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Wirtschaftsrecht
11.12.2024
Wirtschaftsrecht
EuGH: Berechtigtes Interesse i. S. d. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO

EuGH, Urteil vom 4.10.2024 – C-621/22, Koninklijke Nederlandse Lawn Tennisbond gegen Autoriteit Persoonsgegevens

ECLI:EU:C:2024:858

Volltext: BB-Online BBL2024-2945-2

unter www.betriebs-berater.de

Tenor

Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) ist dahin auszulegen, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten, die darin besteht, personenbezogene Daten der Mitglieder eines Sportverbands in Verfolgung des wirtschaftlichen Interesses des Verantwortlichen gegen Entgelt offenzulegen, nur dann als im Sinne dieser Vorschrift zur Wahrung der berechtigten Interessen dieses Verantwortlichen erforderlich angesehen werden kann, wenn die Verarbeitung zur Verwirklichung des in Rede stehenden berechtigten Interesses absolut notwendig ist und sofern in Anbetracht aller relevanten Umstände die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten dieser Mitglieder gegenüber dem berechtigten Interesse nicht überwiegen. Diese Vorschrift verlangt zwar nicht, dass ein solches Interesse gesetzlich bestimmt wird, sie erfordert jedoch, dass das geltend gemachte berechtigte Interesse rechtmäßig ist.

 

Aus den Gründen

1            Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) (ABl. 2016, L 119, S. 1, berichtigt in ABl. 2018, L 127, S. 2, im Folgenden: DSGVO).

 

2            Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Koninklijke Nederlandse Lawn Tennisbond (Königlicher Niederländischer Rasentennisverband, im Folgenden: KNLTB) und der Autoriteit Persoonsgegevens (Datenschutzbehörde, Niederlande, im Folgenden: AP) wegen der Entscheidung dieser Behörde, aufgrund eines Verstoßes gegen die Vorschriften der DSGVO gegen den KNLTB eine Geldbuße zu verhängen.

 

Rechtlicher Rahmen

DSGVO

3          In den Erwägungsgründen 1, 4, 10, 39 und 47 der DSGVO heißt es:

„(1) Der Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten ist ein Grundrecht. Gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden ‚Charta‘) sowie Artikel 16 Absatz 1 [AEUV] hat jede Person das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten.

(4) Die Verarbeitung personenbezogener Daten sollte im Dienste der Menschheit stehen. Das Recht auf Schutz der personenbezogenen Daten ist kein uneingeschränktes Recht; es muss im Hinblick auf seine gesellschaftliche Funktion gesehen und unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegen andere Grundrechte abgewogen werden. Diese Verordnung steht im Einklang mit allen Grundrechten und achtet alle Freiheiten und Grundsätze, die mit der Charta anerkannt wurden und in den Europäischen Verträgen verankert sind, insbesondere Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und der Kommunikation, Schutz personenbezogener Daten, Gedanken‑, Gewissens- und Religionsfreiheit, Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit, unternehmerische Freiheit, Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein faires Verfahren und Vielfalt der Kulturen, Religionen und Sprachen.

 

(10) Um ein gleichmäßiges und hohes Datenschutzniveau für natürliche Personen zu gewährleisten und die Hemmnisse für den Verkehr personenbezogener Daten in der [Europäischen] Union zu beseitigen, sollte das Schutzniveau für die Rechte und Freiheiten von natürlichen Personen bei der Verarbeitung dieser Daten in allen Mitgliedstaaten gleichwertig sein. Die Vorschriften zum Schutz der Grundrechte und Grundfreiheiten von natürlichen Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten sollten unionsweit gleichmäßig und einheitlich angewandt werden. …

(39) Jede Verarbeitung personenbezogener Daten sollte rechtmäßig und nach Treu und Glauben erfolgen. Für natürliche Personen sollte Transparenz dahingehend bestehen, dass sie betreffende personenbezogene Daten erhoben, verwendet, eingesehen oder anderweitig verarbeitet werden und in welchem Umfang die personenbezogenen Daten verarbeitet werden und künftig noch verarbeitet werden. …

(47) Die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung kann durch die berechtigten Interessen eines Verantwortlichen, auch eines Verantwortlichen, dem die personenbezogenen Daten offengelegt werden dürfen, oder eines Dritten begründet sein, sofern die Interessen oder die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person nicht überwiegen; dabei sind die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Personen, die auf ihrer Beziehung zu dem Verantwortlichen beruhen, zu berücksichtigen. Ein berechtigtes Interesse könnte beispielsweise vorliegen, wenn eine maßgebliche und angemessene Beziehung zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen besteht, z. B. wenn die betroffene Person ein Kunde des Verantwortlichen ist oder in seinen Diensten steht. Auf jeden Fall wäre das Bestehen eines berechtigten Interesses besonders sorgfältig abzuwägen, wobei auch zu prüfen ist, ob eine betroffene Person zum Zeitpunkt der Erhebung der personenbezogenen Daten und angesichts der Umstände, unter denen sie erfolgt, vernünftigerweise absehen kann, dass möglicherweise eine Verarbeitung für diesen Zweck erfolgen wird. Insbesondere dann, wenn personenbezogene Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen eine betroffene Person vernünftigerweise nicht mit einer weiteren Verarbeitung rechnen muss, könnten die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person das Interesse des Verantwortlichen überwiegen. … Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.“

 

4            Art. 1 („Gegenstand und Ziele“) Abs. 2 DSGVO bestimmt:

„Diese Verordnung schützt die Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen und insbesondere deren Recht auf Schutz personenbezogener Daten.“

 

5            Art. 4 DSGVO sieht vor:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck:

1. ‚personenbezogene Daten‘ alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person (im Folgenden ‚betroffene Person‘) beziehen; als identifizierbar wird eine natürliche Person angesehen, die direkt oder indirekt, insbesondere mittels Zuordnung zu einer Kennung wie einem Namen, zu einer Kennnummer, zu Standortdaten, zu einer Online-Kennung oder zu einem oder mehreren besonderen Merkmalen, die Ausdruck der physischen, physiologischen, genetischen, psychischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder sozialen Identität dieser natürlichen Person sind, identifiziert werden kann;

2. ‚Verarbeitung‘ jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang oder jede solche Vorgangsreihe im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten wie das Erheben, das Erfassen, die Organisation, das Ordnen, die Speicherung, die Anpassung oder Veränderung, das Auslesen, das Abfragen, die Verwendung, die Offenlegung durch Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung, den Abgleich oder die Verknüpfung, die Einschränkung, das Löschen oder die Vernichtung;

7. ‚Verantwortlicher‘ die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet; sind die Zwecke und Mittel dieser Verarbeitung durch das Unionsrecht oder das Recht der Mitgliedstaaten vorgegeben, so kann der Verantwortliche beziehungsweise können die bestimmten Kriterien seiner Benennung nach dem Unionsrecht oder dem Recht der Mitgliedstaaten vorgesehen werden;

11. ‚Einwilligung‘ der betroffenen Person jede freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich abgegebene Willensbekundung in Form einer Erklärung oder einer sonstigen eindeutigen bestätigenden Handlung, mit der die betroffene Person zu verstehen gibt, dass sie mit der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten einverstanden ist;

…“

 

6            Art. 5 („Grundsätze für die Verarbeitung personenbezogener Daten“) DSGVO bestimmt:

„(1) Personenbezogene Daten müssen

a) auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden (‚Rechtmäßigkeit, Verarbeitung nach Treu und Glauben, Transparenz‘);

b) für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden und dürfen nicht in einer mit diesen Zwecken nicht zu vereinbarenden Weise weiterverarbeitet werden; …

c) dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein (‚Datenminimierung‘);

(2) Der Verantwortliche ist für die Einhaltung des Absatzes 1 verantwortlich und muss dessen Einhaltung nachweisen können (‚Rechenschaftspflicht‘).“

 

7            In Art. 6 („Rechtmäßigkeit der Verarbeitung“) DSGVO heißt es:

„(1) Die Verarbeitung ist nur rechtmäßig, wenn mindestens eine der nachstehenden Bedingungen erfüllt ist:

a) Die betroffene Person hat ihre Einwilligung zu der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben;

f) die Verarbeitung ist zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz personenbezogener Daten erfordern, überwiegen, insbesondere dann, wenn es sich bei der betroffenen Person um ein Kind handelt.

Unterabsatz 1 Buchstabe f gilt nicht für die von Behörden in Erfüllung ihrer Aufgaben vorgenommene Verarbeitung.

…“

 

8            Art. 13 („Informationspflicht bei Erhebung von personenbezogenen Daten bei der betroffenen Person“) Abs. 1 DSGVO sieht vor:

„Werden personenbezogene Daten bei der betroffenen Person erhoben, so teilt der Verantwortliche der betroffenen Person zum Zeitpunkt der Erhebung dieser Daten Folgendes mit:

c) die Zwecke, für die die personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen, sowie die Rechtsgrundlage für die Verarbeitung;

d) wenn die Verarbeitung auf Artikel 6 Absatz 1 [Unterabsatz 1] Buchstabe f beruht, die berechtigten Interessen, die von dem Verantwortlichen oder einem Dritten verfolgt werden;

…“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

9            Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass der KNLTB ein in Form eines Vereins gegründeter Sportverband ist. Die Mitglieder dieses Sportverbands sind die ihm angeschlossenen Tennisvereine sowie deren Mitglieder. Tritt eine Person einem dem KNLTB angeschlossenen Tennisverein bei, wird sie automatisch auch Mitglied des KNLTB. Der KNLTB arbeitet mit Sponsoren zusammen, mit dem erklärten Ziel, die Verbreitung und Sichtbarkeit des Tennissports sowie den Bestand seiner Mitglieder zu steigern.

 

10        Im Jahr 2018 legte der KNLTB gegenüber zweien seiner Sponsoren, der SportshopsDirect BV (im Folgenden: TennisDirect), einer Gesellschaft, die Sportartikel vertreibt, und der Nederlandse Loterij Organisatie BV (im Folgenden: NLO), dem größten Anbieter von Glücks- und Kasinospielen in den Niederlanden, personenbezogene Daten seiner Mitglieder offen. Für die Bereitstellung der betreffenden personenbezogenen Daten erhielt der KNLTB von seinen Sponsoren ein Entgelt.

 

11        Insbesondere stellte der KNLTB TennisDirect am 11. Juni 2018 die Namen, Anschriften und Wohnorte seiner Mitglieder für den postalischen Versand eines Werbebriefs bereit. Zu diesem Zweck übermittelte TennisDirect diese Daten wiederum dem Postdienstleister PostNL zum Drucken dieses Werbebriefs.

 

12        Außerdem legte der KNLTB gegenüber der NLO am 29. Juni 2018 neben den Namen, Anschriften und Wohnorten seiner Mitglieder deren Geburtsdaten, Festnetznummern, Mobiltelefonnummern und E‑Mail-Adressen sowie die Namen der Tennisclubs offen, denen diese Mitglieder angehörten. Zweck dieser Bereitstellung war eine Telefonwerbemaßnahme, in deren Rahmen die NLO diese Daten an die von ihr beauftragten Callcenter übermittelte.

 

13        Auf Beschwerden einiger Mitglieder des KNLTB hin stellte die AP fest, dass der KNLTB gegen Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a und f in Verbindung mit Art. 5 Abs. 1 Buchst. a DSGVO verstoßen habe, weil er die personenbezogenen Daten seiner Mitglieder ohne deren Einwilligung und ohne rechtmäßige Grundlage offengelegt habe. Die AP verhängte daher mit Entscheidung vom 20. Dezember 2019 gegen den KNLTB eine Geldbuße in Höhe von 525 000 Euro.

 

14        Der KNLTB erhob gegen diese Entscheidung Klage bei dem vorlegenden Gericht, der Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam, Niederlande).

 

15        Zwar ist zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens unstreitig, dass der KNLTB nicht die Einwilligung seiner Einzelmitglieder zur Bereitstellung ihrer personenbezogenen Daten an die oben genannten Sponsoren erhalten hatte und dass Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a DSGVO nicht als Grundlage für die betreffende Verarbeitung herangezogen werden kann. Laut dem KNLTB beruhte die Bereitstellung dieser Daten jedoch auf einem berechtigten Interesse im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO. Dieses Interesse bestehe zum einen darin, eine enge Verbindung zwischen diesem Verband und seinen Mitgliedern herzustellen, und zum anderen darin, diesen einen Mehrwert für die Mitgliedschaft in Form von Preisnachlässen und Angeboten bei Partnern bieten zu können, die es diesen Mitgliedern ermöglichten, Tennis zu einem günstigen und erschwinglichen Preis zu betreiben.

 

16        Die AP ist der Ansicht, dass nur zum Gesetz gehörende, gesetzliche und in einem Gesetz festgelegte Interessen berechtigte Interessen im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO seien. Es müsse sich um Interessen handeln, die vom Unionsgesetzgeber oder vom nationalen Gesetzgeber als schutzwürdig angesehen würden und unter Rückgriff auf ein „positives Kriterium“ zu beurteilen seien. Im vorliegenden Fall handele es sich nicht um solche Interessen.

 

17        Der KNLTB ist anderer Ansicht und argumentiert, dass sich ein berechtigtes Interesse nicht zwangsläufig aus einem Grundrecht oder einem Rechtsgrundsatz ergeben müsse, sondern dass jedes Interesse ein berechtigtes Interesse darstellen könne, außer wenn es gesetzeswidrig sei, so dass ein solches Interesse unter Rückgriff auf ein „negatives Kriterium“ zu beurteilen sei.

 

18        Im Verfahren vor dem vorlegenden Gericht wurde von den Parteien die Bedeutung des Begriffs „berechtigtes Interesse“ in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO sowie insbesondere die Frage erörtert, ob ein rein wirtschaftliches Interesse, das darin bestehe, personenbezogene Daten der Mitglieder eines Tennisverbands ohne deren Einwilligung zum Zweck der Direktwerbung an Sponsoren zu verkaufen, als berechtigtes Interesse angesehen werden könne.

 

19        Da die Rechtbank Amsterdam (Bezirksgericht Amsterdam) Zweifel hinsichtlich der Auslegung des Begriffs „berechtigte Interessen“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO hat, hat sie beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Wie hat das vorlegende Gericht den Begriff „berechtigtes Interesse“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO auszulegen?

2. Ist dieser Begriff so auszulegen, wie die Beklagte ihn auslegt? Erfasst er ausschließlich zum Gesetz gehörende, gesetzliche und in einem Gesetz festgelegte Interessen?

3. Oder kann jedes Interesse ein berechtigtes Interesse sein, sofern es dem Gesetz nicht zuwiderläuft? Konkreter: Sind ein rein kommerzielles Interesse und das vorliegende Interesse, nämlich die Bereitstellung personenbezogener Daten gegen Entgelt ohne Zustimmung der betroffenen Person, unter bestimmten Umständen als ein berechtigtes Interesse einzustufen? Falls ja: Welche Umstände bestimmen, ob ein rein kommerzielles Interesse ein berechtigtes Interesse ist?

 

Verfahren vor dem Gerichtshof

20        Mit Beschluss vom 3. Mai 2023 hat der Präsident des Gerichtshofs das vorliegende Verfahren bis zu der das Verfahren abschließenden Entscheidung in der Rechtssache C‑252/21, Meta Platforms u. a. (Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks), ausgesetzt.

 

21        Gemäß der Entscheidung des Präsidenten des Gerichtshofs vom 3. August 2023 hat die Kanzlei dem vorlegenden Gericht das Urteil vom 4. Juli 2023, Meta Platforms u. a. (Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks) (C‑252/21, EU:C:2023:537), zugestellt und es gebeten, ihr mitzuteilen, ob es sein Vorabentscheidungsersuchen unter Berücksichtigung dieses Urteils ganz oder teilweise aufrechterhalten wolle, und im Fall einer teilweisen Rücknahme die Gründe für die teilweise Aufrechterhaltung darzulegen.

 

22        Mit Schreiben, das am 14. Februar 2024 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen ist, hat dieses Gericht mitgeteilt, dass es sein Vorabentscheidungsersuchen aufrechterhalte.

 

Zu den Vorlagefragen

23        Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteil vom 20. Juni 2024, Greislzel, C‑35/23, EU:C:2024:532, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

24        Im vorliegenden Fall betreffen die Vorlagefragen die Möglichkeit, auf der Grundlage von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO zu rechtfertigen, dass ein Sportverband personenbezogene Daten seiner Mitglieder gegen Entgelt gegenüber Sponsoren dieses Verbands für Werbemaßnahmen offenlegt.

 

25        Daraus folgt, dass das vorlegende Gericht mit seinen Vorlagefragen, die zusammen zu beantworten sind, im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO dahin auszulegen ist, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten, die darin besteht, personenbezogene Daten der Mitglieder eines Sportverbands in Verfolgung des wirtschaftlichen Interesses des Verantwortlichen gegen Entgelt offenzulegen, als im Sinne dieser Vorschrift zur Wahrung der berechtigten Interessen dieses Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich angesehen werden kann und ob diese Vorschrift verlangt, dass ein solches Interesse gesetzlich bestimmt wird.

 

26        Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das Ziel der DSGVO, wie sich aus ihrem Art. 1 sowie ihren Erwägungsgründen 1 und 10 ergibt, u. a. darin besteht, ein hohes Niveau des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen – insbesondere ihres in Art. 8 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und in Art. 16 Abs. 1 AEUV verankerten Rechts auf Privatleben – bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten (Urteil vom 7. März 2024, IAB Europe, C‑604/22, EU:C:2024:214, Rn. 53 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

27        Gemäß diesem Ziel muss jede Verarbeitung personenbezogener Daten insbesondere mit den in Art. 5 dieser Verordnung aufgestellten Grundsätzen für die Verarbeitung solcher Daten im Einklang stehen und die in Art. 6 der Verordnung aufgezählten Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen erfüllen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. Oktober 2020, La Quadrature du Net u. a., C‑511/18, C‑512/18 und C‑520/18, EU:C:2020:791, Rn. 208, sowie vom 11. Juli 2024, Meta Platforms Ireland [Verbandsklage], C‑757/22, EU:C:2024:598, Rn. 49).

 

28        Insoweit ist hervorzuheben, dass personenbezogene Daten nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. a DSGVO auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben sowie in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden müssen.

 

29        Insbesondere enthält, wie der Gerichtshof entschieden hat, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 DSGVO eine erschöpfende und abschließende Liste der Fälle, in denen eine Verarbeitung personenbezogener Daten als rechtmäßig angesehen werden kann. Daher muss eine Verarbeitung unter einen der in dieser Bestimmung vorgesehenen Fälle subsumierbar sein, um als rechtmäßig angesehen werden zu können (Urteil vom 4. Juli 2023, Meta Platforms u. a. [Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks], C‑252/21, EU:C:2023:537, Rn. 90).

 

30        Nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig, wenn und soweit die betroffene Person ihre Einwilligung dazu für einen oder mehrere bestimmte Zwecke gegeben hat. Liegt keine solche Einwilligung vor oder wurde die Einwilligung nicht freiwillig für den bestimmten Fall, in informierter Weise und unmissverständlich im Sinne von Art. 4 Nr. 11 DSGVO erteilt, ist eine solche Verarbeitung gleichwohl gerechtfertigt, wenn sie eine der in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b bis f genannten Voraussetzungen in Bezug auf die Erforderlichkeit erfüllt.

 

31        In diesem Zusammenhang sind die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b bis f DSGVO vorgesehenen Rechtfertigungsgründe eng auszulegen, da sie dazu führen können, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten trotz fehlender Einwilligung der betroffenen Person rechtmäßig ist (Urteil vom 4. Juli 2023, Meta Platforms u. a. [Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks], C‑252/21, EU:C:2023:537, Rn. 93 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

32        Außerdem braucht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wenn festgestellt werden kann, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten aus einem der in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b bis f DSGVO vorgesehenen Gründe erforderlich ist, nicht geprüft zu werden, ob diese Verarbeitung auch unter einen anderen dieser Gründe fällt (Urteil vom 4. Juli 2023, Meta Platforms u. a. [Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks], C‑252/21, EU:C:2023:537, Rn. 94 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

33        Der Gerichtshof hat zudem entschieden, dass nach Art. 5 DSGVO der Verantwortliche die Beweislast dafür trägt, dass die Daten u. a. für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben und auf rechtmäßige Weise, nach Treu und Glauben und in einer für die betroffene Person nachvollziehbaren Weise verarbeitet werden. Ferner obliegt es nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. c dieser Verordnung, wenn personenbezogene Daten bei der betroffenen Person erhoben werden, dem Verantwortlichen, diese Person über die Zwecke, für die diese Daten verarbeitet werden sollen, sowie über die Rechtsgrundlage dieser Verarbeitung zu informieren (Urteil vom 4. Juli 2023, Meta Platforms u. a. [Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks], C‑252/21, EU:C:2023:537, Rn. 95).

 

34        Im vorliegenden Fall geht aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten hervor, dass die Mitglieder des KNLTB nicht im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a DSGVO eingewilligt haben, dass der KNLTB sie betreffende personenbezogene Daten gegen Entgelt gegenüber Dritten, namentlich TennisDirect und der NLO, offenlegt.

 

35        Unter diesen Umständen ist, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, zu prüfen, ob Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f dieser Verordnung, auf den sich das Vorabentscheidungsersuchen speziell bezieht, herangezogen werden kann, um die Offenlegung solcher Daten gegenüber Dritten zu rechtfertigen.

 

36        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO eine Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig ist, wenn sie zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich ist, sofern nicht die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Person, die den Schutz dieser personenbezogenen Daten erfordern, überwiegen.

 

37        Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ist die Verarbeitung personenbezogener Daten nach dieser Bestimmung unter drei kumulativen Voraussetzungen rechtmäßig: Erstens muss von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen oder von einem Dritten ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden, zweitens muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein, und drittens dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, gegenüber dem berechtigten Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten nicht überwiegen (Urteil vom 4. Juli 2023, Meta Platforms u. a. [Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks], C‑252/21, EU:C:2023:537, Rn. 106 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

38        Was erstens die Voraussetzung der Wahrnehmung eines „berechtigten Interesses“ betrifft, kann in Ermangelung einer Definition dieses Begriffs durch die DSGVO, wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, ein breites Spektrum von Interessen grundsätzlich als berechtigt gelten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Dezember 2023, SCHUFA Holding [Restschuldbefreiung], C‑26/22 und C‑64/22, EU:C:2023:958, Rn. 76).

 

39        Wie sich auch aus dem 47. Erwägungsgrund der DSGVO ergibt, der den Begriff „berechtigtes Interesse“ betrifft, hat der Unionsgesetzgeber nicht verlangt, dass das Interesse eines Verantwortlichen gesetzlich geregelt sein muss, damit die von diesem Verantwortlichen vorgenommene Verarbeitung personenbezogener Daten rechtmäßig im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f dieser Verordnung ist. Dies gilt umso mehr, als dieser Erwägungsgrund die Zwecke der Direktwerbung im Allgemeinen als Beispiel für berechtigte Interessen anführt, die von einem Verantwortlichen wahrgenommen werden können.

 

40        Allerdings verlangt der Begriff „berechtigtes Interesse“ im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO, auch wenn er nicht auf gesetzlich verankerte und bestimmte Interessen beschränkt ist, dass das geltend gemachte berechtigte Interesse rechtmäßig ist.

 

41        Außerdem obliegt es nach Art. 13 Abs. 1 Buchst. d DSGVO dem Verantwortlichen, einer betroffenen Person zu dem Zeitpunkt, zu dem personenbezogene Daten bei ihr erhoben werden, die verfolgten berechtigten Interessen mitzuteilen, wenn diese Verarbeitung auf Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO beruht (Urteil vom 4. Juli 2023, Meta Platforms u. a. [Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks], C‑252/21, EU:C:2023:537, Rn. 107).

 

42        Was zweitens die Voraussetzung der Erforderlichkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten zur Verwirklichung des wahrgenommenen berechtigten Interesses angeht, so verlangt diese vom vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob das berechtigte Interesse an der Verarbeitung der Daten nicht in zumutbarer Weise ebenso wirksam mit anderen Mitteln erreicht werden kann, die weniger stark in die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen, insbesondere die durch die Art. 7 und 8 der Charta garantierten Rechte auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten, eingreifen (Urteil vom 7. Dezember 2023, SCHUFA Holding [Restschuldbefreiung], C‑26/22 und C‑64/22, EU:C:2023:958, Rn. 77 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

 

43        In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzung der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung gemeinsam mit dem Grundsatz der „Datenminimierung“ zu prüfen ist, der in Art. 5 Abs. 1 Buchst. c DSGVO verankert ist und verlangt, dass personenbezogene Daten „dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt“ sind (Urteil vom 4. Juli 2023, Meta Platforms u. a. [Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks], C‑252/21, EU:C:2023:537, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

44        Was schließlich drittens die Voraussetzung betrifft, dass die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, gegenüber dem berechtigten Interesse des Verantwortlichen oder eines Dritten nicht überwiegen, so hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass diese Voraussetzung eine Abwägung der jeweiligen einander gegenüberstehenden Rechte und Interessen gebietet, die grundsätzlich von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt, und dass es daher Sache des vorlegenden Gerichts ist, diese Abwägung unter Berücksichtigung dieser spezifischen Umstände vorzunehmen (Urteil vom 4. Juli 2023, Meta Platforms u. a. [Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks], C‑252/21, EU:C:2023:537, Rn. 110 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

45        Außerdem können, wie sich aus dem 47. Erwägungsgrund der DSGVO ergibt, die Interessen und Grundrechte der betroffenen Person das Interesse des Verantwortlichen insbesondere dann überwiegen, wenn personenbezogene Daten in Situationen verarbeitet werden, in denen eine betroffene Person vernünftigerweise nicht mit einer solchen Verarbeitung rechnet (Urteil vom 4. Juli 2023, Meta Platforms u. a. [Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks], C‑252/21, EU:C:2023:537, Rn. 112).

 

46        Letztlich ist es Sache des vorlegenden Gerichts, zu beurteilen, ob im Hinblick auf die Verarbeitung personenbezogener Daten, um die es im Ausgangsverfahren geht, die drei in Rn. 37 des vorliegenden Urteils genannten Voraussetzungen erfüllt sind; der Gerichtshof kann dem nationalen Gericht auf dessen Vorabentscheidungsersuchen hin jedoch sachdienliche Hinweise für diese Prüfung geben (Urteile vom 4. Juli 2023, Meta Platforms u. a. [Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks], C‑252/21, EU:C:2023:537, Rn. 96, und vom 7. Dezember 2023, SCHUFA Holding [Restschuldbefreiung], C‑26/22 und C‑64/22, EU:C:2023:958, Rn. 81 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

 

47        Im vorliegenden Fall verweist das vorlegende Gericht erstens zur Voraussetzung der Wahrnehmung eines berechtigten Interesses durch den Verantwortlichen oder einen Dritten im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO auf das wirtschaftliche Interesse des Verantwortlichen, d. h. eines Sportverbands wie des KNLTB, personenbezogene Daten seiner Mitglieder gegen Entgelt für Werbe- und Marketingzwecke, insbesondere den Versand von Werbebotschaften und Angeboten an seine Mitglieder durch Dritte, gegenüber diesen Dritten, nämlich im vorliegenden Fall einem Unternehmen, das Sportartikel vertreibt, sowie einem Anbieter von Glücks- und Kasinospielen in den Niederlanden, offenzulegen.

 

48        Insoweit hat der Gerichtshof nicht ausgeschlossen, dass ein wirtschaftliches Interesse des Verantwortlichen, das in der Bewerbung und dem Verkauf von Werbeflächen für Marketingzwecke besteht, als ein berechtigtes Interesse im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO angesehen werden kann (vgl. entsprechend Urteil vom 13. Mai 2014, Google Spain und Google, C‑131/12, EU:C:2014:317, Rn. 73).

 

49        Unter diesen Umständen könnte ein wirtschaftliches Interesse des Verantwortlichen wie das oben in Rn. 47 genannte ein berechtigtes Interesse im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO darstellen, sofern es nicht gesetzeswidrig ist. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, das Vorliegen eines solchen Interesses im Einzelfall unter Berücksichtigung des anwendbaren Rechtsrahmens und aller Umstände der Rechtssache zu beurteilen.

 

50        Sollte ein solches Interesse als berechtigt angesehen werden, müsste der Verantwortliche zudem allen anderen ihm obliegenden Pflichten aus der DSGVO nachkommen, damit die Wahrnehmung dieses Interesses eine Verarbeitung personenbezogener Daten gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO rechtfertigen kann.

 

51        Was zweitens die Voraussetzung der Erforderlichkeit dieser Verarbeitung zur Verwirklichung des betreffenden Interesses angeht und insbesondere das Vorliegen von Mitteln, die ebenso geeignet sind und weniger stark in die Grundrechte und Grundfreiheiten der betroffenen Personen eingreifen, ist festzustellen, dass es einem Sportverband wie dem KNLTB, der personenbezogene Daten seiner Mitglieder gegen Entgelt gegenüber Dritten offenlegen möchte, insbesondere möglich wäre, seine Mitglieder im Voraus zu informieren und sie zu fragen, ob sie möchten, dass ihre Daten für Werbe- oder Marketingzwecke an Dritte weitergegeben werden.

 

52        Diese Lösung würde es den betroffenen Mitgliedern ermöglichen, im Einklang mit dem oben in Rn. 43 genannten Grundsatz der Datenminimierung die Kontrolle über die Offenlegung ihrer personenbezogenen Daten zu behalten und so die Offenlegung dieser Daten auf das zu beschränken, was für die Zwecke, für die diese Daten übermittelt und verarbeitet werden, tatsächlich notwendig und erheblich ist (vgl. entsprechend Urteil vom 12. September 2024, HTB Neunte Immobilien Portfolio und Ökorenta Neue Energien Ökostabil IV, C‑17/22 und C‑18/22, EU:C:2024:738, Rn. 60).

 

53        Ein Verfahren wie das in der vorstehenden Randnummer beschriebene könnte einen geringeren Eingriff in das Recht auf Schutz der Vertraulichkeit der personenbezogenen Daten der betroffenen Person beinhalten und es gleichzeitig dem Verantwortlichen ermöglichen, das von ihm geltend gemachte berechtigte Interesse ebenso wirksam wahrzunehmen; dies zu prüfen ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts (vgl. entsprechend Urteil vom 12. September 2024, HTB Neunte Immobilien Portfolio und Ökorenta Neue Energien Ökostabil IV, C‑17/22 und C‑18/22, EU:C:2024:738, Rn. 61).

 

54        Drittens muss das vorlegende Gericht bei der Abwägung der Interessen, die es im Hinblick auf die besonderen Umstände des Ausgangsverfahrens vorzunehmen hat, insbesondere die vernünftigen Erwartungen der betroffenen Person sowie den Umfang der in Rede stehenden Verarbeitung und deren Auswirkungen auf diese Person berücksichtigen (Urteil vom 4. Juli 2023, Meta Platforms u. a. [Allgemeine Nutzungsbedingungen eines sozialen Netzwerks], C‑252/21, EU:C:2023:537, Rn. 116).

 

55        Bei der entsprechenden Abwägung hat das vorlegende Gericht zu prüfen, ob das in Art. 8 Abs. 1 der Charta und in Art. 16 Abs. 1 AEUV verankerte Recht der Mitglieder von Tennisvereinen auf Privatsphäre hinsichtlich der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten Vorrang vor dem wirtschaftlichen Interesse eines nationalen Tennisverbands hat. Hierbei ist, wie sich aus dem 47. Erwägungsgrund der DSGVO ergibt, der Frage besondere Bedeutung beizumessen, ob diese Mitglieder zum Zeitpunkt der Erhebung ihrer personenbezogenen Daten zum Zweck des Beitritts zu einem Tennisverein vernünftigerweise absehen konnten, dass diese Daten gegen Entgelt für Werbe- und Marketingzwecke gegenüber Dritten, im vorliegenden Fall Sponsoren des KNLTB, offengelegt werden.

 

56        Außerdem wird das vorlegende Gericht den Umstand zu berücksichtigen haben, dass die betreffenden Daten u. a. an einen Anbieter von Glücks- und Kasinospielen wie die NLO übermittelt werden, dessen Werbe- und Marketingmaßnahmen, auch wenn sie rechtmäßig sind, in einem Kontext stattfinden, der entgegen dem 47. Erwägungsgrund der DSGVO nicht durch eine maßgebliche und angemessene Beziehung zwischen den betroffenen Personen und dem Verantwortlichen gekennzeichnet zu sein scheint. Außerdem könnte sich die Verarbeitung solcher Daten unter bestimmten Umständen nachteilig auf die Mitglieder der betreffenden Tennisvereine auswirken, da sie sie der Gefahr der Entwicklung einer Spielsucht aussetzen könnten.

 

57        Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO dahin auszulegen ist, dass eine Verarbeitung personenbezogener Daten, die darin besteht, personenbezogene Daten der Mitglieder eines Sportverbands in Verfolgung des wirtschaftlichen Interesses des Verantwortlichen gegen Entgelt offenzulegen, nur dann als im Sinne dieser Vorschrift zur Wahrung der berechtigten Interessen dieses Verantwortlichen erforderlich angesehen werden kann, wenn die Verarbeitung zur Verwirklichung des in Rede stehenden berechtigten Interesses absolut notwendig ist und sofern in Anbetracht aller relevanten Umstände die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten dieser Mitglieder gegenüber dem berechtigten Interesse nicht überwiegen. Diese Vorschrift verlangt zwar nicht, dass ein solches Interesse gesetzlich bestimmt wird, sie erfordert jedoch, dass das geltend gemachte berechtigte Interesse rechtmäßig ist.

 

Kosten

58        Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

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