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Wirtschaftsrecht
25.11.2021
Wirtschaftsrecht
OLG Düsseldorf: Beendigung eines Unternehmensvertrags durch Parteierklärung im Fall der Eigenverwaltung

OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.7.2021 – I-3 Wx 152/20

Volltext: BB-Online BBL2021-2817-2

Amtliche Leitsätze

1. Das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung dient in besonders intensiver Weise der Sanierung (§§ 270 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3, 270b InsO).

2. An die Stelle einer analogen Anwendung der §§ 662 BGB, 115, 116 Satz 1 InsO tritt die Möglichkeit der Vertragsbeendigung durch Parteierklärung, insbesondere der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund entsprechend § 297 Abs. 1 AktG.

3. Ob daneben ein insolvenzrechtliches Sonderkündigungsrecht angenommen werden kann, muss nur in Fällen entschieden werden, in denen die Vertragsparteien über das Bestehen eines wichtigen Grundes nicht einig sind.

Sachverhalt

    I.

2018 hielt sämtliche Geschäftsanteile an der betroffenen Gesellschaft die Beteiligte. Zwischen dieser als Obergesellschaft und der betroffenen GmbH als Untergesellschaft wurde am 25. Juni 2010 ein - unter dem 9. Dezember 2014 geänderter - Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag geschlossen, was in das Handelsregister eingetragen wurde. Über beide Gesellschaften wurde durch Beschlüsse des Amtsgerichts Duisburg vom 1. November 2018 das Insolvenzverfahren unter Anordnung der Eigenverwaltung eröffnet; bestellt wurde derselbe Sachwalter.

Am 8. November 2018 hielten beide GmbH (je) eine Gesellschafterversammlung ab und fassten unter Hinweis auf die Anordnung der Eigenverwaltung und die Bestellung des Sachwalters jeweils den Beschluss:

 „Die Parteien sind sich einig, dass mit Eröffnung des Verfahrens der bestehende Ergebnisabführungsvertrag beendet wird. Vorsorglich einigen sich die Parteien auf eine Aufhebung des Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages mit Wirkung zum 01.11.2018.“

Ferner wurden die Geschäftsführer der jeweiligen Gesellschaft angewiesen, mit der jeweils anderen GmbH einen Aufhebungsvertrag abzuschließen. Die Niederschrift unterzeichnete jeweils außer der Geschäftsführung beider GmbHs der Sachwalter. Noch am 8. November 2018 trafen die beiden Gesellschaften eine Vereinbarung, die unter anderem die Einigkeit über die Vertragsbeendigung mit Verfahrenseröffnung wiederholte und fortfuhr: „Rein vorsorglich beschließen die Parteien die Aufhebung des Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum 01.11.2018.“.

In der Folgezeit wurde nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens die Fortsetzung der betroffenen Gesellschaft im Register eingetragen.

Mit öffentlich beglaubigter Erklärung vom 17. März 2020 haben die hier betroffene Untergesellschaft sowie vorsorglich die Beteiligte zu deren Registerblatt zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet:

 „Der Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag vom 25. Juni 2010, geändert am 9. Dezember 2014 wurde mit Wirkung zu 1. November 2018 aufgehoben.“

Mit der angegriffenen Zwischenverfügung hat das Registergericht beanstandet, zum einen sei eine Vertragsbeendigung nicht am 1. November 2018 eingetreten und komme nicht rückwirkend, sondern nur zum 8. November 2018 in Betracht; zum anderen bedürfe es für die vereinbarte Aufhebung eines notariell beurkundeten Zustimmungsbeschlusses der betroffenen Gesellschaft.

Gegen diesen ihr am 30. Juni 2020 zugestellten Beschluss wendet sich die Beteiligte mit ihrem am 30. Juli 2020 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, dem das Registergericht mit weiterem Beschluss vom 4. August 2020 nicht abgeholfen und bezüglich dessen es die Vorlage an das Oberlandesgericht als Beschwerdegericht verfügt hat.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Registerakten Bezug genommen.

Aus den Gründen

    II.

Das Rechtsmittel der - beschwerdeberechtigten, da jedenfalls in ihrem Individualrecht aus dem Unternehmensvertrag beeinträchtigten - Beteiligten ist gemäß §§ 382 Abs. 4 Satz 2, 58 ff FamFG als befristete Beschwerde zulässig und infolge der ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen. Es hat auch in der Sache Erfolg; die vom Registergericht angeführten Eintragungshindernisse bestehen nach Auffassung des Senats nicht.

    1.

Die Handelsregisteranmeldung ist auslegungsbedürftig, aber auch auslegungsfähig.

Indem sie allein den Beendigungstatbestand der Aufhebung des Vertrages anspricht, gibt sie - wie noch auszuführen sein wird - die Eintragungsunterlagen nur unvollständig wieder, ohne dass aus der Interessenlage ein Grund für eine derartige Beschränkung ersichtlich wäre. Interessengerecht erscheint, die Anmeldung dahin zu verstehen, dass die Beendigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages eingetragen werden soll und die Anmeldende sich hierfür auf jeden durchgreifenden Beendigungstatbestand, der sich aus den Eintragungsunterlagen ergibt, beruft.

2.

Den Gesellschafterbeschlüssen sowie in deren Umsetzung der Vereinbarung vom 8. November 2018 ist zu entnehmen, dass die Parteien des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages dessen Beendigung in erster Linie als durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens - damit am 1. November 2018 - bewirkt ansahen („mit Eröffnung ... beendet wird“; korrekterweise hätte es, wie auch die Benennung des 1. November zeigt, heißen müssen: beendet worden ist). „Vorsorglich“ wollten sie die Beendigungswirkung durch Willenserklärungen herbeiführen. Es erscheint dem Senat die nächstliegende Deutung, dass sie sich hierbei jeglichen Rechtsgeschäfts bedienen wollten, durch das die besagte Wirkung entweder vollständig oder, falls dies nicht möglich wäre, weitestmöglich erreicht würde. Denn es ist kein Grund für die Parteien erkennbar, bei der Auswahl der rechtsgeschäftlichen Mittel zur Herbeiführung des ersichtlich gewollten Ergebnisses von vornherein eine Auswahl zu treffen und damit auf die Möglichkeit bestimmter Erklärungen zu verzichten. Dies gilt umso mehr, als zum einen in die Beschlussfassung beider Gesellschafterversammlungen der bestellte Sachwalter eingebunden war, zum anderen selbst das von ihnen ausdrücklich bezeichnete Mittel des Aufhebungsvertrages in einem eher untechnischen Sinne verstanden wurde, denn dass einem solchen analog § 296 Abs. 1 Satz 2 AktG keine Rückwirkung beigelegt werden konnte, musste sich ihnen, zumindest dem Sachwalter, aufdrängen.

Indiziell bestätigt wird dieses sozusagen weite Verständnis der Eintragungsunterlagen dadurch, dass die Beteiligte im Eintragungsverfahren selbst - auch - für eine Vertragsbeendigung aufgrund außerordentlicher Kündigung streitet und also, da eine solche selbstverständlich nicht mit Rückwirkung erklärt werden kann, einen Beendigungszeitpunkt nach dem 1. November 2018, nämlich am 8. November 2018, ohne weiteres hinnimmt.

3.

Dem Registergericht ist darin beizutreten, dass nicht schon die Eröffnung des Insolvenzverfahrens als solche die Beendigung, damit zum 1. November 2018, herbeiführte (die folgenden Erwägungen beruhen namentlich auf: Altmeppen, GmbHG, 10. Aufl. 2021, Anh. § 13 Rdnr. 92-94; Emmerich/Habersack-Emmerich, AktG, 9. Aufl. 2019, § 297 Rdnr. 52-52b; MK-Liebscher, GmbHG, 3. Aufl. 2018, Anh. § 13 Rdnr. 1038-1044).

Nach § 1 Satz 1 InsO steht der Erhalt des Schuldnerunternehmens, d. h. seine Sanierung, gleichberechtigt neben der Vermögensverwertung, der Liquidation. Das Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung dient in besonders intensiver Weise der Sanierung, vgl. §§ 270 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3, 270b InsO. Bei dieser Lage erscheint die Annahme gerechtfertigt, im Falle der Eigenverwaltung - sei es bei Insolvenz der Obergesellschaft, sei es bei Doppelinsolvenz - könne ein Beendigungswille des Vertragsparteien nicht regelhaft als typisch unterstellt werden und werde das Konzernorganisationsrecht durch den spezifischen insolvenzrechtlichen Zweck überlagert. Da jedenfalls bei Verfahrenseröffnung nicht absehbar sein wird, ob die durch den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag herbeigeführte Vergemeinschaftung der Interessen beider Gesellschaften fortbesteht oder zerbrechen wird, hat an die Stelle einer analogen Anwendung der §§ 662 BGB, 115, 116 Satz 1 InsO der Verweis auf die Möglichkeit der Vertragsbeendigung durch Parteierklärungen, insbesondere der außerordentlichen Kündigung aus wichtigem Grund entsprechend § 297 Abs. 1 AktG zu treten, dies bei Insolvenz über das Vermögen der Obergesellschaft mit der Erwägung, aus Sicht der Untergesellschaft werde die Obergesellschaft voraussichtlich nicht in der Lage sein, ihre vertraglich begründeten Verpflichtungen zu erfüllen. Ob daneben - auch zur Vermeidung von Streitigkeiten über das Vorliegen eines Kündigungsgrundes - ein insolvenzrechtliches Sonderkündigungsrecht angenommen werden kann, muss nur in Fällen entschieden werden, in denen die Vertragsparteien über das Bestehen eines wichtigen Grundes nicht einig sind.

Dann aber ist es nach Ansicht des Senats konsequent, die Voraussetzungen der Beendigungserklärung im weiteren nach den insolvenzrechtlichen Regelungen für die Eigenverwaltung zu beurteilen, insbesondere die Mitwirkung der gesellschaftlichen Überwachungsorgane nach § 276a Satz 1 InsO auszuschließen. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang die Mitwirkung des Sachwalters (§§ 275 Abs. 1, 277 Abs. 1 Satz 1 InsO) zu fordern ist, bedarf der Klärung lediglich, falls weil der Sachwalter tatsächlich nicht mitgewirkt hat. Jedenfalls vermeidet die vorstehende Sichtweise, dass sich bei einer abhängigen GmbH die Streitigkeiten um die analoge Anwendung der Regeln der Satzungsänderung nach §§ 53, 54 GmbHG auswirken können (vgl. MK-Altmeppen, AktG, 5. Aufl. 2020, § 297 Rdnr. 6 und § 296 Rdnr. 15-17 m. zahlr. Nachw.).

4.

Danach konnte im vorliegenden Fall der Unternehmensvertrag entsprechend § 297 Abs. 1 AktG jedenfalls von der hier betroffenen GmbH als Untergesellschaft aus wichtigem Grunde, über dessen Vorliegen sich die Vertragsparteien einig waren, ohne Frist und damit zum 8. November 2018 im Wege der außergewöhnlichen Geschäftsführungsmaßnahme mit Zustimmung des - für beide Gesellschaften handelnden - Sachwalters nach § 275 Abs. 1 Satz 1 InsO beendet werden, wobei die Schriftform gemäß § 297 Abs. 3 AktG aufgrund der schriftlichen Vereinbarung vom 8. November 2018 gewahrt werden konnte.

Folgt man den oben unter 1. und 2. dargestellten Auslegungen der Anmeldung und der Eintragungsunterlagen, sind die am Unternehmensvertrag beteiligten Gesellschaften einvernehmlich in dieser Weise verfahren und ist (auch) der Beendigungszeitpunkt des 8. November 2018 zur Eintragung angemeldet.

Auf diesen Grundlagen besteht kein Bedenken, als zur Eintragung angemeldet anzusehen, der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag sei durch Kündigung zum 8. November 2018 beendet worden, und dieser Anmeldung zu entsprechen.

III.

Im Hinblick auf den Erfolg des Rechtsmittels und die alleinige Teilnahme der Beteiligten am Beschwerdeverfahren erübrigt sich eine Kostenentscheidung ebenso wie eine Festsetzung des Geschäftswerts von Amts wegen.

Auch eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht veranlasst. Zwar kommt durchaus in Betracht, dass die Voraussetzungen des § 70 Abs. 2 Satz 1 FamFG gegeben sind, doch ersetzt dies nicht das weitere Erfordernis einer Beschwerdeberechtigung und damit einer Beschwer des Rechtsbeschwerdeführers (BGH NJW 2016, 250 f - juris-Version Tz. 9), und die hiesige Beschwerdeführerin ist - wie sich aus dem Vorstehenden zu II. ergibt - aus Sicht des Senats durch die vorliegende Entscheidung weder formell, noch materiell beschwert.

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