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Wirtschaftsrecht
18.07.2013
Wirtschaftsrecht
VG Frankfurt a. M.: Bankaufsichtliche Verwarnung

VG Frankfurt, Urteil vom 8.5.2013 - 9 K 2570/11.F


Leitsatz


Im Widerspruchsverfahren betr. eine bankaufsichtliche Verwarnung ist im Rahmen der Ermessensausübung das Verhalten des verwarnten Geschäftsleiters nach Ausspruch der Verwarnung zu berücksichtigen.(Rn.34)


§ 36 Abs 2 KredWG, § 68 VwGO


Sachverhalt


Der Kläger ist seit dem Jahr 2001 Mitglied der erweiterten Geschäftsführung der X-Bank KGaA und seit Mitte 2005 einer ihrer Geschäftsführer sowie persönlich haftender Gesellschafter. Er wendet sich gegen eine bankaufsichtliche Verwarnung durch die Beklagte.


Die X-Bank KGaA stellte im Jahr 2007 fest, dass drei ehemalige Mitarbeiter im Zeitraum von 2000 bis 2006 Kundengelder veruntreut hatten. Dies zeigte sie der Beklagten durch Schreiben vom 11. Januar 2007 an. Infolge dessen kam es aufgrund eines Beschlusses des Aufsichtsrats der Bank zu einer Sonderprüfung zum internen Kontrollsystem im Spargeschäft der Bank. Dabei stellten die Prüfer fest, dass das Überwachungssystem im Sparbereich mangelhaft war, was der internen Revision wie auch der Geschäftsleitung bekannt gewesen sei. Die schwerwiegenden Mängel seien sowohl in ihrer Bedeutung nicht richtig eingeschätzt wie auch trotz ihres Bestehens insbesondere in den Jahren 2004 und 2005 nicht wirksam behoben worden; insoweit bestehe nach Ansicht der Prüfer ein Verschulden der Geschäftsleiter. Eine andere Prüfungsgesellschaft kam zu dem Ergebnis, dass das interne Überwachungssystem grundsätzlich geeignet gewesen sei, die Risiken angemessen zu erfassen, zu überwachen und zu steuern. Bemerkenswert sei aber die Zunahme der Prüfungsfeststellungen im Bereich Institutssteuerung gewesen; so wurde bemängelt, dass eingerichtete Limits generell sehr weitgehend seien, sodass bereits im Normalszenarium nicht nur der Jahresüberschuss, sondern auch ein Teil der stillen Reserven verbraucht werde. Des weiteren forderten die Prüfer - zum wiederholten Mal -, dass das verwendete System zur Steuerung der Risikotragfähigkeit verfeinert werden müsse.


Die Beklagte wertete die ihr jeweils zugeleiteten Prüfungsfeststellungen ihrerseits aus und teilte den Geschäftsleitern, darunter dem Kläger, mit Schreiben vom 24. Oktober 2007 mit, sie beabsichtigte, wegen der Außerachtlassung der an eine ordnungsgemäße Geschäftsführung zu stellenden Anforderungen im besonderen Maße und der damit zumindest leichtfertig begangenen Verstöße gegen Bestimmungen des § 25 a Abs. 1 KWG eine Verwarnung gem. § 36 Abs. 2 KWG zu erteilen. In dem Schreiben führte sie die festgestellten Verstöße im Einzelnen auf; insoweit wird auf das Schreiben vom 24. Oktober 2007 Bezug genommen (Bl. 37 ff. Beiakte II). Der Kläger beantragte Akteneinsicht und nahm in der Folgezeit mehrfach zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen Stellung.


Durch Bescheid vom 19. Juni 2008 erteilte die Beklagte gegenüber dem Kläger wie angekündigt eine Verwarnung gem. § 36 Abs. 2 KWG. In Auseinandersetzung mit den im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Einwänden des Klägers hielt die Beklagte in diesem Bescheid an ihrer Einschätzung fest, dass die Prüfungsberichte für den Bereich der Gesamtbanksteuerung die Schlussfolgerung zulassen, das von der Bank verwendete System zur Erfassung, Quantifizierung, Limitierung und Steuerung der verschiedenen Risikobereiche auf Gesamtbankebene lasse keine zuverlässigen Rückschlüsse auf die Risikotragfähigkeit zu und genüge somit nicht den Anforderungen des § 25 a Abs. 1, Nr. 1 KWG. Das Überwachungssystem im Sparbereich sei mangelhaft, was der internen Revision wie auch der Geschäftsleitung bekannt gewesen sei, ohne dass die Mängel in ihrer Bedeutung richtig eingeschätzt und wirksam behoben worden wären. Insoweit sei ein Fehlverhalten und Verschulden der Geschäftsleiter festzustellen. Die Beklagte führte unter Abschnitt II. ihres Bescheids (Bl. 3 ff. des Bescheids) im Einzelnen die festgestellten Verstöße gegen § 25 a Abs. 1 KWG auf; darauf wird Bezug genommen. Dem Kläger obliege es als Geschäftsleiter, im Rahmen seiner Überwachungspflichten für eine ordnungsgemäße Geschäftsorganisation und interne Kontrolle Sorge zu tragen. Er habe jedoch insofern die Vorschrift des § 25 a Abs. 1 S. 3 Nr. 1 KWG verletzt, als er die Grundsätze ordnungsgemäßer Geschäftsorganisation im Bereich der Institutssteuerung sowie bei der Ausgestaltung des internen Kontrollsystems und der Ausgestaltung und Tätigkeit der internen Revision missachtet habe. Sein Fehlverhalten sei auch als leichtfertig zu bewerten, da er deutliche Anhaltspunkte für das Vorhandensein entsprechender Mängel gehabt habe. Anhaltspunkte hätten sich bereits aus dem Prüfungsbericht zum Jahresabschluss per 31. Dezember 2005 sowie aus den Aufsichtsgesprächen am 20. Juli 2005 und 16. Oktober 2006 ergeben.


Die Erteilung der Verwarnung sei auch im bankaufsichtsrechtlichen Sinne erforderlich. Angesichts der Vielzahl und Schwere der festgestellten Mängel erscheine eine bloße Belehrung, die nicht die Signalwirkung einer Verwarnung habe, nicht mehr erfolgversprechend. Auch im Übrigen sei die Verwarnung verhältnismäßig.


Der Kläger erhob am 18. Juli 2008 Widerspruch, den er mit Schreiben vom 12. September 2008 begründete. Er rügte in formeller Hinsicht, keine hinreichende Akteneinsicht erhalten zu haben. In materieller Hinsicht seien die Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 KWG nicht erfüllt. Zum einen lasse sich bereits die Regelungsweite der Verwarnung nicht ausreichend erkennen, da die dem Kläger vorgeworfenen Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften nicht hinreichend bestimmt seien. Die Verwarnung lasse nicht ausreichend erkennen, welche konkreten gesetzlichen Pflichten im Bereich des § 25 a Abs. 1 KWG durch den Kläger verletzt worden sein sollen. Zum anderen habe die Beklagte die Feststellungen der Prüfungsberichte unkritisch übernommen und nicht anhand anderer Quellen überprüft. Schließlich sei die Verwarnung aber auch nicht erforderlich. Der Kläger habe bereits in der Vergangenheit alle Hinweise auf Mängel, die in seiner Verantwortung lagen, jeweils unmittelbar zum Anlass genommen, konkrete Mängelbeseitigungsmaßnahmen einzuleiten. Im Übrigen habe die Beklagte nicht hinreichend geprüft, ob die Vorwürfe individuell gegenüber dem Kläger erhoben werden könnten. Der Kläger rügte darüber hinaus weitere Ermessensfehler. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben vom 12. September 2008 (Bl. 30 ff. Beiakte I) Bezug genommen.


Mit Schreiben vom 31. Mai 2011 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass die weitere Bearbeitung des Widerspruchsverfahrens aufgrund wechselnder Zuständigkeiten innerhalb des Bereichs der Beklagten nunmehr erst erfolgen könne, und übersandte ihm anliegend die Stellungnahme der Prüfer XY vom 15. April 2008 sowie die Auswertung des Berichts durch die Deutsche Bundesbank, deren Vorlage der Prozessbevollmächtigte erbeten hatte.


Nachdem der Prozessbevollmächtigte des Klägers mitgeteilt hatte, den Widerspruch des Klägers nicht ergänzend begründen zu wollen, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 2. August 2011 - zugestellt am 8. August 2011 - zurück. Im Widerspruchsbescheid wurden die Vorwürfe, die gegen den Kläger als Geschäftsleiter erhoben wurden und Grundlage der Verwarnung waren, nochmals zusammengefasst, ebenso die vorgebrachten Rügen des Klägers. Die Beklagte erachtete die von ihr ausgesprochene Verwarnung aber nach wie vor als formell und materiell rechtmäßig. Dies begründete sie im Einzelnen unter Auseinandersetzung mit den Rügen des Klägers im Widerspruchsverfahren; darauf wird Bezug genommen.


Der Kläger habe als verantwortlicher Geschäftsleiter auch leichtfertig gehandelt. Er habe in Kenntnis der vielzähligen Mängel keine oder allenfalls unzureichende organisatorische Maßnahmen zur Beseitigung der Mängel ergriffen. Sein Einwand, die Beklagte differenziere nicht hinreichend zwischen den Verantwortlichkeiten im Hinblick auf die Ressortverteilung unter den Geschäftsleitern, sei nicht geeignet, die persönliche Vorwerfbarkeit zu entkräften oder zu relativieren. Bei ressortmäßiger Aufteilung hätten die nicht zuständigen Geschäftsleiter jedenfalls Überwachungspflichten; diesen sei der Kläger nicht nachgekommen.


Ermessensfehler seien nicht zu erkennen. Eine formlose Missbilligung sei angesichts der Schwere der Versäumnisse keine angemessene bankaufsichtliche Maßnahme gewesen. Es sei auch unerheblich, dass der Widerspruchsführer im Vergleich zu den übrigen Geschäftsleitern erst relativ kurze Zeit in der Geschäftsführung der Bank tätig gewesen sei.


Der Kläger hat am 5. September 2011 Klage erhoben. Zur Begründung vertieft er im Wesentlichen sein Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Er rügt, dass er nach wie vor nicht Gelegenheit gehabt habe, vollständig Akteneinsicht zu nehmen. Folglich sei er immer noch nicht in fehlerfreier Weise angehört worden, wie es jedoch vor dem Erlass der Verwarnung geboten gewesen sei. Im Übrigen sei die Verwarnung materiell rechtswidrig, da sie für den angestrebten Zweck ungeeignet und folglich unverhältnismäßig sei. Im Hinblick auf den Zeitablauf könne die Verwarnung als Voraussetzung für ein Abberufungsverlangen nach § 36 Abs. 2 KWG mittlerweile ihren gesetzlich intendierten Zweck nicht mehr erfüllen. Die Verwarnung sei kein ausschließlich der Dauerfeststellung eines Normverstoßes dienendes hoheitliches Mittel. Sie sei folglich aufsichtsrechtlich immer nur in Verbindung mit ihrem Abmahn- und Vorbereitungscharakter für ein Abberufungsverlangen sowie dem Gebot zur Normkonformität verwendbar. Nach Wegfall ihres eigens bankaufsichtsrechtlichen Verwendungsanspruchs dürfe sie nicht lediglich einen vormals sie begründenden Normverstoß feststellen und diesen auf Dauer zu Lasten des betroffenen Geschäftsleiters aktenkundig machen.


Der Kläger habe sich im Übrigen nach Erlass der Verwarnung normgerecht verhalten, sodass bereits die Tatbestandsvoraussetzungen für die Aufrechterhaltung der Verwarnung im Widerspruchsverfahren entfallen seien, da einem Abberufungsverlangen auf jeden Fall die Grundlage fehle. Die Verwarnung werde durch den Ablauf von 3 Jahren und ein dementsprechend fortgesetztes normkonformes Verhalten des betroffenen Geschäftsleiters „sinnlos" und habe sich nach Maßgabe von § 36 Abs. 2 KWG inhaltlich erschöpft.


Schließlich habe die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeführt, weil sie die zwischenzeitlichen Entwicklungen und Erkenntnisse nach Erlass der Verwarnung unberücksichtigt gelassen habe. Insbesondere habe sie die ihr vorliegenden, der Verwarnung nachfolgenden Prüfungsberichte für die Jahre 2008 bis 2010 und deren Auswertungen durch die Deutsche Bundesbank nicht in ihre Erwägungen einbezogen. Folglich habe sie auch nicht berücksichtigen können, dass sich der Kläger jedenfalls seit mehreren Jahren normkonform verhalten habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Klageschrift sowie den Schriftsatz vom 15. Februar 2012 Bezug genommen.


Der Kläger beantragt,


die Verwarnung der Beklagten vom 19. Juni 2008 und deren Widerspruchsbescheid vom 02. August 2011 aufzuheben.


Die Beklagte beantragt,


die Klage abzuweisen.


Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Darüber hinaus trägt sie vor, dass dem Kläger sämtliche der Verwarnung zugrunde liegenden Behördenvorgänge im Rahmen der von ihm erbetenen Akteneinsicht vorgelegt worden seien. Sie tritt der vom Kläger vertretenen Rechtsauffassung entgegen, die Voraussetzungen für die Verwarnung hätten sich nach Ablauf von mehr als 3 Jahren inhaltlich erschöpft. Für die Aufrechterhaltung der Verwarnung sei es auch nicht darauf angekommen, dass sich der Kläger in der Folgezeit normkonform verhalten habe; insoweit bezieht sich die Beklagte auf das Urteil der erkennenden Kammer vom 20. April 2011 (9 K 1429/10.F).


Darüber hinaus träfen die Behauptungen des Klägers insoweit bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht zu. Die Beklagte verweist in diesem Zusammenhang auf das zusammenfassende Prüfungsergebnis des Berichts über die Prüfung der Mindestanforderungen an das Risikomanagement im Kreditgeschäft vom 01. Juli 2011, aus dem sich ergebe, dass im Bereich des internen Kontrollsystems der Bank die Ordnungsmäßigkeit der Risikosteuerungs- und Controllingprozesse zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit nicht vollständig den Anforderungen gem. § 25 a Abs. 1 KWG entspreche. Auch weitere Prüfungsfeststellungen ließen die Schlussfolgerung zu, dass nach wie vor Verstöße gegen § 25 a Abs. 1 KWG festzustellen seien.


Die Entscheidung der Kammer vom 20. April 2011 stehe auch einer nachträglichen Berücksichtigung der Feststellungen nachfolgender Prüfungsberichte im Rahmen der Ermessenserwägungen entgegen. Nach Auffassung der Beklagten können spätere Erkenntnisse vielmehr grundsätzlich nicht mehr herangezogen werden, um eine Verwarnung (zusätzlich) zu rechtfertigen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 24. November 2011 Bezug genommen.


Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter allein einverstanden erklärt.


Dreizehn Schnellhefter und Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie vier Prüfungsberichte wurden zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.


Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die genannten Unterlagen sowie die Gerichtsakte, insbesondere die Schriftsätze der Beteiligten, Bezug genommen.


Aus den Gründen


Im Einverständnis mit den Beteiligten entscheidet der Berichterstatter allein (§ 87 a Abs. 2, 3 VwGO).


Die Klage ist als Anfechtungsklage zulässig, da die Verwarnung einen Verwaltungsakt darstellt (Kammer, Urteil vom 20. April 2011 - 9 K 1429/10.F, HessVGH, Urteil vom 31. Mai 2006 - 6 UE 3256/05 - Juris, Rdn. 62 m. w. N.).


Sie hat auch Erfolg. Der Widerspruchsbescheid, in dessen Gestalt die ursprüngliche Verwarnung Gegenstand des Verfahrens ist (§ 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).


In formeller Hinsicht vermag der Kläger nicht mit seinem Einwand durchzudringen, ihm sei unzureichend Akteneinsicht gewährt worden. Die Beklagte hat versichert, der Kläger habe in sämtliche Akten Einsicht nehmen können, die für die ausgesprochene Verwarnung von Bedeutung sind und die dem Gericht vorgelegt wurden. Für den Berichterstatter sind keinerlei Umstände ersichtlich, aus denen geschlossen werden könnte, dass die Beklagte die bei ihr geführten Akten, soweit sie das Verfahren betreffen, nicht vollständig vorgelegt haben sollte. Anhaltspunkte für die Existenz weiterer Akten, die die Beklagte noch nicht vorgelegt hat, haben sich nicht ergeben. Der Kläger bringt für seine entsprechenden Behauptungen bloße Spekulationen vor, die jedoch nicht geeignet sind, die Feststellung zu tragen, dass die Akteneinsicht hier unzureichend gewährt wurde. Auch im Übrigen hatte der Kläger sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Widerspruchsverfahren hinreichend Gelegenheit, zu den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen.


In der Sache hat sich die Beklagte allerdings zu Recht auf § 36 Abs. 2 KWG als Ermächtigungsgrundlage für die am 19. Juni 2008 ausgesprochene Verwarnung berufen. Zum Zeitpunkt der Verwarnung waren die Voraussetzungen für den Ausspruch der Verwarnung gegenüber dem Kläger erfüllt. Dies hat die Beklagte im Einzelnen in den angefochtenen Bescheiden dargelegt; ihre Darlegungen sind nachvollziehbar und rechtlich zutreffend. Insbesondere folgt der Berichterstatter nicht der Auffassung des Klägers, die Beklagte habe die dem Kläger vorgeworfenen Pflichtverstöße nicht im Einzelnen hinreichend bestimmt. Nach Maßgabe der Ausführungen der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden lässt sich vielmehr im Einzelnen hinreichend nachvollziehen, welche Vorwürfe die Beklagte zur Grundlage ihrer Verwarnung gegenüber dem Kläger genommen hat. Insgesamt begegnen die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden insoweit rechtlichen Bedenken nicht, sodass hier auf diese Ausführungen Bezug genommen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen werden kann, da der Berichterstatter diesen Ausführungen insoweit folgt (§ 117 Abs. 5 VwGO).


Allein der Umstand, dass die Beklagte eine Entscheidung über den vom Kläger erhobenen Widerspruch erst 3 Jahre nach Erlass der Verwarnung traf, der Kläger sich in dieser Zeit aber nach seiner Auffassung normkonform verhalten hat, führt entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht dazu, dass schon die Regelungswirkung der Verwarnung sich gleichsam erschöpft habe, sodass sie bereits aus diesem Grund im Widerspruchsbescheid aufzuheben gewesen sei. Im Widerspruchsverfahren hatte die Beklagte zu prüfen, ob die Verwarnung zu Recht erlassen wurde und ob an ihr festgehalten werden solle. Aus rechtlicher Sicht kommt es dafür im wesentlichen auf die Frage an, ob dem Kläger zu Recht diejenigen Verstöße gegen Vorschriften des KWG vorgeworfen werden können, die Grundlage der zuvor ausgesprochenen Verwarnung waren. Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit kommt es insoweit zunächst maßgeblich auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Verwarnung an, da die Verwarnung eine nachträgliche Sanktion für ein bestimmtes Verhalten darstellt, welches folglich denknotwendig in seinen Einzelheiten und in seiner rechtlichen Tragweite bereits zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Verwarnung bekannt gewesen sein muss (Kammer, Urteil vom 20.04.2011, a. a. O.). Folglich ist das Verhalten des verwarnten Geschäftsleiters in der Folgezeit für die Frage, ob die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Verwarnung erfüllt sind, rechtlich grundsätzlich zunächst nicht von Bedeutung. Obwohl die Verwarnung, worauf der Kläger zutreffend hinweist, nach der Gesetzessystematik die Vorstufe zu einem Abberufungsverlangen darstellt, führt ein normkonformes Verhalten des verwarnten Geschäftsleiters in der Folgezeit - auch wenn es über mehrere Jahre andauerte - nicht zwangsläufig dazu, dass eine einmal ausgesprochene Verwarnung nach einem gewissen Zeitablauf sich als rechtswidrig erwiese mit der Folge, dass sie schon deshalb im Widerspruchsbescheid aufgehoben werden müsste. Sie erledigt sich dadurch auch nicht in sonstiger Weise.


Allerdings geht die Beklagte nach ihrem eigenen Vorbringen in ständiger Praxis davon aus, dass ein Abberufungsverlangen nach § 36 Abs. 2 KWG nicht mehr auf eine einmal erlassene Verwarnung gestützt werden könne, wenn sich der verwarnte Geschäftsleiter in der Folgezeit, jedenfalls für einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren, normkonform verhalten hat. Dies betrifft indes lediglich die faktischen Wirkungen einer Verwarnung im Hinblick auf ein etwaiges Abberufungsverlangen, dem sie vorauszugehen hat, hat jedoch keine Auswirkungen auf die Frage, ob die Verwarnung selbst als rechtmäßig oder rechtswidrig zu beurteilen ist. Erhält die Beklagte erst nach dem Ablauf von 3 Jahren nach Erlass einer Verwarnung Kenntnis von erneutem normwidrigen Verhalten des ehemals verwarnten Geschäftsleiters, führt die Praxis der Beklagten zwar dazu, dass sie nicht sofort ein Abberufungsverlangen nach § 36 Abs. 2 KWG aussprechen kann, sondern vielmehr eine erneute Verwarnung verfügen muss, weil die Rechtswirkungen der zuvor ausgesprochenen Verwarnung insoweit gleichsam verbraucht sind. Allein der Zeitablauf führt jedoch unabhängig von einem etwaigen normkonformen Verhalten des verwarnten Geschäftsleiters nicht zu einer nachträglich eintretenden Rechtswidrigkeit der Verwarnung.


Der Widerspruchsbescheid erweist sich aber letztlich deswegen als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil die Beklagte das ihr zustehende Ermessen in rechtlich fehlerhafter Weise ausgeübt hat.


Die gerichtliche Prüfung ist insoweit auf die Frage beschränkt, ob die Beklagte Ermessen überhaupt ausgeübt hat, dabei von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens beachtet hat (§ 114 VwGO). In Bezug auf die Verwarnung vom 19. Juni 2008 lassen sich Ermessensfehler nicht feststellen. Anders ist dies jedoch in Bezug auf den Widerspruchsbescheid. Bei der Entscheidung über den Widerspruch hätte die Beklagte nämlich jedenfalls im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen auch die tatsächlichen Entwicklungen nach Erlass der Verwarnung berücksichtigen und Erkenntnisse darüber in ihre Überlegungen aufnehmen müssen. Allein dies hätte im Übrigen ihrer bisherigen, gerichtsbekannten Praxis entsprochen, an die sie insoweit im Wege der Selbstbindung rechtlich gebunden war. In vergleichbaren Verfahren hat nämlich die Beklagte mit ihrer Entscheidung über entsprechende Widersprüche teilweise über längere Zeiträume zugewartet, um Erkenntnisse zu gewinnen, ob die mit dem Ausspruch der Verwarnung intendierten Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit des verwarnten Geschäftsleiters bzw. des von ihm geleiteten Instituts festzustellen seien und womöglich im Hinblick darauf an der Verwarnung im Widerspruchsverfahren jeweils nicht mehr festgehalten werden solle. In dem dem Urteil der Kammer vom 20. April 2011 zugrunde liegenden Verfahren hat die Beklagte auf diese Verwaltungspraxis ausdrücklich hingewiesen.


Eine entsprechende Verfahrensweise ist aber auch unabhängig von der bisherigen Praxis der Beklagten jedenfalls dann geboten, wenn über den Widerspruch des verwarnten Geschäftsleiters nicht zügig entschieden wird, wie das hier bei einem Zeitraum von mehreren Jahren nach Erlass der Verwarnung der Fall war und wie das nach Angabe der Vertreterin der Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch regelmäßig der Fall ist. In diesem Zusammenhang muss in der Tat auch dem Umstand maßgebende Bedeutung zukommen, dass eine Verwarnung die Vorstufe für ein Abberufungsverlangen darstellt und dass die Aufrechterhaltung einer Verwarnung jedenfalls dann nicht mehr zweckmäßig erscheinen kann, wenn nach der eigenen Praxis der Beklagten schon allein infolge Zeitablaufs ein Abberufungsverlangen nicht mehr auf die einmal ausgesprochene Verwarnung gestützt werden könnte, weil sich der verwarnte Geschäftsleiter in der Zeit nach ihrem Erlass kontinuierlich normkonform verhalten, die der Verwarnung zugrunde liegenden Vorwürfe also zum Anlass von Abhilfemaßnahmen genommen hat.


Diesbezüglich fehlen Ermessenserwägungen im Widerspruchsbescheid vom 2. August 2011 völlig. Die Beklagte hat im Gerichtsverfahren auch ausdrücklich eingeräumt, dass sie insoweit bewusst keinerlei Erwägungen angestellt hat, weil sie dem Urteil der Kammer vom 20. April 2011 habe Rechnung tragen wollen. Aus dem genannten Urteil ergibt sich jedoch kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Rahmen der Ermessenserwägungen im Widerspruchsverfahren eine Berücksichtigung nachträglicher Erkenntnisse und Feststellungen nicht zulässig sei. Vielmehr geht aus den Entscheidungsgründen des Urteils ausdrücklich hervor, dass solchen nachträglichen Feststellungen im Rahmen der Ermessensausübung eine rechtliche Bedeutung zukommen kann und dass sie darum im Rahmen der Ermessenserwägungen hinreichend zu berücksichtigen sind. Im Übrigen liegt dem - noch nicht rechtskräftigen - Urteil die Rechtsauffassung zugrunde, dass nachträgliche, also nach Ausspruch der Verwarnung gewonnene Erkenntnisse nicht geeignet seien, die Tatbestandsvoraussetzungen für den Erlass einer Verwarnung zu begründen. Die Beklagte ist nach Auffassung des Berichterstatters folglich nicht berechtigt, eine Verwarnung nachträglich mit tatsächlichen Umständen aus der Zeit nach ihrem Erlass zu begründen, wenn zuvor die Voraussetzungen für die Verwarnung nicht vorgelegen haben sollten. Davon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob an einer - ursprünglich wegen Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen zu Recht ausgesprochenen - Verwarnung festgehalten werden soll, wenn sich herausstellt, dass der verwarnte Geschäftsleiter in der Folgezeit die der Verwarnung zugrunde liegenden Vorwürfe beachtet und sein Verhalten daran ausgerichtet hat. Mit zunehmendem Zeitablauf kann ein mehrjähriges normkonformes Verhalten im Rahmen der Ermessensausübung dahingehend zu würdigen sein, dass an der Verwarnung nicht mehr festgehalten werden soll. Folglich sind derartige Umstände bei der Ermessensausübung zu berücksichtigen. Dem entspricht die Feststellung im Urteil vom 20. April 2011, dass die Beklagte seinerzeit in ihren Ermessenserwägungen alle diejenigen Umstände berücksichtigt hat, die in diesem Zusammenhang aus rechtlichen Gründen zu berücksichtigen waren, nämlich auch Erkenntnisse darüber, ob die mit dem Ausspruch der Verwarnung intendierten Auswirkungen auf die Geschäftstätigkeit des Klägers festzustellen und womöglich zugunsten des Klägers im Rahmen der Entscheidung über den Widerspruch zu berücksichtigen waren. Daran hält die Kammer fest.


Als unterliegende Beteiligte hat die Beklagte die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).


Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m §§ 708 Nr. 11, 711, ZPO.


Die Berufung ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124 a Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Frage, ob im Rahmen der Ermessensausübung in einem Widerspruchsverfahren betreffend einer Verwarnung nachträgliche Erkenntnisse berücksichtigt werden müssen, hat für eine Vielzahl vergleichbarer Verfahren Bedeutung, ist aber bislang noch nicht rechtlich geklärt.

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