BGH: Bruchteilsgemeinschaft bei mehreren Markeninhabern – notwendige Streitgenossen – Viva Friseure/Viva
BGH, Beschluss vom 13.3.2014 – I ZB 27/13
Amtliche Leitsätze
1. Die auf § 83 Abs. 3 Nr. 4 MarkenG gestützte zulassungsfreie Rechtsbeschwerde ist grundsätzlich nur statthaft, wenn der Rechtsbeschwerdeführer geltend macht, selbst im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen zu sein.
2. Mehrere Inhaber einer Marke bilden eine Bruchteilsgemeinschaft, wenn sie ihre Rechtsbeziehungen nicht abweichend geregelt haben.
3. Steht eine Marke mehreren Personen in Bruchteilsgemeinschaft zu, sind sie notwendige Streitgenossen in dem gegen diese Marke gerichteten Widerspruchsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und im Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht.
§ 83 Abs 3 Nr 4 MarkenG, § 741 BGB, §§ 741ff BGB, § 62 Abs 1 Alt 2 ZPO
Sachverhalt
I. Auf eine gemeinsame Anmeldung der Markeninhaberin und des Herrn P. S. vom 23. Oktober 2009 hat das Deutsche Patent- und Marken-amt am 1. April 2010 die farbige Wort-/Bildmarke (lila, grün)
eingetragen für Dienstleistungen der
Klasse 35:
Werbung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten; Dienstleistungen des Groß- und Einzelhandels sowie Online- oder Katalogversandhandelsdienstleistungen in den Bereichen: Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, Friseur-Kosmetika, soweit in Klasse 3 enthalten, nämlich Haarkuren, Haarshampoos, Haarsprays, Haarschaum, Haargele und Haarwässer, Haarfärbemittel, Haarpflegemittel, ätherische Öle, kosmetische Hautpflegemittel, kosmetische Lotionen, Hautreinigungscremes, handbetätigte Werkzeuge und Geräte für den Friseur- und/oder Schönheitssalon, soweit in Klasse 8 enthalten, nämlich Haarbrenneisen, Epilier- und Haarentfernungsgeräte (elektrische und nicht elektrische), Maniküre-Necessaires (elektrische), Nagelfeilen (elektrische und nicht elektrische), Nagelhautzangen, Nagelpolierer (elektrische und nicht elektrische), Nagelscheren (elektrische und nicht elektrische), Nagelzangen, Nagelzieher, Necessaire für Maniküre, Pediküre und zum Rasieren, Ohrlochstechgeräte, Pinzetten zum Epilieren, Wimpernzangen, Zubehörteile für einen Friseursalon und/oder einen Schönheitssalon, soweit in Klasse 11 enthalten, nämlich Haartrockner (Fön), Heißluftapparate, Kämme und Bürsten (elektrisch und nicht elektrisch) zur Körper- und Schönheitspflege, soweit in Klasse 21 enthalten, Augenbrauenbürsten, Rasierpinsel, Rasierpinselhalter, kosmetische Geräte, Kammetuis;
Klasse 41:
Ausbildung auf dem Gebiet des Friseurhandwerks;
Klasse 44:
Dienstleistung eines Friseur- und Schönheitssalons; Dienstleistungen eines Visagisten.
Gegen diese Marke hat die Widersprechende aus der für Waren der
Klasse 3:
Duftstoffe und Mittel zur Körper und Schönheitspflege innerhalb einer Duftstoffproduktlinie einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Parfüms, Eau de Toilette, Deodorants, Duschgel, Körperlotionen; Haarpflegepräparate und Mittel zum Färben des Haars.
am 3. Januar 2008 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke Nr. 003 944 411
VIVA
Widerspruch erhoben.
Der Markeninhaber P. S. ist am 28. September 2011 verstorben. Mit Beschluss vom 6. Oktober 2011 hat die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde der Widerspruchsführerin hat das Bundespatentgericht die Löschung der Streitmarke mit Ausnahme der Dienstleistungen "Werbung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten" in Klasse 35 angeordnet (BPatG, Beschluss vom 23. März 2013 - 29 W (pat) 119/11, juris).
Hiergegen wendet sich die Markeninhaberin mit ihrer nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie einen Vertretungsmangel, die Versagung rechtlichen Gehörs und Willkür rügt.
Aus den Gründen
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II. Die Rechtsbeschwerde der Markeninhaberin hat keinen Erfolg.
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1. Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbeschwerde ist zulässig (§ 83 MarkenG). Sie ist jedoch nur statthaft, soweit sie sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs beruft und dies im Einzelnen begründet. Auf die Frage, ob die in diesem Zusammenhang erhobenen Rügen durchgreifen, kommt es für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht an (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 6. Februar 2013 - I ZB 85/11, GRUR 2013, 1046 = WRP 2013, 1346 Rn. 5 - Variable Bildmarke). Soweit die Rechtsbeschwerde einen Vertretungsmangel auf Seiten des Markeninhabers P. S. und einen Verstoß des Bundespatentgerichts gegen das Willkürverbot geltend macht, ist sie nicht statthaft.
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a) Nach § 83 Abs. 3 Nr. 4 MarkenG kann die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde darauf gestützt werden, dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat. Die Markeninhaberin macht nicht geltend, dass sie nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen sei. Vielmehr beruft sie sich darauf, dass P. S. , der gemeinsam mit ihr die Streitmarke hat eintragen lassen, während des Widerspruchsverfahrens vor dem Deutschen Patent- und Markenamt verstorben und im Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht nicht durch den Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin vertreten worden sei.
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aa) Die auf § 83 Abs. 3 Nr. 4 MarkenG gestützte zulassungsfreie Rechtsbeschwerde ist grundsätzlich nur statthaft, wenn der Rechtsbeschwerdeführer geltend macht, selbst im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten gewesen zu sein. Das Erfordernis der ordnungsgemäßen Vertretung dient nur dem Schutz der vertretenen Partei (BGH, Urteil vom 20. September 1974 - IV ZR 55/73, BGHZ 63, 78, 79 f.; Beschluss vom 21. Dezember 1989 - X ZB 7/89, GRUR 1990, 348, 350 - Gefäßimplantat; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 2. Aufl., § 83 MarkenG Rn. 38; Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 83 MarkenG Rn. 29; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 3. Aufl., § 83 Rn. 84; Knoll in Ströbele/Hacker, Markengesetz, 10. Aufl., § 83 Rn. 48). Wer selbst alle prozessualen Rechte ausüben und Verfahrenshandlungen vornehmen kann, erleidet keinen eigenen Nachteil dadurch, dass dies bei seinem Gegner nicht der Fall ist. Dementsprechend kann sich der Rechtsbeschwerdeführer nicht auf einen Vertretungsmangel bei seinem Gegner berufen.
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Im Streitfall besteht aber die Besonderheit, dass der geltend gemachte Vertretungsmangel nicht auf der Gegenseite, sondern bei dem weiteren Markeninhaber vorliegen soll, bei dem es sich um einen notwendigen Streitgenossen der Markeninhaber handelt (dazu nachstehend II 1 a bb). Vorliegend ist aber ausgeschlossen, dass die Rechtsstellung der Markeninhaberin dadurch betroffen sein kann (dazu nachstehend II 1 a cc).
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bb) Die Markeninhaber haben im Anmeldeverfahren keine Angaben dazu gemacht, welche gemeinschaftlichen Rechtsbeziehungen im Hinblick auf das Recht an der Streitmarke bestehen. In Ermangelung näherer Angaben zu einer bestimmten Rechtsform ist davon auszugehen, dass die Markeninhaber die angegriffene Marke gemeinsam halten und insoweit das Recht der Gemeinschaft nach Bruchteilen gemäß §§ 741 ff. BGB zur Anwendung kommt (vgl. BPatG, GRUR 2004, 685, 688; Fezer aaO § 7 Rn. 59; Kirschneck in Ströbele/Hacker aaO § 7 Rn. 8).
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Im Widerspruchsverfahren gegen die Streitmarke vor dem Deutschen Patent- und Markenamt und im Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht sind die Markeninhaber als Teilhaber notwendige Streitgenossen im Sinne von § 62 Abs. 1 Fall 2 ZPO. Die Anwendung der Vorschriften über die Streitgenossenschaft nach §§ 59 ff. ZPO folgt im Beschwerdeverfahren aus § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG. Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt können die entsprechenden Vorschriften ebenfalls zur Lückenausfüllung herangezogen werden (vgl. allgemein zur Heranziehung von Vorschriften der Zivilprozessordnung im markenrechtlichen Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt BGH, Beschluss vom 16. Juli 2009 - I ZB 53/07, BGHZ 182, 325 Rn. 18 - Legostein; Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy aaO § 56 MarkenG Rn. 1; Kirschneck in Ströbele/Hacker aaO § 56 Rn. 1; zum patentamtlichen Verfahren BGH, Beschluss vom 10. Mai 1994 - X ZB 7/93, GRUR 1994, 724, 725 - Spinnmaschine).
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Im Passivprozess sind die Teilhaber notwendige Streitgenossen im Sinne des § 62 Abs. 1 Fall 2 ZPO, wenn sie wegen der Verfügung über den gemeinsamen Gegenstand im Ganzen in Anspruch genommen werden, weil sie über diesen nach § 747 Satz 2 BGB nur gemeinschaftlich verfügen können (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1961 - V ZR 181/60, BGHZ 36, 187, 188; Urteil vom 4. Mai 1984 - V ZR 82/83, NJW 1984, 2210). Dies gilt entsprechend in einem Widerspruchsverfahren gegen eine Marke, die mehreren Personen zusteht, die eine Bruchteilsgemeinschaft bilden (vgl. BPatG, GRUR 2004, 685, 688).
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cc) Die Frage, welche Auswirkungen der Tod eines anwaltlich vertretenen, notwendigen Streitgenossen auf das Verfahren hat, wird nicht einheitlich beantwortet. Teilweise wird angenommen, dass die Erben des verstorbenen Streitgenossen in entsprechender Anwendung des § 62 ZPO durch den oder die anderen Streitgenossen vertreten werden (vgl. BAG, Beschluss vom 12. Mai 1972 - 1 AZR 99/72, NJW 1972, 1388, 1389; aA LG München I, NJWRR 2013, 787; kritisch auch MünchKomm.ZPO/Gehrlein, 4. Aufl., § 62 Rn. 5). Die Frage braucht vorliegend nicht entschieden zu werden.
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Der verstorbene Markeninhaber P. S. ist im Beschwerdeverfahren vor dem Bundespatentgericht durch Rechtsanwalt T. vertreten worden. Dieser ist nach dem Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Bundespatentgericht für beide Markeninhaber aufgetreten. Der Umstand, für wen ein Vertreter in der mündlichen Verhandlung auftritt, gehört zu den nach § 77 Abs. 2 Satz 2 MarkenG in Verbindung mit § 160 Abs. 1 Nr. 4 ZPO in das Protokoll aufzunehmenden Förmlichkeiten, die an der Beweiskraft des Protokolls teilnehmen (§ 165 Satz 1 ZPO). Die Markeninhaberin hat zwar nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses des Bundespatentgerichts den Tod des weiteren Markeninhabers angezeigt und einen Antrag auf Berichtigung des Protokolls dahingehend gestellt, dass ihr Verfahrensbevollmächtigter nur sie in der mündlichen Verhandlung vertreten hat. Das Bundespatentgericht hat den Protokollberichtigungsantrag jedoch zurückgewiesen. Der Senat ist daher entsprechend der Beweiskraft des Protokolls daran gebunden, dass Rechtsanwalt T. in der mündlichen Verhandlung auch für den weiteren Markeninhaber aufgetreten ist. War der Markeninhaber P. S. aber im Beschwerdeverfahren vertreten, kann die Rechtsstellung der Markeninhaberin nicht betroffen sein.
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b) Soweit die Rechtsbeschwerde eine Verletzung des Willkürverbots geltend macht, ist diese Rüge im Verfahren nach § 83 Abs. 3 MarkenG ausgeschlossen. Die in § 83 Abs. 3 MarkenG aufgeführten Verfahrensmängel, die die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde begründen, sind abschließend. Ein Verstoß gegen das in Art. 3 Abs. 1 GG vermerkte Willkürverbot kann danach mit der zulassungsfreien Rechtsbeschwerde nicht geltend gemacht werden (BGH, Beschluss vom 10. April 2008 - I ZB 98/07, GRUR 2008, 1027 Rn. 24 = WRP 2008, 1438 - Cigarettenpackung).
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2. Soweit sich die Rechtsbeschwerde auf eine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Markeninhaberin stützt, ist sie unbegründet.
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a) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das Bundespatentgericht habe den unstreitigen Vortrag der Markeninhaberin nicht berücksichtigt, sie erbringe nur Dienstleistungen des Frisörgewerbes, während die Widersprechende unter ihrer Marke lediglich ein Haarfärbemittel in Discountern und Supermärkten vertreibe. Wie sich bereits aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses ergibt, hat das Bundespatentgericht diesen Vortrag zur Kenntnis genommen. Er ist allerdings unerheblich, weil die Prüfung der Verwechslungsgefahr im Widerspruchsverfahren nicht auf die Verkaufsmodalitäten im Einzelfall beschränkt ist (vgl. EuGH, Urteil vom 12. Juni 2008 - C533/06, Slg. 2008, I-4231 = GRUR 2008, 698 Rn. 66 - O2/Hutchison).
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b) Soweit sich die Rechtsbeschwerde dagegen wendet, dass das Bundespatentgericht zwischen den Waren, für die die Widerspruchsmarke eingetragen ist (insbesondere Haarpflegepräparate und Mittel zum Färben des Haars) und den für die Streitmarke in Klasse 35 eingetragenen Dienstleistungen eines Frisörs eine Ähnlichkeit mittleren Grades angenommen hat, rügt sie keine Verletzung des rechtlichen Gehörs, sondern setzt nur in unzulässiger Weise ihre eigene Beurteilung an die Stelle derjenigen des Bundespatentgerichts.
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c) Dasselbe gilt, soweit die Rechtsbeschwerde die Beurteilung des Bundespatentgerichts angreift, für eine Reduzierung des Schutzumfangs komme es nur auf Drittzeichen im engen Ähnlichkeitsbereich der Widerspruchsmarke an. Das Bundespatentgericht hat eine Beschränkung des Schutzumfangs der Widerspruchsmarke durch Drittzeichen auch deswegen verneint, weil es an hinreichendem Vortrag zum Umfang der Benutzung und zur Bekanntheit der Drittzeichen fehle. Dagegen bringt die Rechtsbeschwerde nichts Erhebliches vor.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 Abs. 2 Satz 1 MarkenG.