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Wirtschaftsrecht
16.05.2012
Wirtschaftsrecht
OLG München: Bestellung des Vorstandes einer AG zum Geschäftsführer einer GmbH

OLG München, Beschluss vom 08.05.2012 - 31 Wx 69/12



Leitsatz





Bestellt sich der Vorstand einer Aktiengesellschaft zum Geschäftsführer einer GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Aktiengesellschaft ist, so liegt darin kein Verstoß gegen § 112 AktG.


Sachverhalt


I. Die Beteiligte ist eine GmbH, deren einzige Gesellschafterin eine Aktiengesellschaft ist. Einer ihrer Vorstände ist Herr H., den der Aufsichtsrat der AG am 8.2.2012 zum weiteren Vorstand der Aktiengesellschaft bestellt hatte. Gleichzeitig wurde er von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.


Auf einer Gesellschafterversammlung für die GmbH vom 13.2.2012 beschlossen die beiden Vorstände der Aktiengesellschaft, Herrn H. zum weiteren Geschäftsführer der GmbH zu bestellen.


Nach Anmeldung der Änderungen zum Handelsregister erhob das Amtsgericht im Schreiben vom 17.2.2012 Bedenken, da ein Vorstand der Aktiengesellschaft nicht in der Lage sei, sich selbst zum Geschäftsführer der Tochter-GmbH zu ernennen.


Der dagegen eingelegten Beschwerde vom 20.2.2012 hat das Amtsgericht am 22.2.2012 nicht abgeholfen und § 112 AktG als Hinderungsgrund angegeben.


Aus den Gründen


II. Die zulässige Beschwerde ist begründet.


1. Die Bestellung der eigenen Person als Geschäftsführer der Tochter-GmbH durch den Vorstand der Mutter-AG fällt nicht in den Anwendungsbereich des § 112 AktG.


Dies ist allerdings umstritten.


a) Das Landgericht Berlin (NJW-RR 1997, 1534) bejaht die Anwendbarkeit von § 112 AktG im vorliegenden Fall. Die Bestellung eines Geschäftsführers für die Tochter-GmbH sei nämlich keine laufende Geschäftsführungsmaßnahme, die die Anwendung von § 181 BGB ausschließe. Vielmehr liege ein Interessenkonflikt im Sinne von § 181 BGB vor. Die zu § 181 BGB entwickelten Grundsätze müssten auch im Rahmen des § 112 AktG herangezogen werden, da diese Vorschrift eine unbefangene Wahrung der Gesellschaftsbelange sichern und Interessenkollisionen verhindern wolle, wenn Vorstandsmitglieder an dem in Frage stehenden Rechtsverhältnis selbst beteiligt seien.


b) Dagegen will das OLG Frankfurt a.M. (ZIP 2006, 1904) § 112 AktG beim Abschluss eines Geschäftsführungsvertrags zwischen dem Vorstandsmitglied einer AG und einer GmbH & Co KG, an der die Aktiengesellschaft als Kommanditistin bzw. als alleinige Gesellschafterin der Komplementär-GmbH beteiligt ist, nicht anwenden. § 112 AktG sehe keine Allzuständigkeit des Aufsichtsrates vor, wenn es zwischen einem Vorstandsmitglied und der Aktiengesellschaft zu einer Interessenkollision kommen könne.


c) Die Literatur hält § 112 AktG auch bei Bestellung des Vorstands(mitglieds) einer AG als Geschäftsführer einer GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die Aktiengesellschaft ist, nicht für anwendbar (Hüffer, AktG, 10. Aufl. 2012, § 112 Rn. 3a mit weiteren Nachweisen). Zum einen gelte § 112 AktG nur für die Vertretung der Gesellschaft, nicht aber eines Dritten. Die Bestellung eines Vorstandsmitglieds zum Geschäftsführer einer Untergesellschaft sei allein ein Organakt der Untergesellschaft und nicht der Obergesellschaft als deren Alleingesellschafterin (Mertens in KK AktG, 2. Aufl. 1996 § 112 Rn. 2). Zudem sei die Bestellung eines Geschäftsführers ein Vorgang der körperschaftlichen Willensbildung, für die das Verbot des Selbstkontrahierens nicht gelte (Mertens a.a.O.; Hopt/Roth, AktG, 4. Aufl. 2006, § 112 Rn. 66 jeweils unter Hinweis auf BGHZ 52, 316 <318>; einschränkend aber BGH NJW 1989, 168, wonach für die Frage des Interessenkonfliktes nicht allein auf die Zielrichtung der Willenserklärung abgestellt werden kann). Schließlich berühre das Rechtsgeschäft auch nicht das Vorstandsamt der Vorstandsmitglieder und ihre daraus gegenüber der AG resultierenden Pflichten (Commichau RPfleger 1995, 98 <99>; Hopt/Roth a.a.O.); ein Interessenkonflikt hinsichtlich der Belange der Aktiengesellschaft sei daher nicht zu besorgen.


d) Der Senat schließt sich der Meinung der Literatur an. Der vom Landgericht Berlin gezogene Schluss, dass die Grundsätze zu § 181 BGB vollständig auf § 112 AktG anzuwenden seien, überzeugt nicht. Schon nach dem Wortlaut sind die Vorschriften nicht deckungsgleich. § 112 AktG liegt die Erwägung zugrunde, dass der Vorstand befangen sein könnte, wenn es sich um die Vertretung der Aktiengesellschaft gegenüber den Vorständen geht. Eine Anwendung auf ein Rechtsgeschäft zwischen dem Vorstand der Aktiengesellschaft und einer GmbH, an der die AG beteiligt ist, würde den Anwendungsbereich des § 112 AktG zu weit ausdehnen. § 112 AktG ist - anders als § 181 BGB - nicht abdingbar (OLG Hamburg NJW-RR 1986, 1483; Hüffer, § 112 Rn. 1). Die Anwendung des § 112 AktG auf alle Fälle des § 181 BGB würde daher zur Folge haben, dass in solchen Fällen immer der Aufsichtsrat für die Aktiengesellschaft handeln müsste. Eine generelle Vertretung der Aktiengesellschaft durch den Aufsichtsrat entspricht aber nicht dem Regelungszweck des § 112 AktG (OLG Frankfurt am Main ZIP 2006, 1904/1905; Commichau a.a.O.).


2. Soweit in der Bestellung der eigenen Person als Geschäftsführer der Tochter-GmbH durch den Vorstand der AG eine Interessenkollision im Sinne von § 181 BGB gesehen wird (vgl. LG Berlin NJW-RR 1534; OLG Frankfurt ZIP 2006, 1904/1906; Hopt/Roth §112 Rn. 68) oder jedenfalls sicherheitshalber die Ermächtigung des Vorstands durch den Aufsichtsrat oder dessen Zustimmung gefordert wird (Mertens in Kölner Kommentar § 112 Rn 2; Hüffer §112 AktG Rn 3a), steht dies der Eintragung ebenfalls nicht entgegen. Der Aufsichtsrat hat nämlich den Vorstand im Vorfeld der Bestellung von der Beschränkung des § 181 BGB befreit.

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