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Wirtschaftsrecht
01.07.2016
Wirtschaftsrecht
BGH: Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters durch die Gläubigerversammlung

BGH, Beschluss vom 9.6.2016 – IX ZB 21/15

ECLI:DE:BGH:2016:090616BIXZB21.15.0

Amtliche Leitsätze

Ein wirksamer Beschluss der Gläubigerversammlung, einen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen, liegt nur vor, wenn er in einer vom Insolvenzgericht einberufenen und geleiteten Gläubigerversammlung getroffen wurde (§ 76 Abs. 1 InsO) und der Beschlussgegenstand als Tagesordnungspunkt öffentlich bekannt gemacht worden ist (§ 74 Abs. 2 Satz 1 InsO).

InsO § 57 Satz 4, § 59 Abs. 2 Satz 2

Sachverhalt

I.

Das Amtsgericht Ludwigsburg - Insolvenzgericht - eröffnete mit Beschluss vom 16. Februar 2006 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin und bestellte den weiteren Beteiligten zu 3 zum Insolvenzverwalter. Die Schuldnerin warf dem Insolvenzverwalter vor, er handele insolvenzzweckwidrig und unterlasse es, Gläubigerinteressen zu vertreten. Sie machte geltend, der Insolvenzverwalter habe Grundstücke unter Wert veräußert und Erlöse nicht ordnungsgemäß verteilt. Deshalb beantragte die anwaltlich vertretene Schuldnerin beim Insolvenzgericht, einen Sonderinsolvenzverwalter hinsichtlich des nach ihrer Ansicht hervorgerufenen Gesamtschadens (§ 92 InsO) zu bestellen.

Das Insolvenzgericht gab dem Insolvenzverwalter Gelegenheit zur Stellungnahme und bestimmte daraufhin Termin für eine Gläubigerversammlung; einziger Tagesordnungspunkt war die "Anhörung der Gläubigerversammlung zur Entscheidung über die Anregung des Schuldnervertreters [...], einen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen". Der Beschluss wurde öffentlich bekannt gemacht. In der am 22. September 2014 durchgeführten Gläubigerversammlung hielt die Schuldnerin daran fest, einen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen. Zwei anwesende Gläubiger, die weiteren Beteiligten zu 1 und 2, sprachen sich für die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters aus.

Mit Beschluss vom 15. Oktober 2014 hat das Insolvenzgericht entschieden, keinen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen. Hiergegen haben die Schuldnerin sowie die weiteren Beteiligten zu 1 und 2 Erinnerung eingelegt. Das Insolvenzgericht hat die Erinnerungen zurückgewiesen. Daraufhin haben die Schuldnerin und die weiteren Beteiligten zu 1 und 2 sofortige Beschwerde eingelegt. Das Insolvenzgericht hat die sofortigen Beschwerden als unzulässig angesehen und ihnen nicht abgeholfen; das Landgericht hat sie als unzulässig verworfen und die Rechtsbeschwerde zugelassen. Mit ihren Rechtsbeschwerden verfolgen die Schuldnerin und die weiteren Beteiligten zu 1 und 2 ihr Begehren weiter, einen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen.

Aus den Gründen

II.

4          Die Rechtsbeschwerden sind unstatthaft.

5          1. Die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin ist unzulässig, weil das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde nur beschränkt für die Gläubiger zugelassen hat. Eine solche Beschränkung kann sich auch aus den Entscheidungsgründen ergeben. Allerdings muss sich in diesem Fall die Beschränkung den Entscheidungsgründen eindeutig entnehmen lassen. Das ist anzunehmen, wenn die Rechtsfrage, zu deren Klärung das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, bei mehreren Streitgegenständen nur für einen von ihnen erheblich ist, weil dann in der Angabe dieses Zulassungsgrundes regelmäßig die eindeutige Beschränkung der Zulassung auf diesen Gegenstand zu sehen ist (BGH, Beschluss vom 12. April 2011 - II ZB 14/10, NJW 2011, 2371 Rn. 5 mwN). So liegt der Fall hier.

6          Soweit die Schuldnerin gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts, keinen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen, Beschwerde eingelegt hatte, hat das Beschwerdegericht die Beschwerde der Schuldnerin als unstatthaft angesehen. Es hat seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass dem Schuldner insoweit kein Beschwerderecht zusteht (BGH, Beschluss vom 2. März 2006 - IX ZB 225/04, NZI 2006, 474 Rn. 12; vom 18. Juni 2009 - IX ZA 13/09, NZI 2009, 517 Rn. 3). Es ist dabei - zutreffend - davon ausgegangen, dass diese Frage geklärt ist. Das Beschwerdegericht hat - worauf die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend hinweist - die Rechtsbeschwerde sodann nur zugelassen, weil es die Frage für klärungsbedürftig hält, ob ein durch einen Beschluss der Gläubiger-versammlung unterstützter Insolvenzgläubiger beschwerdebefugt ist, wenn das Insolvenzgericht die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters ablehnt. Darin liegt eine - wirksame - Beschränkung der Zulassung auf die Insolvenzgläubiger.

7          2. Die Rechtsbeschwerden der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 sind ebenfalls unstatthaft. Auf die vom Beschwerdegericht aufgeworfene Frage, ob ein Insolvenzgläubiger beschwerdebefugt ist, wenn die Gläubigerversammlung beschlossen hat, dass ein Sonderinsolvenzverwalter bestellt werden soll, kommt es im Streitfall nicht an.

8          a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Rechtsbeschwerde nur statthaft, wenn bereits die sofortige Beschwerde statthaft war. War die Ausgangsentscheidung unanfechtbar, fehlt es auch an einer Grundlage für das Rechtsbeschwerdeverfahren; ein gültiges und rechtswirksames Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht ist nur möglich, solange das Verfahren nicht rechtswirksam beendet ist. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO ändert hieran nichts (BGH, Beschluss vom 25. Juni 2009 - IX ZB 161/08, NZI 2009, 553 Rn. 5; vom 7. Februar 2013 - IX ZB 43/12, WM 2013, 518 Rn. 7, jeweils mwN).

9          b) So liegt der Fall hier. Die Entscheidungen des Insolvenzgerichts unterliegen nur in den Fällen einem Rechtsmittel, in denen die Insolvenzordnung dies ausdrücklich vorschreibt (§ 6 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Insolvenzordnung sieht weder ein Recht eines einzelnen Insolvenzgläubigers vor, die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters zu beantragen (BGH, Beschluss vom 20. September 2007 - IX ZB 239/06, nv; vom 16. Dezember 2010 - IX ZB 238/09, ZInsO 2011, 131 Rn. 7), noch enthält sie ausdrückliche Bestimmungen über ein Beschwerderecht gegen die Entscheidung des Insolvenzgerichts, keinen Sonderinsolvenzverwalter einzusetzen.

10        aa) Lehnt das Insolvenzgericht es ab, einen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen, steht dem einzelnen Insolvenzgläubiger gegen diese Entscheidung daher kein Beschwerderecht zu. Dies ist in der Rechtsprechung geklärt (BGH, Beschluss vom 20. September 2007 - IX ZB 239/06, nv; vom 5. Februar 2009 - IX ZB 187/08, ZIP 2009, 529 Rn. 2 ff, insb. 7 ff; vom 30. September 2010 - IX ZB 280/09, NZI 2010, 940 Rn. 5). Auch das Beschwerdegericht geht hiervon aus. Noch nicht entschieden ist, ob ein einzelner Gläubiger aufgrund eines von der Gläubigerversammlung abgeleiteten Beschwerderechts in entsprechender Anwendung von § 57 Satz 4, § 59 Abs. 2 Satz 2 InsO beschwerdebefugt ist (vgl. BGH, Beschluss vom 2. März 2006 - IX ZB 225/04, NZI 2006, 474 Rn. 12; vom 5. Februar 2009 aaO Rn. 7, 9; vom 30. September 2010 aaO). Dies kann auch weiterhin dahinstehen. In jedem Fall setzt ein solches Beschwerderecht eines einzelnen Gläubigers voraus, dass ein Beschluss der Gläubigerversammlung vorliegt, einen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen. § 57 Satz 4, § 59 Abs. 2 Satz 2 InsO dienen nur dazu, eine Entscheidung der Gläubigergesamtheit durchzusetzen, nicht jedoch dazu, das Recht eines einzelnen Gläubigers zu verwirklichen (BGH, Beschluss vom 5. Februar 2009 aaO Rn. 9; vom 30. September 2010 aaO).

11        Im Streitfall fehlt es bereits an einem wirksamen Beschluss der Gläubigerversammlung. Zwar hat das Beschwerdegericht nicht geprüft, ob ein solcher Beschluss getroffen worden ist. Wie die Rechtsbeschwerdeerwiderung zutreffend aufzeigt, gibt es jedoch offensichtlich keinen entsprechenden Beschluss der Gläubigerversammlung. Die entsprechenden Feststellungen kann der Senat selbst treffen, nachdem die maßgeblichen Tatsachen sich aus den Akten des Insolvenzverfahrens ergeben und es ausgeschlossen ist, dass weitere Tatsachenfeststellungen erforderlich sein werden. Eine aus § 57 Satz 4, § 59 Abs. 2 Satz 2 InsO abgeleitete Beschwerdebefugnis eines einzelnen Gläubigers besteht allenfalls dann, wenn die Gläubigerversammlung einen förmlichen Beschluss getroffen hat, einen Sonderinsolvenzverwalter einzusetzen. Dies setzt zum einen eine vom Insolvenzgericht einberufene und geleitete Gläubigerversammlung voraus (§ 76 Abs. 1 InsO); zum anderen muss insbesondere die Tagesordnung öffentlich bekannt gemacht worden sein (§ 74 Abs. 2 Satz 1 InsO). Zu einer ordnungsgemäßen Bekanntmachung der Tagesordnung gehört eine wenigstens schlagwortartige Bezeichnung der Tagesordnungspunkte (BGH, Beschluss vom 20. März 2008 - IX ZB 104/07, ZIP 2008, 1030 Rn. 3; vom 21. Juli 2011 - IX ZB 128/10, ZIP 2011, 1626 Rn. 7). Trifft die Gläubigerversammlung einen Beschluss über einen Gegenstand, der bei der öffentlichen Bekanntmachung nicht als Tagesordnungspunkt aufgeführt worden ist, ist dieser Beschluss der Gläubigerversammlung regelmäßig nichtig (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2011 aaO).

12        Im Streitfall gibt es weder eine Bekanntmachung, dass die Gläubigerversammlung vom 22. September 2014 über die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters zu entscheiden haben sollte, noch hat die am 22. September 2014 abgehaltene Gläubigerversammlung förmlich beschlossen, dass ein Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen ist. Das Insolvenzgericht hat eine Gläubigerversammlung mit dem einzigen Tagesordnungspunkt "Anhörung der Gläubigerversammlung zur Entscheidung über die Anregung des Schuldnervertreters [...], einen Sonderinsolvenzverwalter zu bestellen" anberaumt; diese Anordnung ist öffentlich bekannt gemacht worden. Damit diente die Gläubigerversammlung lediglich der Meinungsfindung und Tatsachenaufklärung und eröffnete den Insolvenzgläubigern rechtliches Gehör; eine Entscheidung der Gläubigerversammlung über die Einsetzung eines Sonderinsolvenzverwalters war nach dieser Tagesordnung nicht vorgesehen. Es war zulässig, die Tagesordnung der einberufenen Gläubigerversammlung in dieser Weise zu beschränken, weil kein gesetzlich zwingender Grund zur Einberufung einer Gläubigerversammlung bestand. Insbesondere lag kein Antrag gemäß § 75 Abs. 1 InsO vor. Vielmehr hat das Insolvenzgericht von seinem Ermessen Gebrauch gemacht, eine Gläubigerversammlung einzuberufen.

13        Das Insolvenzgericht hat die Gläubigerversammlung auch entsprechend der Tagesordnung durchgeführt. Das Insolvenzgericht hat ausweislich des Protokolls der Gläubigerversammlung während der Sitzung darauf hingewiesen, dass die Gläubigerversammlung dazu diene, die Gläubiger anzuhören und ein Meinungsbild zu erhalten, eine Entscheidung über die Bestellung eines Insolvenzverwalters jedoch im Anschluss durch das Gericht erfolgen solle. Eine förmliche Beschlussfassung ist ausweislich des Protokolls nicht erfolgt. Das Insolvenzgericht hat lediglich im Rahmen der Anhörung der Beteiligten die Äußerungen der Schuldnerin und der weiteren Beteiligten zu 1 und 2 protokolliert, sie blieben bei der Anregung auf Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters beziehungsweise sprächen sich für die Bestellung eines Sonderinsolvenzverwalters aus. Unter den Umständen des Streitfalls stellt dies weder einen Beschluss der Gläubigerversammlung dar noch können diese Äußerungen einen Beschluss der Gläubigerversammlung ersetzen. Auf die von der Rechtsbeschwerde erörterten Fragen, welche der Beteiligten auf der Gläubigerversammlung stimmberechtigt und welche weiteren Insolvenzgläubiger teilnahmeberechtigt waren, kommt es daher nicht an.

14        bb) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ergibt sich schließlich nicht deshalb ein Beschwerderecht der weiteren Beteiligten zu 1 und 2, weil - wie die Rechtsbeschwerde meint - ihre Äußerungen in der Gläubigerversammlung als Antrag auf teilweise oder vollständige Entlassung des Insolvenzverwalters zu verstehen seien. Darauf kommt es schon deshalb nicht an, weil weder die Beteiligten einen solchen Antrag gestellt haben noch eine Gläubigerversammlung zu dieser Frage einberufen worden ist.

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