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Wirtschaftsrecht
23.01.2025
Wirtschaftsrecht
EuGH: Begriff der „Wertpapiere“ i. S. d. Art. 2 Abs. 1 Buchst. a RL 2003/71/EG

EuGH, Urteil vom 9.1.2024 – C-627/23, Commune de Schaerbeek, Commune de Linkebeek gegen Holding Communal SA

ECLI:EU:C:2025:9

Volltext: BB-Online BBL2025-193-1

unter www.betriebs-berater.de

Tenor

Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG in der durch die Richtlinie 2008/11/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2008 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Aktien einer Gesellschaft, die nur von den Provinzen und Gemeinden eines Mitgliedstaats gehalten werden können und deren Übertragung der Genehmigung des Verwaltungsrats dieser Gesellschaft bedarf, unter den Begriff der „Wertpapiere“ im Sinne der Richtlinie 2003/71 in der durch die Richtlinie 2008/11 geänderten Fassung fallen, so dass eine Einladung zur Zeichnung solcher Aktien der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2003/71 in der durch die Richtlinie 2008/11 geänderten Fassung vorgesehenen Verpflichtung zur vorherigen Veröffentlichung eines Prospekts unterliegt, sofern die Einzelheiten des Angebots die Handelbarkeit dieser Wertpapiere zwischen Anbietern und potenziellen Anlegern nicht unmöglich machen oder extrem erschweren und keine der in Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 der Richtlinie 2003/71 in der durch die Richtlinie 2008/11 geänderten Fassung aufgeführten Ausnahmen anwendbar ist.

 

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2003/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 betreffend den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel zu veröffentlichen ist, und zur Änderung der Richtlinie 2001/34/EG (ABl. 2003, L 345, S. 64) in der durch die Richtlinie 2008/11/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 2008 (ABl. 2008, L 76, S. 37) geänderten Fassung (im Folgenden: Prospektrichtlinie).

 

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Commune de Schaerbeek und der Commune de Linkebeek (Gemeinden Schaerbeek und Linkebeek, Belgien) auf der einen Seite und der Holding Communal SA auf der anderen Seite über die Rechtmäßigkeit der Zeichnung einer Kapitalerhöhung von Holding Communal durch diese Gemeinden, der nicht die Veröffentlichung eines Prospekts vorausging.

 

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Prospektrichtlinie

3          Die Prospektrichtlinie wurde mit Wirkung vom 21. Juli 2019 durch die Verordnung (EU) 2017/1129 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über den Prospekt, der beim öffentlichen Angebot von Wertpapieren oder bei deren Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt zu veröffentlichen ist (ABl. 2017, L 168, S. 12), aufgehoben. In Anbetracht des Zeitraums, in den der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits fällt, bleibt die Prospektrichtlinie jedoch auf diesen Rechtsstreit anwendbar.

 

4          Die Erwägungsgründe 10, 12 und 16 der Prospektrichtlinie lauteten:

„(10)     Ziel dieser Richtlinie und der in ihr vorgesehenen Durchführungsmaßnahmen ist es, in Übereinstimmung mit den strengen Aufsichtsbestimmungen, die in den einschlägigen internationalen Foren festgelegt wurden, den Anlegerschutz und die Markteffizienz sicherzustellen.

(12)      Für die Zwecke des Anlegerschutzes müssen alle öffentlich angebotenen oder zum Handel an geregelten Märkten im Sinne der Richtlinie 93/22/EWG des Rates vom 10. Mai 1993 über Wertpapierdienstleistungen [(ABl. 1993, L 141, S. 27)] zugelassenen Dividendenwerte und Nichtdividendenwerte, d. h. nicht nur Wertpapiere, die zur amtlichen Notierung an der Börse zugelassen sind, erfasst werden. Die breitgefasste Definition der Wertpapiere in dieser Richtlinie, die auch Optionsscheine und Covered Warrants sowie Zertifikate erfasst, gilt nur für diese Richtlinie und berührt daher in keiner Weise die verschiedenen Definitionen von Finanzinstrumenten, die in den nationalen Rechtsvorschriften für andere Zwecke (z. B. Steuerzwecke) verwendet werden. …

(16)      Ein Ziel dieser Richtlinie ist der Anlegerschutz. Deshalb ist es angebracht, den unterschiedlichen Schutzanforderungen für die verschiedenen Anlegerkategorien und ihrem jeweiligen Sachverstand Rechnung zu tragen. Die Angaben gemäß dem Prospekt werden für Angebote, die sich ausschließlich an qualifizierte Anleger richten, nicht gefordert. Dagegen ist bei Weiterveräußerung an das Publikum oder öffentlichem Handel mittels der Zulassung zum Handel an einem geregelten Markt die Veröffentlichung eines Prospekts erforderlich.“

 

5          Art. 1 Abs. 2 Buchst. b und d dieser Richtlinie sah vor:

„Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf

b)         Nichtdividendenwerte, die von einem Mitgliedstaat oder einer Gebietskörperschaft eines Mitgliedstaats, von internationalen Organismen öffentlich-rechtlicher Art, denen ein oder mehrere Mitgliedstaat(en) angehört/angehören, von der Europäischen Zentralbank oder von den Zentralbanken der Mitgliedstaaten ausgegeben werden;

d)         Wertpapiere, die uneingeschränkt und unwiderruflich von einem Mitgliedstaat oder einer Gebietskörperschaft eines Mitgliedstaats garantiert werden“.

 

6          Art. 2 Abs. 1 Buchst. a, b, d, e und f der Prospektrichtlinie bestimmte:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck:

a)         ‚Wertpapiere‘ übertragbare Wertpapiere im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 der Richtlinie 93/22/EWG mit Ausnahme von Geldmarktinstrumenten im Sinne von Artikel 1 Absatz 5 [dieser Richtlinie] mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten. Für diese Instrumente können einzelstaatliche Rechtsvorschriften gelten;

b)         ‚Dividendenwerte‘ Aktien und andere, Aktien gleichzustellende übertragbare Wertpapiere sowie jede andere Art übertragbarer Wertpapiere, die das Recht verbriefen, bei Umwandlung des Wertpapiers oder Ausübung des verbrieften Rechts die erstgenannten Wertpapiere zu erwerben; Voraussetzung hierfür ist, dass die letztgenannten Wertpapiere vom Emittenten der zugrunde liegenden Aktien oder von einer zur Unternehmensgruppe dieses Emittenten gehörenden Einrichtung begeben wurden;

d)         ‚öffentliches Angebot von Wertpapieren‘ eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden. Diese Definition gilt auch für die Platzierung von Wertpapieren durch Finanzintermediäre;

e)         ‚qualifizierte Anleger‘

i)          juristische Personen, die in Bezug auf ihre Tätigkeit auf den Finanzmärkten zugelassen sind bzw. beaufsichtigt werden …

ii)         nationale und regionale Regierungen …

iii)         andere juristische Personen, die zwei der drei Kriterien nach Buchstabe f) nicht erfüllen;

iv)        bestimmte natürliche Personen: …

v)         bestimmte [kleine und mittlere Unternehmen (KMU)]: vorbehaltlich der gegenseitigen Anerkennung kann ein Mitgliedstaat KMU zulassen, die ihren Sitz in diesem Mitgliedstaat haben und ausdrücklich als qualifizierte Anleger angesehen werden möchten;

f)          ‚kleine und mittlere Unternehmen‘ Gesellschaften, die laut ihrem letzten Jahresabschluss bzw. konsolidierten Abschluss zumindest zwei der nachfolgenden drei Kriterien erfüllen: eine durchschnittliche Beschäftigtenzahl im letzten Geschäftsjahr von weniger als 250, eine Gesamtbilanzsumme von höchstens 43 000 000 [Euro] und ein Jahresnettoumsatz von höchstens 50 000 000 [Euro]“.

 

7          In Art. 3 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie hieß es:

„(1)       Die Mitgliedstaaten gestatten in ihrem Hoheitsgebiet kein öffentliches Angebot von Wertpapieren ohne vorherige Veröffentlichung eines Prospekts.

(2)        Die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Prospekts gilt nicht für folgende Angebotsformen:

a)         ein Wertpapierangebot, das sich ausschließlich an qualifizierte Anleger richtet;

b)         ein Wertpapierangebot, das sich an weniger als 100 natürliche oder juristische Personen pro Mitgliedstaat richtet, bei denen es sich nicht um qualifizierte Anleger handelt;

c)         ein Wertpapierangebot, das sich an Anleger richtet, die bei jedem gesonderten Angebot Wertpapiere ab einem Mindestbetrag von 50 000 [Euro] pro Anleger erwerben;

d)         Angebote von Wertpapieren mit einer Mindeststückelung von 50 000 [Euro];

e)         ein Wertpapierangebot über einen Gesamtgegenwert von weniger als 100 000 [Euro], wobei diese Obergrenze über einen Zeitraum von zwölf Monaten zu berechnen ist.

…“

 

8          Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Prospektrichtlinie sah vor:

„Die Pflicht zur Veröffentlichung eines Prospekts gilt nicht für öffentliche Angebote folgender Arten von Wertpapieren:

d)         Aktien, die den vorhandenen Aktieninhabern unentgeltlich angeboten oder zugeteilt werden bzw. zugeteilt werden sollen, sowie Dividenden in Form von Aktien derselben Gattung wie die Aktien, für die solche Dividenden ausgeschüttet werden, sofern ein Dokument zur Verfügung gestellt wird, das Informationen über die Anzahl und die Art der Aktien enthält und in dem die Gründe und Einzelheiten zu dem Angebot dargelegt werden“.

 

MiFIDI-Richtlinie

9            Die Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates (ABl. 2004, L 145, S. 1) (im Folgenden: MiFID‑I-Richtlinie) in der durch die Richtlinie 2006/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. April 2006 (ABl. 2006, L 114, S. 60) geänderten Fassung wurde mit Wirkung vom 3. Januar 2018 durch die Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU (ABl. 2014, L 173, S. 349) in der durch die Richtlinie (EU) 2016/1034 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juni 2016 (ABl. 2016, L 175, S. 8) geänderten Fassung aufgehoben. In Anbetracht des Zeitraums, in den der Sachverhalt des Ausgangsrechtsstreits fällt, bleibt die MiFID‑I-Richtlinie jedoch auf diesen Rechtsstreit anwendbar.

 

10        In den Erwägungsgründen 2 und 44 dieser Richtlinie hieß es:

„(2)       In den letzten Jahren wurden immer mehr Anleger auf den Finanzmärkten aktiv; ihnen wird ein immer komplexeres und umfangreicheres Spektrum an Dienstleistungen und Finanzinstrumenten angeboten. Angesichts dieser Entwicklungen sollte der Rechtsrahmen der Gemeinschaft das volle Angebot der anlegerorientierten Tätigkeiten abdecken. Folglich ist es erforderlich, eine Harmonisierung in dem Umfang vorzunehmen, der notwendig ist, um Anlegern ein hohes Schutzniveau zu bieten und Wertpapierfirmen das Erbringen von Dienstleistungen in der gesamten Gemeinschaft im Rahmen des Binnenmarkts auf der Grundlage der Herkunftslandaufsicht zu gestatten. In Anbetracht dessen sollte die Richtlinie 93/22/EWG durch eine neue Richtlinie ersetzt werden.

(44)      In Anbetracht des zweifachen Ziels, die Anleger zu schützen und gleichzeitig ein reibungsloses Funktionieren der Wertpapiermärkte zu gewährleisten, muss für die Transparenz der Geschäfte gesorgt werden sowie dafür, dass die zu diesem Zweck festgelegten Regeln für Wertpapierfirmen gelten, wenn sie auf den Märkten tätig sind. …“

 

11        Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der MiFID‑I-Richtlinie sah vor:

„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

18.       Übertragbare Wertpapiere: die Gattungen von Wertpapieren, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können, mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten, wie

a)         Aktien und andere, Aktien oder Anteilen an Gesellschaften, Personengesellschaften oder anderen Rechtspersönlichkeiten gleichzustellende Wertpapiere sowie Aktienzertifikate;

…“

 

12        Art. 40 Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmte:

„Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass geregelte Märkte über klare und transparente Regeln für die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel verfügen müssen.

Diese Regeln gewährleisten, dass alle zum Handel an einem geregelten Markt zugelassenen Finanzinstrumente fair, ordnungsgemäß und effizient gehandelt werden können und, im Falle übertragbarer Wertpapiere, frei handelbar sind.“

 

13        Art. 69 der MiFID‑I-Richtlinie lautete:

„Die Richtlinie 93/22/EWG wird mit Wirkung vom 1. November 2007 aufgehoben. Bezugnahmen auf die Richtlinie 93/22/EWG gelten als Bezugnahmen auf die vorliegende Richtlinie. Bezugnahmen auf Begriffsbestimmungen oder Artikel der Richtlinie 93/22/EWG gelten als Bezugnahmen auf die entsprechenden Begriffsbestimmungen oder Artikel der vorliegenden Richtlinie.“

 

Belgisches Recht

14        Mit der Loi du 16 juin 2006 relative aux offres publiques d’instruments de placement et aux admissions d’instruments de placement à la négociation sur des marchés réglementés (Gesetz vom 16. Juni 2006 über das öffentliche Angebot von Anlageinstrumenten und die Zulassung von Anlageinstrumenten zum Handel auf geregelten Märkten) (Moniteur belge vom 21. Juni 2006, S. 31352) wurde u. a. die Prospektrichtlinie in belgisches Recht umgesetzt. Nach Art. 5 § 1 Nr. 1 dieses Gesetzes sind für dessen Anwendung unter „‚Wertpapieren‘ alle Kategorien von Anlageinstrumenten zu verstehen, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können (mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten), wie z. B. … Aktien und andere, Aktien oder Anteilen an Gesellschaften, Personengesellschaften oder anderen Rechtspersönlichkeiten gleichzustellende Anlageinstrumente, einschließlich Anlageinstrumenten, die von Organismen für gemeinsame Anlagen in Form von Verträgen oder Trusts ausgegeben werden, um die Rechte der Anteilinhaber am Vermögen dieser Organismen zu verbriefen, sowie Aktienzertifikaten“.

 

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

15        Holding Communal wurde ursprünglich am 24. November 1860 unter dem Namen „Crédit communal de Belgique“ für die Finanzierung der Investitionen der lokalen Behörden in Belgien gegründet. Ihre Aktionäre sind die belgischen Gemeinden und Provinzen, darunter u. a. die Gemeinden Schaerbeek und Linkebeek.

 

16        Im Lauf des Jahres 1996 fusionierte Crédit communal de Belgique mit Crédit local de France und es entstand die Dexia-Gruppe. Im Jahr 1998 wurde Crédit communal de Belgique in eine Holdinggesellschaft umgewandelt und erhielt ihren heutigen Namen, Holding Communal. Diese hält u. a. eine bedeutende Beteiligung an der Dexia SA.

 

17        Im Zusammenhang mit der Finanzkrise des Jahres 2008 beteiligte sich Holding Communal an der Kapitalerhöhung der Dexia SA in Höhe von 500 Mio. Euro. Um diese Zeichnung einzahlen zu können und nachdem Holding Communal im Sommer 2009 ein Darlehen verweigert worden war, beschloss ihr Verwaltungsrat, an die Aktionäre heranzutreten und ihnen insbesondere eine Kapitalerhöhung durch Bareinlagen vorzuschlagen, die zur Ausgabe von „kumulativ privilegierten A‑Aktien“ führen sollte.

 

18        Im September 2009 fand eine Informationsveranstaltung statt, bei der die Aktionäre informiert wurden. Außerdem wurde der Zeitplan der Kapitalerhöhung angepasst, um den spezifischen Entscheidungsfindungsprozess der Gemeinden und Provinzen zu berücksichtigen.

 

19        Auf der Hauptversammlung der Holding Communal am 30. September 2009 stimmten deren Aktionäre dieser Kapitalerhöhung zu. Diesbezüglich entschieden die Aktionäre, dass die Zeichnung in zwei Runden erfolgen sollte. Die Gemeinde Schaerbeek zeichnete die Kapitalerhöhung in der ersten Runde mit einem Betrag von 8 161 689,60 Euro und in der zweiten Runde mit einem Betrag von 1 359 011,84 Euro. Die Zeichnung durch die Gemeinde Linkebeek belief sich in beiden Runden auf einen Betrag von jeweils 53 575,68 Euro.

 

20        Am 7. Dezember 2011 beschloss die außerordentliche Hauptversammlung von Holding Communal die Auflösung und Liquidation der Gesellschaft. Da kein Abwicklungsüberschuss ausgeschüttet werden konnte, verloren die Aktionäre ihre gesamten gezeichneten Einlagen, d. h. sowohl diejenigen, die sie vor der Kapitalerhöhung gezeichnet hatten, als auch die am 30. September 2009 gezeichneten, bereits eingezahlten Einlagen.

 

21        Die Gemeinden Schaerbeek und Linkebeek erhoben beim Tribunal de commerce francophone de Bruxelles (französischsprachiges Handelsgericht von Brüssel, Belgien) Klage auf Annulierung ihrer Zeichnungen für die in Rede stehende Kapitalerhöhung wegen Verstoßes gegen das Gesetz vom 16. Juni 2006. Sie brachten vor, dass vor der Einladung der Aktionäre zur Zeichnung der Kapitalerhöhung gemäß diesem Gesetz ein Prospekt hätte veröffentlicht werden müssen.

 

22        Dieses Gericht war der Ansicht, dass dieses Gesetz das Angebot von Wertpapieren, wie auch die Prospektrichtlinie, nur soweit regele, als solche Papiere auf dem Kapitalmarkt handelbar seien, was bei den Aktien von Holding Communal nicht der Fall gewesen sei.

 

23        Diese Entscheidung wurde von der Cour d’appel de Bruxelles (Appellationshof Brüssel, Belgien) mit Urteil vom 12. April 2022 bestätigt. Dieses Gericht entschied u. a. dass die Aktien, die als Gegenleistung für die Bareinlagen ausgegeben worden seien, Wertpapiere darstellten, die nicht auf dem Kapitalmarkt handelbar seien, da sie nur von Kommunal- und Provinzbehörden gehalten werden könnten und ihre Übertragung der Genehmigung des Verwaltungsrats bedürfe.

 

24        Die Gemeinden Schaerbeek und Linkebeek legten gegen dieses Urteil bei der Cour de cassation (Kassationshof, Belgien), dem vorlegenden Gericht, Kassationsbeschwerde ein und brachten vor, „Aktien“ gehörten ohne Einschränkung zu den Wertpapieren, die Personen nur nach vorheriger Veröffentlichung eines Prospekts angeboten werden dürften, und zwar unabhängig davon, ob ihre Übertragung Beschränkungen, wie der Notwendigkeit einer Genehmigung des Verwaltungsrats, unterliege, oder die betreffenden Personen einer bestimmten Kategorie, wie Kommunal- oder Provinzbehörden, angehörten.

 

25        Das vorlegende Gericht weist insoweit darauf hin, dass die Entscheidung über diese Kassationsbeschwerde von der Auslegung des Begriffs „Wertpapiere“ in Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Prospektrichtlinie abhängig sei.

 

26        Unter diesen Umständen hat die Cour de cassation (Kassationshof) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

 

Ist Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Prospektrichtlinie, der seinerseits auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der MiFID‑I-Richtlinie verweist, dahin auszulegen, dass der Begriff des auf dem Kapitalmarkt handelbaren Wertpapiers die Aktien einer Holdinggesellschaft umfasst, die nur von den Provinzen und Gemeinden gehalten werden können und deren Übertragung der Genehmigung des Verwaltungsrats bedarf?

 

Zur Vorlagefrage

27        Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Prospektrichtlinie dahin auszulegen ist, dass Aktien einer Gesellschaft, die nur von den Provinzen und Gemeinden eines Mitgliedstaats gehalten werden können und deren Übertragung der Genehmigung des Verwaltungsrats dieser Gesellschaft bedarf, unter den Begriff der „Wertpapiere“ im Sinne dieser Richtlinie fallen.

 

28        Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung bei der Auslegung einer Unionsvorschrift nicht nur ihr Wortlaut zu berücksichtigen ist, sondern auch der Zusammenhang, in den sie sich einfügt, und die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden (Urteil vom 29. Februar 2024, Eesti Vabariik [Põllumajanduse Registrite ja Informatsiooni Amet], C‑437/22, EU:C:2024:176, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

29        Hierzu ist erstens festzustellen, dass nach dem Wortlaut von Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Prospektrichtlinie der Begriff „Wertpapiere“ im Sinne dieser Richtlinie alle „übertragbare[n] Wertpapiere im Sinne von Artikel 1 Absatz 4 der Richtlinie 93/22/EWG mit Ausnahme von Geldmarktinstrumenten … mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten“ umfasst.

 

30        Zwar wurde die Richtlinie 93/22 durch die MiFID‑I-Richtlinie aufgehoben, doch sieht Letztere in ihrem Art. 69 vor, dass „Bezugnahmen auf Begriffsbestimmungen oder Artikel der Richtlinie 93/22/EWG … als Bezugnahmen auf die entsprechenden Begriffsbestimmungen oder Artikel der [MiFID‑I‑]Richtlinie [gelten]“.

 

31        Nach Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der MiFID‑I-Richtlinie fallen unter den Begriff der „übertragbare[n] Wertpapiere … die Gattungen von Wertpapieren, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können, mit Ausnahme von Zahlungsinstrumenten“, wie die in Buchst. a dieser Bestimmung genannten „Aktien und andere[n], Aktien oder Anteilen an Gesellschaften, Personengesellschaften oder anderen Rechtspersönlichkeiten gleichzustellende[n] Wertpapiere sowie Aktienzertifikate“.

 

32        Somit bezeichnet der Begriff „Wertpapiere“ im Sinne der Prospektrichtlinie im Einklang mit Art. 2 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der MiFID‑I-Richtlinie „Wertpapiere, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können“. Insoweit enthält diese Bestimmung keine nähere Erläuterung der Bedeutung der Begriffe „Wertpapiere, … die gehandelt werden können“ und „Kapitalmarkt“, abgesehen davon, dass Zahlungsinstrumente nicht darunter fallen. Zwar enthält Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der MiFID‑I-Richtlinie Beispiele für Wertpapiere, die unter diesen Begriff fallen, darunter auch Aktien, dabei werden jedoch keine besonderen Einschränkungen in Bezug auf die Eigenschaften der Personen, die diese Wertpapiere halten, oder auf etwaige Beschränkungen ihrer Übertragbarkeit vorgenommen.

 

33        Daher sind die Wendung „Wertpapiere, die auf dem Kapitalmarkt gehandelt werden können“ im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Nr. 18 der MiFID‑I-Richtlinie und folglich der Begriff der „Wertpapiere“ im Sinne der Prospektrichtlinie, wie vom Generalanwalt in Nr. 59 seiner Schlussanträge vorgeschlagen, insofern weit auszulegen, als unter diesen Begriff Wertpapiere wie Aktien fallen, vorausgesetzt ihre Übertragung unterliegt nicht Beschränkungen, die ihre Handelbarkeit auf dem Kapitalmarkt, d. h. zwischen Anbietern solcher Wertpapiere und potenziellen Anlegern, unmöglich machen oder extrem erschweren.

 

34        Zweitens wird diese Auslegung durch den Regelungszusammenhang des Begriffs „Wertpapiere“ im Sinne der Prospektrichtlinie bestätigt.

 

35        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass Art. 40 Abs. 1 der MiFID‑I-Richtlinie vorschreibt, dass geregelte Märkte über klare und transparente Regeln für die Zulassung von Finanzinstrumenten zum Handel verfügen müssen, die gewährleisten, dass alle zum Handel an einem geregelten Markt zugelassenen Finanzinstrumente fair, ordnungsgemäß und effizient gehandelt werden können und, im Falle übertragbarer Wertpapiere, frei handelbar sind. Überdies definiert Art. 2 Abs. 1 Buchst. d der Prospektrichtlinie den Begriff des „öffentliche[n] Angebot[s] von Wertpapieren“ als „eine Mitteilung an das Publikum in jedweder Form und auf jedwede Art und Weise, die ausreichende Informationen über die Angebotsbedingungen und die anzubietenden Wertpapiere enthält, um einen Anleger in die Lage zu versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden“.

 

36        Aus diesen Bestimmungen ergibt sich daher, dass Wertpapiere nicht nur auf geregelten Märkten frei gehandelt, sondern auch schlicht und einfach unter Umständen angeboten werden können, die einen Anleger in die Lage versetzen, sich für den Kauf oder die Zeichnung dieser Wertpapiere zu entscheiden. Daraus folgt, dass die wesentliche Eigenschaft von Wertpapieren nicht ihre uneingeschränkte Handelbarkeit auf dem Kapitalmarkt ist, sondern, dass sie zwischen Anbietern von Wertpapieren und potenziellen Anlegern gehandelt werden können, wobei diese Handelbarkeit nicht so stark eingeschränkt sein darf, dass der Handel unmöglich oder extrem erschwert wäre.

 

37        Auch aus den Erwägungsgründen der MiFID‑I-Richtlinie und der Prospektrichtlinie ergibt sich eine weite Auslegung des Begriffs der „Wertpapiere“. Zum einen geht nämlich aus dem zweiten Erwägungsgrund der MiFID‑I-Richtlinie hervor, dass diese das volle Angebot der anlegerorientierten Tätigkeiten abdecken soll. Zum anderen legt die Prospektrichtlinie ihrem zwölften Erwägungsgrund zufolge für die Zwecke des Anlegerschutzes eine breitgefasste Definition des Begriffs der „Wertpapiere“ fest und erfasst alle öffentlich angebotenen oder zum Handel an geregelten Märkten zugelassenen Dividendenwerte und Nichtdividendenwerte.

 

38        Drittens steht die in Rn. 33 des vorliegenden Urteils vorgenommene Auslegung im Einklang mit den von der MiFID‑I-Richtlinie und der Prospektrichtlinie verfolgten Zielen, die dem 44. Erwägungsgrund der erstgenannten und dem zehnten Erwägungsgrund der letztgenannten Richtlinie zufolge im Anlegerschutz und in der Gewährleistung eines reibungslosen Funktionierens der Wertpapiermärkte bestehen (vgl. zur Prospektrichtlinie Urteil vom 3. Juni 2021, Bankia, C‑910/19, EU:C:2021:433, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung). Eine Auslegung, wonach unter den Begriff „Wertpapiere“ bzw. „übertragbare Wertpapiere“ im Sinne dieser Richtlinien u. a. Aktien fallen, sofern diese keinen Beschränkungen unterliegen, die ihre Handelbarkeit zwischen Anbietern von Wertpapieren und potenziellen Anlegern unmöglich machen oder extrem erschweren, ermöglicht nämlich die Anwendung der in diesen Richtlinien vorgesehenen Mechanismen, die dazu beitragen, die beiden soeben genannten Ziele auf den Kapitalmärkten, auf denen Anleger tätig werden können, weitestgehend zu verwirklichen.

 

39        Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass die Aktien der im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden Gesellschaft nur von den Provinzen und Gemeinden des betreffenden Mitgliedstaats gehalten werden können und ihre Übertragung der Genehmigung des Verwaltungsrats dieser Gesellschaft bedarf. Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen scheinen diese Aktien keinen Beschränkungen zu unterliegen, die ihre Handelbarkeit zwischen Anbietern von Wertpapieren und Anlegern unmöglich machen oder extrem erschweren, da die gegenständlichen Beschränkungen nicht verhindern, dass die Aktien mit einer nicht unerheblichen Anzahl potenzieller Anleger gehandelt werden, und zwar ungeachtet der Möglichkeit, dass ein Angebot nicht zur Übertragung der betreffenden Aktien führt, was im Übrigen auch bei Angeboten in Bezug auf Wertpapiere einer Gesellschaft der Fall sein kann, deren Übertragung keiner Genehmigung ihres Verwaltungsrats bedarf.

 

40        Überdies ermöglicht es diese Erwägung, die Situation im Ausgangsrechtsstreit von derjenigen abzugrenzen, die in der Rechtssache bestand, in der das Urteil vom 17. September 2014, Almer Beheer und Daedalus Holding (C‑441/12, EU:C:2014:2226, Rn. 35 und 36) ergangen ist. In dieser Rechtssache ging es nämlich um Verkäufe von Wertpapieren, die, da sie im Rahmen eines Zwangsversteigerungsverfahrens erfolgten, insofern sehr weit von normalen Situationen eines Handels mit solchen Papieren entfernt waren, als sie nicht der Teilnahme an einer wirtschaftlichen Tätigkeit auf dem Wertpapiermarkt dienten, sondern sich darauf beschränkten, die Rechte eines Vollstreckungsgläubigers zu befriedigen.

 

41        In Anbetracht der Angaben im Vorabentscheidungsersuchen – wonach es im Ausgangsrechtsstreit im Wesentlichen um die Frage geht, ob eine Einladung zur Zeichnung von Aktien einer Gesellschaft, die nur von den Provinzen und Gemeinden eines Mitgliedstaats gehalten werden können und deren Übertragung der Genehmigung des Verwaltungsrats dieser Gesellschaft bedarf, der in Art. 3 Abs. 1 der Prospektrichtlinie vorgesehenen Verpflichtung zur vorherigen Veröffentlichung eines Prospekts unterliegt – bleibt, um dem vorlegenden Gericht eine für die Entscheidung dieses Rechtsstreits voll und ganz zweckdienliche Antwort zu geben, noch zu prüfen, ob eine Einladung zur Zeichnung solcher Aktien ein „öffentliches“ Angebot im Sinne dieses Art. 3 Abs. 1 darstellt.

 

42        Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Prospektrichtlinie gestatten die Mitgliedstaaten „in ihrem Hoheitsgebiet kein öffentliches Angebot von Wertpapieren ohne vorherige Veröffentlichung eines Prospekts“. Nach Abs. 2 dieses Artikels gilt diese Verpflichtung jedoch nicht für bestimmte Angebotsformen, darunter die in Buchst. a dieses Absatzes genannte Form, unter die jedes Wertpapierangebot fällt, „das sich ausschließlich an qualifizierte Anleger richtet“.

 

43        Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 37 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, die Definition der Wendung „öffentliches Angebot von Wertpapieren“, deren Wortlaut in Rn. 35 des vorliegenden Urteils wiedergegeben ist, weit gefasst ist, ohne Einschränkungen hinsichtlich der Personen, an die sich ein solches Angebot richtet, oder der formalen Modalitäten der Mitteilung eines derartigen Angebots.

 

44        Zweitens ist, während die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Prospekts gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Prospektrichtlinie nicht für öffentliche Angebote von Aktien gilt, die den vorhandenen Aktionären unentgeltlich angeboten oder zugeteilt werden bzw. zugeteilt werden sollen, keine solche Ausnahme vorgesehen, wenn sich ein Angebot zur Zeichnung von Aktien einer Gesellschaft gegen Entgelt nur an die Aktionäre dieser Gesellschaft richtet.

 

45        Drittens ist hervorzuheben, dass im 16. Erwägungsgrund der Prospektrichtlinie ausdrücklich darauf hingewiesen wird, dass diese Richtlinie den unterschiedlichen Schutzanforderungen für die verschiedenen Anlegerkategorien und ihrem jeweiligen Sachverstand Rechnung zu trägt und somit für Angebote, die sich ausschließlich an qualifizierte Anleger im Sinne der Richtlinie richten, keine Verpflichtung zur Veröffentlichung eines Prospekts vorsieht.

 

46        Im Licht dieses 16. Erwägungsgrundes gelesen, sieht Art. 3 Abs. 2 Buchst. a der Prospektrichtlinie eine derartige Ausnahme für solche Anleger vor, zu denen nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii dieser Richtlinie nationale und regionale Regierungen, nicht aber lokale Behörden zählen.

 

47        Gemeinden, die lokale Behörden sind, werden daher nicht von Art. 2 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Prospektrichtlinie erfasst.

 

48        Da die Gemeinden vorbehaltlich der Überprüfung durch das vorlegende Gericht ebenso wenig zu einer anderen der in Art. 2 Abs. 1 Buchst. e der Prospektrichtlinie genannten Kategorien qualifizierter Anleger gehören, kann ein Wertpapierangebot wie das im Ausgangsverfahren in Rede stehende, das sich sowohl an die Gemeinden als auch an die Provinzen eines Mitgliedstaats richtet, nicht als Wertpapierangebot angesehen werden, das sich im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a dieser Richtlinie „ausschließlich an qualifizierte Anleger“ richtet. Unter diesen Umständen ist es unerheblich, ob die belgischen Provinzen „regionale Regierungen“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Buchst. e Ziff. ii der Prospektrichtlinie darstellen können.

 

49        Daraus folgt vorbehaltlich der in Art. 3 Abs. 2 Buchst. b bis e und Art. 4 der Prospektrichtlinie aufgeführten Ausnahmen, auf deren mögliche Anwendbarkeit auf den vorliegenden Fall in der Vorlageentscheidung nicht eingegangen wird, dass in einem Fall wie dem im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehenden ein „öffentliches Angebot von Wertpapieren“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie vorliegt, das der Verpflichtung zur vorherigen Veröffentlichung eines Prospekts unterliegt, sofern die Einzelheiten des Angebots die Handelbarkeit der betreffenden Wertpapiere zwischen Anbietern und potenziellen Anlegern auf dem Kapitalmarkt nicht unmöglich machen oder extrem erschweren.

 

50        Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 2 Abs. 1 Buchst. a der Prospektrichtlinie dahin auszulegen ist, dass die Aktien einer Gesellschaft, die nur von den Provinzen und Gemeinden eines Mitgliedstaats gehalten werden können und deren Übertragung der Genehmigung des Verwaltungsrats dieser Gesellschaft bedarf, unter den Begriff der „Wertpapiere“ im Sinne dieser Richtlinie fallen, so dass eine Einladung zur Zeichnung solcher Aktien der in Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Verpflichtung zur vorherigen Veröffentlichung eines Prospekts unterliegt, sofern die Einzelheiten des Angebots die Handelbarkeit dieser Wertpapiere zwischen Anbietern und potenziellen Anlegern nicht unmöglich macht oder extrem erschwert und keine der in Art. 3 Abs. 2 und Art. 4 der Richtlinie aufgeführten Ausnahmen anwendbar ist.

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