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Wirtschaftsrecht
20.04.2011
Wirtschaftsrecht
BGH: Beitrittserklärung eines Kommanditisten zu einer Publikumskommanditgesellschaft

BGH, Urteil vom 1.3.2011 - II ZR 16/10

leitsatz

BGB § 133 C; HGB § 161

Wird die Beitrittserklärung eines Kommanditisten zu einer Publikumskommanditge-sellschaft von der persönlich haftenden Gesellschafterin zwar im Namen der Gesell-schaft angenommen, ist die persönlich haftende Gesellschafterin in dem im Prospekt abgedruckten Gesellschaftsvertrag aber nur bevollmächtigt worden, Aufnahmever-träge im Namen der Mitgesellschafter abzuschließen, spricht das für eine Auslegung der Annahmeerklärung dahin, dass sie im Namen der Mitgesellschafter abgegeben wird.

sachverhalt

Die Beklagte zu 1 war Initiatorin, der Beklagte zu 2 Gründungskomman-ditist der Windpark T. GmbH und Co. KG C. und Geschäftsführer ihrer Komplementärin. Die Beklagten zu 3 und 4 waren mit der Werbung von Anlegern beauftragt. Die Kläger sind der Gesellschaft im Jahr 2001 als Kommanditisten beigetreten. Sie verlangen die Rückabwicklung ihrer Kapitalanlagen mit der Begründung, der Prospekt weise verschiedene Fehler auf. Im September 2007 wurde der Windpark veräußert. Der Veräußerungser-lös in Höhe von 44 % der Kommanditeinlagen wurde den Klägern nach Anhän-gigkeit der Klage ausbezahlt. Daraufhin haben sie den Rechtsstreit insoweit für erledigt erklärt.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Nach der zunächst uneingeschränkt eingelegten Revision greifen die Kläger das Urteil zuletzt nur noch insoweit an, als ihren Ansprüchen gegen den Beklagten zu 2 auf Zahlung in unterschiedlicher Höhe gegen Rückübertragung der Beteiligung (Anträge Ziffer 1 und 2), Feststellung künftigen Schadensersatzes (Antrag Zif-fer 3) und Feststellung der teilweisen Hauptsacheerledigung (Antrag Ziffer 5) der Erfolg versagt geblieben ist. Im Übrigen haben sie die Revisionen zurück-genommen.

aus den gründen

3          Die Revisionen haben Erfolg und führen unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-richt.

4          I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

5            Ansprüche aus Prospekthaftung im engeren Sinne seien verjährt. Solche aus Prospekthaftung im weiteren Sinne schieden aus, weil kein Vertrag zwi-schen dem Beklagten zu 2 als Gründungsgesellschafter und den Klägern als neu eintretenden Kommanditisten zustande gekommen sei. Der Gesellschafts-vertrag bestimme in § 5 Abs. 3, dass die persönlich haftende Gesellschafterin der Kommanditgesellschaft die Beitrittserklärung annehme. Im Zeichnungs-schein habe die Komplementärin die Beitrittserklärung ausdrücklich als Vertre-terin der Kommanditgesellschaft angenommen. Der Beklagte zu 2 sei demnach nicht Vertragspartner der Kläger geworden.

6          II. Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt ein Anspruch der Kläger gegen den Beklagten zu 2 als Gründungsgesellschafter aus Pros-pekthaftung im weiteren Sinne in Betracht.

7          1. Die Prospekthaftung im weiteren Sinne knüpft als Anspruch aus Ver-schulden bei Vertragsschluss nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 BGB an die (vor-)vertraglichen Beziehungen zu dem Anleger an. In einer Kommanditgesell-schaft - auch in der Publikumskommanditgesellschaft - wird die Kommanditis-tenstellung grundsätzlich durch den Abschluss eines Aufnahmevertrages mit den übrigen der Gesellschaft bereits angehörenden Gesellschaftern erlangt (vgl. BGH, Urteil vom 1. Oktober 1984 - II ZR 158/84, ZIP 1984, 1473, 1474; Urteil vom 3. Februar 2003 - II ZR 233/01, DStR 2003, 1494, 1495; Urteil vom 14. Juli 2003 - II ZR 202/02, ZIP 2003, 1651, 1652). Im Rahmen der Beitritts-verhandlungen haftet der Gründungsgesellschafter für die schuldhafte Verlet-zung von Aufklärungspflichten. Dabei kommt auch die Haftung für Prospektfehler in Betracht, wenn der Prospekt bei den Beitrittsverhandlungen verwendet wurde (BGH, Urteil vom 14. Januar 1985 - II ZR 41/84, WM 1985, 533, 534; Urteil vom 3. Februar 2003 - II ZR 233/01, DStR 2003, 1494, 1495; Urteil vom 7. Juli 2003 - II ZR 18/01, ZIP 2003, 1536, 1537; Urteil vom 14. Juli 2003 - II ZR 202/02, ZIP 2003, 1651, 1652 f.; Urteil vom 20. März 2006 - II ZR 326/04, ZIP 2006, 849, 850). Der Gründungsgesellschafter haftet über § 278 BGB auch für das Fehlverhalten von Personen, die er zum Abschluss des Beitrittsvertrages bevollmächtigt hat (BGH, Urteil vom 1. Oktober 1984 - II ZR 158/84, ZIP 1984, 1473, 1474; Urteil vom 14. Januar 1985 - II ZR 41/84, WM 1985, 533, 534; Urteil vom 3. Februar 2003 - II ZR 233/01, DStR 2003, 1494, 1495; Urteil vom 14. Juli 2003 - II ZR 202/02, ZIP 2003, 1651, 1652).

8          2. Es kann dahinstehen, ob entgegen der Auffassung des Berufungsge-richts die Prospekthaftung im weiteren Sinne den Gründungskommanditisten auch dann trifft, wenn der Vertreter den Aufnahmevertrag nicht im Namen aller bisherigen Gesellschafter abschließt, sondern im Namen der Kommanditgesell-schaft. Denn die Auslegung der Willenserklärungen ergibt hier, dass die Kom-plementärin die Vertragserklärungen der Beitrittswilligen im Namen aller Gesell-schafter und somit auch im Namen des Beklagten zu 2 als Gründungskomman-ditisten angenommen hat. Das kann der Senat selbst feststellen, da es sich bei dem Fonds um eine Publikumsgesellschaft handelt (vgl. BGH, Urteil vom 11. Januar 2011 - II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 12).

9          a) Der Eintritt in eine Personengesellschaft bedarf grundsätzlich eines Vertragsschlusses mit allen bisherigen Gesellschaftern. Der Gesellschaftsver-trag kann jedoch die Aufnahme neuer Gesellschafter erleichtern. Bei Publi-kumsgesellschaften wird regelmäßig die persönlich haftende Gesellschafterin bevollmächtigt, nach ihrer Wahl mit weiteren Kommanditisten deren Beitritt zur Gesellschaft zu vereinbaren. Das erforderliche Einverständnis der übrigen Gesellschafter mit dem Eintritt neuer Gesellschafter kann in einem solchen Fall im Voraus in dem Gesellschaftsvertrag erteilt werden. Der Abschluss des Aufnah-mevertrags mit den übrigen Gesellschaftern kommt dann im Regelfall dadurch zustande, dass sich die persönlich haftende Gesellschafterin im Rahmen der gesellschaftsvertraglichen Bestimmungen mit dem neu eintretenden Gesell-schafter auch im Namen der übrigen Gesellschafter über die Aufnahme einigt (BGH, Urteil vom 17. November 1975 - II ZR 120/74, WM 1976, 15, 16; Urteil vom 14. November 1977 - II ZR 95/76, WM 1978, 136, 137).

10        b) So war es auch hier. Die Annahme der Beitrittserklärungen der Kläger durch die Komplementärin erfolgte im Zeichnungsschein zwar durch Leistung der Unterschrift räumlich über der Firma der Fondsgesellschaft nebst dem Zu-satz "vertreten durch die E. GmbH". Daraus ergibt sich jedoch nicht, dass der unterzeichnende Vertreter die Beitrittserklärung im Na-men der Kommanditgesellschaft angenommen hat. Das Berufungsgericht haftet mit seiner gegenteiligen Auffassung an dem buchstäblichen Sinn der Erklärung und verletzt damit die §§ 133, 164 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die zuletzt genannte Norm ist nicht nur bei der Beurteilung der Frage heranzuziehen, ob im Namen eines anderen gehandelt wurde, sondern auch bei der Beantwortung der Frage, für wen gehandelt worden ist.

11        Schließt der Komplementär den Aufnahmevertrag „namens der Publi-kumskommanditgesellschaft" ab, kann das nach dem objektiven Erklärungswert als ein Handeln sowohl im Namen der Kommanditgesellschaft als auch im Na-men der Altgesellschafter verstanden werden (Henze in Ebenroth/Boujong/ Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 177 a Anh. B Rn. 11 f.). Bei der Beurteilung der Frage, in welchem Namen der Vertreter einen Vertrag abschließt, kommt es - wie stets im Rechtsverkehr bei der Auslegung von Willenserklärungen - auf den objektiven Inhalt der Erklärung des Vertreters an, also darauf, wie sich die Erklärung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte für einen objektiven Betrachter in der Lage des Erklärungsgegners darstellt (§§ 133, 157 BGB). Hierbei sind die gesamten Umstände des Einzelfalles zu berücksichti-gen, insbesondere auch die dem Rechtsverhältnis zugrunde liegenden Lebens-verhältnisse, die Interessenlage, der Geschäftsbereich, dem der Erklärungsge-genstand zugehört, und die typischen Verhaltensweisen. Der Inhalt des vorlie-genden Beitrittsvertrages (Zeichnungsscheins), vor allem die ausdrückliche Be-zugnahme auf den Gesellschaftsvertrag und der zum Ausdruck kommende übereinstimmende Wille der Vertragschließenden, auf dieser Grundlage die Kommanditistenstellung begründen zu wollen, lassen erkennen, dass der jewei-lige Beitrittsantrag der Kläger nach seinem objektiven Erklärungsinhalt gegen-über den Gesellschaftern der Fondsgesellschaft als den richtigen Adressaten abgegeben werden sollte und der Vertreter den Antrag im Namen der Gesell-schafter für diese angenommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 17. November 1975 - II ZR 120/74, WM 1976, 15, 16). Hierfür spricht vor allem, dass nur diese Vor-gehensweise durch die der persönlich haftenden Gesellschafterin im Gesell-schaftsvertrag erteilte Vollmacht gedeckt ist. Der in dem Prospekt abgedruckte Gesellschaftsvertrag bestimmt in dem vom Berufungsgericht nur unvollständig wiedergegebenen § 5 Abs. 3 Satz 2: "Die persönlich haftende Gesellschafterin ist zur Annahme der Beitrittserklärungen namens aller Gesellschafter unter Be-freiung von den Beschränkungen des § 181 BGB bevollmächtigt." Zu einer An-nahme der Beitrittserklärungen im Namen der Fondsgesellschaft war die Kom-plementärin gerade nicht befugt.

12        3. Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht aus an-deren Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).

13        Ob die gerügten Prospektfehler vorliegen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, so dass sie für das Revisionsverfahren zu unterstellen sind. Auf dieser Grundlage lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob ein Anspruch aus Verschulden bei Vertragsschluss - wie das Landgericht angenommen hat - ver-jährt ist. Die Ausführungen des Landgerichts zur Kenntnis der Prospektfehler und damit zum Beginn der Verjährung nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB beruhen auf einer Verkennung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Wenn mehrere voneinander abgrenzbare Prospektfehler vorliegen, führt dies zu einer Differenzierung hinsichtlich des Verjährungsbeginns. Die kenntnisabhängige Verjährungsfrist berechnet sich für jeden Fehler und für jeden Anleger geson-dert (BGH, Urteil vom 9. November 2007 - V ZR 25/07, WM 2008, 89; Urteil vom 23. Juni 2009 - XI ZR 171/08, BKR 2009, 372, 373).

14        III. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die noch erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.

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