindernisse und zur Vollendung des Binnenmarkts auf diesem Gebiet kommen. Die betreffenden Hindernisse lassen sich nur durch die Einführung einheitlicher Rechtsvorschriften auf Unionsebene abbauen. Darüber hinaus sollten die Verbraucher in den Genuss eines hohen, einheitlichen Verbraucherschutzniveaus in der gesamten Union kommen.
…
(39) Es ist wichtig, dass sichergestellt wird, dass die Verbraucher bei Fernabsatzverträgen, die über Webseiten abgeschlossen werden, in der Lage sind, die Hauptbestandteile des Vertrags vor Abgabe ihrer Bestellung vollständig zu lesen und zu verstehen. Zu diesem Zweck sollte in dieser Richtlinie dafür Sorge getragen werden, dass diese Vertragsbestandteile in unmittelbarer Nähe der für die Abgabe der Bestellung erforderlichen Bestätigung angezeigt werden. Es ist außerdem wichtig, in Situationen dieser Art sicherzustellen, dass die Verbraucher den Zeitpunkt erkennen, zu dem sie gegenüber dem Unternehmer eine Zahlungsverpflichtung eingehen. Aus diesem Grunde sollte die Aufmerksamkeit der Verbraucher durch eine unmissverständliche Formulierung auf die Tatsache gelenkt werden, dass die Abgabe der Bestellung eine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer zur Folge hat.“
4 Art. 1 („Gegenstand“) der Richtlinie bestimmt:
„Zweck dieser Richtlinie ist es, durch Angleichung bestimmter Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten in Bezug auf Verträge, die zwischen Verbrauchern und Unternehmern geschlossen werden, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu erreichen und damit zum ordnungsgemäßen Funktionieren des Binnenmarkts beizutragen.“
5 In Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) der Richtlinie heißt es:
„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnen die Ausdrücke
…
7. ‚Fernabsatzvertrag‘ jeden Vertrag, der zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems geschlossen wird, wobei bis einschließlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet wird/werden;
…“
6 Art. 3 („Geltungsbereich“) der Richtlinie sieht in seinen Abs. 1 und 5 vor:
(1) Diese Richtlinie gilt unter den Bedingungen und in dem Umfang, wie sie in ihren Bestimmungen festgelegt sind, für jegliche Verträge, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher geschlossen werden. …
…
(5) Diese Richtlinie lässt das allgemeine innerstaatliche Vertragsrecht wie die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wirkungen eines Vertrags, soweit Aspekte des allgemeinen Vertragsrechts in dieser Richtlinie nicht geregelt werden, unberührt.“
7 Art. 4 („Grad der Harmonisierung“) der Richtlinie 2011/83 lautet:
„Sofern diese Richtlinie nichts anderes bestimmt, erhalten die Mitgliedstaaten weder von den Bestimmungen dieser Richtlinie abweichende innerstaatliche Rechtsvorschriften aufrecht noch führen sie solche ein; dies gilt auch für strengere oder weniger strenge Rechtsvorschriften zur Gewährleistung eines anderen Verbraucherschutzniveaus.“
8 Art. 6 („Informationspflichten bei Fernabsatz- und außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen“) dieser Richtlinie bestimmt in Abs. 1:
„Bevor der Verbraucher durch einen Vertrag im Fernabsatz oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag oder ein entsprechendes Vertragsangebot gebunden ist, informiert der Unternehmer den Verbraucher in klarer und verständlicher Weise über Folgendes:
a) die wesentlichen Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen, in dem für das Kommunikationsmittel und die Waren oder Dienstleistungen angemessenen Umfang;
…
e) den Gesamtpreis der Waren oder Dienstleistungen einschließlich aller Steuern und Abgaben, oder in den Fällen, in denen der Preis aufgrund der Beschaffenheit der Ware oder Dienstleistung vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung …
…
o) gegebenenfalls die Laufzeit des Vertrags oder die Bedingungen der Kündigung unbefristeter Verträge oder sich automatisch verlängernder Verträge;
p) gegebenenfalls die Mindestdauer der Verpflichtungen, die der Verbraucher mit dem Vertrag eingeht;
…“
9 In Art. 8 („Formale Anforderungen bei Fernabsatzverträgen“) Abs. 2 dieser Richtlinie heißt es:
„Wenn ein auf elektronischem Wege geschlossener Fernabsatzvertrag den Verbraucher zur Zahlung verpflichtet, weist der Unternehmer den Verbraucher klar und in hervorgehobener Weise, und unmittelbar bevor dieser seine Bestellung tätigt, auf die in Artikel 6 Absatz 1 Buchstaben a, e, o und p genannten Informationen hin.
Der Unternehmer sorgt dafür, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung verbunden ist. Wenn der Bestellvorgang die Aktivierung einer Schaltfläche oder eine ähnliche Funktion umfasst, ist diese Schaltfläche oder entsprechende Funktion gut lesbar ausschließlich mit den Worten ‚zahlungspflichtig bestellen‘ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung zu kennzeichnen, die den Verbraucher darauf hinweist, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer verbunden ist. Wenn der Unternehmer diesen Unterabsatz nicht einhält, ist der Verbraucher durch den Vertrag oder die Bestellung nicht gebunden.“
Deutsches Recht
10 § 312j des Bürgerlichen Gesetzbuchs in seiner auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: BGB) sieht in den Abs. 3 und 4 vor:
Der Unternehmer hat die Bestellsituation bei einem [Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat,] so zu gestalten, dass der Verbraucher mit seiner Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er sich zu einer Zahlung verpflichtet. Erfolgt die Bestellung über eine Schaltfläche, ist die Pflicht des Unternehmers aus Satz 1 nur erfüllt, wenn diese Schaltfläche gut lesbar mit nichts anderem als den Wörtern ‚zahlungspflichtig bestellen‘ oder mit einer entsprechenden eindeutigen Formulierung beschriftet ist.
Ein [Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr, der eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand hat,] kommt nur zustande, wenn der Unternehmer seine Pflicht aus Absatz 3 erfüllt.“
Ausgangsverfahren und Vorlagefrage
11 Die Vermieter und der Mieter schlossen einen Mietvertrag über eine Wohnung, die nach dem nationalen Recht einer Mietpreisbegrenzung unterliegt, so dass dem Mieter bei Überschreiten dieser Mietpreisgrenze Ansprüche auf Rückzahlung der zu viel gezahlten Mieten zustehen.
12 Conny, eine GmbH deutschen Rechts, die über eine Registrierung für Inkassodienstleistungen verfügt, bietet Mietern von Wohnungen über ihre Webseite an, einen Geschäftsbesorgungsvertrag zu schließen, der es ihr erlaubt, als Zessionarin sämtliche Ansprüche dieser Mieter gegenüber deren Vermietern bei Überschreiten der maximalen Miethöhe geltend zu machen.
13 Zum Abschluss eines solchen Vertrags auf der Webseite dieser Gesellschaft müssen die Mieter die Allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptieren, in denen auf die Entgeltlichkeit des Vertrags hingewiesen wird, und dann auf eine Schaltfläche klicken, um zu bestellen. Die Mieter mussten als Gegenleistung eine Vergütung in Höhe von einem Drittel der ersparten Jahresmiete zahlen, falls die Bemühungen von Conny zur Geltendmachung ihrer Rechte erfolgreich waren, sowie, sobald dem Vermieter eine Mahnung geschickt wurde, eine Vergütung in der Höhe, wie sie einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zustehen würde.
14 Im vorliegenden Fall schloss der Mieter, da die monatliche Miete über der von den nationalen Rechtsvorschriften erlaubten Höchstgrenze lag, mit Conny einen solchen Geschäftsbesorgungsvertrag zur Durchsetzung seiner Ansprüche gegen die Vermieter. Dafür registrierte sich der Mieter auf der Webseite von Conny, setzte ein Häkchen zur Zustimmung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und bestätigte seine Bestellung mit einem Klick auf die entsprechende Schaltfläche. Im Nachgang dazu unterzeichnete der Mieter ein von Conny überlassenes und mit „Bestätigung, Vollmachtserteilung und Abtretung, Genehmigung“ überschriebenes Formular, das keine Information über irgendeine Zahlungspflicht des Mieters enthielt.
15 Mit Schreiben vom 21. Januar 2020 machte Conny bei den Vermietern die sich aus den nationalen Rechtsvorschriften über die Miethöhe ergebenden Ansprüche des Mieters geltend und trug zu diesem Zweck vor, dass die in dem zwischen dem Mieter und den Vermietern geschlossenen Vertrag vereinbarte Miethöhe über der von diesen Vorschriften festgelegten Grenze liege.
16 Da dieses Schreiben erfolglos blieb, erhob Conny beim Amtsgericht Berlin-Mitte (Deutschland) Klage gegen die Vermieter aus den abgetretenen Ansprüchen.
17 Das Amtsgericht Berlin Mitte gab der Klage u. a. mit der Begründung statt, dass die verlangte Miete die Miete, die die Vermieter fordern dürften, in dem von Conny geltend gemachten Umfang überschreite.
18 Die Vermieter legten gegen dieses Urteil beim Landgericht Berlin (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, Berufung ein. Sie machten u. a. geltend, dass Conny die Ansprüche des Mieters nicht geltend machen könne, da die Anforderungen, die in § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB, mit dem Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83 in nationales Recht umgesetzt werde, vorgesehen seien, nicht eingehalten worden seien, und der Geschäftsbesorgungsvertrag, der der Abtretung zugrunde liege, daher nichtig sei.
19 Das vorlegende Gericht stellt zunächst fest, dass der Erfolg der Berufung ausschließlich von der Auslegung von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 abhänge. In diesem Zusammenhang fragt es sich u. a., ob das in Art. 8 Abs. 2 in Verbindung mit § 312j Abs. 3 und 4 BGB vorgesehene Erfordernis, dass der Bestell-Button einen ausdrücklichen Hinweis auf die mit der Bestellung verbundene Zahlungspflicht oder eine ähnliche Formulierung enthalten müsse, auch in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden gelte.
20 Im vorliegenden Fall entstehe die Zahlungspflicht für den Mieter nicht schon aus der von ihm auf der Webseite von Conny aufgegebenen Bestellung, sondern erfordere die Erfüllung weiterer Voraussetzungen, wie die erfolgreiche Durchsetzung der Ansprüche des Mieters oder das Absenden einer Mahnung des Vermieters.
21 Daher stelle sich die Frage, ob Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen sei, dass ein auf elektronischem Wege geschlossener Fernabsatzvertrag auch dann eine „Zahlungsverpflichtung“ im Sinne dieser Bestimmung beinhalte, wenn eine entgeltliche Gegenleistung nur unter bestimmten weiteren Bedingungen geschuldet werde, z. B. nur bei etwaigem Erfolg oder einer späteren Mahnung eines Dritten.
22 Die nationale Regelung zur Umsetzung von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 werde in der nationalen Rechtsprechung nicht einheitlich ausgelegt.
23 Zum einen habe der Bundesgerichtshof (Deutschland) entschieden, dass der in § 312j Abs. 3 und 4 BGB verfolgte Schutzzweck „ausnahmsweise nicht betroffen“ sei, da der Verbraucher die Rückzahlung einer eventuell bestehenden Forderung verlange und dem Unternehmer eine Vergütung nur unter bestimmten Bedingungen geschuldet werde, und zwar nur im Erfolgsfall.
24 Zum anderen würden die nationale Instanzrechtsprechung sowie das Schrifttum Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 und § 312j Abs. 3 und 4 BGB einen erheblich weiteren Anwendungsbereich beimessen. Sie seien nämlich der Auffassung, dass von diesen Bestimmungen auch die Rechtsgeschäfte erfasst würden, in denen die Entgeltlichkeit nur mittelbar aus dem Vertragsschluss folge oder an den Eintritt weiterer Bedingungen oder Handlungen des Verbrauchers geknüpft sei.
25 Zu letzterem Verständnis neigt das vorlegende Gericht. Dafür spreche erstens der Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83, aus dem hervorgehe, dass die Verpflichtung zur Verwendung einer Schaltfläche bestehe, wenn die Bestellung für den Verbraucher mit einer Zahlungsverpflichtung „verbunden“ sei. „Verbunden“ sei eine Zahlungsverpflichtung mit dem Abschluss eines elektronisch angebahnten Vertrags aber auch schon dann, wenn ihr Eintritt nicht zwingend, sondern lediglich möglich und nicht gänzlich ausgeschlossen sei.
26 Zweitens sprächen Sinn und Zweck von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 für eine weite Auslegung dahin gehend, dass auch solche Verträge von ihm erfasst seien, in denen ein Entgelt vom Verbraucher nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen, hier ausschließlich im Fall der erfolgreichen Durchsetzung der Ansprüche des Mieters oder im Fall des Ausspruchs einer Mahnung, geschuldet werde. Die Richtlinie verfolge nämlich ausweislich ihres Art. 1 und ihrer Erwägungsgründe 4, 5 und 7 den Zweck, dadurch ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen, dass die Information und die Sicherheit der Verbraucher bei Geschäften mit Unternehmern garantiert werde.
27 Mit einem solchen Ziel wäre es aber nicht vereinbar, den Schutz der Richtlinie 2011/83 nur solchen Verbrauchern zugutekommen zu lassen, deren spätere Zahlungspflicht beim Vertragsschluss schon feststehe, ihn jedoch denjenigen Verbrauchern vorzuenthalten, deren Zahlungspflicht bei Vertragsschluss noch nicht endgültig sei, sondern vom späteren Eintritt weiterer Bedingungen abhänge, auf die die Verbraucher überhaupt keinen Einfluss hätten.
28 Eine nicht mit der in den Rn. 24 bis 27 des vorliegenden Urteils in Einklang stehende Auslegung würde zu einer nicht unerheblichen Absenkung des vom Unionsgesetzgeber beabsichtigten Verbraucherschutzniveaus, wenn nicht sogar zu einem teilweisen oder vollständigen Leerlaufen der Richtlinie unter Umständen wie den vor dem vorlegenden Gericht in Rede stehenden führen. Es wäre nämlich nicht auszuschließen, dass Unternehmer zukünftig Klauseln in ihre Vertragsbedingungen aufnehmen würden, die die Zahlungspflicht des Verbrauchers vom Eintritt weiterer Bedingungen abhängig machten, um sich der in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83 festgelegten Unternehmerpflichten zu entledigen.
29 Drittens ist das vorlegende Gericht der Auffassung, dass, wenn der Unionsgesetzgeber die Informationspflicht nur auf den Fall einer unbedingten Zahlungspflicht hätte beschränken wollen, er dies ausdrücklich getan hätte, indem er in den Erwägungsgründen oder den Bestimmungen der Richtlinie 2011/83 selbst erklärt hätte, dass sich das von dieser Richtlinie gewährleistete Schutzniveau des Verbrauchers nicht auf Verträge erstrecke, in denen die Zahlungspflicht des Verbrauchers zum Zeitpunkt ihres Abschlusses noch nicht feststehe. Dies gehe aus der Richtlinie jedoch in keiner Weise hervor.
30 Unter diesen Umständen hat das Landgericht Berlin das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht es mit Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 in Einklang, wenn eine nationale Vorschrift (hier: § 312j Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 BGB in seiner vom 13. Juni 2014 bis 27. Mai 2022 geltenden Fassung) dahin ausgelegt wird, dass deren Anwendungsbereich ebenso wie der des Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 auch dann eröffnet ist, wenn der Verbraucher dem Unternehmer zum Zeitpunkt des auf elektronischem Wege herbeigeführten Vertragsschlusses nicht unbedingt, sondern nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen – etwa ausschließlich im späteren Erfolgsfall einer beauftragten Rechtsverfolgung oder im Fall der späteren Versendung einer Mahnung an einen Dritten – zur Zahlung verpflichtet ist?
Zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens
31 Conny zieht die Erheblichkeit der vom vorlegenden Gericht gestellten Frage in Zweifel und wendet sich u. a. dagegen, dass sich ein Dritter wie die Vermieter im Ausgangsverfahren auf einen etwaigen Mangel im Rechtsverhältnis zwischen einem Verbraucher (Zedenten) und einem Unternehmer (Zessionar) berufen kann. Dies würde nämlich dazu führen, dass ein Dritter einen Vertrag zu Fall bringen könne, den der Mieter mit einem Unternehmer gerade deshalb geschlossen habe, um seine Verbraucherrechte wahrzunehmen.
32 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des mit dem Rechtsstreit befassten nationalen Gerichts, in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende gerichtliche Entscheidung fällt, ist, im Hinblick auf die Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung zum Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn sie die Auslegung oder die Gültigkeit einer Rechtsvorschrift der Union betreffen (Urteil vom 12. Oktober 2023, KBC Verzekeringen, C‑286/22, EU:C:2023:767, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung).
33 Folglich spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit der Fragen zum Unionsrecht. Der Gerichtshof kann es nur dann ablehnen, über eine Vorlagefrage eines nationalen Gerichts zu befinden, wenn die erbetene Auslegung oder Beurteilung der Gültigkeit einer unionsrechtlichen Regelung offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn das Problem hypothetischer Natur ist oder wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind (Urteil vom 12. Oktober 2023, KBC Verzekeringen, C‑286/22, EU:C:2023:767, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34 Im vorliegenden Fall betreffen die Fragen des vorlegenden Gerichts u. a. die unionsrechtskonforme Auslegung von § 312j Abs. 3 und 4 BGB, mit dem Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 dadurch in nationales Recht umgesetzt wird, dass im Wesentlichen vorgesehen ist, dass ein auf elektronischem Wege geschlossener Verbrauchervertrag über eine vom Unternehmer erbrachte entgeltliche Leistung nur dann als geschlossen angesehen werden kann, wenn der Unternehmer die Informationspflicht beachtet, die darauf abzielt, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass er eine Zahlungsverpflichtung eingeht. In Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 heißt es aber nur, dass der Verbraucher durch den Vertrag oder die Bestellung nicht gebunden ist, wenn der Unternehmer die in dieser Bestimmung vorgesehene Verpflichtung nicht einhält.
35 Aus der Antwort, die das vorlegende Gericht auf ein vom Gerichtshof gestelltes Informationsersuchen gegeben hat, geht allerdings hervor, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Rechtsvorschriften einem Dritten erlauben, die Gültigkeit eines zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmer geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrags anzufechten, wenn der Unternehmer auf der Grundlage dieses Vertrags im Namen des Verbrauchers eine Klage gegen diesen Dritten erhoben hat. Diese Möglichkeit bestehe selbst dann, wenn die zur Stützung dieser Klage geltend gemachte Rechtsvorschrift ausschließlich darauf abziele, den Verbraucher zu schützen, da es dem Verbraucher nach der Feststellung des Verstoßes gegen diese Vorschrift unbenommen bleibe, den Vertrag zu bestätigen oder einen neuen Vertrag mit dem Unternehmer zu schließen.
36 In Anbetracht dieser Antwort kann nicht davon ausgegangen werden, dass aus den Akten offensichtlich hervorgeht, dass die erbetene Auslegung von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht oder hypothetischer Natur ist.
37 Da der Gerichtshof außerdem über sämtliche tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte verfügt, die erforderlich sind, um auf die ihm gestellte Frage eine sachdienliche Antwort zu geben, ist festzustellen, dass das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen zulässig ist.
Zur Vorlagefrage
38 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass im Fall von über Webseiten geschlossenen Fernabsatzverträgen die dem Unternehmer obliegende Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich mit einer Zahlungsverpflichtung einverstanden ist, auch dann Anwendung findet, wenn der Verbraucher erst nach der Erfüllung einer weiteren Bedingung verpflichtet ist, dem Unternehmer die entgeltliche Gegenleistung zu zahlen.
39 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2011/83 einen Fernabsatzvertrag als „jeden Vertrag [definiert], der zwischen dem Unternehmer und dem Verbraucher ohne gleichzeitige körperliche Anwesenheit des Unternehmers und des Verbrauchers im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- bzw. Dienstleistungssystems geschlossen wird, wobei bis einschließlich zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ausschließlich ein oder mehrere Fernkommunikationsmittel verwendet wird/werden“. Daraus folgt, dass ein mit einem Unternehmer auf dessen Webseite geschlossener Geschäftsbesorgungsvertrag wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehende, mit dem Ansprüche eines Mieters gegen den Vermieter geltend gemacht werden sollen, unter den Begriff „Fernabsatzvertrag“ und damit in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fällt, wie er in deren Art. 3 Abs. 1 definiert wird.
40 Da die Richtlinie 2011/83 gemäß ihrem Art. 4 hinsichtlich der in ihr enthaltenen Bestimmungen eine grundsätzlich vollständige Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten vornimmt, bestimmt der Umfang der in Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 dieser Richtlinie vorgesehenen Informationspflicht in den Grenzen des Grundsatzes der unionsrechtskonformen Auslegung den Umfang des Rechts der Verbraucher, das in den nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Bestimmung in die Rechtsordnung der Mitgliedstaaten vorgesehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Oktober 2023, Sofatutor, C‑565/22, EU:C:2023:735, Rn. 38).
41 Bei der Auslegung einer Bestimmung des Unionsrechts sind nicht nur deren Wortlaut, sondern auch ihr Kontext und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 12. Oktober 2023, KBC Verzekeringen, C‑286/22, EU:C:2023:767, Rn. 32).
42 Was erstens den Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83 betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass diese Vorschrift in ihrem ersten Unterabsatz bestimmt, dass, wenn ein auf elektronischem Wege geschlossener Fernabsatzvertrag den Verbraucher zur Zahlung verpflichtet, der Unternehmer den Verbraucher klar und in hervorgehobener Weise, und unmittelbar bevor dieser seine Bestellung tätigt, auf mehrere in Art. 6 Abs. 1 genannte Informationen hinweisen muss, die im Kern die wesentlichen Merkmale der Waren oder Dienstleistungen, den Gesamtpreis, die Vertragslaufzeit sowie gegebenenfalls die Mindestdauer der Verpflichtungen des Verbrauchers betreffen.
43 Nach Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 muss der Unternehmer dafür sorgen, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung verbunden ist. Gemäß dieser Bestimmung muss, wenn der Bestellvorgang die Aktivierung einer Schaltfläche oder einer ähnlichen Funktion umfasst, diese Schaltfläche oder entsprechende Funktion gut lesbar ausschließlich mit den Worten „zahlungspflichtig bestellen“ oder einer entsprechenden eindeutigen Formulierung gekennzeichnet sein, die den Verbraucher darauf hinweist, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer verbunden ist. Andernfalls ist der Verbraucher durch den Vertrag oder die Bestellung nicht gebunden.
44 Daraus folgt, dass der Unternehmer, wenn ein Fernabsatzvertrag auf elektronischem Wege durch einen Bestellvorgang geschlossen wird und mit einer Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers verbunden ist, diesem zum einen unmittelbar vor der Bestellung die wesentlichen Informationen zum Vertrag zur Verfügung stellen und ihn zum anderen ausdrücklich darüber informieren muss, dass er durch die Bestellung eine Zahlungsverpflichtung eingeht (Urteil vom 7. April 2022, Fuhrmann-2, C‑249/21, EU:C:2022:269, Rn. 25).
45 Was letztere Verpflichtung betrifft, ergibt sich aus dem klaren Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 2 der Richtlinie 2011/83, dass die Schaltfläche für die Bestellung oder die ähnliche Funktion mit einer gut lesbaren und eindeutigen Angabe zu kennzeichnen ist, die den Verbraucher darauf hinweist, dass die Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer verbunden ist, und dass allein die Worte auf dieser Schaltfläche oder dieser ähnlichen Funktion bei der Prüfung zu berücksichtigen sind, ob der Unternehmer seiner Verpflichtung nachgekommen ist, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich bestätigt, dass diese mit einer Zahlungsverpflichtung verbunden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. April 2022, Fuhrmann-2, C‑249/21, EU:C:2022:269, Rn. 26 bis 28).
46 Der Wortlaut von Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83, der den Unternehmer verpflichtet, wenn er auf elektronischem Wege einen Fernabsatzvertrag mittels eines Bestellvorgangs schließt, der mit einer Zahlungspflicht für den Verbraucher verbunden ist, diesen ausdrücklich auf diese Pflicht hinzuweisen, bevor der Verbraucher seine Bestellung aufgibt, sieht keine Unterscheidung zwischen bedingten und unbedingten Zahlungsverpflichtungen vor.
47 Aus dem Wortlaut geht vielmehr hervor, dass die in dieser Bestimmung enthaltene Informationspflicht dann gilt, wenn die aufgegebene Bestellung mit einer Zahlungsverpflichtung „verbunden ist“. Daraus kann abgeleitet werden, dass die Pflicht des Unternehmers, den Verbraucher zu informieren, zu dem Zeitpunkt entsteht, zu dem dieser unwiderruflich sein Einverständnis damit erklärt, im Fall des Eintritts einer von seinem Willen unabhängigen Bedingung, an eine Zahlungsverpflichtung gebunden zu sein, auch wenn diese Bedingung noch nicht eingetreten ist.
48 In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof im Übrigen klargestellt, dass der Abschluss eines Bestellvorgangs, der eine Zahlungsverpflichtung des Verbrauchers zur Folge hat, ein wesentlicher Schritt ist, da er impliziert, dass der Verbraucher damit einverstanden ist, nicht nur an den Fernabsatzvertrag, sondern auch an die Zahlungsverpflichtung gebunden zu sein (Urteil vom 7. April 2022, Fuhrmann-2, C‑249/21, EU:C:2022:269, Rn. 30). Es ist nämlich gerade die Aktivierung einer Schaltfläche oder einer ähnlichen Funktion zum Abschluss der Bestellung, die eine Erklärung des Verbrauchers dahin beinhaltet, dass er unwiderruflich damit einverstanden ist, an eine Zahlungsverpflichtung gebunden zu sein.
49 Zweitens ist in Bezug auf den Kontext und die Ziele, in die sich Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2011/83 einfügt, festzustellen, dass diese Bestimmung Teil eines Mechanismus ist, der auf einem Bündel von Bestimmungen beruht, die, wie aus Art. 1 dieser Richtlinie im Licht ihrer Erwägungsgründe 4, 5 und 7 hervorgeht, darauf abzielen, dadurch ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen, dass die Information und die Sicherheit der Verbraucher bei Geschäften mit Unternehmern garantiert wird, wobei ein ausgewogenes Verhältnis zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen ebenfalls zu gewährleisten ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. April 2022, Fuhrmann-2, C‑249/21, EU:C:2022:269, Rn. 21, und vom 5. Mai 2022, Victorinox, C‑179/21, EU:C:2022:353, Rn. 39 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
50 Insbesondere wird im 39. Erwägungsgrund der Richtlinie 2011/83 hervorgehoben, dass es dabei wichtig ist, sicherzustellen, dass die Verbraucher bei Fernabsatzverträgen, die über Webseiten abgeschlossen werden, den Zeitpunkt erkennen, zu dem sie gegenüber dem Unternehmer eine Zahlungsverpflichtung eingehen, und ihre Aufmerksamkeit durch eine unmissverständliche Formulierung auf die Tatsache zu lenken, dass die Abgabe der Bestellung eine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer zur Folge hat.
51 Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen, dass diese Bestimmung keine Anwendung findet, wenn der Verbraucher nicht unbedingt verpflichtet ist, den Unternehmer zu bezahlen, sondern erst nach dem Eintritt einer weiteren Bedingung verpflichtet ist, dem Unternehmer die entgeltliche Gegenleistung zu zahlen, liefe, wie der Generalanwalt in Nr. 45 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat, den mit dieser Richtlinie verfolgten und in den Rn. 49 und 50 des vorliegenden Urteils dargestellten Zielen zuwider, ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherzustellen sowie insbesondere die Aufmerksamkeit der Verbraucher auf die Tatsache zu lenken, dass die Abgabe der Bestellung eine Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Unternehmer zur Folge hat.
52 Eine solche Auslegung würde nämlich darauf hinauslaufen, dass der Unternehmer nicht verpflichtet wäre, seine in dieser Vorschrift genannte, der Aufklärung des Verbrauchers über die finanziellen Folgen seiner Bestellung dienende Informationspflicht zu dem Zeitpunkt zu erfüllen, zu dem der Verbraucher noch auf seine Bestellung verzichten kann, sondern dies erst später tun müsste, wenn die Zahlung fällig wird.
53 Folglich würde, wie das vorlegende Gericht im Wesentlichen ausgeführt hat, eine solche Auslegung Unternehmern die Möglichkeit bieten, sich ihrer in Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 aufgestellten Informationspflicht zu dem Zeitpunkt zu entledigen, zu dem sie sich für den Verbraucher gerade als nützlich erweist, indem sie einfach in ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen Klauseln aufnehmen, die die Zahlungspflicht des Verbrauchers vom Eintritt objektiver Bedingungen abhängig machen, die nicht von einer Willenserklärung des Verbrauchers abhängen.
54 Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 in einem solchen Fall lediglich vorsieht, dass der Verbraucher an den entsprechenden Vertrag nicht gebunden ist. Gemäß ihrem Art. 3 Abs. 5 lässt die Richtlinie 2011/83 das allgemeine innerstaatliche Vertragsrecht wie die Bestimmungen über die Wirksamkeit, das Zustandekommen oder die Wirkungen eines Vertrags, soweit Aspekte des allgemeinen Vertragsrechts in dieser Richtlinie nicht geregelt werden, unberührt.
55 Infolgedessen lässt die in den Rn. 49 bis 53 des vorliegenden Urteils vertretene Auslegung die Möglichkeit unberührt, dass der Verbraucher nach dem Erhalt einer weiteren Information über die Zahlungsverpflichtung entscheiden kann, die Wirkungen eines Vertrags oder einer Bestellung aufrechtzuerhalten, an den bzw. die er bis dahin nicht gebunden war, weil der Unternehmer bei seinem bzw. ihrem Abschluss seine in Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 vorgesehene Verpflichtung nicht erfüllt hat.
56 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 2 der Richtlinie 2011/83 dahin auszulegen ist, dass im Fall von über Webseiten geschlossenen Fernabsatzverträgen die dem Unternehmer obliegende Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Verbraucher bei der Bestellung ausdrücklich mit einer Zahlungsverpflichtung einverstanden ist, auch dann Anwendung findet, wenn der Verbraucher erst nach der Erfüllung einer weiteren Bedingung verpflichtet ist, dem Unternehmer die entgeltliche Gegenleistung zu zahlen.
Kosten
57 Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.