BGH: Beschwerde gegen Insolvenzverfahrenseröffnung
Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 17.07.2008
Aktenzeichen: IX ZB 225/07
Rechtsgebiete: InsO
Vorschriften:
InsO § 26 | |
InsO § 34 Abs. 2 |
Wird auf Antrag des Schuldners über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet, ist eine von dem Schuldner dagegen eingelegte Beschwerde auch dann unzulässig, wenn sie auf die Rüge einer die Kosten des Verfahrens nicht deckenden Masse gestützt wird.
BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS
IX ZB 225/07
vom 17. Juli 2008
in dem Insolvenzverfahren
Der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch den Vorsitzenden Richter Dr. Ganter, die Richter Prof. Dr. Gehrlein und Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Fischer
am 17. Juli 2008
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig vom 23. Oktober 2007 wird auf Kosten der Schuldnerin als unbegründet zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert wird auf 26.000 € festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Schuldnerin, eine GmbH & Co. KG, beantragte am 12. Februar 2007 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen. Der von dem Amtsgericht als Gutachter eingesetzte Rechtsanwalt Dr. S. empfahl die Eröffnung des Verfahrens, weil die Schuldnerin sowohl zahlungsunfähig als auch überschuldet sei und das vorhandene Vermögen zur Deckung der Verfahrenskosten ausreiche. Durch Beschluss vom 2. Juli 2007 hat das Amtsgericht das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. S. zum Insolvenzverwalter bestellt. Gegen diesen Beschluss hat die Schuldnerin sofortige Beschwerde eingelegt und geltend gemacht, der Antrag sei mangels einer kostendeckenden Masse abzuweisen. Das Landgericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Schuldnerin ihr Begehren, die Insolvenzeröffnung aufzuheben, weiter. II. Die gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, §§ 7, 6 Abs. 1, § 34 Abs. 2 InsO statthafte Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde der Schuldnerin mit Recht mangels einer Beschwer als unzulässig verworfen. 1. Wird das Insolvenzverfahren auf Antrag des Schuldners eröffnet, steht ihm nach neuerer Rechtsprechung des Senats gegen diese Entscheidung grundsätzlich kein Beschwerderecht zu. Diese rechtliche Würdigung beruht auf der Erwägung, dass der Schuldner durch die seinem Antrag entsprechende Verfahrenseröffnung keine formelle Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Einlegung eines Rechtsmittels erleidet (BGH, Beschl. v. 18. Januar 2007 - IX ZB 170/06, ZIP 2007, 499 Rn. 6). Daran anknüpfend hat der Senat einem Schuldner, der die auf seinem Antrag beruhende Verfahrenseröffnung unter dem Gesichtspunkt einer die Kosten des Verfahrens nicht deckenden Masse (§ 26 InsO) beanstandet hat, die Beschwer abgesprochen (BGH, Beschl. v. 26. April 2007 - IX ZB 8/06, ZInsO 2007, 663, 664 Rn. 3). 2. An diesen Grundsätzen ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde festzuhalten. a) Zu Unrecht beruft sich die Rechtsbeschwerde auf den Senatsbeschluss vom 15. Juli 2004 - IX ZB 172/03, ZIP 2004, 1727, der einen Sachverhalt betraf, in dem das Insolvenzverfahren auf Antrag eines Gläubigers eröffnet worden war und der Schuldner dieser Entscheidung unter Berufung auf eine fehlende Kostendeckung mit der Beschwerde entgegentrat. Davon abweichend ist in vorliegender Sache das Insolvenzverfahren auf den Eigenantrag der Schuldnerin und nicht den Antrag eines Gläubigers eröffnet worden. In dieser Verfahrenslage fehlt es an einer formellen Beschwer der Schuldnerin für die Einlegung eines - gleich auf welche Rüge gestützten - Rechtsmittels (vgl. Braun/Herzig, InsO 3. Aufl. § 34 Rn. 8). b) Das Interesse des Schuldners, den Insolvenzbeschlag künftigen Vermögens (§ 35 InsO), den Verlust der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (§ 80 InsO) sowie die Pflichten aus §§ 97 ff InsO zu vermeiden, rechtfertigt entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (HK-InsO/Kirchhof, 4. Aufl. § 34 Rn. 9) nicht, dem Schuldner nach Stellung eines Eigenantrages zur Geltendmachung der Masselosigkeit den Rechtsmittelzug zu eröffnen. Die genannten Interessen des Schuldners sind, wenn ein Grund für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens - im Streitfall sowohl Zahlungsunfähigkeit als auch Überschuldung - gegeben ist, nicht schützenswert. Die (Wieder-)Erlangung der Verfügungsbefugnis beruht im Fall der Masselosigkeit nicht auf einem Anspruch des Schuldners, sein Restvermögen behalten zu dürfen, sondern allein auf der Unzulänglichkeit seines Vermögens (Jaeger/Schilken, InsO § 34 Rn. 26). Da das Gesetz dem Schuldner einen Antrag auf Einstellung des Verfahrens wegen Massearmut versagt, erschiene es unangemessen, ihm die Verfolgung dieses Ziels auf einen von ihm gestellten Eröffnungsantrag hin zu ermöglichen (OLG Köln, NZI 2002, 101 f). Handelt es sich - wie im Streitfall - um eine Handelsgesellschaft, ist ein rechtliches Interesse der Organe, die nach Abweisung eines Insolvenzantrags mangels Masse aufgelöste Gesellschaft (vgl. § 131 Abs. 2 Nr. 1 HGB, § 60 Abs. 1 Nr. 5 GmbHG, § 262 Abs. 1 Nr. 4 AktG, § 81a Nr. 1 GenG) selbst liquidieren zu können, nicht anzuerkennen (LG München II ZIP 1996, 1952, 1953). c) Aus der Gesellschaftsorgane ohne Rücksicht auf eine Unzulänglichkeit der Masse treffenden Insolvenzantragspflicht kann nicht auf eine Befugnis geschlossen werden, die beantragte Verfahrenseröffnung wegen Masselosigkeit anzugreifen (OLG Celle ZIP 1999, 1605 f; OLG Stuttgart NZI 1999, 491, 492; LG München II ZIP 1996, 1952, 1953; FK-InsO/Schmerbach, 4. Aufl. § 34 Rn. 20; a.A. OLG Bamberg ZIP 1983, 200; OLG Karlsruhe ZIP 1989, 1070, 1071; 1992, 417, 418). Die teilweise strafbewehrte Insolvenzantragspflicht der Gesellschaftsorgane (vgl. § 64 Abs. 1, § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG, § 130a Abs. 1, §§ 130b, 177a HGB, § 92 Abs. 2, § 401 Abs. 1 Nr. 2 AktG, § 99 Abs. 1, § 148 Abs. 1 Nr. 2 GenG, § 42 Abs. 2 BGB) zielt - wie die Haftungsfolgen sowohl im Verhältnis zu den Gesellschaftsgläubigern (§ 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit den genannten Vorschriften) als auch im Verhältnis zu der Gesellschaft (§ 64 Abs. 2 GmbHG, § 130a Abs. 2 HGB, § 92 Abs. 3 AktG, § 99 Abs. 2 GenG) belegen - auf eine frühzeitige, an die Verwirklichung der einzelnen Insolvenzgründe anknüpfende Antragstellung, um einer Teilnahme insolvenzreifer haftungsbeschränkter Gesellschaften am Rechts- und Geschäftsverkehr vorzubeugen (Michalski/Nerlich, GmbHG § 64 Rn. 6). Der Pflicht ist mit Erkennbarkeit (BGHZ 143, 184, 185) vom Eintritt des Insolvenzgrundes unverzüglich ("ohne schuldhaftes Zögern") zu genügen, wenn feststeht, dass binnen der Dreiwochenfrist eine Sanierung nicht ernstlich zu erwarten ist (BGHZ 75, 96, 111 f; BGHSt 48, 307, 309). Bei strikter Befolgung der schon ab Überschuldung eingreifenden Insolvenzantragspflicht dürfte es regelmäßig nicht zu einer masselosen Insolvenz kommen. Wird der Antrag in unzulässiger Weise verzögert, können darauf beruhende Haftungsansprüche gegen Gesellschaftsorgane oder Dritte zu einer jedenfalls die Kosten deckenden Anreicherung der Masse führen (MünchKomm-InsO/Schmahl, 2. Aufl. § 34 Rn. 71). Der Zweck einer rechtzeitigen Antragstellung darf nicht durch die den Organen an die Hand gegebene faktische Befugnis, den Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens hinauszuzögern und die Verfahrenseröffnung durch den Hinweis auf die Masselosigkeit der Gesellschaft letztlich zu verhindern, angetastet werden. Andernfalls bestünde die nahe liegende Gefahr, dass Gesellschaftsorgane die Schuldnerin vor Antragstellung ausplündern, um danach mit Hilfe eines Eigenantrages die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und die Verwirklichung etwaiger Haftungsansprüche zu vereiteln (OLG Celle ZIP 1999, 1605 f; MünchKomm-InsO/Schmahl, aaO). Darum ist es nach Stellung eines Eigenantrages von der Schuldnerin und ihren Organen hinzunehmen, wenn das Amtsgericht in der Annahme einer kostendeckenden Masse das Insolvenzverfahren eröffnet. d) Schließlich sprechen auch Kostengesichtspunkte nach Stellung eines Eigenantrags nicht für die Zulassung eines auf eine fehlende Kostendeckung gegründeten Rechtsmittels des Schuldners. Das Erfordernis einer Kostendeckung dient allein dazu, die Staatskasse und den Verwalter vor Forderungsausfällen zu bewahren (FK-InsO/Schmerbach, aaO § 34 Rn. 21). Falls die durch die Insolvenzeröffnung entstehenden Verfahrenskosten nicht gedeckt sind, wirkt sich dies zum Nachteil des Insolvenzverwalters, der Gläubiger oder der Staatskasse aus. Mangels eigener schutzwürdiger wirtschaftlicher Belange kann dem Schuldner nach Stellung eines Eigenantrags nicht gestattet werden, seinerseits eine Abweisung des Eröffnungsantrags mangels Masse zu erreichen (LG München II, aaO S. 1953).
BGHR: | ja |
Nachschlagewerk: | ja |
Verfahrensgang: | AG Leipzig, 405 N 546/07 vom 02.07.2007 LG Leipzig, 12 T 866/07 vom 23.10.2007 |