LG München I: Bei wirtschaftlicher Neugründung ist das Grundkapital zur freien Verfügung des Vorstands zu leisten
LG München I, Urteil vom 30.8.2012 - 5 HK O 5699/11
SACHVERHALT
Die Klägerin macht als Insolvenzverwalterin Ansprüche aus der wirtschaftlichen Neugründung einer Gesellschaft geltend, die auf Einzahlung des Kapitals gerichtet sind.
I.
1. Das Amtsgericht - Insolvenzgericht - Würzburg eröffnete mit Beschluss vom 22.10.2008, Az. 1 EN 435/08 (Anlage K 1)das Insolvenzverfahren über das Vermögen der I AG (im Folgenden auch: lnsolvenzschuldnerin) und bestellte die Klägerin zur lnsolvenzverwalterin.
Die lnsolvenzschuldnerin war unter dem A AG (im Folgenden: AG) am 24.6.1999 mit einem Grundkapital von DM 100.000,-- gegründet worden. Der Unternehmensgegenstand dieser Gesellschaft bestand im Abschluss und in der Verwaltung von Leasing- und Finanzierungsverträgen für Investitions- und Konsumgüter. Im Anschluss. erfolgte sodann - umgerechnet in Euro - die Einzahlung auf das Grundkapital in Höhe von € 12.500,--, mithin von 25% des gezeichneten Kapitals; dieser Betrag war auch ausgewiesen in der Schlussbilanz der Gesellschaft zum 31.12.2005. ln den Jahren 2002 bis 2006 stellte die A AG ihre operative Tätigkeit ein, ohne dass es zu einer Löschung dieser Gesellschaft kam. Der Beklagte war im damaligem Zeitraum Alleinaktionär und Mitglied des Aufsichtsrates der lediglich als Mantel vorhandenen Gesellschaft.
Am 20.3.2007 fand eine außerordentliche Hauptversammlung der A AG statt, in deren Verlauf der bisherige Aufsichtsrat abberufen, ein neuer Aufsichtsrat gewählt und eine Umfirmierung in I I C AG mit Sitz in München beschlossen wurde. Der Gegenstand des Unternehmens wurde dabei in die Entwicklung, industrielle Produktion und Verwertung von Patentrechten für Anlagen, Vorrichtungen und Automatisierungen im Bereich der CO2- und Lasertechnologie sowie in die Erbringung damit zusammenhängender Dienstleistungen geändert. Hinsichtlich der näheren Einzelheiten dieser Hauptversammlung wird in vollem Umfang auf das notarielle Protokoll vom 20.3.2007 des Notars Dr. K, URNr. ... (Anlage K 5) verwiesen.
Am 30.3.2007 schlossen der Beklagte als Alleinaktionär und Herr B F folgenden mit "Abtretungserklärung" überschriebenen Vertrag (Anlage K 4), der von Herrn B F und dem Beklagten unterzeichnet wurde:
"Ich, der Unterzeichner [scil.: der Beklagte] dieser Abtretungserklärung erkläre, dass ich über sämtliche Aktien der A AG verfügungsberechtigt bin und übertrage sämtliche Aktien zu einem Gegenwert von einem Euro auf Herrn B F, der damit sämtliche Aktien der A AG hält. Herr Dr. H S und Herr A P willigen in diese Abtretung ein. Herr B F erklärt mit seiner Unterschrift, dass er diese Abtretung annimmt. Im Rahmen dieser Abtretung ist Herr H T auch bevollmächtigt, den Vorstand der Gesellschaft. zu vertreten."
Eine weitere außerordentliche Hauptversammlung der Insolvenzschuldnerin fasste am 21.5.2007 den Beschluss, den Namen der Gesellschaft von I I C AG in I AG zu ändern und den Sitz der Gesellschaft von M nach Ma zu verlegen. Die entsprechenden Änderungen der Satzung wurden am 29.8.2007 in das Handelsregister eingetragen.
Das Grundkapital der lnsolvenzschuldnerin belief sich auf € 50.000,-- und war eingeteilt in 1.000 auf den Namen lautende Aktien im Nennbetrag zu je € 50,--. Aufgrund von § 4 Abs. 4 der Satzung konnten die Namensaktien nur mit Zustimmung der Gesellschaft übertragen werden, wobei die Zustimmung vom Vorstand erteilt werden musste.
2.•Die Klägerin forderte Herrn B F mit Schreiben vom 3.11.2008 (Anlage K 9) zur Zahlung des Grundkapitals in Höhe von € 50.000,-- auf und setzte ihm eine Frist von einem Monat. Mit einem weiterem Schreiben vom 8.12.2008 (Anlage K 11) setzte die Klägerin Herrn B F unter Hinweis auf das Schreiben vom 3.11.2008 und ein nochmaliges Schreiben vom 25.11.2008 mit der dort enthaltenen Aufforderung zur Anweisung des noch ausstehenden Grundkapitals eine letztmalige Nachfrist von einem (weiteren) Monat zur Zahlung des Grundkapitals in Höhe von € 50.000,--. Nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist erklärte die Klägerin gestützt auf § 64 Abs. 3 Satz 1 AktG mit Schreiben vom 17.2.2008, dass Herr B F seiner Aktien verlustig sei. Zudem veranlasste sie die einmalige Bekanntmachung des Ausschlusses von Herrn B F als Aktionär in den Gesellschaftsblättern. Die Veröffentlichung dieser vom 4.3.2009 stammenden Erklärung erfolgte im elektronischen Bundesanzeiger vom 6.3.2009 (Anlage K 15).
Unter dem Datum "17.02.2009" schickte die Klägerin ein Schreiben (Anlage. K 20) an den Beklagten, in dem sie im Wesentlichen Folgendes ausführte und das dem Kläger mit Einschreiben-Rückschein am 16.3.2009 übermittelt wurde:
"Sehr geehrter Herr Kollege T,
mit Schreiben vom 03.11.2008 wurden Sie bereits davon in•Kenntnis gesetzt, dass der ehemalige Alleinaktionär der Schuldnerin, Herrn B F, von mir zur Zahlung des satzungsmäßigen Grundkapitals über 50.000,00 Euro in Anspruch genommen wurde. Ein Zahlungseingang konnte bis zum heutigen Tage nicht verzeichnet werden. Mit Schreiben vom 17.02.2009 wurde Herr F seiner Aktien für verlustig erklärt. Dies wurde am 06.03.2009 im Bundesanzeiger veröffentlicht. Einen Ausdruck füge ich in Kopie bei. Die Voraussetzungen des §65 Abs. 1, Abs. 2 AktG liegen damit vor. Es handelt sich bei Ihnen unbestritten um einen Vormann des ehemaligen Alleinaktionärs. Die Aktien wurden mittlerweile wirksam kaduziert.
Ich darf Sie daher bitten, dass satzungsmäßige Grundkapital in Höhe von
50.000,00 Euro
bis zum 31.03.2009 dem nachgenannten Insolvenzsonderkonto anzuweisen:
..."
II.
Zur Begründung ihrer Klage macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, der Beklagte hafte als Vormann von Herrn B F auf Grund von § 65 Abs. 1 Satz 2 AktG, nachdem auf das Grundkapital der lnsolvenzschuldnerin keine Zahlungen geflossen seien und angesichts der wirtschaftlichen Neugründung die Verpflichtung der Aktionäre zur Zahlung des satzungsmäßigen Grundkapitals wieder auflebe. Auch müsse davon ausgegangen werden, dass der zum 31.12.2005 noch in der Bilanz ausgewiesene Betrag von € 12.500,-- aufgebracht gewesen sei, was sich schon am Kaufpreis von € 1,-- für die Aktien zeige. Angesichts diverser Aufforderungsschreiben an den Beklagten zur Zahlung innerhalb der Frist von zwei Jahren könne er sich auch nicht auf das Versäumen der Ausschlussfrist berufen, nachdem die Frist erst mit der nach dem 30.3.2007 erfolgen Anmeldung der Übertragung der Aktien zum Aktienregister beginne.
Die Klägerin beantragt daher:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 50.000,-- nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlten.
III.
Der Beklagte beantragt demgegenüber:
Klageabweisung.
Zur Begründung beruft er sich im Wesentlichen darauf, Herr B F habe seine Einlagepflicht aus § 54 AktG in vollem Umfang erfüllt, wie sich namentlich aus einer Liste von Zahlungseingängen über insgesamt € 425.009,70 ergebe. Über die dergestalt auf das Geschäftskonto eingezahlten Beträge habe der Vorstand frei verfügen können. Ebenso wenig seien die Voraussetzungen von § 65 Abs. 2 AktG erfüllt weil einem Aufforderungsschreiben vom 3.12.2008 an den Beklagten kein eindeutig bestimmter Zahlungstermin entnommen werden könne. Dem Aufforderungsschreiben mit Datum "17.02.2009" müsse Misstrauen entgegengebracht werden, weil darin von einem künftigen Ereignis in der Vergangenheitsform gesprochen werde. Vor allem aber gelange die Vorschrift des § 65 AktG bei einer Mantelverwendung nicht zur Anwendung; bei einer Verpflichtung des Verwenders des Mantels zur Einzahlung des offenen Grundkapitals sei die Anwendung von § 65 AktG schon rechtslogisch ausgeschlossen, weil ein Neugründer keine Vormänner haben könne. Im Übrigen sei Verjährung eingetreten.
IV.
1. Das Gericht hat der Klägerin entsprechend ihrem am 21.3.2011 bei Gericht eingegangenen und dem Beklagten am 24.3.2011 zugestellten Antrag auf Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 25.7.2011 (BI. 30 d. A.) Prozesskostenhilfe bewilligt.
2. Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 2.2.2012 (BI. 85/86 d. A.) durch uneidliche Vernehmung der Zeugen V H und Dr. P H. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.5.2012 (BI. 92/104 d. A.).
V.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze samt Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 1.12.2011 (BI. 68/72 d. A.) und vom 24.5.2012 (BI. 92/104 d. A.).
Aus den Gründen
I.
Die zulässige. Klage ist begründet, weil der Klägerin ein Anspruch auf Zahlung von € 50.000,-- nebst Zinsen hieraus seit Rechtshängigkeit und damit seit dem 17.8.2011 zusteht.
1. Der Zahlungsanspruch der Klägerin ergibt sich in der Hauptsache aus§ 65 Abs. 1 Satz 1 AktG. Danach ist jeder im Aktienregister verzeichnete Vormann des ausgeschlossenen Aktionärs zur Zahlung des rückständigen Betrages verpflichtet, soweit dieser von seinen Nachmännern nicht zu erlangen ist. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind vorliegend erfüllt.
a. Auf die hier vorliegende wirtschaftliche Neugründung muss § 65 AktG Anwendung finden.
(1) Eine wirtschaftliche Neugründung muss vorliegend bejaht werden.
Diese liegt nämlich dann vor, wenn eine durch Eintragung in das Handelsregister als juristische Person bereits entstandene Kapitalgesellschaft (vgl. hierzu §§ 1 Abs. 1, 41 Abs. 1. AktG) als lediglich unternehmensloser Rechtsträger besteht und sodann mit einem Unternehmen ausgestattet wird. Dabei macht es keinen Unterschied, ob eine bewusst für eine spätere Verwendung "auf Vorrat" begründete Gesellschaft mit einem Unternehmen ausgestattet wird und sodann erstmals ihren Geschäftsbetrieb aufnimmt oder ob - wie hier - der "alte Mantel" einer im Rahmen ihres früheren Unternehmensgegenstandes tätig gewesenen, dann aber unternehmenslos gewordenen Gesellschaft wieder verwendet wird (vgl. BGHZ 117, 323, 331 f. = NJW 1992, 1824; BGHZ 153, 158, 161 f. = NJW 2003, 892, 893 = NZG 2003, 170 f.; BGHZ 155, 318, 322 = NJW 2003, 3198, 3199 = NZG 2003, 972, 973; BGH NZG 2012, 539 f. = NJW 2012, 1875, 1876 = ZIP 2012, 817, 818 = WM 2012, 845, 846 = BB 2012, 1756 = DB 2012, 1024, 1025 = DStR 2012, 974, 975; Bayer in: Festschrift für Goette, 2011, S. 15 ff.; Heidinger/Benz in: Spindler/Stilz, AktG, 2. Aufl., Rdn. 127 zu § 27; Hüffer, AktG, 10. Aufl., Rdn. 26 zu § 23; Röhricht in: Großkommentar zum AktG, 4. Aufl., Rdn. 129 ff. zu § 23; Seibt in: Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl., Rdn. 41 zu § 23; Pentz in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl., Rdn. 97 zu§ 23).
Am Vorliegen einer derartigen wirtschaftlichen Neugründung durch eine Mantelverwendung kann hier kein Zweifel bestehen. Der Unternehmensgegenstand der A AG wurde in den Jahren 2002 bis 2006 unstreitig überhaupt nicht betrieben; er war eingestellt gewesen. Im Verlaufe des Jahres 2007 beschloss die Hauptversammlung die Änderung des Unternehmensgegenstandes, der Firma und in einem zweiten Schritt auch des Sitzes der Gesellschaft. Zudem wurde ein neuer Vorstand bestellt und unter Verwendung des leer gewordenen Mantels eine neue Geschäftstätigkeit entsprechend des geänderten Unternehmensgegenstandes aufgenommen, wobei es nicht entscheidend darauf ankommen kann, inwieweit einzelne Handlungen wie Einladungen in eine Münchener Nobeldiskothek zur Verwirklichung des Geschäftsgegenstandes zielführend waren.
(2) ln dieser Situation einer wirtschaftlichen Neugründung durch Verwendung eines leeren Mantels müssen die Gründungsvorschriften analog angewandt werden. Danach sollen im Interesse des Geschäftsverkehrs Vorkehrungen dagegen getroffen werden, dass ein leer gewordener Gesellschaftsmantel ohne Geschäftsbetrieb seinen neuen oder alten Gesellschaftern nur dazu dient, unter Vermeidung einer rechtlichen Neugründung mit ihren präventiv wirkenden gläubigerschützenden Regelungen einer die beschränkte Haftung gewährleistenden Kapitalgesellschaft eine gänzlich neue Geschäftstätigkeit gegebenenfalls wieder aufzunehmen (so ausdrücklich BGH NZG 2012, 539, 540 = NJW 2012, 1875, 1876 = ZIP 2012, 817, 818 = WM 2012, 845, 846 = 88 2012, 1756 = DB 2012, 1024, 1025 = DStR 2012, 974, 975 unter Hinweis auf die frühere Rechtsprechung des BGH; Limmer in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., Rdn. 44 zu§ 23).
Dieser Grundgedanke, der der Anerkennung der Verwendung eines leeren Mantels als wirksame Maßnahme zugrunde liegt, muss indes dazu führen, dass auch die Vorschrift des § 65 AktG über die Zahlungspflicht eines Vormannes bei einer wirtschaftlichen Neugründung zur Anwendung gelangt. Diese Bestimmung ist Teil des Regelungsgefüges über die Folgen nicht rechtzeitiger oder vollständig ausbleibender Zahlung der Einlagen in § 63 ff. AktG und damit der nicht rechtzeitigen ErfüIIung der Hauptverpflichtung des Aktionärs zur Leistung der Einlage, wie sie sich aus § 54 AktG ergibt. Ihr fällt im Verbund mit § 64 AktG die Aufgabe zu, im Falle der Nichtleistung der Einlage die Aufbringung des Grundkapitals zu gewährleisten (vgl. Cahn in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., Rdn. 3 zu § 65; Bayer in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 2 zu § 65; Lutter in: Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl. Rdn. 2 zu § 65; Fleischer in: Schmidt/Lutter, AktG, a.a.O., Rdn. 1 zu § 65; Gehrlein in: Großkommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 2 zu § 65; auch BGHZ 63, 116, 117 = NJW 1975, 118 für die GmbH). Dieser Normzweck rechtfertigt es, diese Vorschrift auch im Falle der wirtschaftlichen Neugründung anzuwenden, bei der die Normen über die Kapitalaufbringung und dessen Erhaltung auch materiell-rechtlich und nicht nur im Rahmen einer registergerichtlichen Prüfung zu beachten sind.
Dem können die zeitlichen Abläufe nicht entgegengehalten werden.
Die für die Wiederaufnahme der Unternehmerischen Tätigkeit der leeren Hülle „A AG" entscheidenden Hauptversammlung fand am 20.3.2007 statt, bei der die Gesellschaft umfirmierte und der Unternehmensgegenstand entsprechend geändert wurde. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte noch Aktionär und folglich Vormann von Herrn F - er verlor seine Stellung als Aktionär erst mit der Veräußerung der Aktien mittels Abtretungsvertrag vom 30.3.2007 und im Verhältnis zur lnsolvenzschuldnerin ohnehin erst mit der Umschreibung im Aktienregister, nachdem vorliegend Namensaktien ausgegeben waren.
b. Die einzelnen Voraussetzungen von § 65 Abs. 1 Satz 1 AktG sind dem Grunde nach erfüllt.
(1) Der Beklagte ist unstreitig als Vormann von Herrn B F im Aktienregister eingetragen gewesen.
(2) Herr B F ist wirksam als Aktionär ausgeschlossen worden, weil die Voraussetzungen für diese Maßnahme in § 64 Abs. 1 AktG beachtet wurden. Die Klägerin konnte dabei als lnsolvenzverwalterin auch während des Insolvenzverfahrens die auf § 64 AktG gestützte Kaduzierung durchführen, weil dieses Verfahren durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft nicht ausgeschlossen sein kann, nachdem es dazu beiträgt, die den Gläubigern zur Verfügung stehende Masse zu vergrößern (vgl. Cahn in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., Rdn. 58 zu § 64). Die Vorgaben über die Setzung einer Nachfrist wurden angesichts der Sonderregelung in § 64 Abs. 2 Satz 4 AktG eingehalten. Da die lnsolvenzschuldnerin vinkulierte Namensaktien ausgegeben hatte, wie sich aus § 4 Abs. 4 der Satzung ergibt, genügte die einmalige Aufforderung der Klägerin an Herrn B F, wobei vorliegend sogar mit den Schreiben vom 3.11., 25.11. und 8.12.2008 sogar mehrfache Aufforderungen an ihn ergingen. Auch in dem letzten Schreiben vom 8.12.2008 (Anlage K12) wurde ihm eine Frist von einem Monat seit Zugang des Schreibens zur Überweisung des ausstehenden Grundkapitals von € 50.000,-- gesetzt. Da Herr B F die geforderte Summe nicht bezahlte, kam es am 6.3.2009 zur Veröffentlichung der Verlustigerklärung vom 4.3.2009 im elektronischen Bundesanzeiger entsprechend der Regelung in § 64 Abs. 3 AktG.
(3) Die Klägerin beachtete die Vorgaben aus § 65 Abs. 1 Satz 2 und Satz 3 AktG im Verhältnis zum Beklagten, wobei die Benachrichtigung des Vormannes sogar von der heute nahezu einhellig vertretenen Auffassung nicht einmal als zwingende Voraussetzung für dessen Inanspruchnahme eingestuft wird (vgl. nur Bayer in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 33 zu § 65; Cahn in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., Rdn. 24 zu § 65). Nach dieser Vorschrift hat die Gesellschaft dem unmittelbaren Vormann von der Zahlungsaufforderung an einen früheren Aktionär zu unterrichten. Bereits mit Schreiben vom 3.11.2008 informierte die Klägerin den Beklagten über die Inanspruchnahme von Herrn F unter gleichzeitigen Hinweis auf die Zahlungspflicht der Vormänner. ln gleicher Weise informierte sie den Beklagten nochmals mit dem auf den „17.02.2009" datierten Schreiben.
Diese Regelung dient aber dazu, der Gesellschaft bzw. hier der Klägerin als lnsolvenzverwalterin die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit des Vormannes - hier also von Herrn F - darzulegen.
Aufgrund der Vorschrift des § 65 Abs. 1 Satz 3 AktG wird nämlich vermutet, dass die Zahlung nicht zu erlangen ist, wenn sie nicht innerhalb eines Monats seit der Zahlungsaufforderung und der Benachrichtigung des Vormannes eingegangen ist.
(4) Der Beklagte kann sich nicht auf die Versäumung der Frist des § 65 Abs. 2 AktG durch die Klägerin berufen, wonach jeder Vormann nur zur Zahlung der Beträge verpflichtet ist, die binnen zwei Jahren - beginnend mit dem Tage, an dem die Übertragung der Aktien zum Aktienregister der Gesellschaft angemeldet wird - eingefordert wurde. Bei dieser Sachlage muss das dem Beklagten übermittelte Schreiben der Klägerin mit dem Datum "17.02.2009" (Anlage K20) als fristwahrend angesehen werden. Es erfüllt die an eine derartige Zahlungsaufforderung im Sinne des § 67 Abs. 2 Satz 1 AktG zu stellenden Anforderungen und ging insbesondere innerhalb der Frist von zwei Jahren dem Beklagten zu. Der Zugang am 13.3.2009 wurde vom Beklagten nach der Vorlage des entsprechenden Rückscheins durch die Klägerin mit Schriftsatz vom 30.12.2011 (BI. 80/83 d. A) nicht mehr bestritten, weshalb der entsprechende Vortrag gem. § 138 Abs. 3 ZPO bereits als zugestanden gilt; jedenfalls ergibt sich aber der dem vorgelegten Einschreibe-Rückschein. Der Wirksamkeit der Zahlungsaufforderung lässt sich nicht entgegenhalten, dass dieses Schreiben das Datum "17.02.2009" trägt. Dabei muss es sich zwingend um ein Schreibversehen der Klägerin handeln, nachdem sie zu diesem Tag nicht wissen konnte, wann die Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger erfolgte. Das Datum des 6.3.2009 war in dem Schreiben zutreffend genannt. Da zudem die Bekanntmachung in Kopie beigefügt wurde und auch der entsprechende Postzeitlauf für den an den Beklagten adressierten Brief zu berücksichtigen ist, hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass dieses Schreiben eine wirksame Zahlungsaufforderung an den Beklagten als Vormann enthält.
(5) Auf Grund der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Einlage auf das Grundkapital bislang nicht wirksam geleistet worden war. Herr F kam seiner ihm in Rahmen der wirtschaftlichen Neugründung treffenden Verpflichtung zur Leistung der Einlage über € 50.000,--, die sich aus § 54 Abs. 1 AktG analog ergibt, nicht nach. Die Voraussetzungen von § 54 Abs. 3 Satz 1 AktG zur Tilgung der Einlageschuld sind nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift kann der vor der Anmeldung der Gesellschaft eingeforderte Betrag nur in gesetzlichen Zahlungsmitteln oder durch Gutschrift auf ein Konto bei einem Kreditinstitut der Gesellschaft oder des Vorstandes zu seiner freien Verfügung eingezahlt werden.
(a) Dieses Erfordernis einer Einzahlung zur freien Verfügung des Vorstandes muss auch bei einer wirtschaftlichen Neugründung zum Tragen kommen.
Bei einer echten Gründung muss die Regelung in § 54 Abs. 3 AktG über die Erfüllung der Einlagepflicht auch dann zur Anwendung gelangen, wenn die Einlagebeträge zwar vor Anmeldung der Aktiengesellschaft angefordert worden sind, aber erst nach deren Entstehung geleistet werden. Es besteht kein Grund, die gegenüber § 362 BGB vergleichsweise schärferen Anforderungen des§ 54 Abs. 3 AktG bei einer gesetzeswidrigen Eintragung der Gesellschaft nicht mehr zu beachten. Zwar ist mit der Eintragung die Gründungsphase der Gesellschaft gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 AktG beendet und die registergerichtliche Prüfung der effektiven Kapitalaufbringung abgeschlossen. Das Gebot, dass Gesellschaftskapital in vollem Umfang aufzubringen, bleibt aber schon aus Gründen des Gläubigerschutzes und der effektiven Kapitalaufbringung ungeachtet einer gegebenenfalls verbotswidrigen Eintragung bestehen (so ausdrücklich Cahn/v. Spannenberg in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O:, Rdn. 44 zu § 54; a. A. wenig überzeugend dagegen Bungeroth in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 46 zu§ 54). Jedenfalls bei einer wirtschaftIichen Neugründung gilt der Grundgedanke aus §§ 54 Abs. 3, 36 Abs. 2 AktG in gleicher Weise, weshalb das Grundkapital zur freien Verfügung geleistet sein muss.
(b) Die Zahlungen von Herrn F erfolgten nicht zur freien Verfügung des Vorstandes, wie die Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichtes ergeben hat.
Eine freie Mittelverwendung liegt dann vor, wenn der Vorstand im Rahmen seines unternehmerischen Ermessens frei über die der Gesellschaft vorbehalts- und risikolos zugeflossenen Mittel verfügen kann (vgl. Cahn/v. Spannenberg, AktG, a.a.O., Rdn. 76 zu § 54). Dies schließt es allerdings nicht von vornherein aus, die freie Verfügbarkeil auch dann anzunehmen, wenn die von einem Kapitalgeber zur Verfügung gestellten Mittel im Rahmen von Investitionsentscheidungen eingesetzt werden. Eine freie Verfügung liegt dabei aber immer nur dann vor, wenn dem Vorstand im Rahmen der Mittelverwendung trotz der Absprache ein eigenständiger Entscheidungsspielraum verbleibt. Auch wenn ein Investor und Gründer der Aktiengesellschaft ein legitimes Interesse daran haben wird, mit der Kapitalaufbringung bestimmte Investitionszwecke zu verfolgen, kann dies nicht bedeuten, dass der Investor darüber bestimmt, wie mit den Mitteln zu verfahren ist. Die konkrete Realisierung obliegt nach der aktienrechtlichen Kompetenzordnung ausschließlich dem Vorstand. Mit dieser durch das Aktiengesetz vorgezeichneten Trennung von Eigentum und Verfügungsmacht wäre es unvereinbar, eingezahltes Kapital als aufgebracht anzusehen, wenn der Vorstand bei dessen Verwendung die Investitions- und Finanzplanung des Kapitalgebers ohne eigenen Handlungsspielraum umzusetzen hätte. Dies stünde in klarem Widerspruch zu einer eigenverantwortlichen Leitung der Geschäfte einer Aktiengesellschaft, wie dies in § 76 AktG vorgegeben ist. Eine derartig unzulässige Bindung würde dazu führen, dass die Gesellschaft hinsichtlich der Verwendung der Mittel gegenüber dem Gründer in einer Weise gebunden ist, dass in Wirklichkeit eine Sacheinlage vorliegt (so überzeugend Cahn/v. Spannenberg in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., Rdn. 77 zu § 54; auch BGHZ 96, 231, 241 f. = NJW 1986, 837, 840; in diese Richtung auch Pentz in: Münchener Kommentar zum AktG, a.a.O., Rdn. 53 zu § 36).
(c) Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabes fehlt es nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichtes an einer freien Verfügung. Die Vorstandsmitglieder H und Dr. H waren in der Finanzabwicklung abhängig von Herrn B F. So sagte der Zeuge H aus, dass die Gesellschaft im Januar 2007 nicht einmal über ein eigenes Konto verfügte und das Geld zur Bezahlung der von ihm als Vorstand geprüften Rechnungen von Herrn F freigegeben werden musste. Herr H sagte weiterhin aus, keinen Zugriff auf das Konto gehabt zu haben, von dem aus die Zahlungen erfolgten. Wenn ein Vorstand entsprechend der Angaben des Zeugen H nicht einmal über eine Kreditkarte oder EC-Karte für das zu einem späterem Zeitpunkt eingerichtete Konto der lnsolvenzschuldnerin verfügte und für Zahlungen sogar von Treibstoff eines Generators auf Überweisungen des Gründers B F angewiesen war, kann nicht davon ausgegangen werden, dass dem Vorstand eine anderweitige Verfügungsbefugnis gegen den Willen des Investors und Gründers möglich gewesen wäre. Damit aber ist die Kompetenzverteilung innerhalb einer Aktiengesellschaft nicht gewahrt. Auch hatte der Vorstand nach der Aussage von Herrn H keine hinreichend freie Befugnis darüber zu entscheiden, welche Maschinen für die Entwicklung der Eisstrahlgeräte tatsächlich benötigt wurden. Ebenso entschied Herr F über die Angemessenheit des Kaufpreises und nicht der Vorstand, wenn Herr F dem Vorstand V H den Auftrag erteilte, den Preis für die fünfzehn bestellten Maschinen herunter zu verhandeln. ln dieser Situation ist der Vorstand gleichfalls nicht frei, im Rahmen seiner Entscheidungsbefugnis die unternehmerische Entscheidung zu treffen, ob das Angebot eines Vertragspartners der lnsolvenzschuldnerin angemessen oder zu hoch war. Wenn es nur mehr um die Höhe des vom Investor als zu hoch eingeschätzten Kaufpreises geht, kann von einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Vorstandes nicht gesprochen werden.
(d) Das Gericht hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der Aussage des Zeugen H , der einen glaubwürdigen Eindruck machte und dessen Aussage glaubhaft ist. Die Angaben des Zeugen sind widerspruchsfrei erfolgt. Ein unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse des Zeugen am Ausgang des Rechtsstreits ist ungeachtet seiner Eigenschaft als ehemaliges Vorstandsmitglied nicht zu erkennen. Zudem muss entscheidend berücksichtigt werden, dass er sich bei seiner Aussage gerade nicht schonte, wenn er ein Bild von seiner Stellung als Organ zeichnete, dass mit dem gesetzlichen Leitbild des Vorstandes einer Aktiengesellschaft nicht in Einklang steht. Er beschrieb dies bei seiner Aussage anschaulich so, dass die Vorstände Marionetten von Herrn F waren, die nichts eigenständig machen konnten. Die Tatsache, dass keine Bareinlage auf das Konto der Gesellschaft geleistet wurde, steht auch in Einklang mit der Auswertung des Berichtes, den die Klägerin im Rahmen ihres Prüfungsauftrages gegenüber dem Insolvenzgericht erstellt hat.
Der Kern der Aussage von Herrn H wurde auch vom Zeugen Dr. H bestätigt, wonach Herr H die entsprechenden Gelder von Herrn F zugewiesen wurden. Auch sind die weiteren Angaben von Herrn Dr. H nicht geeignet, die zentrale Aussage von Herrn H in Frage zu stellen. Der Hinweis auf eine Einzugs- oder Abbuchungsermächtigung in Bezug auf die Miete der ursprünglich in der L...straße in München gelegenen Geschäftsräume erfolgte zum einen unter dem Vorbehalt einer zutreffenden Erinnerung. Zum anderen hat der Beklagte selbst vorgetragen, dass Herr B F Mietzahlungen für die Aktiengesellschaft geleistet hat. Dies beruhte jedoch auf einer eigenständigen gegenüber dem Vermieter übernommenen Verpflichtung von Herrn F, die nicht als Leistung der Stammeinlage an die lnsolvenzschuldnerin verstanden werden kann. Soweit es um das Eigentum an Anlagegütern geht, nahm Herr Dr. H eine Schlussfolgerung aus einem Anlageverzeichnis vor, ohne dass daraus klar der Erwerb des Eigentums durch die lnsolvenzschuldnerin abzuleiten gewesen wäre. Die Erkenntnisse beruhen nach der Aussage von Herrn Dr. H vor allem nicht auf einer unmittelbaren Wahrnehmung der für die Eigentumsübertragung erforderlichen Erklärungen und Handlungen, die gegebenenfalls auf die Erfüllung des sachenrechtlichen Doppeltatbestandes der §§ 929 ff. 8GB und darauf aufbauend auf den Eigentumserwerb an einzelnen Gegenständen schließen lassen.
(e) Eine weitere Beweisaufnahme durch die Einvernahme von Herrn B F als Zeugen entsprechend dem Antrag des Beklagten kann nicht stattfinden, weil dem die Vorschrift des § 356 ZPO entgegensteht. Das Gericht hat dem Beklagten mit Beschluss vom 2.2.2012 (BI. 85/86 d. A.), zugestellt am 8.2.2012, eine Frist zur Mitteilung einer ladungsfähigen Anschrift des Zeugen aufgrund von § 356 ZPO gesetzt. Da die Anschrift des Zeugen innerhalb der Frist und auch nicht bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 24.5.2012 beigebracht werden konnte, steht der Beweisaufnahme ein Hindernis von ungewisser Dauer entgegen. Der Kläger ist mit dem Beweismittel ausgeschlossen, wobei es unerheblich ist, dass der Kläger dies nicht zu vertreten hat (vgl. BVerfG NJW 2000, 945, 946; BGH NJW 1993, 1926, 1927; Reichold in: Thomas-Putzo, ZPO, 33. Aufl., Rdn. 5 zu § 356).
(f) Die vom Beklagten hiergegen vorgebrachten Einwendungen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Er kann sich insbesondere nicht auf die in der Rechtsprechung des BGH zur Kapitalaufbringung entwickelten Grundsätze berufen, nach denen die Befreiung von einer Einlageschuld auch bei einer Leistung an einen Dritten auf Grund von § 362 Abs. 2 BGB erfolgen kann (vgl. BGH NJW 1986, 989 f. = BB 1986, 214 f.). Die Voraussetzungen, unter denen die Zahlung an einen Dritten für den Gründer, der das Kapital aufbringen muss, befreiende Wirkung hat, sind vorliegend nicht erfüIIt. Der Aktionär einer Aktiengesellschaft kann nämlich wie der Gesellschafter einer GmbH nur dann frei werden, wenn der zahlungspflichtige Aktionär auf Veranlassung der Gesellschaft einen Gesellschaftsgläubiger befriedigt, dessen Forderung vollwertig, fällig und Iiquide ist. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme steht indes zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Zahlungen an die Gläubiger der lnsolvenzschuldnerin vorliegend nicht auf Veranlassung der Gesellschaft und damit durch den Vorstand, sondern umgekehrt auf Veranlassung des Aktionärs, also von Herrn F, erfolgten. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird in vollem Umfang auf die obigen Ausführungen zu den Voraussetzungen von § 54 Abs. 3 AktG Bezug genommen.
Die Grundsätze. über das eigenkapitalersetzende Aktionärsdarlehen können nicht dazu führen, dass ein Anspruch der Klägerin aus§ 65 Abs. 1 AktG entfiele. Zwar verfügte der Aktionär B F ab dem Erwerb der Aktien mit Vertrag vom 30.3.2007 und im Verhältnis zur Gesellschaft mit der Eintragung in das Aktienregister auf Grund seiner Stellung als Alleinaktionär über eine unternehmerische Beteiligung an der lnsolvenzschuldnerin. Doch können die für das eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen entwickelten Grundsätze nicht dazu führen, Zahlungen, die gerade nicht die Voraussetzungen von§ 54 Abs. 3 AktG erfüIIen, dergestalt einzuordnen, dass sie über die Figur des Eigenkapitalersatzes Tilgungswirkung bezüglich der Grundkapitaleinlage entwickeln könnte. Dies scheitert zudem daran, dass Herr F der Gesellschaft erkennbar kein Darlehen gewähren wollte und die Rechtsfolgen lediglich im Ausschluss der Rückforderung gegenüber dem Aktionär für die Dauer der Krise liegen. Diese Rechtsfolge steht in deutlichem Wiederspruch zu den Grundsätzen einer dauerhaften Leistung des Grundkapitals.
c. Der Klägerin steht der Höhe nach ein Anspruch auf Zahlung von € 50.000,-- zu, weil das Grundkapital in vollem Umfang aussteht. Dem kann namentlich nicht entgegengehalten werden, in der Schlussbilanz der A AG zum 31.12.2005 sei noch ein Betrag von € 12.500,-- verzeichnet gewesen. Es ist nämlich nicht erkennbar, dass der eingezahlte Betrag zum Zeitpunkt der wirtschaftlichen Neugründung noch vorhanden gewesen sein könnte. Der Bericht der Klägerin vom 8.12.2008 verweist darauf, dass sich bei der A AG die zum 31.12.2005 erzielten Verluste auf € 17.035,42 beliefen. Demzufolge übersteigen die Verluste bereits die auf das Grundkapital eingezahlte Einlage. Zudem rechtfertigt sich ein Kaufpreis für die Aktien von € 1,-- nur dann, wenn das ursprünglich vorhandene Kapital im Zeitpunkt der Abtretungserklärung vom 30.3.2007 vollständig aufgezehrt ist.
d. Der Anspruch auf die Erbringung des Grundkapitals ist ebenso wenig verjährt wie der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten als Vormann.
(1) Die Verjährung des Anspruches auf Erbringung des Grundkapitals konnte wegen der Regelung in§ 54 Abs. 4 Satz 1 AktG nicht eintreten. Nach dieser Vorschrift verjährt der Anspruch der Gesellschaft auf Leistung der Einlagen in zehn Jahren von seiner Entstehung an.
Da es sich vorliegend um einen Anspruch aus einer wirtschaftlichen Neugründung geht, kann die Verjährung erst mit der im Verlaufe des Jahres 2007 wirtschaftlichen Neugründung zu laufen beginnen. Ein Abstellen auf die Gründung der A AG im Jahre 1999 wäre mit dem oben geschilderten Schutzgedanken über die Kapitalaufbringung und -erhaltung bei einer wirtschaftlichen Neugründung unvereinbar.
(2) Der Anspruch gegen den Beklagten als Vormann ist gleichfalls nicht verjährt, Des sich bei dem geltend gemachten Anspruch aus § 65 Abs. 1 AktG um einen solchen aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis handelt, richtet sich die Verjährung nach §§ 195, 199 Abs. 1 BGB, weshalb er innerhalb von drei Jahren nach Entstehung und Kenntniserlangung durch die Aktiengesellschaft verjährt (vgl. Fleischer in: Schmidt/Luther, AktG, a.a.O., Rdn. 25 zu § 65; Cahn in: Spindler/Stilz, AktG, a.a.O., Rdn. 47 zu § 65; Hüffer, AktG, a.a.O., Rdn. 7 zu § 65). Da der Anspruch gegen den Beklagten frühestens mit der Kaduzierung der Aktien im Jahre 2008 entstanden sein kann, begann aufgrund von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB die Verjährungsfrist von drei Jahren mit dem Schluss des Jahres 2008. Damit endet die in § 195 normierte regelmäßige Verjährung mit dem Ablauf des 31.12.2011. Diese Verjährungsfrist wurde indes gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14 ZPO durch die Einreichung des Antrages auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gehemmt, nachdem der Antrag bereits am 24.3.2011 dem Beklagten zur Stellungnahme zugestellt wurde.
2. Die Entscheidung über die Zinsen ergibt sich aus §§ 291 Abs. 1, 288 Abs. 1 ZPO. Da die Zustellung der Klage am 16.8.2011 erfolgte, war die Verzinsung in entsprechender Anwendung von § 187 BGB ab dem 17.8.2011 auszusprechen.
II.
1. Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO; als Unterlegener hat der Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in § 707 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
3. Der Streitwert bemisst sich nach dem bezifferten Klageantrag.