BGH: COVID-19-Pandemie – Zur Frage der Unmöglichkeit der von einem Beherbergungsbetrieb geschuldeten Leistung aufgrund eines im Vertragszeitraum geltenden Beherbergungsverbots
BGH, Urteil vom 24.1.2024 – XII ZR 123/22
ECLI:DE:BGH:2024:240124UXIIZR123.22.0
Volltext: BB-Online BBL2024-898-1
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Amtliche Leitsätze
a) Zur Frage der Unmöglichkeit der von einem Beherbergungsbetrieb geschuldeten Leistung aufgrund eines im Vertragszeitraum geltenden Beherbergungsverbots zu touristischen Zwecken als Schutzmaßnahme zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie.
b) Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt. Daher scheidet eine Anwendung des § 313 BGB aus, soweit der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB erfüllt ist (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 233, 266 = NZM 2022, 514 [BB 2022, 1614]).
§ 275 Abs 1 BGB, § 313 Abs 1 BGB, § 326 Abs 1 BGB, § 326 Abs 4 BGB, § 346 Abs 1 BGB, § 535 Abs 1 S 1 BGB
Sachverhalt
Der Kläger begehrt die Rückzahlung einer geleisteten Anzahlung für von ihm bei der Beklagten gebuchte Hotelzimmer.
Der Kläger, der mit seinem Reisebusunternehmen unter anderem touristische Gruppenreisen veranstaltet, buchte für seine Saisoneröffnungsfahrten vom 19. bis zum 22. März 2020 und vom 26. bis zum 29. März 2020 in einem Hotel der Beklagten Übernachtungen einschließlich Frühstücksbuffet, Mittagessen, Kaffeetafel und Abendessen mit kalten und warmen Speisen. Die vom Kläger unterzeichnete Reservierungsbestätigung der Beklagten vom 25. Oktober 2019 enthielt unter anderem folgende Stornierungsbedingungen: „(…), ab 1 Woche berechnen wir 80 % auf die gebuchten Leistungen. (…) Stornierungen am Anreisetag oder Nichtanreisen werden mit 90 % berechnet.“
Unter Berücksichtigung des tatsächlichen Buchungsumfangs stellte die Beklagte dem Kläger unter dem 26. Februar 2020 eine Depositrechnung in Höhe von insgesamt 10.356 €, auf die der Kläger am 4. und 5. März 2020 vereinbarungsgemäß 8.426,40 € als Vorauszahlung überwies.
Aufgrund der beginnenden COVID-19-Pandemie verständigten sich die Regierungschefs der Bundesländer und die Bundesregierung am 16. März 2020 auf gemeinsame Leitlinien zum einheitlichen Vorgehen zur weiteren Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich. Mit Schreiben vom 17. März 2020 wies das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 des Niedersächsischen Gesetzes über den öffentlichen Gesundheitsdienst (NGöGD) vom 24. März 2006 (Nds. GVBl. 2006, 178) auf der Grundlage von § 28 Abs. 1 IfSG die Niedersächsischen Landkreise, Kreisfreien Städte und die Region Hannover im Wege der Fachaufsicht an, mit sofortiger Wirkung eine bis zum 18. April 2020 geltende Allgemeinverfügung des Inhalts zu verkünden, dass es Betreibern von Hotels „ab sofort“ untersagt ist, „Personen zu touristischen Zwecken zu beherbergen“. Der Landkreis G., in dem sich das Hotel der Beklagten befindet, erließ am 18. März 2020 eine entsprechende Allgemeinverfügung, die für sofort vollziehbar erklärt wurde.
Nach einem am 17. März 2020 mit einer Hotelmitarbeiterin geführten Telefongespräch teilte die Beklagte dem Kläger mit E-Mail vom 18. März 2020 unter dem Betreff „Storno“ mit: „Die Gruppenreise für (…) haben wir erstmals bei uns Storniert. Die Anzahlung haben wir auf ein „Gutschein“ Konto umgebucht & halten dieses bis zum Umbuchungstermin offen. Wir würden uns sehr über einen Alternativtermin freuen.“
Auf E-Mail-Aufforderungen des Klägers zur Rückzahlung seiner Vorauszahlung teilte die Beklagte diesem mit E-Mails vom 22. Mai 2020 bzw. 30. Juli 2020 mit, dass man den Vorgang an die Buchhaltung zur Rückzahlung weitergeleitet habe.
Im vorliegenden Verfahren hatte der Kläger zunächst beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 8.426,40 € nebst Zinsen, Mahn- und vorgerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten zu verurteilen. Nachdem die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren die Klageforderung in Höhe eines Teilbetrages von 1.343,20 € anerkannt und das Landgericht ein entsprechendes Teilanerkenntnisurteil erlassen hatte, hat der Kläger zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 7.083,20 € nebst Zinsen sowie vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und Mahnkosten zu zahlen. Das Landgericht hat der Klage - bis auf in den Rechtsmittelverfahren nicht mehr streitgegenständliche Mahnkosten - stattgegeben.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision möchte die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage erreichen.
Aus den Gründen
9 Die Revision hat keinen Erfolg.
I.
10 Das Oberlandesgericht hat seine in MDR 2022, 1534 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:
11 Der Kläger könne von der Beklagten die Rückzahlung des vorgeleisteten Betrages in Höhe von - nach dem Teilanerkenntnisurteil noch - 7.083,20 € gemäß den §§ 346 Abs. 1, 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 und 4 BGB verlangen. Denn der Beklagten sei die Erfüllung ihrer vertraglichen Leistungspflicht der Beherbergung von Touristen aufgrund der coronabedingten Untersagung der Beherbergung von Personen zu touristischen Zwecken unmöglich geworden. Die vertragsgegenständliche Bereitstellung der Hotelzimmer für touristische Übernachtungen sei durch die behördliche Anordnung untersagt worden, womit der vereinbarte Leistungserfolg nicht mehr habe herbeigeführt werden können und rechtliche Unmöglichkeit gegeben sei. Es liege auch keine nur vorübergehende Unmöglichkeit vor, die von § 275 Abs. 1 BGB nicht erfasst würde. Zwar habe die Beklagte nach der behördlichen Aufhebung der Untersagungsanordnungen wieder Hotelzimmer für touristische Zwecke bereitstellen können, dies aber nicht für die von dem Kläger konkret gebuchten Zeiträume. Das zeitweilige Erfüllungshindernis sei insoweit einem dauernden gleichzustellen, denn dem Kläger habe nicht mehr zugemutet werden können, die Leistung nach dem Zeitablauf noch zu fordern.
12 Der Kläger habe das Vertragsverhältnis auch nicht vor Eintritt der Unmöglichkeit storniert, so dass der Beklagten die in der Reservierungsbestätigung vom 25. Oktober 2019 festgehaltenen Stornierungsgebühren nicht zustünden. Insoweit fehle es bereits an einem hinreichend substantiierten Vorbringen der Beklagten. Diese behaupte zwar, der Kläger habe die gebuchten Hotelzimmer in dem Telefonat am 17. März 2020 storniert. Dieses Vorbringen sei anhand der auch von der Beklagten eingereichten Unterlagen jedoch nicht plausibel. Denn in der E-Mail der Beklagten vom 18. März 2020 sei nicht davon die Rede, dass der Kläger die Reise storniert habe. Im Zusammenhang mit den weiteren Ausführungen werde deutlich, dass die Beklagte selbst nicht davon ausgegangen sei, der Kläger schulde aufgrund einer von ihm ausgesprochenen Stornierung die Stornierungskosten. Dies werde noch dadurch verstärkt, dass die Beklagte auch auf die Nachfrage des Klägers nach der vollständigen Auskehr seiner Anzahlung diesem mit zwei weiteren E-Mails jeweils mitgeteilt habe, dass man den Vorgang an die Buchhaltung der Beklagten zur Rückzahlung weitergeleitet habe.
13 Selbst wenn man zugunsten der Beklagten unterstelle, der Kläger habe am 17. März 2020 die Stornierung veranlasst, sei zu diesem Zeitpunkt bereits das Unmöglichkeits-Stadium eingetreten gewesen. Denn nach der Verständigung der Regierungschefs der Bundesländer und der Bundesregierung vom 16. März 2020, des Runderlasses des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 16. März 2020 und der fachaufsichtlichen Weisung des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 17. März 2020 sei das Beherbergungsverbot für Touristen schon hoheitlich beschlossen gewesen. Für das Hotel der Beklagten habe es lediglich noch der Umsetzung durch den Landkreis bedurft, die dann durch die absehbare Allgemeinverfügung vom 18. März 2020 auch erfolgt sei.
14 Es sei auch nicht feststellbar, dass die Parteien in dem Telefonat vom 17. März 2020 im Rahmen der ihnen zustehenden Privatautonomie eine von den allgemeinen Rechtsfolgen der Unmöglichkeit abweichende Vereinbarung getroffen hätten. Entgegen der Ansicht der Beklagten scheide schließlich eine analoge Anwendung des § 313 BGB aus. Insoweit fehle es bereits an der für die Analogie erforderlichen Regelungslücke. Der Gesetzgeber habe für die vorliegende rechtliche Unmöglichkeit mit den §§ 275, 326 BGB ein abgeschlossenes System von Rechtsnormen geschaffen, die von dem Rechtsinstitut der Störung der Geschäftsgrundlage streng zu unterscheiden seien.
II.
15 Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Kläger gemäß §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4, 346 Abs. 1 BGB von der Beklagten die Rückzahlung der geleisteten Anzahlung - über den bereits von ihr anerkannten Betrag hinaus - verlangen kann.
16 1. Nach § 326 Abs. 1 Satz 1 BGB entfällt der Anspruch auf die Gegenleistung, falls der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB die geschuldete Leistung nicht erbringen muss. Ist die nicht geschuldete Gegenleistung bereits bewirkt, kann der Schuldner diese gemäß § 326 Abs. 4 BGB nach den Vorschriften der §§ 346 bis 348 BGB zurückfordern. Diese Voraussetzungen für das Rückforderungsrecht aus § 326 Abs. 4 BGB sind vorliegend erfüllt.
17 a) Gemäß § 275 Abs. 1 BGB ist der Anspruch auf Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Rechtliche Unmöglichkeit ist gegeben, wenn ein geschuldeter Erfolg aus Rechtsgründen nicht herbeigeführt werden kann oder nicht herbeigeführt werden darf (Senatsurteil BGHZ 233, 266 = NZM 2022, 514 Rn. 16 mwN). So liegt der Fall hier.
18 b) Die Beklagte war aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Beherbergungsvertrags, auf den in seinem Schwerpunkt Mietrecht Anwendung findet (vgl. MünchKommBGB/Häublein 9. Aufl. Vor § 535 Rn. 37; Grüneberg/Weidenkaff BGB 83. Aufl. Einf. v. § 535 Rn. 36), gemäß § 535 Abs. 1 Satz 1 BGB verpflichtet, dem Kläger in den beiden vereinbarten Buchungszeiträumen vom 19. bis zum 22. März 2020 und vom 26. bis zum 29. März 2020 Hotelzimmer zu überlassen. Nach den getroffenen Feststellungen sollte die Nutzung der Hotelzimmer zu touristischen Zwecken erfolgen, was auch die Revision nicht in Abrede stellt.
19 Da es aufgrund der für sofort vollziehbar erklärten Allgemeinverfügung des Landkreises G. „zur weiteren Beschränkung von sozialen Kontakten im öffentlichen Bereich“ und „zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus COVID19; SARS-CoV-2 für das Gebiet des Landkreises G.“ vom 18. März 2020 ab diesem Tag untersagt war, Personen zu touristischen Zwecken zu beherbergen, war es der Beklagten rechtlich unmöglich, dem Kläger die gebuchten Hotelzimmer in den beiden Buchungszeiträumen zu überlassen und damit ihre vertraglich geschuldete Hauptleistungspflicht zu erfüllen.
20 Unerheblich ist insoweit die von der Revision thematisierte Frage, ob für die Buchungszeiträume auch ein Verbot touristischer Busreisen bestand und der Kläger die Hotelzimmer schon aus diesem Grund im Rahmen der geplanten Busreisen nicht hätte nutzen können. Zwar trägt derjenige, der eine Unterkunft gebucht hat, grundsätzlich das Risiko, diese auch für den geplanten Zweck verwenden zu können. Den Mieter trifft jedoch in der Regel keine Gebrauchspflicht (BGH Urteil vom 8. Dezember 2010 - VIII ZR 93/10 - NZM 2011, 151 Rn. 14 mwN). Er ist gemäß § 535 Abs. 2 BGB allein dazu verpflichtet, das vereinbarte Entgelt zu bezahlen, wenn der Vermieter die von ihm geschuldete Leistung vertragsgemäß zur Verfügung stellt. Im vorliegenden Fall schuldete der Kläger daher aus dem streitgegenständlichen Beherbergungsvertrag weder die Durchführung der Busreisen noch die tatsächliche Nutzung der reservierten Hotelzimmer.
21 2. Unabhängig von der Frage, ob hier ein absolutes Fixgeschäft anzunehmen ist, ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass hier kein Fall einer nur vorübergehenden Unmöglichkeit vorliegt, die von § 275 Abs. 1 BGB nicht erfasst würde. Zwar war das Beherbergungsverbot als Corona-Schutzmaßnahme zeitlich befristet. Ein nur zeitweiliges Erfüllungshindernis ist aber dann einem dauernden gleichzustellen, wenn durch das Hindernis die Erreichung des Vertragszwecks in Frage gestellt ist und der einen oder anderen Partei bei billiger Abwägung der beiderseitigen Belange nicht mehr zugemutet werden kann, die Leistung dann noch zu fordern oder zu erbringen. Dabei ist die Frage, ob ein Leistungshindernis zu einer dauernden oder nur vorübergehenden Unmöglichkeit führt, nach dem Zeitpunkt des Eintritts des Hindernisses zu beurteilen (vgl. Senatsurteil BGHZ 233, 266 = NZM 2022, 514 Rn. 20 mwN). Nach diesen Maßgaben war hier eine dauernde Unmöglichkeit zu bejahen.
22 Nach den getroffenen Feststellungen hatte der Kläger die Hotelzimmer für konkrete Zeiträume gebucht, in denen er mit seinem Busunternehmen sogenannte Saisoneröffnungsfahrten durchführen wollte, zu denen sich auch schon mehrere Teilnehmer verbindlich angemeldet hatten. Eine Verschiebung der Reisen auf einen Zeitraum nach der Aufhebung des Beherbergungsverbots konnte dem Kläger nicht zugemutet werden, zumal Mitte März 2020 auch noch nicht absehbar war, wie lange die Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19-Pandemie andauern würden. Zu Recht hat das Berufungsgericht daher angenommen, dass die von der Beklagten geschuldete Leistung wegen Zeitablaufs nicht mehr nachholbar war, weshalb der Beklagten in den hier maßgeblichen Zeiträumen die von ihr geschuldete Leistung dauerhaft unmöglich geworden ist. Auch hiergegen erinnert die Revision nichts.
23 3. Ohne Erfolg greift die Revision die Würdigung des Berufungsgerichts an, die Beklagte habe ihre Behauptung, der Kläger habe bei dem Telefongespräch am 17. März 2020 einseitig die gebuchten Hotelaufenthalte storniert, nicht schlüssig dargetan.
24 a) Die Revision rügt insoweit, das Berufungsgericht habe hierbei unter Verletzung von § 286 ZPO und Art. 103 Abs. 1 GG nicht alle unstreitigen Umstände des Falls gewürdigt. Der Kläger habe - vom Berufungsgericht offensichtlich übersehen - vorgetragen, ihm selbst sei es am 17. März 2020 nicht mehr möglich gewesen, die Leistungen der Beklagten in Anspruch zu nehmen. Dieser Vortrag, den sich die Beklagte zu eigen gemacht habe, sei jedenfalls insoweit zutreffend, als mit Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 16. März 2020 im Wege der Fachaufsicht bereits die Anweisung bestanden habe, am 17. März 2020 per Allgemeinverfügung die Durchführung von Reisebusreisen zu verbieten. Von diesem Verbot habe der Kläger beim Telefonat am 17. März 2020 ersichtlich bereits Kenntnis gehabt. Bei Berücksichtigung dieses Umstands ergebe sich ein ganz anderes Bild des Geschehensablaufs mit der Folge, dass das Berufungsgericht den Inhalt der vorgelegten E-Mails anders gewürdigt hätte.
25 b) Diese Rüge greift nicht durch. Die tatrichterliche Beweiswürdigung ist in der Revisionsinstanz nur eingeschränkt überprüfbar, nämlich darauf hin, ob sich das Berufungsgericht den Darlegungen im Urteil zufolge mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk- und Naturgesetze oder Erfahrungssätze verstößt (BGH Urteil vom 11. November 2020 - VIII ZR 191/18 - NZM 2021, 137 Rn. 21 mwN). Einen solchen Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf.
26 aa) Soweit die Revision vorträgt, dass ihre erstmals in der Revisionsinstanz vorgebrachte Behauptung, dem Kläger sei bereits zum Zeitpunkt des Telefongesprächs am 17. März 2020 die Durchführung von touristischen Busreisen verboten gewesen, schon im Berufungsverfahren unstreitig gewesen wäre, dringt sie damit nicht durch. Zwar hat der Kläger erstinstanzlich mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2021 vorgetragen, aufgrund der ab 17. März 2020 durch touristische Unternehmen nicht mehr durchführbaren Fahrten und des Verbots der Aufnahme von Touristen durch Hotels hätten die Parteien eine Absage beider Aufenthalte im März 2020 vereinbart. Die Absage sei aufgrund des Unvermögens beider Parteien erfolgt, die Leistung in Anspruch zu nehmen bzw. zu erbringen. Diese Behauptung des Klägers hat die Beklagte jedoch ausdrücklich bestritten. Dass sich die Beklagte diesen Vortrag des Klägers im weiteren Verfahren zu eigen gemacht und damit unstreitig gestellt hätte, wird von der Revision nicht ausreichend dargelegt und ist auch sonst nicht ersichtlich. Die Beklagte hat in den Instanzen diesen Vortrag weder wiederholt noch hat sie ihn ergänzt oder sich auf andere Weise ausdrücklich darauf berufen.
27 bb) Soweit die Beklagte im Revisionsverfahren erstmals zu einem Schreiben des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung vom 16. März 2020 vorträgt, ist bereits fraglich, ob dieses Vorbringen trotz des Novenverbots in § 559 ZPO überhaupt Berücksichtigung finden kann. Dies kann jedoch dahinstehen, weil die Beklagte schon nicht schlüssig dargelegt hat, dass dem Kläger zum Zeitpunkt des Telefongesprächs vom 17. März 2020 tatsächlich die Durchführung touristischer Busreisen verboten gewesen wäre. Nach dem Vortrag der Revision erging am 16. März 2020 nur die fachaufsichtliche Weisung des Niedersächsischen Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung an die Niedersächsischen Landkreise, Kreisfreien Städte und die Region Hannover, auch die Durchführung von Busreisen zu untersagen. Dieser Weisung kam jedoch als Maßnahme der Fachaufsicht gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Satz 3 NGöGD im Rahmen des übertragenen Wirkungskreises der angewiesenen Gebietskörperschaften noch keine unmittelbare Außenwirkung zu (vgl. BeckOK VwVfG/von Alemann/Scheffczyk [Stand: 1. April 2023] § 35 Rn. 228 mwN). Wann diese fachaufsichtliche Weisung durch eine entsprechende Allgemeinverfügung des Landkreises G. umgesetzt wurde, trägt die Revision nicht vor. Deshalb erschließt sich aus ihrem Vorbringen nicht, auf welcher rechtlichen Grundlage dem Kläger bereits am 17. März 2020 die Durchführung von Busreisen verboten gewesen sein soll. Hinzu kommt, dass sich der Betriebssitz des Klägers im Freistaat T. befindet. Zu der Frage, ob dort am 17. März 2020 bereits ein Verbot zur Durchführung von Busreisen bestand, verhält sich die Revision ebenfalls nicht.
28 cc) Im Übrigen ist die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat sich eingehend mit dem Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten E-Mails befasst. Unter vollständiger Berücksichtigung dieses Verfahrensstoffs hat das Berufungsgericht sodann ausführlich und nachvollziehbar dargelegt, warum nicht angenommen werden könne, dass der Kläger bereits in dem Telefongespräch vom 17. März 2020 einseitig den Beherbergungsvertrag storniert hat. Auch die Revision zeigt keine weiteren Rechtsfehler auf, sondern setzt lediglich - revisionsrechtlich unbehelflich - ihre eigene Beurteilung an die Stelle der tatrichterlichen Würdigung des Berufungsgerichts.
29 4. Schließlich hat das Berufungsgericht auch zu Recht angenommen, dass die Beklagte dem Rückzahlungsanspruch des Klägers nicht entgegenhalten kann, der Vertrag sei wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB anzupassen.
30 a) Eine Anpassung vertraglicher Verpflichtungen an die tatsächlichen Umstände kommt grundsätzlich dann nicht in Betracht, wenn das Gesetz in den Vorschriften über die Unmöglichkeit der Leistung die Folge der Vertragsstörung bestimmt. Daher scheidet eine Anwendung des § 313 BGB aus, soweit der Tatbestand des § 275 Abs. 1 BGB erfüllt ist. Denn Gegenstand des § 313 Abs. 1 BGB ist die durch die Veränderung der Geschäftsgrundlage ausgelöste Störung des vertraglichen Äquivalenzverhältnisses von Leistung und Gegenleistung. Eine Anpassung des Vertragsinhalts ist aber nicht mehr möglich, wenn bereits aufgrund spezieller gesetzlicher Regelungen, wie im vorliegenden Fall aufgrund der §§ 275 Abs. 1, 326 Abs. 1 Satz 1 BGB, die wechselseitigen vertraglichen Leistungsverpflichtungen entfallen sind (vgl. Senatsurteil BGHZ 233, 266 = NZM 2022, 514 Rn. 30 f. mwN).
31 b) Im vorliegenden Fall war es der Beklagten aufgrund der Allgemeinverfügung des Landkreises G. vom 18. März 2020 in den streitgegenständlichen Buchungszeiträumen unmöglich, dem Kläger die aus dem Beherbergungsvertrag geschuldeten Leistungen zu gewähren. Dieser Fall einer rechtlichen Unmöglichkeit der Leistungserbringung wird abschließend von den speziellen Regelungen des schuldrechtlichen Leistungsstörungsrechts erfasst, indem die Beklagte nach § 275 Abs. 1 BGB von ihrer Leistungsverpflichtung frei geworden ist und sie gleichzeitig ihren Anspruch auf die Gegenleistung nach § 326 Abs. 1 BGB verloren hat. Eine Anpassung des Vertrags wegen Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 Abs. 1 BGB ist daneben nicht möglich.