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Wirtschaftsrecht
13.06.2019
Wirtschaftsrecht
EuGH: Bereitstellung einer Software mit einer „Voice over Internet Protocol" als „elektronische Kommunikationsdienst“

EuGH, Urteil vom 5.6.2019 – C‑142/18, Skype Communications Sàrl gegen Institut belge des services postaux et des télécommunications (IBPT)

ECLI:EU:C:2019:460

Volltext: BB-ONLINE BBL2019-1409-1

 

Tenor

Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Bereitstellung einer Software mit einer „Voice over Internet Protocol (VoIP)“ (Stimmübertragung über Internetprotokoll)-Funktion, mit der der Nutzer von einem Endgerät über das öffentliche Telefonnetz (PSTN) eines Mitgliedstaats eine Festnetz- oder Mobilfunknummer eines nationalen Rufnummernplans anrufen kann, als „elektronischer Kommunikationsdienst“ im Sinne dieser Vorschrift einzustufen ist, wenn zum einen dem Herausgeber der Software für die Bereitstellung dieses Dienstes Entgelt gezahlt wird und sie zum anderen den Abschluss von Vereinbarungen des Herausgebers mit für die Übertragung und die Terminierung von Anrufen in das PSTN ordnungsgemäß zugelassenen Telekommunikationsdienstleistern beinhaltet.

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 2002/21/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (Rahmenrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 33) in der durch die Richtlinie 2009/140/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 37) geänderten Fassung (im Folgenden: Rahmenrichtlinie).

2          Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der Skype Communications Sàrl und dem Institut belge des services postaux et des télécommunications (Belgisches Institut für Post und Fernmeldewesen, IBPT) über dessen Entscheidung, gegen sie eine Geldbuße wegen Bereitstellung eines elektronischen Kommunikationsdiensts, ohne zuvor die erforderliche Meldung vorgenommen zu haben, zu verhängen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3          Der zehnte Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie lautet:

„Die Begriffsbestimmung für ‚Dienste der Informationsgesellschaft‘ in Artikel 1 der Richtlinie 98/34/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juni 1998 über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften und der Vorschriften für die Dienste der Informationsgesellschaft [(ABl. 1998, L 204, S. 37) in der durch die Richtlinie 98/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juli 1998 (ABl. 1998, L 217, S. 18) geänderten Fassung] umfasst einen weiten Bereich von wirtschaftlichen Tätigkeiten, die online erfolgen. Die meisten dieser Tätigkeiten werden vom Geltungsbereich der vorliegenden Richtlinie nicht erfasst, weil sie nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen. Sprachtelefonie- und E‑Mail-Übertragungsdienste werden von dieser Richtlinie erfasst. Dasselbe Unternehmen, beispielsweise ein Internet-Diensteanbieter, kann sowohl elektronische Kommunikationsdienste, wie den Zugang zum Internet, als auch nicht unter diese Richtlinie fallende Dienste, wie die Bereitstellung von Internet gestützten Inhalten, anbieten.“

4          Art. 2 Buchst. c der Rahmenrichtlinie sieht vor:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

c) ‚elektronische Kommunikationsdienste‘: gewöhnlich gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen, einschließlich Telekommunikations- und Übertragungsdienste in Rundfunknetzen, jedoch ausgenommen Dienste, die Inhalte über elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben; nicht dazu gehören die Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne von Artikel 1 der [Richtlinie 98/34], die nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen“.

5   Art. 8 („Politische Ziele und regulatorische Grundsätze“) der Rahmenrichtlinie bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die nationalen Regulierungsbehörden bei der Wahrnehmung der in dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien festgelegten regulatorischen Aufgaben alle angezeigten Maßnahmen treffen, die den in den Absätzen 2, 3 und 4 vorgegebenen Zielen dienen. Die Maßnahmen müssen in angemessenem Verhältnis zu diesen Zielen stehen.

Soweit in Artikel 9 zu den Funkfrequenzen nichts anderes vorgesehen ist, berücksichtigen die Mitgliedstaaten weitestgehend, dass die Regulierung möglichst technologieneutral sein sollte, und sorgen dafür, dass die nationalen Regulierungsbehörden bei der Wahrnehmung der in dieser Richtlinie und den Einzelrichtlinien festgelegten Regulierungsaufgaben, insbesondere der Aufgaben, die der Gewährleistung eines wirksamen Wettbewerbs dienen, dies ebenfalls tun.

(2) Die nationalen Regulierungsbehörden fördern den Wettbewerb bei der Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste sowie zugehöriger Einrichtungen und Dienste, indem sie unter anderem

b) gewährleisten, dass es keine Wettbewerbsverzerrungen oder ‑beschränkungen im Bereich der elektronischen Kommunikation, einschließlich der Bereitstellung von Inhalten, gibt;

(4) Die nationalen Regulierungsbehörden fördern die Interessen der Bürger der Europäischen Union, indem sie unter anderem

b) einen weit gehenden Verbraucherschutz in den Beziehungen zwischen Kunden und Anbietern gewährleisten, insbesondere durch einfache, kostengünstige Verfahren zur Beilegung von Streitigkeiten; diese Verfahren werden von einer von den Betroffenen unabhängigen Stelle durchgeführt;

c) dazu beitragen, dass ein hohes Datenschutzniveau gewährleistet wird;

…“

Belgisches Recht

6          Art. 2 Nr. 5 der Loi du 13 juin 2005 relative aux communications électroniques (Gesetz vom 13. Juni 2005 über die elektronische Kommunikation) (Belgisches Staatsblatt vom 20. Juni 2005, S. 28070) in ihrer auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (im Folgenden: LCE) sieht vor:

„Für die Anwendung des vorliegenden Gesetzes versteht man unter:

5. ‚elektronischen Kommunikationsdiensten‘: gewöhnlich gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen, einschließlich Vermittlungs‑ und Leitwegbestimmungsvorgänge, ausgenommen (a) Dienste, die Inhalte (mit Hilfe elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste) anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben; (b) Dienste der Informationsgesellschaft, wie in Artikel 2 des Gesetzes vom 11. März 2003 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft [(Belgisches Staatsblatt vom 17. März 2003, S. 12962)] bestimmt, die nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen; und (c) Rundfunk‑ und Fernsehdienste“.

7          Art. 9 § 1 LCE bestimmt:

„Unbeschadet der Bestimmungen von Artikel 39 darf mit Bereitstellung beziehungsweise Verkauf in eigenem Namen und für eigene Rechnung von elektronischen Kommunikationsdiensten bzw. ‑netzen erst begonnen werden, nachdem dem [IBPT] folgende Angaben gemeldet worden sind:

1. Name, Anschrift, Mehrwertsteuernummer und Handelsregisternummer des Anbieters oder ähnliche Erkennungsnummer, die rechtsgültig für diese Angaben steht,

2. Kontaktperson für das Institut,

3. knappe und präzise Beschreibung des Dienstes beziehungsweise Netzes,

4. Datum, an dem die Tätigkeiten voraussichtlich aufgenommen werden.

Die Meldung erfolgt durch Einschreibesendung.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

8          Das Unternehmen Skype Communications ist Herausgeber der Kommunikationssoftware „Skype“, mit der der Nutzer, der sie auf einem Endgerät, nämlich einem Computer, einem Tablet oder auch einem Smartphone, einrichtet, einen Sprachtelefonie- und Telekonferenzdienst von einem Gerät zum anderen in Anspruch nehmen kann. SkypeOut ist eine Zusatzfunktion der Skype-Software, mit der ihr Nutzer unter Verwendung des Internet Protocol (IP) (Internet-Protokoll [IP]) und vor allem der sogenannten „Voice over IP (VoIP)“ (Stimmübertragung über Internetprotokoll)-Technik Telefonanrufe von einem Endgerät an einen Festnetz- oder Mobilfunkanschluss tätigen kann. Mit SkypeOut können jedoch keine Telefonanrufe von Nutzern belgischer Telefonnummern angenommen werden.

9          Der über SkypeOut erbrachte Dienst ist ein sogenannter OTT („Over-the-top“)-Dienst, d. h. ein Dienst, der ohne Beteiligung eines Netzbetreibers im herkömmlichen Sinn im Internet verfügbar ist.

10        SkypeOut steht den Nutzern nach zwei Entgeltformeln zur Verfügung, nämlich Vorauszahlung oder verschiedene Abonnemente, die das Recht auf ein bestimmtes Anrufvolumen monatlich zu einem wiederkehrenden Preis begründen.

11        Die Nutzung von SkypeOut bedarf in technischer Hinsicht einer von einem Internetzugangsanbieter („Internet Access Provider“, IAP) bereitgestellten Internetverbindung und des Einsatzes von ordnungsgemäß für die Übertragung und die Terminierung von Anrufen in ein öffentliches Telefonnetz („Public Switched Telephone Network“ [PSTN]) zugelassenen Telekommunikationsdienstleistern, mit denen Skype Communications Vereinbarungen abgeschlossen hat und deren Einsatz von ihr in Form eines Terminierungsentgelts (fixed termination rate [FTR] oder mobile termination rate [MTR]) vergütet wird.

12        Mit Schreiben vom 11. Mai und vom 9. August 2011 forderte das IBPT Skype Communications auf, ihm seine Dienste nach Art. 9 § 1 LCE zu melden und das Meldeformular beizufügen.

13        Am 24. August 2011 antwortete Skype Communications, dass sie in Belgien keine Tätigkeit ausübe und jedenfalls keine elektronischen Kommunikationsdienste, wie in der Rahmenrichtlinie definiert, erbringe, da sie selbst keine Signale übertrage. Sie weist im Übrigen darauf hin, dass sie für die SkypeOut-Funktion internationale Betreiber in Anspruch nehme, die selbst die Signale weiterleiteten.

14        Am 14. August 2013 schrieb das IBPT erneut an Skype Communications und wies sie darauf hin, dass sie ihrer Mitteilungspflicht für SkypeOut nicht nachgekommen sei. Das IBPT machte geltend, dass SkypeOut zu den „elektronischen Kommunikationsdiensten“ im Sinne von Art. 2 Nr. 5 LCE gehöre. Zum einen zeige nämlich der Umstand, dass ein Rufnummernplan verwendet werde, dass es sich um einen Dienst handele, der mehr als eine Webanwendung sei und nicht unter die inhaltliche Ausnahme, wie sie in der Definition der elektronischen Kommunikationsdienste erwähnt werde, falle. Zum anderen hindere der Umstand, dass Skype Communications nicht die Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze gewährleiste, sie nicht daran, tatsächlich solche Dienste anzubieten. Schließlich richte sich der SkypeOut-Dienst an in Belgien ansässige Nutzer.

15        Am 13. Dezember 2013 trat Skype Communications der Auffassung des IBPT mit dem Argument entgegen, dass ihr aus dem belgischen Rufnummernplan keine Nummern zugeteilt worden seien. Der Umstand, dass die Verbindungen in Nummern endeten, die zu diesem belgischen Rufnummernplan gehörten, könne vernünftigerweise nicht dahin verstanden werden, dass er die Stellung eines elektronischen Kommunikationsdiensts verleihe. Alles andere würde bedeuten, dass alle Telefongesellschaften der Welt dem belgischen Meldesystem für elektronische Kommunikationsdienste unterworfen wären, auch wenn sie für die Terminierung der Anrufe an Nummern des belgischen Rufnummernplans einen ordnungsgemäß zugelassenen Drittanbieter in Anspruch nähmen.

16        Am 23. Dezember 2014 übermittelte das IBPT Skype Communications seine Beschwerdepunkte wegen der Nichteinhaltung von Art. 9 § 1 LCE und der geplanten Maßnahmen.

17        Nach mehreren Aussprachen und Anhörungen teilte das IBPT Skype Communications am 1. Juni 2016 seine endgültige Entscheidung vom 30. Mai 2016 mit, in der es feststellte, dass die Gesellschaft gegen Art. 9 § 1 LCE verstoßen habe, weil sie einen elektronischen Kommunikationsdienst bereitgestellt habe, ohne die erforderliche Meldung zu machen, sie anwies, die Zuwiderhandlung innerhalb höchstens eines Monats abzustellen, und ihr eine Geldbuße in Höhe von 223 454 Euro, zahlbar innerhalb von 60 Tagen, auferlegte.

18        Am 29. Juli 2016 erhob Skype Communications bei der Cour d’appel de Bruxelles (Berufungsgericht Brüssel, Belgien) Klage auf Nichtigerklärung der Entscheidung des IBPT vom 30. Mai 2016 und beantragte u. a. festzustellen, dass SkypeOut kein elektronischer Kommunikationsdienst und sie daher nicht Anbieterin elektronischer Kommunikationsdienste sei. Hilfsweise beantragte sie, dem Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen vorzulegen.

19        Am 9. Oktober 2017 meldete Microsoft Ireland Operations, die wie Skype Communications zum Microsoft-Konzern gehört, dem IBPT gemäß Art. 9 LCE den sogenannten „PSTN Calling“-Dienst, der ebenfalls Anrufe von einem Computer und einer Internetverbindung zu PSTN-Nummern ermöglicht. Nach Auffassung von Skype Communications weist der „PSTN Calling“-Dienst erhebliche technische Unterschiede zu SkypeOut auf, was seine Meldung als elektronischen Kommunikationsdienst rechtfertige.

20        In seinem Vorabentscheidungsersuchen stellt das vorlegende Gericht fest, dass Skype Communications entgegen ihrem Vorbringen ein Angebot an in Belgien ansässige Personen mache, so dass der SkypeOut-Dienst sehr wohl in Belgien angeboten werde. Im Übrigen seien sich die Parteien des Ausgangsverfahrens nicht darüber einig, ob der von SkypeOut angebotene Dienst ganz oder überwiegend aus der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehe. Insoweit habe der Gerichtshof in seinem Urteil vom 30. April 2014, UPC DTH (C‑475/12, EU:C:2014:285, Rn. 43), entschieden, dass „der Umstand, dass die Übertragung des Signals über eine Infrastruktur erfolgt, die nicht [dem Antragsteller] gehört, für die Einordnung der Art der Dienstleistung unerheblich ist. Es kommt nämlich nur darauf an, dass [der Antragsteller] gegenüber den Endnutzern für die Übertragung des Signals, die diesen die Bereitstellung des Dienstes, den sie abonniert haben, gewährleistet, verantwortlich ist.“

21        Die Cour d’appel de Bruxelles (Berufungsgericht Brüssel) hat daher beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist die Definition der elektronischen Kommunikationsdienste in Art. 2 Buchst. c der Rahmenrichtlinie dahin zu verstehen, dass ein über eine Software angebotener VoIP-Dienst, der in einem öffentlichen Telefonnetz über Vermittlung an eine Festnetz- oder Mobilfunknummer eines nationalen Rufnummernplans (im Format E.164) abgeschlossen wird, ungeachtet des Umstands, dass der Internetzugangsdienst, über den ein Nutzer Zugang zu diesem VoIP-Dienst erhält, bereits selbst einen elektronischen Kommunikationsdienst darstellt, als elektronischer Kommunikationsdienst einzustufen ist, wenn der Anbieter der Software diesen Dienst gegen Entgelt anbietet und mit den ordnungsgemäß für die Übertragung und die Terminierung von Anrufen in das öffentliche Telefonwählnetz zugelassenen Telekommunikationsdienstleistern Verträge schließt, die die Terminierung von Anrufen zu einer Festnetz- oder Mobilfunknummer eines nationalen Rufnummernplans erlauben?

2. Falls die erste Frage bejaht werden sollte, gilt dies auch dann, wenn berücksichtigt wird, dass die Funktion der Software, die den Sprachanruf ermöglicht, nur eine Funktion dieser Software ist und die Software auch ohne die Funktion genutzt werden kann?

3. Falls die erste und die zweite Frage bejaht werden sollten, ändert es etwas an der Antwort auf die erste Frage, wenn berücksichtigt wird, dass der Anbieter des Dienstes in seinen allgemeinen Vertragsbedingungen vorsieht, dass er gegenüber dem Endkunden keine Verantwortung für die Übertragung der Signale übernimmt?

4. Falls die erste, die zweite und die dritte Frage bejaht werden sollten, ändert es etwas an der Antwort auf die erste Frage, wenn berücksichtigt wird, dass der bereitgestellte Dienst auch unter die Definition einer „Dienstleistung der Informationsgesellschaft“ fällt?

Zu den Vorlagefragen

22        Mit seinen vier Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 2 Buchst. c der Rahmenrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die Bereitstellung einer Software mit einer VoIP-Funktion, mit der der Nutzer von einem Endgerät über das PSTN eines Mitgliedstaats eine Festnetz- oder Mobilfunknummer eines nationalen Rufnummernplans anrufen kann, als „elektronischer Kommunikationsdienst“ im Sinne dieser Vorschrift einzustufen ist, wenn zum einen dem Herausgeber der Software für die Bereitstellung dieses Dienstes Entgelt gezahlt wird und sie zum anderen den Abschluss von Vereinbarungen des Herausgebers mit für die Übertragung und die Terminierung von Anrufen in das PSTN ordnungsgemäß zugelassenen Telekommunikationsdienstleistern beinhaltet.

23        Insofern möchte es wissen, ob eine solche Einstufung auch dann gilt, wenn erstens der Internetzugangsdienst, über den der Nutzer auf den VoIP-Dienst zugreift, selbst ein elektronischer Kommunikationsdienst ist, zweitens der VoIP-Dienst über eine Zusatzfunktion einer Software angeboten wird, die ohne diese genutzt werden kann, drittens der Betreiber des Dienstes in seinen allgemeinen Vertragsbedingungen vorsieht, dass er keine Verantwortung für die Übertragung der Signale an den Endkunden übernimmt, und viertens der erbrachte Dienst auch unter den Begriff „Dienste der Informationsgesellschaft“ fällt.

24        Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Begriff „elektronische Kommunikationsdienste“ in Art. 2 Buchst. c der Rahmenrichtlinie positiv und negativ definiert wird und dass diese Definition nahezu wortgleich in Art. 1 Nr. 3 der Richtlinie 2002/77/EG der Kommission vom 16. September 2002 über den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (ABl. 2002, L 249, S. 21) übernommen wurde (Urteil vom 7. November 2013, UPC Nederland, C‑518/11, EU:C:2013:709, Rn. 36 und 37).

25        Nach der Definition in Art. 2 Buchst. c der Rahmenrichtlinie gelten nämlich erstens als elektronische Kommunikationsdienste „gewöhnlich gegen Entgelt erbrachte Dienste, die ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen, einschließlich Telekommunikations- und Übertragungsdienste in Rundfunknetzen“.

26        Zweitens heißt es in dieser Bestimmung, dass der Begriff „elektronische Kommunikationsdienste“ zum einen „Dienste, die Inhalte über elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben“, ausnimmt und zum anderen die „Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne von Artikel 1 der [Richtlinie 98/34], die nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen“, nicht erfasst.

27        Im fünften Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie heißt es hierzu u. a., dass angesichts der Verschmelzung von Telekommunikation, Medien und Informationstechnologien für alle Übertragungsnetze und ‑dienste ein einheitlicher Rechtsrahmen gelten sollte und dass es im Kontext der Errichtung dieses Rahmens notwendig ist, die Regulierung der Übertragung von der Regulierung von Inhalten zu trennen.

28        Wie der Gerichtshof bereits festgestellt hat, wird in den verschiedenen Richtlinien, die den auf die elektronischen Kommunikationsdienste anwendbaren neuen Rechtsrahmen darstellen, insbesondere der Rahmenrichtlinie und der Richtlinie 2002/77, klar zwischen der Produktion von Inhalten, die eine redaktionelle Kontrolle voraussetzt, und der Weiterleitung von Inhalten ohne jede redaktionelle Kontrolle unterschieden, wobei die Inhalte und ihre Übertragung unter getrennte Regelungen fallen, die jeweils eigene Ziele verfolgen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. November 2013, UPC Nederland, C‑518/11, EU:C:2013:709, Rn. 41, und vom 30. April 2014, UPC DTH, C‑475/12, EU:C:2014:285, Rn. 36).

29        Der Gerichtshof hat auch entschieden, dass ein Dienst, um unter den Begriff „elektronische Kommunikationsdienste“ zu fallen, die Übertragung von Signalen erfassen muss, wobei der Umstand, dass die Übertragung des Signals über eine Infrastruktur erfolgt, die nicht dem Dienstleistungserbringer gehört, für die Einordnung der Art der Dienstleistung unerheblich ist, da es insoweit nur darauf ankommt, dass dieser Dienstleistungserbringer gegenüber den Endnutzern für die Übertragung des Signals, die diesen die Bereitstellung des Dienstes, den sie abonniert haben, gewährleistet, verantwortlich ist (Urteil vom 30. April 2014, UPC DTH, C‑475/12, EU:C:2014:285, Rn. 43).

30        Im vorliegenden Fall ergibt sich aus dem Vorabentscheidungsersuchen sowie den beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen, dass die Herausgeberin der Skype-Software, Skype Communications, eine Zusatzfunktion zu dieser Software (SkypeOut) anbietet, mit der ihr Nutzer unter Verwendung des IP oder, genauer, der VoIP-Technik von einem mit dem Internet verbundenen Endgerät, wie einem Computer, einem Smartphone oder einem Tablet, über das PSTN eine Festnetz- oder Mobilfunknummer anrufen kann.

31        Es steht fest, dass Skype Communications den VoIP-Dienst in Belgien anbietet und dass sie von ihren Nutzern ein Entgelt erhält, da die Nutzung von SkypeOut entweder von einer Vorauszahlung oder einem Abonnement abhängig gemacht wird.

32        Es steht auch fest, dass die Nutzung von SkypeOut den Einsatz von für die Übertragung und die Terminierung von Anrufen über das PSTN an Festnetz- oder Mobilfunknummern zugelassenen Telekommunikationsdienstleistern erfordert und dass Skype Communications zu diesem Zweck Vereinbarungen mit diesen – denen sie eine Vergütung in Form von Festnetz- (fixed termination rate [FTR]) oder Mobilfunkterminierungsentgelten (mobile termination rate [MTR]) zahlt – abschließt.

33        Daraus ergibt sich, dass zum einen die SkypeOut-Funktion überwiegend darin besteht, die Sprachsignale über die elektronischen Kommunikationsnetze, nämlich zunächst das Internet, dann das PSTN, vom anrufenden Nutzer an den angerufenen Nutzer zu übertragen, und zum anderen davon auszugehen ist, dass Skype Communications gegenüber den Nutzern der SkypeOut-Funktion, die diesen Dienst abonniert haben oder die Nutzung dieses Dienstes vorausbezahlt haben, für die Übermittlung der Sprachsignale über das PSTN die Verantwortung im Sinne des Urteils vom 30. April 2014, UPC DTH (C‑475/12, EU:C:2014:285, Rn. 43), übernimmt.

34        Auch wenn nämlich in technischer Hinsicht die Weiterleitung der über SkypeOut getätigten Sprachanrufe physisch erstens von den IAP über Internet auf einem ersten Abschnitt von der Internetverbindung des anrufenden Nutzers bis zur Gateway-Verbindung (Gateway) zwischen Internet und PSTN und zweitens von den Telekommunikationsdienstleistern über das PSTN auf einem zweiten Abschnitt von dieser Gateway-Verbindung bis zum Mobilfunk- oder Festnetzanschluss des angerufenen Nutzers durchgeführt wird, erfolgt diese Übermittlung doch nach den Vereinbarungen zwischen Skype Communications und diesen Telekommunikationsdienstleistern und kann nicht ohne den Abschluss solcher Vereinbarungen erfolgen.

35        Wie die belgische, die deutsche, die niederländische und die rumänische Regierung sowie die Europäische Kommission im Wesentlichen geltend gemacht haben, macht Skype Communications über den Abschluss von Zusammenschaltungsvereinbarungen mit den PSTN-Telekommunikationsdienstleistern die Übertragung von Signalen des Internets zum PSTN technisch möglich und gewährleistet letztlich ihren Kunden und Abonnenten den mit der SkypeOut-Funktion ihrer Skype-Software erbrachten VoIP-Dienst.

36        Die verschiedenen vom vorlegenden Gericht in seinen vier Fragen angesprochenen Kriterien sind nicht geeignet, die Einstufung der SkypeOut-Funktion als „elektronischer Kommunikationsdienst“ im Sinne von Art. 2 Buchst. c der Rahmenrichtlinie in Frage zu stellen.

37        Erstens bedeutet nämlich der Umstand, dass der Nutzer der SkypeOut-Funktion über einen von einem IAP bereitgestellten Internetzugang, der selbst einen elektronischen Kommunikationsdienst darstellt, Zugang zu dem VoIP-Dienst erhält, nicht, dass dieser VoIP-Dienst als solcher nicht als „elektronischer Kommunikationsdienst“ eingestuft werden könnte.

38        Wie das vorlegende Gericht, die belgische Regierung und die Kommission festgestellt haben, beinhaltet der VoIP-Dienst nämlich zwei verschiedene elektronische Kommunikationsdienste, und zwar erstens die Weiterleitung der Sprachsignale des anrufenden Nutzers bis zum Verbindungsgateway (Gateway) zwischen Internet und PSTN, die der Verantwortung des IAP des anrufenden Nutzers unterliegt, und zweitens die Weiterleitung dieser Signale über das PSTN bis zur Festnetz- oder Mobilfunkterminierung, die nach den zwischen ihnen abgeschlossenen Verträgen der gemeinsamen Verantwortung der Telekommunikationsdienstleister der angerufenen Personen und Skype Communications unterliegt.

39        Es ist schließlich zu berücksichtigen, dass zwar, worauf die belgische Regierung hingewiesen hat, die von den Telekommunikationsdienstleistern, die die Terminierung der Anrufe in Mobilfunknetze oder Festnetze über das PSTN gewährleisten, erbrachten Dienste, elektronische Kommunikationsdienste sind, diese Anbieter jedoch nicht für die Übertragung von Sprachsignalen an die Nutzer der SkypeOut-Funktion im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs haftbar gemacht werden können, da sie zu diesen Nutzern kein Vertragsverhältnis unterhalten.

40        Auch wenn eben diese Anbieter daher gegenüber Skype Communications für die Weiterleitung der mit Hilfe von SkypeOut über das PSTN geleiteten Sprachsignale vertraglich verantwortlich sind, ist dagegen Skype Communications für den VoIP-Dienst verantwortlich, den sie ihren Kunden und Abonnenten gegen Entgelt leistet.

41        Zweitens kann der Umstand, dass SkypeOut nur eine Funktion der Skype-Software ist, wobei diese Software ohne diese Funktion genutzt werden kann, keinen Einfluss auf die Einstufung des von Skype Communications bereitgestellten VoIP-Dienstes als elektronischer Kommunikationsdienst haben.

42        Zwar stellt, wie Skype Communications geltend macht, die Skype-Software eine Reihe von Dienstleistungen bereit, die im Rahmen des Ausgangsverfahrens nicht in Rede stehen, nämlich zum einen einen Dienst, der es seinen Nutzern ermöglicht, kostenlos Audio- und/oder Videokommunikation zwischen internetverbundenen Endgeräten zu betreiben, und zum anderen eine Reihe von Diensten, wie u. a. „Screen-Sharing“, „Instant Text Messaging“, „File-Sharing“ oder Simultanübersetzung, die nicht als „elektronische Kommunikationsdienste“ eingestuft werden können, da sie nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen bestehen.

43        Auch wenn die Einrichtung der SkypeOut-Funktion auf einem Endgerät die vorherige Einrichtung der Skype-Software voraussetzt, unterscheiden sich jedoch, wie u. a. von der belgischen, der deutschen, der niederländischen und der rumänischen Regierung geltend gemacht, die von der Skype-Software selbst beziehungsweise von der SkypeOut-Funktion angebotenen Dienste eindeutig durch ihren Gegenstand und bleiben in ihrem Betrieb völlig selbständig.

44        Drittens kann der Umstand, dass Skype Communications in ihren allgemeinen Vertragsbedingungen angibt, die Verantwortung für die Übertragung von Signalen an die Nutzer der SkypeOut-Funktion ihrer Skype-Software nicht zu übernehmen, keinen Einfluss auf die Einstufung des von dieser Funktion angebotenen VoIP-Dienstes als „elektronischer Kommunikationsdienst“ haben.

45        Würde man nämlich annehmen, dass sich der Anbieter einer Dienstleistung, die inhaltlich der Einstufung als „elektronischem Kommunikationsdienst“ unterfällt, dem Anwendungsbereich der Rahmenrichtlinie entziehen könnte, indem er in seinen allgemeinen Vertragsbedingungen eine Klausel aufnimmt, die ihn von jeder Haftung befreit, würde man den neuen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsdienste, dessen Ziel in der Schaffung eines wirklichen Binnenmarkts für die elektronische Kommunikation besteht, in dessen Rahmen diese letztendlich nur durch das Wettbewerbsrecht geregelt werden soll, vollständig seiner Bedeutung berauben (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. November 2013, UPC Nederland, C‑518/11, EU:C:2013:709, Rn. 45, und vom 30. April 2014, UPC DTH, C‑475/12, EU:C:2014:285, Rn. 44).

46        Viertens schließlich bedeutet der Umstand, dass der von SkypeOut erbrachte VoIP-Dienst auch unter den Begriff „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne der Richtlinie 98/34 fällt, keineswegs, dass er nicht als „elektronischer Kommunikationsdienst“ eingestuft werden könnte.

47        Bereits aus dem Wortlaut von Art. 2 Buchst. c in Verbindung mit dem zehnten Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie ergibt sich nämlich, dass von der Definition der elektronischen Kommunikationsdienste nur die Dienste der Informationsgesellschaft im Sinne von Art. 1 der Richtlinie 98/34 ausgeschlossen sind, die nicht ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze bestehen.

48        Daraus folgt, dass, wie sowohl die belgische, die deutsche, die niederländische und die rumänische Regierung als auch die Kommission geltend gemacht haben, ein „Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne der Richtlinie 98/34 in den Anwendungsbereich der Rahmenrichtlinie fällt, wenn er ganz oder überwiegend in der Übertragung von Signalen über elektronische Kommunikationsnetze besteht.

49        Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 2 Buchst. c der Rahmenrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die Bereitstellung einer Software mit einer VoIP-Funktion, mit der der Nutzer von einem Endgerät über das PSTN eines Mitgliedstaats eine Festnetz- oder Mobilfunknummer eines nationalen Rufnummernplans anrufen kann, als „elektronischer Kommunikationsdienst“ im Sinne dieser Vorschrift einzustufen ist, wenn zum einen dem Herausgeber der Software für die Bereitstellung dieses Dienstes Entgelt gezahlt wird und sie zum anderen den Abschluss von Vereinbarungen des Herausgebers mit für die Übertragung und die Terminierung von Anrufen in das PSTN ordnungsgemäß zugelassenen Telekommunikationsdienstleistern beinhaltet.

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