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Wirtschaftsrecht
27.03.2008
Wirtschaftsrecht
OLG Köln: Bank als gewillkürte Prozessstandschafterin

Gericht: Oberlandesgericht Köln
Urteil verkündet am 13.06.2007
Aktenzeichen: 13 U 173/06
Rechtsgebiete: ZPO, BGB
Vorschriften:

      ZPO § 265 Abs. 2
      ZPO § 543 Abs. 2
      ZPO § 696 Abs. 3
      BGB § 607 Abs. 1 a.F.
      BGB § 780

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Tenor:

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Aachen vom 28. September 2006 - 1 O 164/06 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die klagende Bank nimmt den Beklagten aus einem mit Schreiben vom 22.04.2002 gekündigten Darlehensvertrag über ursprünglich 6 Mio. DM auf Rückzahlung eines erststelligen Teilbetrages in Höhe von 200.000 € der zum Kündigungszeitpunkt noch auf 2.031.289,24 € berechneten Darlehensvaluta in Anspruch, wobei sie wegen der im Rahmen eines Portfolioverkaufes am 31.03.2006 erfolgten Abtretung und Übertragung dieser Forderung nebst Sicherheiten an die B. H. E. GmbH den Klageantrag mit Schriftsatz vom 10.08.2006 auf Zahlung an die Zessionarin umgestellt hat, nachdem der Beklagte ihre Aktivlegitimation gerügt hatte.

Mit Urteil vom 28.09.2006, auf das wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes und seiner Würdigung durch die Zivilkammer Bezug genommen wird, hat das Landgericht der Klage stattgegeben. Mit der Berufung wendet sich der Beklagte in erster Linie gegen die vom Landgericht vertretene Auffassung, die Abtretung sei nach Eintritt der Rechtshängigkeit erfolgt, so dass die Klägerin gemäß § 265 Abs.2 ZPO prozessführungbefugt geblieben sei. Die Berufung vertritt hierzu die Ansicht, in Fällen, in denen - wie hier - die Streitsache nicht alsbald (im Sinne von § 696 Abs.3 ZPO) nach Erhebung des Widerspruchs gegen den Mahnbescheid an das Streitgericht abgegeben wird, trete Rechtshängigkeit nicht bereits mit - wie von der Zivilkammer angenommen - Eingang der Akten beim Streitgericht (am 27.03.2006), sondern erst mit der Zustellung der Anspruchsbegründung ein (am 24.04.2006); das Landgericht habe die Klage daher als unzulässig abweisen müssen.

Mit Schriftsatz vom 08.05.2007 hat die Klägerin eine schriftliche Bestätigung der Zessionarin vom 02.05.2007 vorgelegt, dass zwischen ihr und der Klägerin im Zusammenhang mit dem Abtretungs- und Übernahmevertrag vom 31.03.2006 abgesprochen gewesen sei, dass laufende gerichtliche Verfahren grundsätzlich von der Klägerin weitergeführt werden sollten, wobei es dieser freistehen sollte, je nach Zweckmäßigkeit Zahlung an sich oder an die Zessionarin zu verlangen. So sei es in der Folge nach Übergang des Kreditportfolios auch praktiziert worden. Weiter heißt es in jenem Schreiben: "Vorsorglich bestätigen wir in der obigen Angelegenheit hiermit nochmals, dass die B. H.-u.V.-bank AG berechtigt ist, das gerichtliche Verfahren betreffend die Geltenmachung und Beitreibung der Forderung gegen Herrn I.-K. E. auch nach dem Übergang derselben auf die B. H. E. GmbH im Namen der B. H.-u. V.-bank AG weiterzubetreiben und sowohl die Zahlung an sich als auch an die B. H. E. GmbH unmittelbar zu verlangen."

Der Beklagte bestreitet, dass es eine solche Absprache gegeben habe. Soweit dem Schreiben der Zessionarin vom 02.05.2007 die ausdrückliche Erteilung einer Ermächtigung der Klägerin zur Führung des vorliegenden Rechtsstreits zu entnehmen sei, fehle es angesichts der Vollabtretung - anders als bei einer bloßen Sicherungszession - am erforderlichen eigenen schutzwürdigen Interesse der Klägerin, anstelle der Zessionarin die abgetretene Forderung weiter im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen.

In der Sache rügt der Beklagte, das Landgericht habe verkannt, dass die Klägerin gegen ihn als BGB-Gesellschafter nur noch Ansprüche aus der Grundschuldbestellungsurkunde des Notars M. vom 25.01.1994 über 5,5 Mio. DM gehabt habe. Er meint, es obliege der Klägerin, den Nachweis zu erbringen, dass ihr noch gegen ihn persönlich Ansprüche von mindestens 200.000 € zugestanden haben. Die Einzelheiten der Sicherungsverwertung seien ihm nicht bekannt. Aus der Zwangsverwaltung des Sicherungsobjekts B. Straße in E. seien jedenfalls in der Zeit vom 21.03.2006 bis 07.03.2007 insgesamt 170.000 € an die Klägerin geflossen.

Der Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, hilfsweise,

1. ihm Vollstreckungsschutz zu gewähren,

2. ihm zu gestatten, die Zwangsvollstreckung ohne Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen, hilfsweise die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung, die auch durch Bankbürgschaft erbracht werden kann, abzuwenden,

3. die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Berufungsangriffen entgegen.

Wegen weiterer Einzelheiten des beiderseitigen Parteivortrags in der Berufungsinstanz wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die Berufung des Beklagten ist unbegründet.

1. Es kann nunmehr dahinstehen, ob bereits eine gesetzliche Prozessstandschaft der Klägerin gemäß § 265 Abs. 2 ZPO vorliegt, wie das Landgericht angenommen hat. Auf die ansonsten entscheidungserhebliche Frage, ob dann, wenn eine rückwirkende Rechtshängigkeit gemäß § 696 Abs.3 ZPO wegen verspäteter Abgabe ausscheidet, Rechtshängigkeit erst mit der Zustellung der Anspruchsbegründung eintritt (so OLG Koblenz, OLGZ 1991, 373; OLG Frankfurt, NJW-RR 1992, 447; Holch in: Münchener Kommentar zur ZPO, 2. Aufl., § 696 Rz. 22 und vor § 688, Rz. 40f.; Musielak, ZPO, 5. Aufl., § 696 Rz. 4; Hartmann in: Baumbach/Lauterbach/Albers, ZPO, 65. Aufl., § 696 Rz. 15; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 163 Rn. 38; Schlosser in: Stein/Jonas, ZPO, 21. Aufl., § 696.Rz. 7; Zinke, NJW 1983, 1081, 1083 f.; and. Ans. KG, MDR 2000, 1335 = KGR 2000, 309; OLG Dresden, OLGR 2001, 395 und NJW-RR 2003, 194; Hüßtege in: Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 696 Rz. 13; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 696 Rz. 5 m.w.Nachw.), kommt es nicht mehr an, da die Klägerin aufgrund der aus dem Schreiben der Zessionarin vom 02.05.2007 ersichtlichen Ermächtigung - mag sie von Anfang an bestanden haben oder erst mit diesem Schreiben nachträglich erteilt worden sein - jedenfalls als gewillkürte Prozessstandschafterin berechtigt war, die eingeklagte Darlehensforderung gegen den Beklagten weiterzuverfolgen.

2. Aus der vom Beklagten angeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur gewillkürten Prozessführungsbefugnis des Sicherungszedenten lässt sich nichts gegen eine gewillkürte Prozessführungsbefugnis des Forderungsverkäufers herleiten. Das erforderliche schutzwürdige Eigeninteresse des Zedenten hängt nicht vom fiduziarischem Charakter der Abtretung ab. Dass ein berechtigtes Eigeninteresse des Forderungsverkäufers anzuerkennen ist, die an den Käufer abgetretene Forderung gerichtlich geltend zu machen, ist seit langem höchstrichterlich anerkannt (BGH, NJW 1979, 924, 925; NJW 1989, 1932, 1933) und folgt schon aus der gesetzlichen Verpflichtung des Verkäufers, für den Bestand der Forderung einzustehen. Entsprechendes gilt z.B. für die Geltendmachung an den Erwerber abgetretener Gewährleistungsansprüche eines Bauträgers gegenüber den Bauhandwerkern, weil im Falle der Nichtdurchsetzbarkeit der abgetretenen Recht die subsidiäre Eigenhaftung des Bauträgers wieder auflebt (BGH, NJW 1978, 1375, 1376; NJW 1989, 1932, 1933). Diese Rechtsprechung findet in dem vom Beklagten unter anderem angeführten Urteil des BGH vom 03.04.2003 - IX ZR 287/99 -, NJW 2003, 2231, 2232 ihre Bestätigung und Fortsetzung: "Die Klägerin bleibt auch nach dem Übergang der durch die Bürgschaft gesicherten Gewährleistungsansprüche der Zessionarin gegenüber selbst zur Gewährleistung verpflichtet. Das daraus folgende berechtigte Eigeninteresse des zur Durchsetzung der fremden Gewährleistungsansprüche ermächtigten Bauunternehmers erstreckt sich auch auf die als Sicherheit für diese Forderung dienende Bürgschaft". Zur Annahme eines eigenen schutzwürdigen Interesses an der Geltendmachung eines fremden Rechts im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft reicht es auch schon aus, dass die prozessführende Partei wirtschaftlich vom Ausgang des Rechtsstreits profitiert (BGH, NJW-RR 2002, 20, 22 m.w.Nachw.). Ob man für die hier zu beurteilende Forderungsabtretung im Rahmen des Verkaufs eines Kreditportfolios bereits von einer stillschweigenden Ermächtigung des Verkäufers ausgehen kann, einen bereits anhängig gemachten Rechtsstreit über eine von der Abtretung erfasste Darlehensforderung fortzusetzen (dafür könnte hier insbesondere das Interesse an einem Fortbestand der mit der Zustellung des Mahnbescheids gemäß § 204 Abs.1 Nr.3 BGB bewirkten Verjährungshemmung sprechen, die gemäß § 204 Abs.2 S.1 BGB erst sechs Monate nach Beendigung des Mahnverfahrens endet, so dass sie bei Abgabe innerhalb dieser Frist fortbesteht, auch wenn der engere zeitliche Zusammenhang i.S.d. § 696 Abs.3 ZPO nicht gewahrt ist), kann dahinstehen. Denn die Zessionarin hat ihr Einverständnis mit der Prozessführung durch die Klägerin mit Schreiben vom 02.05.2007 ausdrücklich bestätigt. Hierin jedenfalls liegt die erforderliche Ermächtigung, die im übrigen - aufgrund ihrer Offenlegung - auf den Zeitpunkt der Beantragung des Mahnbescheides zurückwirkt (vgl. BGH NJW-RR 93, 670 f.).

3. Der Beklagte wird durch die Fortsetzung des Prozesses durch die Klägerin nicht deshalb unbillig benachteiligt, weil er sich zugleich weitergehenden, von der Abtretung an die B. H. E. GmbH umfassten Ansprüchen aus der Grundschuldbestellungsurkunde des Notars M. vom 25.01.1994 über 5,5 Mio. DM (UR.-Nr. 402/1994) ausgesetzt sieht. Die Ansprüche gemäß § 607 Abs.1 BGB a.F. und gemäß § 780 BGB aus dem abstrakten Schuldversprechen betreffend die persönliche Haftungsübernahme unterscheiden sich nach Entstehungsgrund, Inhalt und Rechtswirkung. Ein notariell beurkundetes abstraktes Schuldversprechen in Verbindung mit einer Vollstreckungsunterwerfung stellt neben der Grundschuld eine zusätzliche Sicherheit dar und eröffnet den Vollstreckungszugriff auf das gesamte Vermögen des Schuldners. Der - ggf. mit der Vollstreckungsabwehrklage geltend zu machende - Sicherungszweck des abstrakten Schuldversprechens steht einer doppelten Inanspruchnahme des Schuldners entgegen. Der Gläubiger hat ein berechtigtes Interesse daran, seine durch die Begründung von zwei schuldrechtlichen Ansprüchen gestärkte Rechtsposition zu bewahren und zu diesem Zweck der Verjährung des Anspruchs auf Darlehensrückzahlung als auch auf Ersatz des Verzugsschadens durch Klageerhebung zu begegnen (BGH, Urteil vom 19.12.2006 - XI ZR 113/06 -, BKR 2007, 156).

4. Soweit der Beklagte meint, es hätten nur noch Ansprüche der Klägerin gegen ihn (und seinen Mitgesellschafter I.) aus der genannten Grundschuldbestellungsurkunde bestanden, verkennt er anscheinend, dass die dingliche Haftung und die mit ihr in banktypischer Weise verbundene Übernahme der persönlichen Haftung mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung die Haftung für die besicherte Darlehensforderung unberührt lassen. Tatsächliche Umstände, die ein Erlöschen der Darlehensverbindlichkeit rechtfertigen können, zeigt die Berufung nicht auf. Entsprechend dem Grundsatz, dass rechtsvernichtende Einwendungen von der Partei darzulegen und zu beweisen sind, ist anerkannt, dass der Darlehensgeber nur die Entstehung, nicht aber die Fortdauer eines Darlehensrückzahlungsanspruchs darzulegen und zu beweisen hat und dass der Darlehensnehmer vortragen muss, ob und in welchem Umfang er den Anspruch erfüllt hat (BGH, Urteil vom 17.01.2007 - VIII ZR 135/04 -, WM 2007, 636). Das gilt auch für die Frage, was mit einem Guthaben in Höhe von 80.844,73 € (per 31.12.2003) auf einem anderen Konto der E. & I. GmbH geschehen ist. Für eine Verrechnungsabrede oder eine Verpflichtung der Klägerin zur Aufrechnung mit ihrem Darlehensanspruch ist nichts ersichtlich. Im Übrigen würde daraus ohnehin nicht folgen, dass die Klägerin dartun müsste, in welcher Höhe sie tatsächlich aufgerechnet hat oder hätte aufrechnen müssen (BGH, wie vor). Der Klägerin zugeflossene Erlöse aus der Zwangsverwaltung des Objekts sind in der Anspruchsbegründung (mit einer Rückführung des Darlehensbetrages auf 1.898.589,04 €) berücksichtigt. Einen weiteren Erlös aus der Zwangsverwaltung in Höhe von 60.000 € per 15.08.2006 hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 15.03.2007 mitgeteilt. Die vom Beklagten unter Bezugnahme auf den Bericht des Zwangsverwalters vom 19.03.2007 angeführte weitere Ausschüttung vom 07.03.2007 in Höhe von 70.000 € kann als richtig unterstellt werden. Weitergehende Verwertungserlöse zeigt auch die Berufung nicht auf.

5. Es genügt daher, mit dem Landgericht festzustellen, dass der Beklagte auch nicht annähernd dargetan hat, dass der von der Klägerin mit Kündigungsschreiben vom 22.04.2002 zur Rückzahlung fällig gestellte Restdarlehensbetrag, der sich aus der Aufstellung der Anspruchsbegründung (Seite 4) ergibt, auf einen Saldo von weniger als den hier streitgegenständlichen 200.000 € zurückgeführt worden ist.

III.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass kein gesetzlicher Grund zu einer Revisionszulassung gemäß § 543 Abs.2 ZPO besteht. Auf die Hilfsanträge zur Gewährung von Vollstreckungsschutz bzw. Einstellung der Zwangsvollstreckung ist schon mangels jeglicher Begründung nicht einzugehen. Die Abwendungsbefugnis im Rahmen der Vollstreckbarkeitsentscheidung ist bereits kraft Gesetzes auszusprechen (§§ 708 Nr.10, 711 ZPO). Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs.1 ZPO.

Streitwert der Berufung: 200.000,00 €.


Verfahrensgang: LG Aachen 1 O 164/06 vom 28.09.2006

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