BGH: Bindung des Insolvenzverwalters an eine vor Verfahrenseröffnung getroffene Schiedsvereinbarung
BGH, Urteil vom 25.4.2013 - IX ZR 49/12
Leitsatz
Der Verwalter im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Sicherungsgebers ist an eine vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens getroffene Schiedsvereinbarung gebunden, wenn er die Forderung des Sicherungsnehmers nach § 166 Abs. 2 InsO einzieht.
§ 166 Abs 2 InsO, § 1032 Abs 1 ZPO
Sachverhalt
Der Kläger ist Verwalter in dem am 1. Juli 2009 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der W. GmbH & Co. KG (fortan: Schuldnerin). Mit Vertrag vom 28. Oktober 2008 kaufte die Beklagte bei der Pflanzenschutz W. - B. e.Kfr. (fortan: P. ) Getreide. Dem Vertrag lagen die "Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel" zugrunde, die einen verlängerten Eigentumsvorbehalt sowie eine Schiedsgerichtsvereinbarung enthalten. Aufgrund dieser Bedingungen hatte die P. die gegen die Beklagte gerichtete Forderung an die Vorlieferanten abzutreten. In der Folgezeit brachte die Inhaberin der P. das Einzelunternehmen in die Schuldnerin ein, wobei die Wirksamkeit dieses (nicht näher beschriebenen) Rechtsgeschäfts streitig ist. Das Getreide wurde im März 2009 geliefert.
Der Kläger verlangt Bezahlung des Kaufpreises für das gelieferte Getreide. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 49.356,60 € nebst Zinsen verurteilt. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision will die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen.
Aus den Gründen
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Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
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Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Wie sich aus den vom Gericht beigezogenen Handelsregisterakten ergebe, sei die Schuldnerin Rechtsnachfolgerin der P. durch deren Einbringung in die Schuldnerin geworden. Damit sei sie Vertragspartei. Die Schiedsklausel stehe der Klage nicht entgegen, weil der Insolvenzverwalter im Rahmen der Verwertung einer sicherungsabgetretenen Forderung nach § 166 Abs. 2 InsO nicht an sie gebunden sei. Auch die "Einheitsbedingungen" eröffneten überdies den Weg zu den ordentlichen Gerichten, weil die Beklagte bis zur Erhebung der Klage keine Einwände gegen die Forderung erhoben habe. Gemäß § 166 Abs. 2 InsO sei der Kläger zur Einziehung der sicherungsabgetretenen Forderung berechtigt. Die Forderung in Höhe von 62.591,44 € sei in Höhe von 13.234,84 € durch eine von der Beklagten erklärte Hilfsaufrechnung erloschen.
II.
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Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
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1. Wäre die Schuldnerin, wie das Berufungsgericht nach Einsicht in die Handelsregisterakten angenommen hat, Rechtsnachfolgerin der P. in Bezug auf die Rechte und Pflichten aus dem Kaufvertrag vom 28. Oktober 2010 geworden, wäre die Klage unzulässig (§ 1032 Abs. 1 ZPO).
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a) Nach den "Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel", welche in den Vertrag einbezogen worden waren, werden alle Streitigkeiten aus den betroffenen Verträgen unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs durch einen bei einer Deutschen Getreide- und Produktbörse (Warenbörse bzw. Börsenverein) eingerichteten Schiedsgericht entschieden. Die Beklagte hat die Einrede des Schiedsvertrages erhoben.
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b) Der Insolvenzverwalter ist an die Schiedsabreden des Insolvenzschuldners gebunden, wenn er vertragliche Rechte geltend macht (RGZ 137, 109, 111; BGH, Urteil vom 28. Februar 1957 - VII ZR 204/56, BGHZ 24, 15, 18; Beschluss vom 29. Januar 2009 - III ZB 88/07, BGHZ 179, 304 Rn. 11; Wagner, KTS 2010, 39, 41 f). Die Schiedsvereinbarung ist weder ein gegenseitiger Vertrag (§ 103 InsO) noch ein Auftrag (§ 114 InsO). Der Verwalter kann daher weder die Erfüllung ablehnen, noch erlischt der Schiedsvertrag durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (BGH, Beschluss vom 20. November 2003 - III ZB 24/03, ZInsO 2004, 88). Die Schiedsabrede gilt auch im Feststellungsrechtsstreit (BGH, Beschluss vom 29. Januar 2009, aaO; Wagner, aaO, S. 44 f).
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Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gilt dieser Grundsatz auch dann, wenn der Verwalter gemäß § 166 Abs. 2 InsO eine zur Sicherheit abgetretene Forderung einzieht. Schiedsabreden aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfassen zwar nicht solche Rechte des Verwalters, die sich nicht unmittelbar aus dem vom Schuldner geschlossenen Vertrag ergeben, sondern auf der Insolvenzordnung beruhen. Dazu gehört insbesondere die Insolvenzanfechtung (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1956 - IV ZR 137/56, NJW 1956, 1920, 1921; Beschluss vom 17. Januar 2008 - III ZB 11/07, ZIP 2008, 478 Rn. 17; vom 30. Juni 2011 - III ZB 59/10, NZI 2011, 634 Rn. 14). Der Rückgewähranspruch aus Insolvenzanfechtung (§ 143 Abs. 1 InsO) folgt nicht aus dem anfechtbar geschlossenen Vertrag, sondern aus einem selbständigen, der Verfügungsgewalt des Schuldners entzogenen Recht des Insolvenzverwalters (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008, aaO; Wagner/Braem, KTS 2009, 242, 245). Der Schuldner ist an dem materiellen Streitverhältnis der Insolvenzanfechtungsansprüche nicht beteiligt; er kann nicht über sie disponieren (Berger, ZInsO 2009, 1033, 1037; Wagner, KTS 2010, 39, 48).
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Um derartige Rechte geht es hier jedoch nicht. Nach § 166 Abs. 2 InsO darf der Verwalter Forderungen einziehen oder verwerten, welche der Schuldner zur Sicherung eines Anspruchs abgetreten hat. Nur dieses Einziehungsrecht ist dem Verwalter von der Insolvenzordnung besonders verliehen. Es geht insoweit über die allgemeine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Verwalters gemäß § 80 Abs. 1 InsO hinaus, als es nicht eigene Forderungen des Schuldners erfasst, sondern auch solche Forderungen, welche der Schuldner vor der Eröffnung sicherheitshalber abgetreten hat. Der Schuldner selbst hätte dieses Einziehungsrecht nicht. Auf die einzuziehende Forderung als solche, welche der Schiedsabrede unterliegt, wirkt sich das besondere Einziehungsrecht des Verwalters gemäß § 166 Abs. 2 InsO jedoch nicht aus. Eingezogen wird die vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründete und sicherungshalber abgetretene Forderung. Der Sicherungsnehmer als der Einzelrechtsnachfolger des Schuldners (§ 398 Satz 2 BGB) hätte sich gemäß § 404 BGB die Schiedsabrede entgegenhalten lassen müssen, wenn er versucht hätte, die abgetretene Forderung vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei den ordentlichen Gerichten einzuklagen (vgl. BGH, Urteil vom 2. März 1978 - III ZR 99/76, BGHZ 71, 162, 165 f; vom 2. Oktober 1997 - III ZR 2/96, NJW 1998, 371). Gleiches gilt für den Verwalter, der gemäß § 166 Abs. 2 InsO anstelle des Sicherungsnehmers die Forderung einzieht. Ebenso wie der Sicherungsnehmer hat er die vom Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam geschaffene Rechtslage insoweit hinzunehmen.
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c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Beklagte nicht nach § 1 Abs. 2 der "Einheitsbedingungen im deutschen Getreidehandel" gehindert, sich auf die Schiedsabrede zu berufen. Nach dieser Bestimmung bleibt dem Gläubiger das Recht vorbehalten, solche Forderungen, gegen die bis zum Tage der Klageerhebung kein Einwand geltend gemacht wurde, vor den ordentlichen Gerichten einzuklagen. Das Berufungsgericht hat für entscheidend gehalten, dass der Akte nicht zu entnehmen sei, weshalb die Beklagte die Forderung nicht habe bezahlen wollen, und dass die Beklagte auf die letzte Mahnung des Klägers vom 19. August 2010 nicht geantwortet habe. Dass die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestandes gegeben seien, hatte der insoweit darlegungs- und beweispflichtige Kläger in den Tatsacheninstanzen jedoch selbst nicht behauptet. Die "Einheitsbedingungen" waren zu den Akten gereicht worden; der Vorschrift des § 1 Abs. 2 hatte jedoch keine der Parteien eine streitentscheidende Bedeutung beigemessen. Angesichts dessen hätte das Berufungsgericht gemäß § 139 Abs. 2 ZPO einen rechtlichen Hinweis erteilen und den Parteien Gelegenheit zur Äußerung geben müssen. Das ist nicht geschehen (§ 139 Abs. 4 ZPO). In der Begründung ihrer Revision legt die Beklagte dar, sie habe den Kläger bereits mit Schreiben vom 21. April 2009 auf die Forderungen der Lieferanten der P. hingewiesen, die von ihr ebenfalls Bezahlung der streitgegenständlichen Lieferungen verlangt hätten. Im Tatbestand des Berufungsurteils wird als unstreitig dargestellt, dass die Beklagte die Zahlung an den Kläger abgelehnt hat, nachdem die Lieferanten sich auf den vereinbarten verlängerten Eigentumsvorbehalt berufen hätten.
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2. Auf die Rechtsfragen, welche sich im Zusammenhang mit der Schiedsabrede stellen, kommt es überdies nicht an. Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht die Beklagte aufgrund eines Antrags verurteilt hat, den der Kläger im Berufungsverfahren nicht mehr gestellt hat (§ 528 Satz 2 ZPO).
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a) Nach § 528 Satz 2 ZPO darf das Urteil des ersten Rechtszuges nur insoweit abgeändert werden, als eine Abänderung beantragt worden ist. Wie das erstinstanzliche Gericht (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) ist auch das Berufungsgericht an die Anträge der Parteien gebunden. Die Vorschrift ist insbesondere dann verletzt, wenn dem Kläger ein Anspruch zuerkannt wird, den er nicht oder nicht mehr geltend macht (BGH, Urteil vom 29. November 1990 - I ZR 45/89, NJW 1991, 1683, 1684; MünchKomm-ZPO/Musielak, 4. Aufl., § 308 Rn. 5; Prütting/Gehrlein/Thole, ZPO, 4. Aufl., § 308 Rn. 5). Der dem Gericht vom Kläger vorgegebene Streitgegenstand bestimmt sich nach dem Klageantrag, in welchem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und dem Lebenssachverhalt (Anspruchsgrund), aus welchem der Kläger die begehrte Rechtsfolge ableitet (BGH, Urteil vom 19. Dezember 1991 - IX ZR 96/91, BGHZ 117, 1, 5; Beschluss vom 16. September 2008 - IX ZR 172/07, NZI 2008, 685 Rn. 9; vom 29. September 2011 - IX ZB 106/11, NJW 2011, 3653 Rn. 11).
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b) Der Kläger hatte seine Klage in erster Instanz mit dem Vertrag vom 28. Oktober 2008 zwischen der P. und der Beklagten begründet und dazu vorgetragen, die Schuldnerin sei durch Einbringung des Einzelunternehmens Rechtsnachfolgerin der P. geworden. Hilfsweise hat er die Klage auf konkludente Verträge gestützt, welche mit Annahme der Getreidelieferungen unmittelbar zwischen der Schuldnerin und der Beklagten zustande gekommen seien; hilfsweise hat er hierzu die Ansicht vertreten, der Anspruch der Schuldnerin folge aus ungerechtfertigter Bereicherung. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil die tatsächlichen Voraussetzungen einer Sacheinlage, die allenfalls Grundlage einer Rechtsnachfolge sein könne, nicht näher dargelegt worden seien. Ein konkludenter Vertrag unmittelbar zwischen der Schuldnerin und der Beklagten sei nicht zustande gekommen, weil das Getreide aufgrund des Vertrages zwischen der P. und der Schuldnerin geliefert worden sei. Die Berufungsbegründung des Klägers befasst sich mit der Frage eines Vertragsschlusses zwischen der Schuldnerin und der Beklagten, hilfsweise mit den Voraussetzungen eines Anspruchs auf ungerechtfertigter Bereicherung. Auf die in erster Instanz noch behauptete Rechtsnachfolge geht sie hingegen mit keinem Wort ein. In einem späteren Schriftsatz heißt es ausdrücklich:
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"Da einiges für die Unwirksamkeit des Gesellschaftsvertrages gemäß § 139 BGB aufgrund der unterlassenen notariellen Beurkundung spricht, hat der Insolvenzverwalter über das Vermögen der P. den Anspruch gegen die Beklagte im Schiedsverfahren vor dem Schiedsgericht Mannheim geltend gemacht. Durch den Grundsatz des sichersten Weges war zudem die (Rück-) Abtretung des dort geltend gemachten Anspruchs vom Kläger an den Insolvenzverwalter der P. geboten. Für den vorliegenden Rechtsstreit ist dies jedoch ohne Belang. Hier ist davon auszugehen, dass eine Rechtsnachfolge nicht stattgefunden hat."
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Den durch das landgerichtliche Urteil aberkannten Anspruch aus dem Vertrag vom 28. Oktober 2010 hat der Kläger in der Berufungsinstanz danach nicht weiter verfolgt. Das Berufungsgericht durfte ihn nicht zuerkennen.
III.
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Das Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen getroffen, auf deren Grundlage die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB geprüft und bejaht werden könnten.
IV.
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Das angefochtene Urteil kann folglich keinen Bestand haben. Es ist aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO); die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird nunmehr den vom Kläger in der Berufungsinstanz noch verfolgten prozessualen Anspruch zu prüfen haben. Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass der Berufungskläger die Berufung nach dem Ablauf der Begründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) nur insoweit noch erweitern kann, als die fristgerecht vorgetragenen Berufungsgründe die Antragserweiterung decken (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2000 - IX ZR 6/99, NJW 2001, 146; Beschluss vom 9. November 2004 - VIII ZB 36/04, NJW-RR 2005, 714, 715; vom 14. Mai 2009 - I ZR 98/06, BGHZ 181, 98 Rn. 16).