OLG Düsseldorf: Bemessung der Vergütung eines Nachtragsliquidators
OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.5.2019 – 3 Wx 233/17
ECLI:DE:OLGD:2019:0517.3WX233.17.00
Volltext: BB-ONLINE BBL2019-2369-4
Amtliche Leitsätze
1. Die mangels einer Vereinbarung zwischen dem Nachtragsliquidator und der Gesellschaft vom Gericht festzusetzende Vergütung des gerichtlich bestellten Nachtragsliquidators einer wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöschten GmbH mit der Aufgabe der Verwertung noch vorhandenen Grundstücksvermögens richtet sich – ungeachtet dessen, ob die Bestellung für weitere Abwicklungsmaßnahmen gemäß § 273 Abs. 4 AktG oder wegen nachträglich aufgetauchten Vermögens gemäß § 66 Abs. 5 GmbHG erfolgt ist - nach § 265 Abs. 4 AktG analog.
2. Die Höhe der Vergütung des Nachtragsliquidators, dessen Tätigkeit am ehesten mit der eines Sonderinsolvenzverwalters vergleichbar ist, bemisst sich nach den Grundsätzen der InsVV; im Falle der Liquidation des einzigen noch verbliebenen Vermögensbestandteils (Grundstück) orientiert sie sich an einer unter Schätzung des Mehrerlöses bei freihändigem Verkauf gegenüber einer Verwertung der Immobilie in der Zwangsvollstreckung nach § 2 InsVV ermittelten Regelvergütung (hier einem Bruchteil von 15 % mit Blick auf den tatsächlichen Arbeitsaufwand des Nachtragsliquidators sowie die vorzeitige Beendigung der Tätigkeit).
Sachverhalt
I.
Nachdem die G. & S. GmbH wegen Vermögenslosigkeit im Handelsregister gelöscht worden war, beantragten die Beteiligten zu 1 bis 3 als ehemalige Gesellschafter Bestellung eines Nachtragsliquidators, da noch Vermögen vorhanden sei, nämlich der im Grundbuch des Amtsgerichts Düsseldorf von ….. Blatt ….. eingetragene Grundbesitz.
Auf Antrag der Beteiligten zu 1 bis 3 bestellte das Registergericht mit Beschluss vom 28. Februar 2012 den Beteiligten zu 4 gem. § 273 Abs. 4 AktG zum Nachtragsliquidator zur Liquidation des og. Grundbesitzes.
Mit Beschluss vom 28. Juli 2017 setzte es die Vergütung des Beteiligten zu 4 auf insgesamt 55.790,77 € fest und führte aus, bei der Bemessung sei von der Vergütung auszugehen, die den Vorstandsmitgliedern bzw. Geschäftsführern als Abwicklern zustehe. Danach erscheine eine 7,5/10tel-Gebühr von einem Gegenstandswert von 2.800.000,00 € angemessen aber auch ausreichend, zumal die Beteiligten zu 1 bis 3 gegen die Vergütungshöhe keine Einwendungen erhoben hätten. Ein Zwangs- oder Nachlassverwalter könne bis zu 10 % vom Wert des Objekts – also etwa das Fünffache der hier geltend gemachten Vergütung - beanspruchen, so dass auch insoweit keine Einwendungen gegen die Vergütungshöhe bestünden.
Dagegen richten sich die Beschwerden der Beteiligten zu 1 bis 3. Sie machen geltend, die Vergütung des Beteiligten zu 4 sei auf der Grundlage des Gegenstandswerts zu bemessen, der sich nach § 67 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG richte. Außerdem sei die Vergütung herabzusetzen, weil der Nachtragsliquidator keinerlei Tätigkeit entfaltet habe.
Mit Beschluss vom 18. September 2017 hat das Registergericht den Beteiligten zu 4 auf Antrag der Beteiligten zu 1 bis 3 abberufen und an seiner Stelle RechtsanwaltJ. K. in A zum neuen Nachtragsliquidator bestellt.
Mit weiterem Beschluss vom 27. Oktober 2017 hat das Registergericht den Beschwerden der Beteiligten zu 1 bis 3 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt. Es hat ausgeführt, die Vergütung für den Nachtragsliquidator bemesse sich nicht nach dem GNotKG. Die Regelung in § 67 GNotKG zur Bestimmung des Geschäftswerts gelte nur für die Gerichtskosten und die Vergütung der Notare. Die Vergütung des Nachtragsliquidators richte sich dagegen nach dem Vermögenswert, der zur Einrichtung der Nachtragsliquidation geführt habe. Dabei sei auf den objektiven Grundstückswert abzustellen, der etwa 2,8 Mio. € betrage. Eventuelle Belastungen seien nicht zu berücksichtigen, weil sie eher zu einer Mehrarbeit führten. Sofern die Beteiligten zu 1 bis 3 geltend machten, der Beteiligte zu 4 habe wenig, nicht oder schlecht gearbeitet, seien das keine Einwände, die die Vergütungshöhe beträfen, sondern nur deren materielle Durchsetzbarkeit.
Aus den Gründen
II.
Die Beschwerde ist gem. §§ 265 Abs. 4 S. 3 AktG, 58 ff. FamFG zulässig. Insbesondere sind die Beteiligten zu 1 bis 3 als Gesellschafter der im Handelsregister gelöschten Gesellschaft beschwerdebefugt i.S.d. § 59 FamFG. Ihre Betroffenheit in eigenen Rechten ergibt sich daraus, dass im Hinblick auf den vorhandenen Grundbesitz nicht ausgeschlossen werden kann, dass noch Vermögen zu verteilen ist.
In der Sache hat die Beschwerde in dem aus dem Tenor ersichtlichem Umfang Erfolg.
Die Vergütungsfestsetzung für den Beteiligten zu 4 richtet sich nach 265 Abs. 4 AktG analog. Dabei kommt es nicht darauf an, ob der Nachtragsliquidator für weitere Abwicklungsmaßnahmen gem. § 273 Abs. 4 AktG oder wegen nachträglich aufgetauchten Vermögens gem. § 66 Abs. 5 GmbHG bestellt worden ist, weil in beiden Fällen § 265 Abs. 4 AktG zur Anwendung kommt.
§ 67 GNotKG ist dagegen - entgegen der Annahme der Beschwerdeführer – im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Zwar handelt es sich hier gem. § 375 Nr. 3 FamFG i.V.m. § 265 Abs. 4 AktG um ein unternehmensrechtliches Verfahren. Das GNotKG regelt aber nur die Gerichtskosten und die Kosten der Notare in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Für die Vergütung des Nachtragsliquidators kann dagegen nicht auf das GNotKG zurückgegriffen werden.
Ist zwischen dem Nachtragsliquidator und der Gesellschaft – wie hier – eine Vergütung nicht vereinbart worden und kommt eine solche Einigung auch später nicht zustande, ist die Vergütung vom Gericht festzusetzen, § 265 Abs. 4 S. 2 AktG. Zur Bestimmung der Vergütungshöhe findet sich im Gesetz allerdings keine ausdrückliche Regelung.
Hinsichtlich ihrer Bemessung wird vertreten, das Gericht möge sinnvollerweise von dem Betrag ausgehen, der den Vorstandsmitgliedern – hier den Geschäftsführern - als Abwicklern zustehe (§ 87 Abs. 1 AktG); denn er stelle die Summe dar, die von der Gesellschaft selbst für angemessen gehalten werde (BGH NJW 1996, 2499; Füller, in: Bürgers/Körber, Aktiengesetz, 4. Aufl. 2017, § 265 Rn. 14 f.; Koch, in: Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Auflage 2016, § 265 Rn. 29). Hilfsweise soll auch die Insolvenzrechtliche Vergütungsverordnung (InsVV) herangezogen werden können (Riesenhuber, in: Schmidt/Lutter, AktG, 3. Aufl. 2015, § 265 Rn. 11, 8).
Im vorliegenden Fall erscheint eine Orientierung an den regelmäßigen Bezügen der Geschäftsführer (deren Höhe im Übrigen nicht bekannt ist) nicht praktikabel, weil der Nachtragsliquidator lediglich mit einer bestimmten, eng umrissenen Aufgabe befasst war, nämlich der Liquidation eines bestimmten Grundbesitzes. Diese Tätigkeit ist mit der Aufgabe der Geschäftsführung der GmbH nicht vergleichbar. Angemessen erscheint dagegen die Heranziehung der Grundsätze der InsVV. Dabei ist die Tätigkeit des Nachtragsliquidators am ehesten mit der eines Sonderinsolvenzverwalters vergleichbar, so dass die Grundsätze zur Bemessung der Vergütung des Sonderinsolvenzverwalters in §§ 63 bis 65 InsO und der InsVV entsprechend angewendet werden können. Eine gem. § 5 InsVV delegierbare Sonderaufgabe, deren Vergütung sich unmittelbar nach den einschlägigen Gebührenordnungen bemessen würde, stellt die Liquidation des Grundbesitzes nicht dar. Vielmehr zählt diese zu den von einem Insolvenzverwalter, bzw. – hier – einem Nachtragsliquidator, auszuführenden Kernaufgaben, die einer Delegation zulasten der Masse gem. § 5 InsVV nicht zugänglich wäre.
Die Vergütung des Insolvenzverwalters bemisst sich grundsätzlich nach dem Wert der Insolvenzmasse zur Zeit der Beendigung des Insolvenzverfahrens (§ 63 Abs. 1 S. 2 InsO, § 1 Abs. 1 S. 1 InsVV). Bei dem hier zu liquidierenden Grundbesitz übersteigen allerdings die Belastungen seinen Verkehrswert (vgl. Bd. I, Bl. 120 d. A.). Grundsätzlich werden mit Absonderungsrechten belastete Gegenstände nur insoweit berücksichtigt als aus ihnen der Masse ein Überschuss zusteht, § 1 Abs. 2 Nr. 1 S. 3 InsVV. Das kann aber nicht zur Folge haben, dass dem Nachtragsliquidator, der mit der Verwertung des belasteten Grundstücks betraut ist, gar kein Vergütungsanspruch zusteht. Eine angemessene Berücksichtigung des Arbeitsaufwandes des Insolvenzverwalters für die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten erlaubt § 3 Abs. 1 a) InsVV. Danach ist eine den Regelsatz übersteigende Vergütung festzusetzen, wenn die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten einen erheblichen Teil der Tätigkeit des Insolvenzverwalters ausgemacht hat, ohne dass ein entsprechender Mehrbetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV angefallen ist. Die Berücksichtigung eines angemessenen Zuschlags nach dieser Vorschrift soll insbesondere dann in Betracht kommen, wenn der Insolvenzverwalter besondere Anstrengungen unternimmt, um durch freihändige Veräußerung einen höheren Erlös zu erzielen als dies in der Zwangsvollstreckung möglich wäre (BGH WM 2016, 1304; vgl. auch AG Heidelberg ZIP 1985, 1155: vierfacher Regelsatz nach dem Wert der „Aus- und Absonderungsmasse“; AG Mannheim ZIP 1984, 207: zweieinhalbfacher Regelsatz für die Bearbeitung der Aus- und Absonderungsrechte aus dem Wert dieser Rechte). In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Verwertung des belasteten Grundstücks die einzige Aufgabe des Nachtragsliquidators darstellt, erlaubt die entsprechende Heranziehung des § 3 Abs. 1 a) InsVV die Festsetzung einer angemessenen Vergütung zugunsten des Nachtragsliquidators.
Für die Tätigkeit des Nachtragsliquidators im Zusammenhang mit der Verwertung des Grundstücks erachtet der Senat eine Vergütung in Höhe von 5.662,50 € für angemessen. Diesen Wert hat der Senat wie folgt ermittelt:
Den Mehrerlös bei freihändigem Verkauf des Grundstücks gegenüber einer Verwertung in der Zwangsvollstreckung schätzt der Senat auf maximal 500.000,00 €. Auf der Grundlage dieses Wertes ergibt sich eine Regelvergütung i.H.v. 37.750,00 €, die sich folgendermaßen berechnet (§ 2 InsVV):
25.000,00 € * 40 % = 10.000,00 €
25.000,00 € * 25 % = 6.250,00 €
200.000,00 € * 7 % = 14.000,00 €
250.000,00 € * 3 % = 7.500,00 €
37.750,00 €.
Davon erachtet der Senat einen Bruchteil von 15 %, also 5.662,50 €, für die Tätigkeit des Beteiligten zu 4 im Zusammenhang mit der Liquidation des Grundstücks für angemessen. Dabei hat der Senat den tatsächlichen Arbeitsaufwand des Beteiligten zu 4 – soweit bekannt - berücksichtigt. Nach eigenen Angaben hat der Beteiligte zu 4 mehrere Besprechungen mit den Beteiligten und einen Beratungstermin bei einem Notar durchgeführt (vgl. Bd. I Bl. 222 d. A., Bd. II Bl. 76 d. A.), ohne Näheres zu Inhalt, Dauer und Vorbereitungsaufwand mitzuteilen. Bei der Bemessung des Bruchteils war entsprechend § 3 Abs. 2 c) InsVV ferner die vorzeitige Beendigung der Tätigkeit des Beteiligten zu 4 zu berücksichtigen.
III.
Eine Kostenentscheidung für die überwiegend erfolgreiche Beschwerde ist nicht veranlasst, § 25 Abs. 1 GNotKG.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht darauf, dass höchstrichterlich noch nicht entschieden ist, nach welchen Grundsätzen die Vergütung des Nachtragsliquidators zu bemessen ist.