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Wirtschaftsrecht
02.10.2024
Wirtschaftsrecht
EuGH: Berechnung einer in der Werbung bekannt gegebenen Preisermäßigung auf Grundlage des niedrigsten Preises der letzten 30 Tage

EuGH, Urteil vom 26.9.2204 – C-330/23, Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V. gegen Aldi Süd Dienstleistungs SE & Co. OHG

ECLI:EU:C:2024:804

Volltext: BB-Online BBL2024-2305-1

unter www.betriebs-berater.de

Tenor

Art. 6a Abs. 1 und 2 der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse in der durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass er verlangt, dass eine Preisermäßigung für ein Erzeugnis, die von einem Händler in Form eines Prozentsatzes oder einer Werbeaussage, mit der die Vorteilhaftigkeit des angegebenen Preises hervorgehoben werden soll, bekannt gegeben wird, auf der Grundlage des „vorherigen Preises“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels zu bestimmen ist.

 

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6a Abs. 1 und 2 der Richtlinie 98/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Februar 1998 über den Schutz der Verbraucher bei der Angabe der Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse (ABl. 1998, L 80, S. 27) in der durch die Richtlinie (EU) 2019/2161 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. November 2019 (ABl. 2019, L 328, S. 7) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 98/6).

 

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg e. V. (im Folgenden: Verbraucherzentrale) und der Aldi Süd Dienstleistungs SE & Co. OHG (im Folgenden: Aldi) über Preisermäßigungsangaben in der Werbung für den Verkauf von Lebensmitteln.

 

Rechtlicher Rahmen

Richtlinie 98/6

3          In den Erwägungsgründen 1, 2, 6 und 12 der Richtlinie 98/6 heißt es:

„(1) Ein transparenter Markt und korrekte Informationen fördern den Verbraucherschutz und einen gesunden Wettbewerb zwischen Unternehmen und zwischen Erzeugnissen.

(2) Es gilt, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten. Die Gemeinschaft sollte dazu mit spezifischen Aktionen beitragen, die die Politik der Mitgliedstaaten betreffend eine genaue, transparente und unmissverständliche Information der Verbraucher über die Preise der ihnen angebotenen Erzeugnisse unterstützen und ergänzen.

(6) Die Verpflichtung, den Verkaufspreis und den Preis je Maßeinheit anzugeben, trägt merklich zur Verbesserung der Verbraucherinformation bei, da sie den Verbrauchern auf einfachste Weise optimale Möglichkeiten bietet, die Preise von Erzeugnissen zu beurteilen und miteinander zu vergleichen und somit anhand einfacher Vergleiche fundierte Entscheidungen zu treffen.

(12) Eine Regelung auf Gemeinschaftsebene stellt eine einheitliche und transparente Information zugunsten sämtlicher Verbraucher im Rahmen des Binnenmarkts sicher …“.

 

4          Art. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Diese Richtlinie regelt die Angabe des Verkaufspreises und des Preises je Maßeinheit bei Erzeugnissen, die Verbrauchern von Händlern angeboten werden; dadurch soll für eine bessere Unterrichtung der Verbraucher gesorgt und ein Preisvergleich erleichtert werden.“

 

5          Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie muss der Verkaufspreis unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein.

 

6          Art. 6a Abs. 1 und 2 der Richtlinie bestimmt:

„(1) Bei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung ist der vorherige Preis anzugeben, den der Händler vor der Preisermäßigung über einen bestimmten Zeitraum angewandt hat.

(2) Der vorherige Preis ist der niedrigste Preis, den der Händler innerhalb eines Zeitraums von mindestens 30 Tage[n] vor der Anwendung der Preisermäßigung angewandt hat.“

 

7          Art. 6a der Richtlinie 98/6 wurde mit der Richtlinie 2019/2161 eingefügt, deren erster Erwägungsgrund vorsieht:

„Artikel 169 Absatz 1 und Artikel 169 Absatz 2 Buchstabe a [AEUV] sehen vor, dass die Union durch Maßnahmen, die sie nach Artikel 114 AEUV erlässt, einen Beitrag zur Erreichung eines hohen Verbraucherschutzniveaus leistet. Gemäß Artikel 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union … stellt die Politik der Union ein hohes Verbraucherschutzniveau sicher.“

 

Richtlinie 2005/29/EG

8          Art. 3 („Anwendungsbereich“) Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2005/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Mai 2005 über unlautere Geschäftspraktiken von Unternehmen gegenüber Verbrauchern im Binnenmarkt und zur Änderung der Richtlinie 84/450/EWG des Rates, der Richtlinien 97/7/EG, 98/27/EG und 2002/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates (Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken) (ABl. 2005, L 149, S. 22, berichtigt in ABl. 2009, L 253, S. 18) sieht vor:

„(1) Diese Richtlinie gilt für unlautere Geschäftspraktiken im Sinne des Artikels 5 von Unternehmen gegenüber Verbrauchern vor, während und nach Abschluss eines auf ein Produkt bezogenen Handelsgeschäfts.

(4) Kollidieren die Bestimmungen dieser Richtlinie mit anderen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft, die besondere Aspekte unlauterer Geschäftspraktiken regeln, so gehen die Letzteren vor und sind für diese besonderen Aspekte maßgebend.“

 

Leitlinien von 2021

9          Abschnitt 2 der Bekanntmachung „Leitlinien zur Auslegung und Anwendung von Artikel 6a der [Richtlinie 98/6]“ der Kommission (ABl. 2021, C 526, S. 130, im Folgenden: Leitlinien von 2021) betrifft die „Angabe des ‚vorherigen‘ Preises“. In Nr. 2.1. („Allgemeine Vorschriften“) dieses Abschnitts heißt es:

„…

Mit Ausnahme der Waren, die unter die in Artikel 6a Absätze 3 bis 5 [der Richtlinie 98/6] genannten Regulierungsoptionen fallen, dürfen die Mitgliedstaaten für die Feststellung des ‚vorherigen‘ Preises keinen kürzeren Zeitraum als 30 Tage vorsehen. Zweck dieses Referenzzeitraums von mindestens 30 Tagen ist es, Händler daran zu hindern, mit Preisen zu jonglieren und gefälschte Preisermäßigungen anzukündigen, beispielsweise einen Preis für einen kurzen Zeitraum zu erhöhen, um ihn anschließend zu senken und als (erhebliche) Preisermäßigung darzustellen, wodurch die Verbraucher irregeführt werden. Der 30-Tage-Zeitraum für die Festsetzung des ‚vorherigen‘ Referenzpreises stellt somit sicher, dass der Referenzpreis real und nicht nur ein Marketinginstrument ist, um die Ermäßigung attraktiv erscheinen zu lassen.

Dementsprechend ist die Preisermäßigung unter Verwendung des angegebenen ‚vorherigen‘ Preises als Vergleichswert anzugeben, d. h. jede angegebene prozentuale Ermäßigung muss auf dem gemäß Artikel 6a ermittelten ‚vorherigen‘ Preis beruhen.“

 

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

10        Aldi erstellt wöchentlich Werbeprospekte mit Angeboten der verschiedenen Filialen der Unternehmensgruppe Aldi Süd (im Folgenden: Aldi-Unternehmensgruppe). Diese Prospekte sind auch im Internet abrufbar.

 

11        Der für die Woche vom 17. bis zum 22. Oktober 2022 geltende Prospekt bewarb u. a. „Frische-Kracher“ als „reduziert“, darunter „Fairtrade Bio-Bananen, lose“ und „Rainforest Alliance Ananas“. Der Preis für diese beiden Erzeugnisse war jeweils neben ihrer fotografischen Abbildung in einem weißen Rechteck (Preiskachel) angegeben, in dem sich zwei unterschiedliche Preisangaben fanden, nämlich in der Mitte eine Preisangabe in großen Ziffern (1,29 Euro für die Bananen und 1,49 Euro für die Ananas) sowie in der rechten unteren Ecke eine weitere, durchgestrichene Preisangabe in kleineren Ziffern (jeweils 1,69 Euro). Bei den Bananen war in einem Rechteck in den Farben der deutschen Flagge, das die Preiskachel teilweise überlagerte, die prozentuale Preisermäßigung angegeben. Ein ähnliches überlagerndes Rechteck beim Angebot der Ananas trug den Schriftzug „Preis-Highlight“. Unter den beiden weißen Preiskacheln befand sich jeweils folgender Text: „Letzter Verkaufspreis. Niedrigster Preis der letzten 30 Tage:“, gefolgt von einer dritten Preisangabe (1,29 Euro für die Bananen und 1,39 Euro für die Ananas).

 

12        Konkret sahen diese Preisangaben für die Bananen und die Ananas wie folgt aus:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


13        Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass sich der in den Märkten der Aldi-Unternehmensgruppe für diese Bananen seit Mitte September 2022 ausgewiesene Preis durchgehend auf 1,69 Euro/kg belief, mit Ausnahme der Woche vom 19. bis 24. September, in der ein auf 1,29 Euro/kg reduzierter Preis galt. Für die Ananas galten während der fünf Wochen vor dem in dem Prospekt angegebenen Angebot Stückpreise zwischen 1,39 Euro und 1,79 Euro. Der Preis unmittelbar vor Angebotsbeginn belief sich auf 1,69 Euro.

 

14        Da nach Ansicht der Verbraucherzentrale eine solche Werbung die Interessen der Verbraucher beeinträchtigt und unlauter ist, erhob sie Klage beim Landgericht Düsseldorf (Deutschland), dem vorlegenden Gericht, mit dem Antrag, Aldi zu verurteilen, es zu unterlassen, gegenüber Verbrauchern für den Verkauf von Lebensmitteln mit Preisreduzierungen in Form eines Prozentsatzes zu werben und/oder werben zu lassen, wenn diese Reduzierung nicht auf der Grundlage des niedrigsten Preises ermittelt wird, der in den Märkten der Aldi-Unternehmensgruppe in den letzten 30 Tagen vor der Anwendung dieser Ermäßigung verlangt wurde. Die Verbraucherzentrale beantragt zudem, Aldi zu verurteilen, es zu unterlassen, für den Verkauf von Lebensmitteln mit einer Preisreduzierung als „Preis-Highlight“ unter Angabe eines Preises zu werben und/oder werben zu lassen, der höher ist als der Preis, der in den Märkten der Aldi-Unternehmensgruppe in den vorangegangenen 30 Tagen verlangt wurde.

 

15        Das vorlegende Gericht ist der Ansicht, der Ausgang des bei ihm anhängigen Rechtsstreits hänge von der Auslegung von Art. 6a Abs. 1 und 2 der Richtlinie 98/6 ab, und führt aus, es teile nicht die Auffassung der Verbraucherzentrale, wonach die Grundlage für die Bestimmung der dem Verbraucher angebotenen Preisermäßigung der „vorherige Preis“ im Sinne von Art. 6a Abs. 2 dieser Richtlinie sein müsse. Auch wenn eine solche Auslegung aus den Leitlinien von 2021 hervorgehe, könne sie nicht aus der Richtlinie abgeleitet werden, die sich im Wesentlichen darauf beschränke, festzulegen, wann dem Verbraucher welche Informationen bereitzustellen seien, ohne jedoch die Art und Weise dieser Bereitstellung festzulegen.

 

16        Da in der Richtlinie 98/6 mit Ausnahme des von Art. 6a erfassten Bereichs keine speziellen Aspekte der Informationsvermittlung geregelt seien, sei vielmehr zu beurteilen, ob die in Rede stehenden Informationen den Verbrauchern im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 2005/29 bereitgestellt worden seien. Allerdings könne im Einzelfall die Angabe eines nicht auf den „vorherigen Preis“ im Sinne von Art. 6a Abs. 2 der Richtlinie 98/6 bezogenen Prozentsatzes einer Preisermäßigung unlauter sein und daher gegen die Richtlinie 2005/29 verstoßen. Dasselbe könnte entsprechend für Werbeschriftzüge gelten, mit der die angebliche Preisgünstigkeit eines Angebots hervorgehoben werde.

 

17        Unter diesen Umständen hat das Landgericht Düsseldorf beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

 

1. Ist Art. 6a Abs. 1 und 2 der Richtlinie 98/6 dahin auszulegen, dass ein Prozentsatz, der in einer Bekanntgabe einer Preisermäßigung genannt wird, ausschließlich auf den vorherigen Preis im Sinne von Art. 6a Abs. 2 der Richtlinie 98/6 bezogen sein darf?

2. Ist Art. 6a Abs. 1 und 2 der Richtlinie 98/6 dahin auszulegen, dass werbliche Hervorhebungen, mit denen die Preisgünstigkeit eines Angebots unterstrichen werden soll (wie beispielsweise die Bezeichnung des Preises als „Preis-Highlight“), dann, wenn sie in einer Bekanntgabe einer Preisermäßigung verwendet werden, auf den vorherigen Preis im Sinne von Art. 6a Abs. 2 der Richtlinie 98/6 bezogen sein müssen?

 

Zu den Vorlagefragen

18        Mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 6a Abs. 1 und 2 der Richtlinie 98/6 dahin auszulegen ist, dass er verlangt, dass eine Preisermäßigung für ein Erzeugnis, die von einem Händler in Form eines Prozentsatzes oder einer Werbeaussage, mit der die Vorteilhaftigkeit des angegebenen Preises hervorgehoben werden soll, bekannt gegeben wird, auf der Grundlage des „vorherigen Preises“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels zu bestimmen ist.

 

19        Nach Art. 6a Abs. 1 der Richtlinie 98/6 ist „[b]ei jeder Bekanntgabe einer Preisermäßigung … der vorherige Preis anzugeben, den der Händler vor der Preisermäßigung über einen bestimmten Zeitraum angewandt hat“. Der Begriff „vorheriger Preis“ wird in Abs. 2 dieses Artikels definiert als „der niedrigste Preis, den der Händler innerhalb eines Zeitraums von mindestens 30 Tage[n] vor der Anwendung der Preisermäßigung angewandt hat“.

 

20        Erstens lässt sich zwar allein anhand des Wortlauts von Art. 6a Abs. 1 der Richtlinie 98/6 nicht bestimmen, ob die bekannt gegebene Preisermäßigung auf der Grundlage des „vorherigen Preises“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels zu ermitteln ist. Gleichwohl verweist der Begriff „Ermäßigung“ im allgemeinen Sprachgebrauch auf eine Verringerung eines zuvor angewandten Preises.

 

21        Zweitens sind zur Bestimmung des Sinns und der Tragweite einer Vorschrift des Unionsrechts bei ihrer Auslegung nicht nur ihr Wortlaut, sondern insbesondere auch ihre spezifischen Ziele sowie die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2021, Staatssecretaris van Justitie en Veiligheid [Wirkungen einer Ausweisungsverfügung], C‑719/19, EU:C:2021:506, Rn. 70).

 

22        Was die Ziele der Richtlinie 98/6 betrifft, so soll mit dieser nach ihrem Art. 1 in Verbindung mit dem sechsten Erwägungsgrund die Verbraucherinformation verbessert und der Vergleich der Verkaufspreise von Erzeugnissen, die Verbrauchern von Händlern angeboten werden, erleichtert werden, damit die Verbraucher fundierte Entscheidungen treffen können. Im ersten Erwägungsgrund der Richtlinie wird die Bedeutung eines transparenten Markts und von korrekten Informationen für den Verbraucherschutz hervorgehoben. Nach ihrem zwölften Erwägungsgrund soll die Richtlinie 98/6 eine einheitliche und transparente Information zugunsten sämtlicher Verbraucher im Rahmen des Binnenmarkts sicherstellen. Außerdem muss der Verkaufspreis der den Verbrauchern angebotenen Erzeugnisse gemäß Art. 4 Abs. 1 in Verbindung mit dem zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie unmissverständlich, klar erkennbar und gut lesbar sein, damit diese Information genau, transparent und unmissverständlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. Juni 2023, Verband Sozialer Wettbewerb [Pfandbehälter], C‑543/21, EU:C:2023:527, Rn. 25).

 

23        Darüber hinaus verweist der erste Erwägungsgrund der Richtlinie 2019/2161, mit der Art. 6a in die Richtlinie 98/6 eingefügt wurde, ausdrücklich auf Art. 38 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Letztere Bestimmung zielt wie Art. 169 AEUV darauf ab, dass die Politik der Union ein hohes Verbraucherschutzniveau sicherstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 23. März 2021, Airhelp, C‑28/20, EU:C:2021:226, Rn. 49). Das gleiche Ziel wird im zweiten Erwägungsgrund der Richtlinie 98/6 genannt.

 

24        Eine Auslegung von Art. 6a Abs. 1 der Richtlinie 98/6 dahin, dass es genügen würde, in der Bekanntgabe einer Preisermäßigung den „vorherigen Preis“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels zu nennen, ohne dass dieser Preis die tatsächliche Berechnungsgrundlage für diese Ermäßigung darstellt, könnte, wie u. a. die ungarische, die niederländische und die norwegische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt haben, diese Ziele beeinträchtigen, und zwar insbesondere das Ziel, die Verbraucherinformation zu verbessern, das verlangt, dass die Informationen über die Preise und die Methoden zur Berechnung der bekannt gegebenen Ermäßigung eindeutig sind.

 

25        Was im Übrigen die mit Art. 6a der Richtlinie 98/6 verfolgten spezifischen Ziele betrifft, so soll dieser, wie sich aus den Leitlinien von 2021 ergibt und wie die tschechische und die polnische Regierung sowie die Kommission in ihren schriftlichen Erklärungen ausgeführt haben, Händler daran hindern, den Verbraucher irrezuführen, indem sie den angewandten Preis vor der Bekanntgabe einer Preisermäßigung erhöhen und damit gefälschte Preisermäßigungen ankündigen.

 

26        Eine Auslegung von Art. 6a Abs. 1 der Richtlinie 98/6 dahin, dass es genügen würde, in der Bekanntgabe einer Preisermäßigung den „vorherigen Preis“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels als bloße Information zu nennen, ohne dass diese Ermäßigung tatsächlich auf der Grundlage des vorherigen Preises bestimmt wird, würde es den Händlern somit ermöglichen, unter Missachtung dieses spezifischen Ziels die Verbraucher irrezuführen, indem Preisermäßigungen bekannt gegeben werden, die nicht real sind und dem Ziel von Art. 6a der Richtlinie zuwiderlaufen.

 

27        Folglich ist Art. 6a Abs. 1 und 2 der Richtlinie 98/6, um sowohl dem spezifischen Ziel dieses Artikels als auch den mit dieser Richtlinie allgemein verfolgten Zielen gerecht zu werden, dahin auszulegen, dass in der Bekanntgabe einer Ermäßigung des Verkaufspreises eines Erzeugnisses diese Ermäßigung unter Bezugnahme auf den „vorherigen Preis“ dieses Erzeugnisses im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels zu bestimmen ist. Dementsprechend kann der Verkaufspreis eines Erzeugnisses, der in einer Bekanntgabe als ermäßigter Preis angegeben wird, tatsächlich nicht genauso hoch oder sogar höher sein als dieser „vorherige Preis“.

 

28        Drittens ist, da Art. 6a der Richtlinie 98/6 speziell die Aspekte im Zusammenhang mit der Angabe des vorherigen Preises in der Bekanntgabe einer Preisermäßigung und die Definition dieses Preises regelt, die Geschäftspraxis in den Beziehungen zwischen Händlern und Verbrauchern, die darin besteht, eine Preisermäßigung für das betroffene Erzeugnis anzukündigen, die nicht auf der Grundlage des „vorherigen Preises“ im Sinne von Art. 6a Abs. 2 dieser Richtlinie bestimmt wird, anhand dieses Artikels – wie er in den Rn. 24 und 27 des vorliegenden Urteils ausgelegt wird – zu beurteilen, und nicht anhand der Bestimmungen der Richtlinie 2005/29, wie sich aus deren Art. 3 Abs. 1 und 4 ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. Juli 2016, Citroën Commerce, C‑476/14, EU:C:2016:527, Rn. 42 bis 45).

 

29        Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 6a Abs. 1 und 2 der Richtlinie 98/6 dahin auszulegen ist, dass er verlangt, dass eine Preisermäßigung für ein Erzeugnis, die von einem Händler in Form eines Prozentsatzes oder einer Werbeaussage, mit der die Vorteilhaftigkeit des angegebenen Preises hervorgehoben werden soll, bekannt gegeben wird, auf der Grundlage des „vorherigen Preises“ im Sinne von Abs. 2 dieses Artikels zu bestimmen ist.

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