BGH: Beitritt zum Mietpool - Aufklärungspflichten des Verkäufers
Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 18.07.2008
Aktenzeichen: V ZR 71/07
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 433 | |
BGB § 675 |
Ein Verkäufer, der den Beitritt zu einem Mietpool empfiehlt, muss den Käufer nicht über die generelle Möglichkeit einer defizitären Entwicklung des Mietpools aufklären.
BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
V ZR 71/07
Verkündet am: 18. Juli 2008
in dem Rechtsstreit
Der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Krüger, den Richter Dr. Klein, die Richterin Dr. Stresemann und die Richter Dr. Czub und Dr. Roth
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. März 2007 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen Tatbestand:
Die Beklagte zu 1 (nachfolgend: Beklagte), deren persönlich haftender Gesellschafter der Beklagte zu 2 ist, kauft Altwohnbestände auf, nimmt an ihnen Renovierungsmaßnahmen vor und veräußert sie nach Aufteilung in Wohnungseigentum weiter.
Mit notariellem Vertrag vom 6. Januar 2000 kauften der Kläger und seine Ehefrau eine solche Wohnung in S. . Ferner traten sie einer von einer Schwesterfirma der Beklagten verwalteten Mieteinnahmegemeinschaft (Mietpool) bei. Den Vertragsschlüssen vorangegangen waren Beratungsgespräche, in denen Beauftragte der Beklagten einen Vorschlag zur Finanzierung des Kaufpreises gemacht und auf dieser Grundlage in einer sog. Musterrentabilitätsberechnung den monatlichen Eigenaufwand des Klägers und seiner Ehefrau errechnet hatten.
Infolge einer defizitären Entwicklung des Mietpools erreichten die Mietausschüttungen an den Kläger und seine Ehefrau nicht die von der Beklagten berechnete Höhe. Der Mietpool geriet im Jahr 2000 mit etwa 52.000 DM ins Soll; im Folgejahr belief sich die Unterdeckung auf 159.000 DM. Im Jahr 2002 und 2003 betrug das Minus 175.000 € bzw. 234.000 €.
Der Kläger, der sich insbesondere hinsichtlich der Risiken des Mietpools falsch beraten fühlt, verlangt aus eigenem und abgetretenem Recht seiner Ehefrau die Rückabwicklung des Kaufvertrages sowie die Feststellung, dass die Beklagten zum Ersatz auch des weiteren Schadens verpflichtet sind. Die Beklagten erstreben mit einer gegen die Ehefrau des Klägers erhobenen Drittwiderspruchsklage die Feststellung, dass dieser keine Schadensersatzansprüche aus dem Kaufvertrag vom 6. Januar 2000 zustehen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und der Drittwiderklage stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat umgekehrt entschieden. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision möchten die Beklagten die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Der Kläger und die Drittwiderbeklagte beantragen die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Oberlandesgericht meint, die Beklagte habe ihre Pflichten aus dem mit dem Kläger und seiner Ehefrau zustande gekommenen Beratungsvertrag verletzt, weil sie nicht darüber aufgeklärt habe, dass der Mietpool eine negative Entwicklung nehmen könne. Es könne offen bleiben, ob eine solche Entwicklung im Januar 2000 vorhersehbar gewesen sei. Jedenfalls habe die Beklagte zu diesem Zeitpunkt gewusst, dass die Entwicklung auch anders verlaufen könne, als von ihr angenommen. Zudem müsse sie sich fragen lassen, wieso sie Ende 1999/Anfang 2000 aus eigenen Mitteln 150.000 DM in den Mietpool eingezahlt habe. Offenbar habe der Mietpool schon damals einer "Starthilfe" bedurft.
II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. a) Zutreffend legt das Berufungsgericht allerdings die ständige Rechtsprechung des Senats zugrunde, wonach zwischen Verkäufer und Käufer ein Beratungsvertrag zustande kommen kann, wenn der Verkäufer im Zuge eingehender Vertragsverhandlungen dem Käufer einen ausdrücklichen Rat erteilt; dies gilt insbesondere, wenn der Verkäufer dem Käufer Berechnungsbeispiele über Kosten und finanzielle Vorteile des Erwerbs vorlegt, die diesen zum Vertragsabschluss bewegen sollen (Senat, BGHZ 156, 371, 374; 140, 111, 115; Urt. v. 6. April 2001, V ZR 402/99, NJW 2001, 2021; Urt. v. 14. März 2003, V ZR 308/02, NJW 2003, 1811, 1812; Urt. v. 8. Oktober 2004, V ZR 18/04, NJW 2005, 820, 821 f.; Urt. v. 15. Oktober 2004, V ZR 223/03, NJW 2005, 983; Urt. v. 14. Januar 2005, V ZR 260/03, WuM 2005, 205; Urt. v. 13. Oktober 2006, V ZR 66/06, WM 2007, 174, 175 f.; Urt. v. 10. November 2006, V ZR 73/06, juris).
b) Nicht frei von Rechtsfehlern ist indessen die Annahme des Berufungsgerichts, die Beklagte habe ihre Beratungspflichten verletzt, weil sie den Kläger und seine Ehefrau nicht darüber aufgeklärt habe, dass sich der Mietpool auch anders als von ihr angenommen, nämlich negativ, entwickeln könne.
Richtig ist zwar, dass der Verkäufer kein in tatsächlicher Hinsicht unzutreffendes, zu positives Bild der Ertragserwartung der Immobilie geben darf, und auch über Risiken aufklären muss, die in dieser Hinsicht mit einem empfohlenen Beitritt zu einem Mietpool verbunden sind (Senat, Urt. v. 13. Oktober 2006, V ZR 66/06, WM 2007, 174, 176 f.). Hierzu zählen insbesondere die Auswirkungen von möglichem Wohnungsleerstand. Der Verkäufer muss das gewöhnliche, insbesondere bei einem Mieterwechsel gegebene, Leerstandsrisiko in jedem Fall, also unabhängig von dem Beitritt zu einem Mietpool, entweder in seiner Berechnung des Mietertrages angemessen berücksichtigen oder aber den Käufer unmissverständlich darauf hinweisen, dass es nicht einkalkuliert worden ist (vgl. Senat, Urt. v. 30. November 2007, V ZR 284/06, NJW 2008, 649 f.). Empfiehlt er den Beitritt zu einem Mietpool muss er dem Käufer darüber hinaus die Funktionsweise des Mietpools im Fall von Wohnungsleerstand erläutern. Dazu zählt nicht nur der Vorteil, bei einem Leerstand der eigenen Wohnung keinen vollständigen Mietausfall zu erleiden, sondern auch der Nachteil, das - anteilige - Risiko tragen zu müssen, dass andere Wohnungen nicht vermietet sind (Senat, Urt. v. 13. Oktober 2006, V ZR 66/06, aaO; Urt. v. 10. November 2006, V ZR 73/06, juris). Dabei darf sich der Verkäufer nicht darauf verlassen, dass der Käufer aus dem mit dem Mietpoolbeitritt verbundenen Vorteil auf den genannten Nachteil schließt. Vielmehr muss er ausdrücklich darauf hinweisen, dass Leerstände anderer Wohnungen, soweit sie über den hierfür einkalkulierten Betrag hinausgehen, zu einer Verringerung auch seines Mietertrages führen. Entsprechendes gilt, soweit andere Kosten, die ein Wohnungseigentümer sonst selbst zu tragen hat, durch den Beitritt zu einem Mietpool auf alle Poolmitglieder umgelegt werden, insbesondere also für die Kosten für die Instandsetzung des Sondereigentums (vgl. Senat, Urt. v. 13. Oktober 2006, V ZR 66/06, aaO).
Anders als das Berufungsgericht offenbar meint, muss der Verkäufer aber nicht weitergehend auf die Möglichkeit hinweisen, dass der Mietpool infolge einer bei Vertragsschluss nicht absehbaren Entwicklung des Mietmarktes oder der Wohnanlage nicht oder nur um den Preis von Unterdeckungen in der Lage ist, den berechneten Mietertrag auszuschütten. Das Risiko solcher Entwicklungen trägt der Käufer. Seine Interessen werden durch die Verpflichtung des Verkäufers hinreichend gewahrt, den Mietertrag seriös, d.h. nach den im Zeitpunkt des Vertragsschlusses gegebenen Verhältnissen und unter Berücksichtigung von sich bereits abzeichnenden negativen Entwicklungen, zu kalkulieren (vgl. Senat, BGHZ 156, 371, 376). Eine weitergehende Einstandspflicht im Sinne einer Garantie, dass sich der Mietertrag bzw. das Mietpoolergebnis so entwickelt, wie erwartet, übernimmt der Verkäufer in aller Regel nicht (vgl. auch Senat, Urt. v. 18. Juli 2008, V ZR 70/07, zur Veröffentlichung bestimmt).
c) Auf der Grundlage der Feststellungen des Berufungsgerichts kann ein Beratungsfehler der Beklagten daher nicht angenommen werden. Dabei ist - mangels gegenteiliger Feststellungen des Berufungsgerichts - für das Revisionsverfahren zugunsten der Beklagten davon auszugehen, dass ihre Mietkalkulation ordnungsgemäß war und insbesondere ein Mietausfallwagnis in gebotenem Umfang berücksichtigte. Zwar war sie, wie dargelegt, auch verpflichtet, den Kläger und dessen Ehefrau über die Funktionsweise des Mietpools einschließlich der damit verbundenen Übernahme des anteiligen Leerstandsrisikos der anderen Wohnungen des Pools aufzuklären. Davon, dass eine solche Aufklärung unterblieben ist, konnte das Berufungsgericht indessen nicht ausgehen.
Das Landgericht hat sich nach der Vernehmung der Zeugen H. und R. nicht davon überzeugt gezeigt, dass die Käufer nicht darüber belehrt worden seien, infolge des Beitritts zum Mietpool ein Mietausfallrisiko der anderen Mietpoolmitglieder mittragen zu müssen. Auch wenn der Zeuge R. dieses Risiko zum damaligen Zeitpunkt als gering angesehen habe, sei dem Kläger und seiner Ehefrau klar gewesen, dass sich Risiken hinsichtlich des Mietausfalls bei einem niedrigen Vermietungsstand der Eigentumswohnungen auf die Höhe der Miete insgesamt auswirken würden.
Diese Würdigung hat das Berufungsgericht nicht in Zweifel gezogen. Zu einem von dem Landgericht abweichenden Ergebnis gelangt es nur deshalb, weil es eine weitergehende Aufklärung über "die nicht auszuschließenden negativen Konsequenzen eines Beitritts zum Mietpool" bzw. darüber verlangt, dass "die Entwicklung auch negativ verlaufen könne". Zu einer solchen Aufklärung war die Beklagte, wie dargelegt, indessen nicht verpflichtet.
Die von dem Berufungsgericht hervorgehobene Aussage des Klägers, über den Mietpool sei mit dem Hinweis gesprochen worden, dass mit einer Unterdeckung wegen der kontinuierlich steigenden Mieten nicht zu rechnen sei, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Bei der Einschätzung der Beklagten, dass eine Unterdeckung des Mietpools unwahrscheinlich sei, handelt es sich um eine Prognose zur allgemeinen Entwicklung der Mietmarktes. Eine solche begründet - soweit der angegebene Mietertrag seriös kalkuliert war - keinen Beratungsfehler (vgl. zur Prognose von Kapitalmarktzinsen Senat, Beschl. v. 17. Januar 2008, V ZR 92/07, juris, Rdn. 8).
d) Ein Beratungsfehler folgt nicht daraus, dass die Beklagte im zeitlichen Zusammenhang mit dem Kaufvertragsschluss aus eigenen Mitteln 150.000 DM in den Mietpool eingezahlt hat. Das Berufungsgericht stellt nämlich nicht fest, dass der Kläger und seine Ehefrau darüber getäuscht wurden, auf welche Weise die im Kaufvertrag erwähnte Instandhaltungsrücklage für das Sondereigentum in Höhe von 150.000 DM gebildet worden ist. Es sieht in dem Zuschuss nur ein weiteres Indiz für das Bewusstsein der Beklagten, dass sich der Mietpool auch anders als erwartet entwickeln könne.
Allerdings können solche Zuschüsse darauf hinweisen, dass sich der Mietpool bereits bei Abschluss des Kaufvertrages in einer dem Verkäufer bekannten Schieflage befand, und der Verkäufer daher seine Pflicht verletzt hat, den Käufer über bestehende wirtschaftliche Schwierigkeiten des Mietpools und die damit verbundene Unsicherheit hinsichtlich der in die Berechnung des monatlichen Eigenaufwands eingestellten Mietpoolausschüttungen aufzuklären (vgl. Senat, Urt. v. 9. November 2007, V ZR 25/07, NJW 2008, 506, 508 Rdn. 29). Eine solche Schieflage hat das Berufungsgericht indessen nicht festgestellt.
2. Rechtsfehlerhaft ist schließlich die Annahme des Berufungsgerichts, die gegen die Ehefrau des Klägers gerichtete Drittwiderklage sei unzulässig. Die Beklagte hat trotz der Abtretung der Ansprüche aus dem Kaufvertrag an den Kläger und unbeschadet des Umstands, dass sich die Drittwiderbeklagte keiner eigenen Ansprüche mehr berühmt, ein Interesse an der beantragten Feststellung. Zur Begründung wird auf das Senatsurteil vom 13. Juni 2008 (V ZR 114/07, zur Veröffentlichung bestimmt) verwiesen.
III.
Das angefochtene Urteil kann daher insgesamt keinen Bestand haben (§ 562 Abs. 1 ZPO).
Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif. Die Klage ist auf weitere Beratungsfehler gestützt worden, zu denen das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - bislang keine Feststellungen getroffen hat. Hierzu zählen insbesondere die Behauptung, die in die Berechnung des Eigenaufwands eingestellte Miete sei fehlerhaft kalkuliert worden, weil keine Abschläge für Leerstände und für die Instandhaltung des Sondereigentums vorgenommen worden seien (vgl. Senat, BGHZ 156, 371, 376; Urt. v. 14. Januar 2005, V ZR 260/03, WuM 2005, 205, 207), sowie das Verschweigen eines im Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses bestehenden erheblichen und in der Kalkulation nicht berücksichtigten Leerstands in der Wohnanlage (vgl. dazu Senat, Beschl. v. 20. Juli 2007, V ZR 227/06, NJW-RR 2007, 1660, 1661).
BGHR: | ja |
Nachschlagewerk: | ja |
Verfahrensgang: | LG Wuppertal, 1 O 52/05 vom 09.05.2006 OLG Düsseldorf, I-9 U 109/06 vom 26.03.2007 |