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Wirtschaftsrecht
27.12.2013
Wirtschaftsrecht
BGH: Banküberweisung als Rechtshandlung trotz vorausgegangener Pfändung und Überweisung des Kontoguthabens

BGH, Urteil vom 21.11.2013 - IX ZR 128/13


Leitsatz


1. Eine vom Schuldner veranlasste Banküberweisung ist eine Rechtshandlung, auch wenn zuvor zu Gunsten des Zahlungsempfängers der Anspruch auf Auszahlung des Bankguthabens gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen wurde.


2. Ein Pfändungspfandrecht kann der Vorsatzanfechtung unterliegen, wenn der Schuldner die Entstehung des Pfandrechts zielgerichtet gefördert hat.


§ 133 Abs 1 InsO


Sachverhalt


Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag vom 12. August 2010 am 30. September 2010 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der B.                        GmbH (fortan: Schuldnerin). Die Schuldnerin war von der Bundesrepublik Deutschland beauftragt worden, einen unbemannten Radpanzer zu entwickeln. Hierzu bediente sie sich der Beklagten, die Entwicklungs- und Fertigungsleistungen erbrachte. Bei einem Gespräch ihrer Geschäftsführer am 15. Dezember 2008 vereinbarten die Schuldnerin und die Beklagte, dass eine seit dem 16. Dezember 2007 fällige Forderung der Beklagten über 995.000 € zunächst tituliert und nach Eingang einer erwarteten Zahlung der Auftraggeberin der Schuldnerin über rund 1,7 Mio. € ausgeglichen werden sollte. In der Folge erwirkte die Beklagte einen rechtskräftigen Vollstreckungsbescheid über ihre Forderung nebst Zinsen und Kosten und auf dessen Grundlage am 4. Mai 2009 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss betreffend ein Bankkonto der Schuldnerin. Der Beschluss wurde der Bank am 12. Mai und der Schuldnerin am 13. Mai 2009 zugestellt. Ebenfalls am 13. Mai 2009 wurde dem Bankkonto die erwartete Zahlung der Auftraggeberin der Schuldnerin in Höhe von knapp 1,7 Mio. € gutgeschrieben. Am 15. Mai 2009 überwies die Bank auf Anweisung der Schuldnerin zur Erledigung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses 1.117.949,20 € an die Beklagte.


Der Kläger hat die Überweisung insolvenzrechtlich angefochten und verlangt mit der Klage die Rückzahlung des überwiesenen Betrags nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.


Aus den Gründen


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Die Revision hat keinen Erfolg.




I.



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Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen eines Rückgewähranspruchs wegen Vorsatzanfechtung nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO bejaht. Die angefochtene Überweisung stelle sich trotz der vorausgegangenen Pfändung und Überweisung des Kontoguthabens als Rechtshandlung der Schuldnerin dar. Dies folge zwar nicht daraus, dass die Schuldnerin die Bank am 15. Mai 2009 angewiesen habe, den geschuldeten Betrag an die Beklagte auszuzahlen, denn zu diesem Zeitpunkt habe die Schuldnerin nur noch die Möglichkeit gehabt, entweder die Beklagte das gepfändete Guthaben einziehen zu lassen oder den Betrag selbst zu überweisen. Die Qualifizierung als Schuldnerhandlung sei aber gerechtfertigt, weil die Schuldnerin mit der Absprache vom 15. Dezember 2008, nach der die Beklagte ihre Forderung im Mahnverfahren titulieren lassen und die Schuldnerin dies hinnehmen sollte, und mit ihrem korrespondierenden Verhalten in der Folgezeit aktiv zu der Vermögensverschiebung beigetragen habe. Die Überweisung habe die Gläubiger der Schuldnerin benachteiligt, weil das zuvor erlangte Pfändungspfandrecht nicht insolvenzfest, sondern seinerseits nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar gewesen sei. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung seien gegeben, weil zum Zeitpunkt der Überweisung sowohl die Schuldnerin als auch die Beklagte Kenntnis von der Zahlungseinstellung und damit von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin gehabt hätten.




II.



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Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand. Die Beklagte ist nach § 143 Abs. 1, § 133 Abs. 1 InsO zur Rückgewähr der Zahlung in Höhe von 1.117.949,20 € verpflichtet.



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1. Mit Recht ist das Berufungsgericht von einer Rechtshandlung der Schuldnerin ausgegangen.



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a) Nach gefestigter Rechtsprechung fehlt es grundsätzlich an einer solchen Schuldnerhandlung, wenn ein Gläubiger eine Befriedigung im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt. Gleiches gilt, wenn der Gläubiger durch eine Leistung des Schuldners befriedigt wird, bei deren Vornahme jede Möglichkeit zu einem selbstbestimmten Handeln ausgeschlossen ist, etwa weil der Schuldner nur noch die Wahl hat, die geforderte Zahlung sofort zu leisten oder die Vollstreckung durch die bereits anwesende, vollstreckungsbereite Vollziehungsperson zu dulden. Dann fehlt es an einer willensgeleiteten Rechtshandlung des Schuldners. Anfechtbar ist eine im Rahmen oder aus Anlass einer Zwangsvollstreckung erfolgte Vermögensverlagerung hingegen dann, wenn dazu zumindest auch eine selbstbestimmte Rechtshandlung des Schuldners beigetragen hat, mag diese auch unter dem Druck oder zur Abwendung der Zwangsvollstreckung erfolgt sein. Fördert der Schuldner aktiv eine Vollstreckungsmaßnahme oder trägt er dazu bei, dass eine Situation entsteht, in der seine Leistung wegen des sonst erfolgenden Vollstreckungszugriffs als nicht selbstbestimmt zu werten ist, kann dies die Qualifizierung der Vermögensverlagerung als Rechtshandlung des Schuldners rechtfertigen (BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 - IX ZR 213/09, WM 2011, 501 Rn. 5, 12; vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/09, WM 2012, 1401 Rn. 8; jeweils mwN).



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b) Nach diesen Maßstäben ist hier eine Rechtshandlung der Schuldnerin anzunehmen.



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aa) Dies folgt bereits daraus, dass die Schuldnerin die kontoführende Bank angewiesen hat, den in Rede stehenden Betrag an die Beklagte zu überweisen. Nach der Rechtsprechung des Senats nimmt ein Schuldner, der eine Überweisung von seinem Bankkonto veranlasst, eine eigene Rechtshandlung vor, selbst wenn zuvor Ansprüche auf Auszahlungen von diesem Konto zugunsten des Zahlungsempfängers gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen wurden (BGH, Urteil vom 9. Juni 2011 - IX ZR 179/08, WM 2011, 1343 Rn. 10 mwN; vom 22. November 2012 - IX ZR 142/11, WM 2013, 48 Rn. 9). Anders als im Falle der Aushändigung des Kassenbestands an den bereits anwesenden Vollstreckungsbeamten steht nach der Pfändung des Anspruchs auf Auszahlung eines Kontoguthabens und dessen Überweisung zur Einziehung noch nicht fest, dass der Abfluss eines Vermögenswerts unmittelbar bevorsteht. Denn es bleibt zunächst offen, ob und gegebenenfalls wann der Gläubiger von seiner Ermächtigung zur Einziehung der gepfändeten Forderung Gebrauch macht. Weist der Schuldner in dieser Situation seine Bank an, eine Überweisung an den Pfändungsgläubiger auszuführen, kann der Handlung des Schuldners die Selbstbestimmtheit nicht abgesprochen werden.



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bb) Im Streitfall kommt hinzu, dass die Schuldnerin durch weitere Maßnahmen im Vorfeld der Überweisung zielgerichtet zu der Vermögensverlagerung beigetragen hat. In dem von den Geschäftsführern am 15. Dezember 2008 geführten Gespräch einigten sich die Schuldnerin und die Beklagte auf ein Vorgehen, mit dem die Beteiligten nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts sicher stellen wollten, dass die Forderung der Beklagten mittels einer von der Schuldnerin erwarteten Zahlung ihrer Auftraggeberin ausgeglichen wurde. Nach dieser Absprache sollte die Beklagte ihre Forderung im Wege des gerichtlichen Mahnverfahrens titulieren lassen. Die Schuldnerin sollte dies hinnehmen, ohne gerichtliche Schritte dagegen einzuleiten. Unverzüglich nach Eingang einer für Ende Mai 2009 erwarteten Zahlung des Auftraggebers der Schuldnerin in Höhe von 1,7 Mio. € sollte der titulierte Betrag von 995.000 € nebst Zinsen und Kosten von der Schuldnerin an die Beklagte überwiesen werden. An diese Absprache hielt sich die Schuldnerin in der Folgezeit. Ihr Beitrag zu der eingetretenen Vermögensverlagerung auf die Beklagte ging entgegen der Ansicht der Revision über das bloße Unterlassen von ohnehin aussichtslosen Rechtsbehelfen hinaus und umfasste neben der Vereinbarung des beiderseitigen Vorgehens auch die Erteilung von Informationen über den erwarteten Zahlungseingang als Grundlage der Befriedigung der Beklagten.



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2. Die in der vereinbarten Überweisung liegende Rechtshandlung der Schuldnerin hat zu einer Verminderung ihres Aktivvermögens und damit zu einer Benachteiligung ihrer übrigen Gläubiger geführt.



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a) Allerdings benachteiligt die Befriedigung eines einzelnen Gläubigers die Gesamtheit der Gläubiger dann nicht, wenn sie aufgrund eines Pfändungspfandrechts erfolgt, das den Gläubiger im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners zur abgesonderten Befriedigung nach § 50 Abs. 1 InsO berechtigt (BGH, Urteil vom 14. Juni 2012 - IX ZR 145/09, WM 2012, 1401 Rn. 14; vom 22. November 2012 - IX ZR 142/11, WM 2013, 48 Rn. 10, 13 f; jeweils mwN). Der Gläubiger erhält dann nur das, was ihm bereits aufgrund des insolvenzbeständigen Pfandrechts zusteht. Anders verhält es sich nur, wenn das Pfandrecht seinerseits der Insolvenzanfechtung unterliegt.



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b) Letzteres ist hier der Fall. Das von der Beklagten erwirkte Pfändungspfandrecht ist nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar.



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aa) Dem Pfandrecht liegt eine Rechtshandlung der Schuldnerin zugrunde, obwohl es als Folge der von der Beklagten veranlassten Forderungspfändung entstanden ist. Maßgebend ist insoweit, dass die Schuldnerin zu der ausgebrachten Pfändung aktiv beigetragen hat, indem sie sich mit der Beklagten in dem Gespräch vom 15. Dezember 2008 auf ein Vorgehen geeinigt hat, das die Befriedigung der Beklagten aus der erwarteten Zahlung der Auftraggeberin der Schuldnerin sichern sollte. Zwar ist nicht festgestellt, dass die getroffene Vereinbarung auch den Zugriff der Beklagten auf das Bankguthaben der Schuldnerin im Wege der Zwangsvollstreckung beinhaltete. Mit der abgesprochenen, von der Schuldnerin hingenommenen Titulierung der Forderung der Beklagten sollte aber die Voraussetzung für einen solchen Zugriff geschaffen werden, und Pfändungsmaßnahmen der Beklagten vor der vereinbarten Überweisung durch die Schuldnerin hatten beide Beteiligte nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts jedenfalls in Betracht gezogen, sodass zumindest die Möglichkeit einer Forderungspfändung Bestandteil der getroffenen Absprache war. Zudem hat die Schuldnerin eine erfolgreiche Pfändung ihres Bankguthabens dadurch begünstigt, dass sie die Beklagte über den voraussichtlichen Zeitpunkt und über die erwartete Höhe des Zahlungseingangs in Kenntnis setzte. Selbst wenn man in diesem Vorgehen noch keine Vollstreckung in einvernehmlichem, kollusivem Zusammenwirken sieht, hat die Schuldnerin zumindest aktiv daran mitgewirkt, dass die Beklagte ein werthaltiges Pfändungspfandrecht erlangen konnte (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 - IX ZR 213/09, WM 2011, 501 Rn. 12). Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Mitwirkungshandlung des Schuldners und der Vollstreckungsmaßnahme muss entgegen der Ansicht der Revision nicht bestehen.



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bb) Die Würdigung des Berufungsgerichts, die Vereinbarung vom 15. Dezember sei zumindest mitursächlich für die Titulierung der Forderung der Beklagten und für die darauf beruhende Kontenpfändung, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat berücksichtigt, dass die Beklagte selbst nicht behauptet hat, sie hätte die streitgegenständliche Forderung auch ohne die Vereinbarung vom 15. Dezember 2008 bereits Anfang 2009 titulieren lassen. Es hat ferner darauf abgestellt, dass die Beklagte für zwei weitere Forderungen gegen die Schuldnerin über 1.785.000 € und 444.499,51 €, die ebenfalls fällig, aber von der Vereinbarung nicht betroffen waren, keinen Titel erwirkt hat. Die auf diesen Umständen beruhende Würdigung ist rechtlich möglich und verstößt weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze.



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cc) Das zugunsten der Beklagten entstandene Pfändungspfandrecht hat die Gläubiger der Schuldnerin benachteiligt, weil es ein Recht der Beklagten zur abgesonderten Befriedigung aus den gepfändeten Forderungen begründete.



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3. Die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung lagen sowohl zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Pfändungspfandrechts wie auch zu dem nur wenige Tage später liegenden Zeitpunkt der Ausführung der angefochtenen Überweisung vor. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die gewerblich tätige Schuldnerin zu den fraglichen Zeitpunkten ihre Zahlungen eingestellt und war damit zahlungsunfähig (§ 17 Abs. 2 Satz 2 InsO). Dies war sowohl der Schuldnerin selbst als auch der Beklagten bekannt. Mit Recht hat das Berufungsgericht aus diesen Umständen, die von der Revision nicht in Zweifel gezogen werden, auf den Vorsatz der Schuldnerin, ihre Gläubiger zu benachteiligen, und auf die darauf bezogene Kenntnis der Beklagten geschlossen.

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