EuGH: Ausstrahlung eines Musikwerks als Hintergrundmusik in Personenbeförderungsmittel als öffentliche Wiedergabe i. S. d. Unionsrechts
EuGH, Urteil vom 20.4.2023 – C-775/21, C-826/21, Blue Air Aviation SA gegen UCMR – ADA Asociaţia pentru Drepturi de Autor a Compozitorilor (C‑775/21) und Uniunea Producătorilor de Fonograme din România (UPFR) gegen Societatea Naţională de Transport Feroviar de Călători (SNTFC) „CFR Călători“ SA (C‑826/21)
ECLI:EU:C:2023:307
Volltext: BB-Online BBL2023-1090-1
Tenor
1. Art. 3 Abs. 1 der RL 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft ist dahin auszulegen, dass die Ausstrahlung eines Musikwerks als Hintergrundmusik in einem Personenbeförderungsmittel eine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung darstellt.
2. Art. 3 Abs. 1 der RL 2001/29 und Art. 8 Abs. 2 der RL 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums sind dahin auszulegen, dass die Einrichtung einer Lautsprecheranlage und gegebenenfalls einer Software an Bord eines Beförderungsmittels, die die Ausstrahlung von Hintergrundmusik ermöglichen, keine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.
3. Art. 8 Abs. 2 der RL 2006/115 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte entgegensteht, wonach das Vorhandensein von Lautsprechersystemen in Beförderungsmitteln eine widerlegliche Vermutung der öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken begründet.
Urteil
1 Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. 2001, L 167, S. 10).
2 Sie ergehen im Rahmen zweier Rechtsstreitigkeiten zwischen erstens der Blue Air Aviation SA (im Folgenden: Blue Air) und der UCMR – ADA Asociaţia pentru Drepturi de Autor a Compozitorilor (im Folgenden: UCMR – ADA) über die Pflicht von Blue Air, für die Ausstrahlung von Musikwerken als Hintergrundmusik an Bord von Passagierflugzeugen Lizenzgebühren an die UCMR – ADA zu zahlen (Rechtssache C‑775/21), sowie zweitens der Uniunea Producătorilor de Fonograme din România (im Folgenden: UPFR) und der Societatea Naţională de Transport Feroviar de Călători (SNTFC) „CFR Călători“ SA (im Folgenden: CFR) über die Pflicht, für die Bereitstellung – an Bord von Zügen – von Einrichtungen, die zur öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken verwendet werden können, Lizenzgebühren zu zahlen (Rechtssache C-826/21).
Rechtlicher Rahmen
Internationales Recht
3 Die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) nahm am 20. Dezember 1996 in Genf (Schweiz) den WIPO-Urheberrechtsvertrag (im Folgenden: WCT) an, der mit dem Beschluss 2000/278/EG des Rates vom 16. März 2000 über die Zustimmung – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – zum WIPO-Urheberrechtsvertrag und zum WIPO-Vertrag über Darbietungen und Tonträger (ABl. 2000, L 89, S. 6) genehmigt wurde und für die Europäische Union am 14. März 2010 in Kraft trat (ABl. 2010, L 32, S. 1).
4 Art. 8 („Recht der öffentlichen Wiedergabe“) WCT bestimmt:
„Unbeschadet der Bestimmungen von Artikel 11 Absatz 1 Ziffer 2, Artikel 11 bis Absatz 1 Ziffern 1 und 2, Artikel 11 ter Absatz 1 Ziffer 2, Artikel 14 Absatz 1 Ziffer 2 und Artikel 14 bis Absatz 1 der [am 9. September 1886 in Bern unterzeichneten Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und der Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der Fassung der Änderung vom 28. September 1979] haben die Urheber von Werken der Literatur und Kunst das ausschließliche Recht, die öffentliche drahtlose oder drahtgebundene Wiedergabe ihrer Werke zu erlauben, einschließlich der Zugänglichmachung ihrer Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit an Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind.“
5 Die Diplomatische Konferenz des WIPO gab am 20. Dezember 1996 Vereinbarte Erklärungen zum WCT ab.
6 In der Vereinbarten Erklärung zu Art. 8 WCT heißt es:
„Die Bereitstellung der materiellen Voraussetzungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, stellt für sich genommen keine Wiedergabe im Sinne dieses Vertrags oder der [am 9. September 1886 in Bern unterzeichneten Übereinkunft zum Schutz von Werken der Literatur und Kunst (Pariser Fassung vom 24. Juli 1971) in der Fassung der Änderung vom 28. September 1979] dar. …“
Unionsrecht
Richtlinie 2001/29
7 Die Erwägungsgründe 1, 4, 6, 7, 9, 10, 23 und 27 der Richtlinie 2001/29 lauten:
„(1) Der [AEU-Vertrag] sieht die Schaffung eines Binnenmarkts und die Einführung einer Regelung vor, die den Wettbewerb innerhalb des Binnenmarkts vor Verzerrungen schützt. Die Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte trägt zur Erreichung dieser Ziele bei.
…
(4) Ein harmonisierter Rechtsrahmen zum Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte wird durch erhöhte Rechtssicherheit und durch die Wahrung eines hohen Schutzniveaus im Bereich des geistigen Eigentums substantielle Investitionen in Kreativität und Innovation einschließlich der Netzinfrastruktur fördern und somit zu Wachstum und erhöhter Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie beitragen, und zwar sowohl bei den Inhalten und der Informationstechnologie als auch allgemeiner in weiten Teilen der Industrie und des Kultursektors. Auf diese Weise können Arbeitsplätze erhalten und neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
…
(6) Ohne Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene könnten Gesetzgebungsinitiativen auf einzelstaatlicher Ebene, die in einigen Mitgliedstaaten bereits in die Wege geleitet worden sind, um den technischen Herausforderungen zu begegnen, erhebliche Unterschiede im Rechtsschutz und dadurch Beschränkungen des freien Verkehrs von Dienstleistungen und Produkten mit urheberrechtlichem Gehalt zur Folge haben, was zu einer Zersplitterung des Binnenmarkts und zu rechtlicher Inkohärenz führen würde. Derartige rechtliche Unterschiede und Unsicherheiten werden sich im Zuge der weiteren Entwicklung der Informationsgesellschaft, in deren Gefolge die grenzüberschreitende Verwertung des geistigen Eigentums bereits stark zugenommen hat, noch stärker auswirken. Diese Entwicklung wird und sollte fortschreiten. Erhebliche rechtliche Unterschiede und Unsicherheiten in Bezug auf den Rechtsschutz können die Erzielung von Größenvorteilen für neue Produkte und Dienstleistungen mit urheber- und leistungsschutzrechtlichem Gehalt beschränken.
(7) Der bestehende Gemeinschaftsrechtsrahmen zum Schutz des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte ist daher anzupassen und zu ergänzen, soweit dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist. Zu diesem Zweck sollten diejenigen einzelstaatlichen Rechtsvorschriften über das Urheberrecht und die verwandten Schutzrechte, die sich von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat beträchtlich unterscheiden oder eine derartige Rechtsunsicherheit bewirken, dass der Binnenmarkt in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt und die Informationsgesellschaft in Europa in ihrer Entwicklung behindert wird, angepasst und uneinheitliches Vorgehen der Mitgliedstaaten gegenüber technischen Entwicklungen vermieden werden, während Unterschiede, die das Funktionieren des Binnenmarkts nicht beeinträchtigen, nicht beseitigt oder verhindert zu werden brauchen.
…
(9) Jede Harmonisierung des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte muss von einem hohen Schutzniveau ausgehen, da diese Rechte für das geistige Schaffen wesentlich sind. Ihr Schutz trägt dazu bei, die Erhaltung und Entwicklung kreativer Tätigkeit im Interesse der Urheber, ausübenden Künstler, Hersteller, Verbraucher, von Kultur und Wirtschaft sowie der breiten Öffentlichkeit sicherzustellen. Das geistige Eigentum ist daher als Bestandteil des Eigentums anerkannt worden.
(10) Wenn Urheber und ausübende Künstler weiter schöpferisch und künstlerisch tätig sein sollen, müssen sie für die Nutzung ihrer Werke eine angemessene Vergütung erhalten, was ebenso für die Produzenten gilt, damit diese die Werke finanzieren können. Um Produkte wie Tonträger, Filme oder Multimediaprodukte herstellen und Dienstleistungen, z. B. Dienste auf Abruf, anbieten zu können, sind beträchtliche Investitionen erforderlich. Nur wenn die Rechte des geistigen Eigentums angemessen geschützt werden, kann eine angemessene Vergütung der Rechtsinhaber gewährleistet und ein zufrieden stellender Ertrag dieser Investitionen sichergestellt werden.
…
(23) Mit dieser Richtlinie sollte das für die öffentliche Wiedergabe geltende Urheberrecht weiter harmonisiert werden. Dieses Recht sollte im weiten Sinne verstanden werden, nämlich dahin gehend, dass es jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit umfasst, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist. Dieses Recht sollte jegliche entsprechende drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werks, einschließlich der Rundfunkübertragung, umfassen. Dieses Recht sollte für keine weiteren Handlungen gelten.
…
(27) Die bloße Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, stellt selbst keine Wiedergabe im Sinne dieser Richtlinie dar.
…“
8 Art. 3 („Recht der öffentlichen Wiedergabe von Werken und Recht der öffentlichen Zugänglichmachung sonstiger Schutzgegenstände“) dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
(2) Die Mitgliedstaaten sehen für folgende Personen das ausschließliche Recht vor, zu erlauben oder zu verbieten, dass die nachstehend genannten Schutzgegenstände drahtgebunden oder drahtlos in einer Weise der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind:
a) für die ausübenden Künstler in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Darbietungen;
b) für die Tonträgerhersteller in Bezug auf ihre Tonträger;
c) für die Hersteller der erstmaligen Aufzeichnungen von Filmen in Bezug auf das Original und auf Vervielfältigungsstücke ihrer Filme;
d) für die Sendeunternehmen in Bezug auf die Aufzeichnungen ihrer Sendungen, unabhängig davon, ob diese Sendungen drahtgebunden oder drahtlos, über Kabel oder Satellit übertragen werden.
(3) Die in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Rechte erschöpfen sich nicht mit den in diesem Artikel genannten Handlungen der öffentlichen Wiedergabe oder der Zugänglichmachung für die Öffentlichkeit.“
Richtlinie 2006/115/EG
9 Art. 8 („Öffentliche Sendung und Wiedergabe“) Abs. 2 der Richtlinie 2006/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 zum Vermietrecht und Verleihrecht sowie zu bestimmten dem Urheberrecht verwandten Schutzrechten im Bereich des geistigen Eigentums (ABl. 2006, L 376, S. 28) bestimmt:
„Die Mitgliedstaaten sehen ein Recht vor, das bei Nutzung eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers für drahtlos übertragene Rundfunksendungen oder eine öffentliche Wiedergabe die Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung durch den Nutzer und die Aufteilung dieser Vergütung auf die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller gewährleistet. Besteht zwischen den ausübenden Künstlern und den Tonträgerherstellern kein diesbezügliches Einvernehmen, so können die Bedingungen, nach denen die Vergütung unter ihnen aufzuteilen ist, von den Mitgliedstaaten festgelegt werden.“
Rumänisches Recht
Gesetz Nr. 8/1996
10 Die Legea nr. 8/1996 privind dreptul de autor și drepturile conexe (Gesetz Nr. 8/1996 über das Urheberrecht und verwandte Schutzrechte, Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 60 vom 26. März 1996) wurde mehrfach geändert, u. a. durch das Gesetz Nr. 285/2004 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 587 vom 30. Juni 2004) (im Folgenden: Gesetz Nr. 8/1996). Die einschlägigen Bestimmungen dieses Gesetzes sind in den Rn. 11 bis 20 in ihrer auf die Ausgangsrechtsstreitigkeiten anwendbaren Fassung wiedergegeben.
11 In Art. 13 des Gesetzes Nr. 8/1996 heißt es:
„Die Nutzung eines Werks begründet für den Urheber eigene und ausschließliche Vermögensrechte, die es ihm ermöglichen, folgende Handlungen zu genehmigen oder zu verbieten:
…
f) jedwede direkte oder indirekte öffentliche Wiedergabe des Werks, einschließlich seiner öffentlichen Zugänglichmachung in der Weise, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist;
…“
12 Art. 15 Abs. 1 dieses Gesetzes lautet:
„Als öffentliche Wiedergabe ist jede Wiedergabe eines Werks anzusehen, die unmittelbar oder durch technische Mittel an einem der Öffentlichkeit zugänglichen Ort oder an jedem Ort erfolgt, an dem sich eine Anzahl von Personen versammelt, die den gewöhnlichen Kreis einer Familie und von deren Bekannten überschreitet, einschließlich der szenischen Darstellung, des Vortrags oder der unmittelbaren Darbietung oder Darstellung eines Werks, gleich in welcher öffentlichen Art und Weise, des öffentlichen Ausstellens von Werken der bildenden Kunst, der angewandten Kunst, der Fotografie und der Architektur, der öffentlichen Projektion eines Filmwerks und anderer audiovisueller Werke, einschließlich der Werke der digitalen Kunst, der Darbietung an einem öffentlichen Ort mittels Ton- oder audiovisueller Aufnahmen, sowie der gleich mit welchem Mittel erfolgenden Darbietung eines im Rundfunk gesendeten Werks an einem öffentlichen Ort. Als öffentlich gilt auch jede drahtgebundene oder drahtlose Wiedergabe eines Werks durch die öffentliche Zugänglichmachung, einschließlich über das Internet oder andere Computernetze in der Weise, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich ist.
…“
13 Nach Art. 105 Abs. 1 Buchst. f dieses Gesetzes hat
„der Hersteller von Tonaufnahmen das ausschließliche Vermögensrecht, Folgendes zu erlauben oder zu verbieten:
…
f) die Sendung und die öffentliche Wiedergabe seiner eigenen Tonaufnahmen mit Ausnahme der zu gewerblichen Zwecken veröffentlichten Tonaufnahmen; in diesem Fall hat er nur Anspruch auf eine angemessene Vergütung.“
14 Art. 1065 dieses Gesetzes lautet:
„(1) Die Künstler, ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller haben Anspruch auf eine einzige angemessene Vergütung für die unmittelbare oder mittelbare Nutzung von zu gewerblichen Zwecken veröffentlichten Tonträgern oder für deren Vervielfältigung durch Sendung oder jegliches andere Mittel der öffentlichen Wiedergabe.
(2) Die Höhe dieser Vergütung wird nach dem Verfahren der Art. 131, 1311 und 1312 durch Methoden festgelegt.“
15 Art. 123 Abs. 1 bis 3 des Gesetzes Nr. 8/1996 bestimmt:
„(1) Die Inhaber des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte können die ihnen nach diesem Gesetz zustehenden Rechte persönlich oder unter den Voraussetzungen dieses Gesetzes auf der Grundlage einer Vollmacht durch Verwertungsgesellschaften ausüben.
(2) Die kollektive Verwaltung von Urheberrechten kann nur für bereits veröffentlichte Werke erfolgen und die kollektive Verwaltung verwandter Schutzrechte kann nur für bereits aufgezeichnete oder gesendete Darbietungen und Darstellungen sowie für bereits veröffentlichte Ton‑ oder Bildträger erfolgen.
(3) Die Inhaber von Urheberrechten oder verwandten Schutzrechten können die ihnen nach diesem Gesetz zustehenden Vermögensrechte nicht an Verwertungsgesellschaften abtreten.“
16 Art. 1231 Abs. 1 Buchst. e und f dieses Gesetzes sieht vor:
„Die kollektive Verwaltung ist für die Ausübung folgender Rechte obligatorisch:
…
e) Recht der öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken mit Ausnahme der öffentlichen Projektion von Filmwerken;
f) Anspruch auf eine angemessene Vergütung, der den ausübenden Künstlern und den Tonträgerherstellern für die öffentliche Wiedergabe und Sendung gewerblicher Tonträger oder ihrer Vervielfältigungen zusteht.“
17 Art. 130 Abs. 1 Buchst. a und b dieses Gesetzes lautet:
„Die Verwertungsgesellschaften sind verpflichtet,
a) Nutzern, die dies vor einer Nutzung des geschützten Werkbestands beantragen, gegen Vergütung schriftlich eine nicht ausschließliche Genehmigung in Form einer nicht ausschließlichen Lizenz zu erteilen;
b) für ihren Tätigkeitsbereich Verwertungsbedingungen einschließlich angemessener Verwertungsgebühren auszuarbeiten, die mit den Nutzern im Hinblick auf die Zahlung dieser Gebühren auszuhandeln sind, soweit es sich um Werke handelt, deren Verwertungsform die Erteilung einer Einzelgenehmigung durch die Rechteinhaber ausschließt“.
18 Art. 131 Abs. 1 dieses Gesetzes bestimmt:
„Um Verhandlungen einzuleiten, müssen Verwertungsgesellschaften beim [Oficiul Român pentru Drepturile de Autor (Rumänisches Urheberrechtsamt)] einen Antrag unter Beifügung der für die Verhandlungen vorgeschlagenen Verwertungsbedingungen gemäß Art. 130 Abs. 1 Buchst. a stellen.
…“
19 Art. 1311 Abs. 1 bis 3 des Gesetzes Nr. 8/1996 sieht vor:
„(1) Die Verwertungsgesellschaften und die in Art. 131 Abs. 2 Buchst. b genannten Vertreter handeln die Verwertungsbedingungen auf der Grundlage folgender Hauptkriterien aus: …
(2) Die Verwertungsgesellschaften können von der gleichen Nutzergruppe eine pauschale oder anteilige Vergütung verlangen, die auf der Grundlage von Einnahmen berechnet wird, die der Nutzer aus der Handlung erzielt, in deren Rahmen der Werkbestand genutzt wird, z. B. der Sendung, der Kabelweiterverbreitung oder der öffentlichen Wiedergabe, wobei sie die europäische Praxis hinsichtlich der Ergebnisse von Verhandlungen zwischen Nutzern und Verwertungsgesellschaften berücksichtigen. Für die Handlung der Sendung wird die anteilige Vergütung abgestuft entsprechend dem Anteil der Nutzung des kollektiv verwalteten Werkbestands an dieser Handlung und, wenn keine Einnahmen erzielt werden, nach Maßgabe der durch die Nutzung entstandenen Ausgaben festgelegt.
(3) Die in Abs. 2 genannten pauschalen oder anteiligen Vergütungen können nur verlangt werden, wenn und soweit sich die Nutzung auf Werke bezieht, für die weiterhin der gesetzlich vorgesehene Schutz des Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte besteht.
…“
20 Art. 1312 Abs. 2 dieses Gesetzes bestimmt:
„Die Vereinbarung zwischen den Parteien über die ausgehandelten Verwertungsbedingungen wird in einem Protokoll festgehalten, das beim Rumänischen Urheberrechtsamt hinterlegt wird. … Die so veröffentlichten Verwertungsbedingungen können allen Nutzern der Sparte, für die die Aushandlung erfolgte, sowie allen Importeuren und Herstellern von Trägern und Geräten, für die nach Art. 107 eine Ausgleichsvergütung für Privatkopien zu entrichten ist, entgegengehalten werden.“
Zivilprozessgesetzbuch
21 Art. 249 des Zivilprozessgesetzbuchs sieht vor:
„Wer im Lauf des Verfahrens eine Behauptung aufstellt, muss sie beweisen, es sei denn, es liegt einer der gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fälle vor.“
22 In Art. 329 des Zivilprozessgesetzbuchs heißt es:
„Das Gericht darf sich auf Vermutungen, die in seine Würdigung bzw. sein Ermessen gestellt sind, nur stützen, wenn sie so gewichtig und stark sind, dass sie die behauptete Tatsache wahrscheinlich erscheinen lassen; sie sind jedoch nur in den Fällen zulässig, in denen das Gesetz den Zeugenbeweis zulässt.“
Verwertungsbedingungen betreffend die Vergütung, die den Inhabern von Urhebervermögensrechten an Musikwerken für die öffentliche Wiedergabe von Musikwerken als Hintergrundmusik zusteht
23 Die Metodologia privind remunerațiile cuvenite titularilor de drepturi patrimoniale de autor de opere muzicale pentru comunicarea publică a operelor muzicale în scop ambiental (Verwertungsbedingungen betreffend die Vergütung, die den Inhabern von Urhebervermögensrechten an Musikwerken für die öffentliche Wiedergabe von Musikwerken als Hintergrundmusik zusteht, Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 710 vom 7. Oktober 2011) in der durch den Beschluss Nr. 198/2012 des Rumänischen Urheberrechtsamts vom 8. November 2012 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 780 vom 20. November 2012) geänderten Fassung sieht vor:
„(1) Die Nutzer von Musikwerken als Hintergrundmusik sind verpflichtet, vor jeglicher Nutzung von Musikwerken bei der UCMR – ADA eine Genehmigung in Form einer nicht ausschließlichen Lizenz für die Nutzung von Musikwerken einzuholen und unabhängig von der tatsächlichen Dauer der Nutzung eine Vergütung gemäß der Tabelle in den vorliegenden Verwertungsbedingungen zu zahlen.
(2) Für die Zwecke dieser Verwertungsbedingungen bezeichnet:
a) ‚öffentliche Wiedergabe von Musikwerken als Hintergrundmusik‘ die Wiedergabe eines oder mehrerer Musikwerke unabhängig von der Art der Wiedergabe und den eingesetzten technischen Mitteln an einem der Öffentlichkeit zugänglichen Ort oder an einem Ort, an dem Personen in einer über den Familien- oder Bekanntenkreis hinausgehenden Zahl gleichzeitig oder nacheinander zusammenkommen oder der ihnen zugänglich ist, um die Ausübung einer anderen Tätigkeit, die nicht unbedingt die Nutzung von Musikwerken erfordert, im Hintergrund zu untermalen;
b) ‚Nutzer von Musikwerken als Hintergrundmusik‘ jede befugte juristische oder natürliche Person, die aufgrund jedweder Berechtigung (Eigentum, Verwaltung, Konzession, Miete, Untermiete, Leihe usw.) geschlossene oder offene Räume besitzt oder nutzt, in denen Geräte und andere technische oder elektronische Mittel wie Fernsehgeräte, Radioempfänger, Kassettenrekorder, Stereoanlagen, Computer, CD-Spieler, Verstärkeranlagen und sonstige Geräte, die den Empfang, die Wiedergabe oder die Ausstrahlung von Tönen oder von mit Ton begleiteten Bildern ermöglichen, eingerichtet sind oder vorgehalten werden.
…
(6) Der Nutzer hat für den Zeitraum, für den er keine von der UCMR – ADA erteilte Genehmigung in Form einer nicht ausschließlichen Lizenz besitzt, an die UCMR – ADA einen Betrag zu zahlen, der dem Dreifachen der Vergütung entspricht, die vorschriftsmäßig zu zahlen gewesen wäre, wenn er eine Genehmigung in Form einer nicht ausschließlichen Lizenz gehabt hätte.
(7) Die Verwertungsgesellschaften können die Nutzung von Musikwerken als Hintergrundmusik durch entsprechend beauftragte Vertreter überwachen, denen überall dort, wo Musik als Hintergrundmusik genutzt wird, freier Zugang gewährt wird. Die Vertreter der Verwertungsgesellschaften können an den Orten, an denen die Musikwerke genutzt werden, tragbare Audio- und/oder Videoaufzeichnungsgeräte verwenden; die so erstellten Aufnahmen erbringen den vollen Beweis für die Nutzung der Musikwerke als Hintergrundmusik.“
24 Der Anhang dieser Verwertungsbedingungen enthält eine Tabelle mit den je nach Art der Geschäftsräume oder Fahrzeuge, in denen die Wiedergabe stattfindet, festgelegten Vergütungen für die öffentliche Wiedergabe von Musikwerken als Hintergrundmusik. Nr. 11 dieser Tabelle sieht für die Beförderung von Fluggästen im Luftverkehr eine Pauschalvergütung von 200 rumänischen Lei (RON) pro Monat und pro Luftfahrzeug vor.
Verwertungsbedingungen betreffend die öffentliche Wiedergabe von zu gewerblichen Zwecken veröffentlichten Tonträgern oder Vervielfältigungen davon sowie betreffend die Tabellen mit den Vermögensrechten der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller
25 Die Metodologia privind comunicarea publică a fonogramelor publicate în scop comercial sau a reproducerilor acestora și tabelele cuprinzând drepturile patrimoniale ale artiștilor interpreți ori executanți și producătorilor de fonograme (Verwertungsbedingungen betreffend die öffentliche Wiedergabe von zu gewerblichen Zwecken veröffentlichten Tonträgern oder Vervielfältigungen davon sowie betreffend die Tabellen mit den Vermögensrechten der ausübenden Künstler und Tonträgerhersteller, Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 982 vom 8. Dezember 2006) in der durch den Beschluss Nr. 189/2013 des Rumänischen Urheberrechtsamts vom 29. November 2013 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 788 vom 16. Dezember 2013) geänderten Fassung bestimmt:
„(1) ‚Öffentliche Wiedergabe von zu gewerblichen Zwecken veröffentlichten Tonträgern oder Vervielfältigungen davon‘ bezeichnet die Wiedergabe derselben in (geschlossenen oder offenen) öffentlichen Räumen unabhängig von der Art der Wiedergabe mittels mechanischer, elektroakustischer oder digitaler Mittel (Verstärkeranlagen, Geräte zur Wiedergabe von Ton- oder Ton-Bild-Aufzeichnungen, Rundfunkempfänger oder Fernsehgeräte, IT‑Geräte usw.).
…
(3) ‚Nutzer von Tonträgern‘ bezeichnet für die Zwecke dieser Verwertungsbedingungen jede befugte natürliche oder juristische Person, die zu gewerblichen Zwecken veröffentlichte Tonträger oder Vervielfältigungsstücke davon in Räumen, die sie aufgrund jedweder Berechtigung (Eigentum, Verwaltung, Miete, Untermiete, Leihe usw.) besitzt, öffentlich wiedergibt.
…
(5) Der Nutzer ist verpflichtet, Genehmigungen in Form von nicht ausschließlichen Lizenzen einzuholen, die von den Verwertungsgesellschaften der … Tonträgerhersteller für die öffentliche Wiedergabe von zu gewerblichen Zwecken veröffentlichten Tonträgern … gegen eine Vergütung gemäß den nachstehenden Tabellen unabhängig von der tatsächlichen Dauer der öffentlichen Wiedergabe erteilt werden.“
26 Im Anhang dieser Verwertungsbedingungen sind zwei Tabellen aufgeführt. Die erste Tabelle sieht die je nach der Art der Geschäftsräume oder Fahrzeuge, in denen die Wiedergabe stattfindet, festgelegten Vergütungen bei von Hintergrundmusik untermalten Handlungen vor. Punkt E3 Nr. 1 dieser ersten Tabelle bestimmt für die Beförderung von Fahrgästen mit der Bahn eine monatliche Vergütung von 30 RON pro Reisezugwagen, der mit einem Lautsprechersystem ausgestattet ist.
Ausgangsverfahren und Vorlagefragen
Rechtssache C‑775/21
27 Die UCMR – ADA ist eine Verwertungsgesellschaft für Urheberrechte im Musikbereich.
28 Am 2. März 2018 erhob sie beim Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest, Rumänien) Klage gegen das Luftfahrtunternehmen Blue Air auf Zahlung von ausstehender Vergütung sowie von Vertragsstrafen für die öffentliche Wiedergabe von Musikwerken, für die Blue Air keine Lizenz erhalten habe, an Bord der von ihr betriebenen Luftfahrzeuge.
29 Blue Air machte vor diesem Gericht geltend, dass sie 28 Luftfahrzeuge betreibe und dass sie, obwohl sie in 22 dieser 28 Luftfahrzeuge über die für die Ausstrahlung von Musikwerken erforderliche Software verfüge, in 14 dieser Luftfahrzeuge nur ein einziges Musikwerk als Hintergrundmusik nach Erhalt der entsprechenden Lizenz öffentlich wiedergegeben habe.
30 Im Anschluss an diese Klarstellung erweiterte die UCMR – ADA ihre auf Zahlung gerichteten Anträge mit der Begründung, dass das Vorhandensein von Lautsprechersystemen in ungefähr 22 Luftfahrzeugen darauf schließen lasse, dass geschützte Werke in allen Luftfahrzeugen der Flotte von Blue Air öffentlich wiedergegeben worden seien.
31 Mit Urteil vom 8. April 2019 wurde der Klage der UCMR – ADA stattgegeben. Das Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest) stellte auf der Grundlage der Urteile vom 7. Dezember 2006, SGAE (C‑306/05, EU:C:2006:764), und vom 15. März 2012, Phonographic Performance (Ireland) (C‑162/10, EU:C:2012:141), im Wesentlichen fest, dass der Umstand, dass Blue Air die von ihr betriebenen Beförderungsmittel mit Vorrichtungen ausstatte, die die öffentliche Wiedergabe von Musikwerken als Hintergrundmusik ermöglichten, eine widerlegliche Vermutung der Nutzung dieser Werke begründe; dementsprechend sei zu entscheiden, dass jedes Luftfahrzeug, das mit einem Lautsprechersystem ausgestattet ist, diese Vorrichtung für die öffentliche Wiedergabe des fraglichen Musikwerks nutze, ohne dass es hierfür der Vorlage weiterer Beweise bedürfe.
32 Blue Air legte gegen diese Entscheidung bei der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest, Rumänien), dem vorlegenden Gericht, Berufung ein und machte u. a. geltend, dass sie an Bord der von ihr betriebenen Luftfahrzeuge, für die keine Lizenz erteilt worden sei, keine Hintergrundmusik wiedergegeben habe und dass das bloße Vorhandensein von Einrichtungen nicht mit einer öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken gleichzusetzen sei. Zudem verfolge sie mit der Ausstrahlung von Hintergrundmusik keinen Erwerbszweck. Die Luftfahrzeuge müssten aus Sicherheitsgründen über Lautsprechersysteme verfügen, damit die Besatzungsmitglieder untereinander und mit den Fluggästen kommunizieren könnten.
33 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass die Frage, ob die Wiedergabe eines Musikwerks als Hintergrundmusik eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2001/29 darstelle, angesichts des fehlenden Erwerbszwecks nicht zweifelsfrei geklärt sei. Für den Fall, dass diese Frage bejaht werde, stelle sich außerdem die Frage nach dem insoweit erforderlichen Beweismaß. Nach der Rechtsprechung einiger rumänischer Gerichte bestehe, wenn eine Einrichtung, die eine bestimmte wirtschaftliche Tätigkeit ausübe, in den – in Rn. 23 des vorliegenden Urteils angeführten – Verwertungsbedingungen genannt sei, eine widerlegliche Vermutung dafür, dass an diesem Ort urheberrechtlich geschützte Werke öffentlich wiedergegeben würden. Eine solche Vermutung sei insbesondere dadurch gerechtfertigt, dass es den Verwertungsgesellschaften für Urheberrechte nicht möglich sei, systematisch sämtliche Orte zu kontrollieren, an denen es zur Nutzung von Werken geistiger Schöpfung kommen könne.
34 Unter diesen Umständen hat die Curtea de Apel București (Berufungsgericht Bukarest) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen, dass die Ausstrahlung eines Musikwerks oder eines Teils davon in einem mit Fluggästen besetzten gewerblichen Luftfahrzeug während des Starts, der Landung oder zu irgendeinem Zeitpunkt während des Flugs über das allgemeine Lautsprechersystem des Luftfahrzeugs eine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieses Artikels darstellt, insbesondere (aber nicht ausschließlich) im Hinblick auf das Kriterium des Erwerbszwecks der Wiedergabe?
Falls die erste Frage bejaht wird:
2. Stellt das Vorhandensein eines nach den Rechtsvorschriften über die Luftverkehrssicherheit vorgeschriebenen Lautsprechersystems an Bord des Luftfahrzeugs eine hinreichende Grundlage für eine widerlegliche Vermutung der öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken an Bord dieses Luftfahrzeugs dar?
Falls diese Frage verneint wird:
3. Stellt das Vorhandensein eines nach den Rechtsvorschriften über die Luftverkehrssicherheit vorgeschriebenen Lautsprechersystems sowie einer Software, die die Wiedergabe von Tonträgern (mit geschützten Musikwerken) über diese Einrichtung ermöglicht, an Bord des Luftfahrzeugs eine hinreichende Grundlage für eine widerlegliche Vermutung der öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken an Bord dieses Luftfahrzeugs dar?
Rechtssache C‑826/21
35 Die UPFR ist eine Verwertungsgesellschaft für verwandte Schutzrechte von Tonträgerherstellern.
36 Am 2. Dezember 2013 erhob sie gegen die CFR, ein Eisenbahnunternehmen, Klage auf Zahlung von ausstehender Vergütung sowie von Vertragsstrafen für die öffentliche Wiedergabe von Musikwerken an Bord von der CFR betriebenen Reisezugwagen. In diesem Zusammenhang trug sie vor, dass das geltende Eisenbahnrecht vorschreibe, dass ein Teil der von der CFR betriebenen Züge mit Lautsprechersystemen ausgestattet sein müsse, und machte geltend, dass das Vorhandensein solcher Systeme einer öffentlichen Wiedergabe von Werken im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 gleichzusetzen sei.
37 Diese Klage wurde vom Tribunalul București (Regionalgericht Bukarest) abgewiesen, das die Auffassung vertrat, dass zwar die bloße Einrichtung eines Lautsprechersystems, das den Zugang der Öffentlichkeit zu Tonträgern technisch ermögliche, eine öffentliche Wiedergabe von Musikwerken darstelle; es sei jedoch nicht nachgewiesen worden, dass die betriebenen Züge mit einem solchen System ausgestattet seien.
38 Gegen diese Entscheidung legte die UPFR bei der Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest), dem vorlegenden Gericht, Berufung ein.
39 Diesem Gericht zufolge wird in der innerstaatlichen Rechtsprechung, insbesondere auf der Grundlage des Urteils vom 7. Dezember 2006, SGAE (C‑306/05, EU:C:2006:764), mehrheitlich davon ausgegangen, dass das Vorhandensein von Lautsprechersystemen in einem Reisezugwagen mit einer öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken gleichzusetzen sei. Das vorlegende Gericht hegt in dieser Hinsicht indes Zweifel.
40 Vor diesem Hintergrund hat die Curtea de Apel Bucureşti (Berufungsgericht Bukarest) das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Nimmt ein Eisenbahnunternehmen, das Eisenbahnwagen verwendet, in denen Lautsprechersysteme für die Übermittlung von Informationen an die Fahrgäste eingerichtet sind, damit eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 der Richtlinie 2001/29 vor?
2. Steht Art. 3 der Richtlinie 2001/29 einer nationalen Regelung entgegen, die eine widerlegliche Vermutung der öffentlichen Wiedergabe aufgrund des Vorhandenseins von Lautsprechersystemen aufstellt, wenn diese Systeme durch andere Rechtsvorschriften, die die Tätigkeit des Verkehrsunternehmens regeln, vorgeschrieben sind?
Verfahren vor dem Gerichtshof
41 Mit Beschluss vom 1. März 2022 sind die Rechtssachen C‑775/21 und C‑826/21 gemäß Art. 54 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren sowie zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.
Zu den Vorlagefragen
Zur ersten Frage in der Rechtssache C‑775/21
42 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass die Ausstrahlung eines Musikwerks als Hintergrundmusik in einem Personenbeförderungsmittel eine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung darstellt.
43 Gemäß Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 sehen die Mitgliedstaaten vor, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
44 Wie der Gerichtshof wiederholt entschieden hat, verfügen die Urheber nach dieser Bestimmung damit über ein Recht vorbeugender Art, das es ihnen erlaubt, sich bei Nutzern ihrer Werke vor der öffentlichen Wiedergabe, die diese Nutzer möglicherweise durchzuführen beabsichtigen, einzuschalten, und zwar, um diese zu verbieten (Urteil vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando, C‑682/18 und C‑683/18, EU:C:2021:503, Rn. 62 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
45 Da in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ nicht erläutert wird, sind Sinn und Tragweite dieses Begriffs mit Blick auf die Ziele, die mit dieser Richtlinie verfolgt werden, und den Zusammenhang, in den sich die auszulegende Vorschrift einfügt, zu bestimmen (Urteil vom 7. August 2018, Renckhoff, C‑161/17, EU:C:2018:634, Rn. 17 und die dort angeführte Rechtsprechung).
46 Insoweit hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass dieser Begriff, wie im 23. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 hervorgehoben, in weitem Sinne verstanden werden sollte, nämlich dahin, dass er jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist, und somit jegliche entsprechende drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werks, einschließlich der Rundfunkübertragung, umfasst. Aus den Erwägungsgründen 4, 9 und 10 dieser Richtlinie ergibt sich nämlich, dass deren Hauptziel darin besteht, ein hohes Schutzniveau für die Urheber zu erreichen und diesen damit die Möglichkeit zu geben, für die Nutzung ihrer Werke u. a. bei einer öffentlichen Wiedergabe eine angemessene Vergütung zu erhalten (Urteil vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando, C‑682/18 und C‑683/18, EU:C:2021:503, Rn. 63 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
47 Wie der Gerichtshof wiederholt festgestellt hat, vereint der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne dieses Art. 3 Abs. 1 zwei kumulative Tatbestandsmerkmale, nämlich eine Handlung der Wiedergabe eines Werks und seine öffentliche Wiedergabe, und erfordert eine individuelle Beurteilung (Urteile vom 2. April 2020, Stim und SAMI, C‑753/18, EU:C:2020:268, Rn. 30, und vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando, C‑682/18 und C‑683/18, EU:C:2021:503, Rn. 66 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
48 Im Rahmen einer derartigen Beurteilung sind eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen, die unselbständig und miteinander verflochten sind. Da diese Kriterien im jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können, sind sie einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. Juni 2017, Stichting Brein, C‑610/15, EU:C:2017:456, Rn. 25, und vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando, C‑682/18 und C‑683/18, EU:C:2021:503, Rn. 67 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
49 Unter diesen Kriterien hat der Gerichtshof zum einen die zentrale Rolle des Nutzers und der Vorsätzlichkeit seines Tätigwerdens hervorgehoben. Der Nutzer nimmt nämlich eine Handlung der Wiedergabe vor, wenn er in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um seinen Kunden Zugang zu einem geschützten Werk zu verschaffen, und zwar insbesondere dann, wenn ohne dieses Tätigwerden die Kunden das ausgestrahlte Werk nicht empfangen könnten (Urteil vom 14. Juni 2017, Stichting Brein, C‑610/15, EU:C:2017:456, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).
50 Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass es nicht unerheblich ist, ob eine öffentliche Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 Erwerbszwecken dient (Urteil vom 8. September 2016, GS Media, C‑160/15, EU:C:2016:644, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung). Er hat jedoch anerkannt, dass der Erwerbszweck keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe ist (Urteile vom 7. März 2013, ITV Broadcasting u. a., C‑607/11, EU:C:2013:147, Rn. 42 sowie die dort angeführte Rechtsprechung, und vom 31. Mai 2016, Reha Training, C‑117/15, EU:C:2016:379, Rn. 49).
51 Zum anderen setzt der Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 auch voraus, dass die geschützten Werke tatsächlich öffentlich wiedergegeben werden (Urteil vom 28. Oktober 2020, BY [Fotografisches Beweismittel], C‑637/19, EU:C:2020:863, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
52 Insoweit hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass der Begriff „Öffentlichkeit“ eine unbestimmte Zahl möglicher Adressaten umfasst und im Übrigen recht viele Personen voraussetzt (Urteil vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando, C‑682/18 und C‑683/18, EU:C:2021:503, Rn. 69 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).
53 Im vorliegenden Fall ist als Erstes, wie sich aus der in Rn. 49 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, festzustellen, dass die Ausstrahlung eines Musikwerks als Hintergrundmusik in einem Personenbeförderungsmittel durch dessen Betreiber eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 darstellt, da dieser Wirtschaftsteilnehmer dabei in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um seinen Kunden Zugang zu einem geschützten Werk zu verschaffen, und zwar insbesondere dann, wenn die Kunden ohne dieses Tätigwerden das ausgestrahlte Werk grundsätzlich nicht empfangen könnten.
54 Als Zweites wird ein solches Musikwerk im Sinne der in Rn. 51 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung tatsächlich öffentlich wiedergegeben. Zwar beinhaltet, wie der Gerichtshof festgestellt hat, der Begriff „Öffentlichkeit“ eine bestimmte Mindestschwelle, was eine allzu kleine oder gar unbedeutende Zahl betroffener Personen von diesem Begriff ausschließt, der Gerichtshof hat jedoch auch darauf hingewiesen, dass bei der Bestimmung dieser Zahl insbesondere zu berücksichtigen ist, wie viele Personen gleichzeitig Zugang zu demselben Werk haben können, aber auch, wie viele von ihnen nacheinander Zugang zu diesem Werk haben können (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 31. Mai 2016, Reha Training, C‑117/15, EU:C:2016:379, Rn. 43 und 44, sowie vom 19. Dezember 2019, Nederlands Uitgeversverbond und Groep Algemene Uitgevers, C‑263/18, EU:C:2019:1111, Rn. 68 und die dort angeführte Rechtsprechung).
55 Da im vorliegenden Fall, wie vom vorlegenden Gericht ausgeführt, feststeht, dass das im Ausgangsverfahren fragliche Werk tatsächlich in der Hälfte der von Blue Air betriebenen Luftfahrzeuge während der von dieser Fluggesellschaft durchgeführten Flüge ausgestrahlt wurde, so dass die in Rede stehende Öffentlichkeit aus sämtlichen Gruppen von Fluggästen besteht, die diese Flüge gleichzeitig oder nacheinander in Anspruch genommen haben, kann eine solche Zahl betroffener Personen nicht als allzu klein oder gar unbedeutend im Sinne der in Rn. 54 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung angesehen werden.
56 Keine maßgebliche Bedeutung hat in diesem Zusammenhang der vom vorlegenden Gericht erwähnte Umstand, dass bei der Ausstrahlung von Auszügen aus Musikwerken als Hintergrundmusik an alle Fluggäste eines Luftfahrzeugs zum Zeitpunkt des Starts, der Landung oder zu jedem anderen Zeitpunkt des Fluges der Erwerbszweck einer solchen Wiedergabe sehr fraglich sei. Für die Bejahung einer öffentlichen Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ist ein solcher Erwerbszweck nämlich nicht notwendig, da der Gerichtshof entschieden hat, dass es sich dabei nicht um eine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen einer öffentlichen Wiedergabe handelt, wie sich aus der in Rn. 50 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt.
57 Nach alledem ist auf die erste Frage in der Rechtssache C‑775/21 zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass die Ausstrahlung eines Musikwerks als Hintergrundmusik in einem Personenbeförderungsmittel eine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmung darstellt.
Zur zweiten und zur dritten Frage in der Rechtssache C‑775/21 sowie zur ersten Frage in der Rechtssache C‑826/21
58 Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs ist es im Rahmen des durch Art. 267 AEUV geschaffenen Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Aus diesem Blickwinkel obliegt es dem Gerichtshof gegebenenfalls, die ihm gestellten Fragen umzuformulieren. Der Umstand, dass ein nationales Gericht eine Vorlagefrage ihrer Form nach unter Bezugnahme auf bestimmte Vorschriften des Unionsrechts formuliert hat, hindert den Gerichtshof nicht daran, diesem Gericht alle Auslegungshinweise zu geben, die ihm bei der Entscheidung über die bei ihm anhängige Rechtssache von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei der Formulierung seiner Fragen darauf Bezug genommen hat oder nicht. Der Gerichtshof hat insoweit aus allem, was das einzelstaatliche Gericht vorgelegt hat, insbesondere aus der Begründung der Vorlageentscheidung, diejenigen Elemente des Unionsrechts herauszuarbeiten, die unter Berücksichtigung des Gegenstands des Rechtsstreits einer Auslegung bedürfen (Urteil vom 22. Juni 2022, Volvo und DAF Trucks, C‑267/20, EU:C:2022:494, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).
59 Im vorliegenden Fall sind, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, angesichts all dessen, was von diesem Gericht vorgelegt worden ist, die Vorlagefragen umzuformulieren.
60 Insbesondere ist die Klage in der Rechtssache C‑826/21 von einer Verwertungsgesellschaft für verwandte Schutzrechte von Tonträgerherstellern erhoben worden, um von der CFR die Zahlung einer angemessenen Vergütung für die öffentliche Wiedergabe von Musikwerken an Bord der von ihr betriebenen Reisezugwagen zu erlangen. Deshalb ist in Anbetracht der Anwendung des in Rn. 10 des vorliegenden Urteils angeführten Art. 105 Abs. 1 Buchst. f des Gesetzes Nr. 8/1996, der das Vermögensrecht des Herstellers von Tonaufnahmen vorsieht, die Sendung und die öffentliche Wiedergabe seiner eigenen Tonaufnahmen zu genehmigen, auf diesen Rechtsstreit die Auslegung von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 für die Entscheidung des Rechtsstreits ebenfalls relevant.
61 Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, dass das vorlegende Gericht mit seinen Fragen, die zusammen zu prüfen sind, im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 dahin auszulegen sind, dass die Einrichtung einer Lautsprecheranlage und gegebenenfalls einer Software, die die Ausstrahlung von Hintergrundmusik ermöglichen, an Bord eines Beförderungsmittels eine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.
62 Es ist darauf hinzuweisen, dass bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts nicht nur ihr Wortlaut, sondern auch die Ziele, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden, und ihr Kontext zu berücksichtigen sind. Was insbesondere Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 anbelangt, so ist diese Vorschrift im Einklang mit den einschlägigen Vorschriften des WCT auszulegen, da die Richtlinie 2001/29 dazu dient, bestimmten Verpflichtungen nachzukommen, die der Union nach diesem Übereinkommen obliegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 17. April 2008, Peek & Cloppenburg, C‑456/06, EU:C:2008:232, Rn. 33, und vom 21. Juni 2012, Donner, C‑5/11, EU:C:2012:370, Rn. 23).
63 Was als Erstes den Wortlaut der fraglichen Bestimmungen betrifft, wurde in Rn. 43 des vorliegenden Urteils darauf hingewiesen, dass sich aus Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 ergibt, dass die Mitgliedstaaten sicherzustellen haben, dass den Urhebern das ausschließliche Recht zusteht, die drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Wiedergabe ihrer Werke einschließlich der öffentlichen Zugänglichmachung der Werke in der Weise, dass sie Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich sind, zu erlauben oder zu verbieten.
64 Außerdem haben die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 bei Nutzung eines zu Handelszwecken veröffentlichten Tonträgers oder eines Vervielfältigungsstücks eines solchen Tonträgers für drahtlos übertragene Rundfunksendungen oder eine öffentliche Wiedergabe zum einen die Zahlung einer einzigen angemessenen Vergütung durch den Nutzer und zum anderen die Aufteilung dieser Vergütung auf die ausübenden Künstler und die Tonträgerhersteller zu gewährleisten.
65 Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, da der Unionsgesetzgeber keinen anderen Willen zum Ausdruck gebracht hat, der in den beiden genannten Bestimmungen verwendete Begriff „öffentliche Wiedergabe“ so auszulegen ist, dass er dieselbe Bedeutung hat (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 8. September 2016, GS Media, C‑160/15, EU:C:2016:644, Rn. 33, und vom 17. Juni 2021, M.I.C.M., C‑597/19, EU:C:2021:492, Rn. 41 und die dort angeführte Rechtsprechung).
66 Was als Zweites das mit diesen Bestimmungen verfolgte Ziel betrifft, ergibt sich aus der in Rn. 46 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung, dass dieser Begriff in weitem Sinne verstanden werden sollte, nämlich dahin, dass er jegliche Wiedergabe an die Öffentlichkeit, die an dem Ort, an dem die Wiedergabe ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend ist, und somit jegliche entsprechende drahtgebundene oder drahtlose öffentliche Übertragung oder Weiterverbreitung eines Werks, einschließlich der Rundfunkübertragung, umfasst, da das Hauptziel der Richtlinie 2001/29 darin besteht, ein hohes Schutzniveau für die Urheber zu erreichen.
67 Als Drittes ist in Bezug auf den Kontext, in dem die in Rede stehenden Bestimmungen stehen, darauf hinzuweisen, dass sich aus dem 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29, der, wie der Gerichtshof im Urteil vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando (C‑682/18 und C‑683/18, EU:C:2021:503, Rn. 79), festgestellt hat, im Wesentlichen die Vereinbarte Erklärung zu Art. 8 WCT aufgreift, ergibt, dass „[d]ie bloße Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken, … selbst keine Wiedergabe im Sinne dieser Richtlinie [darstellt]“.
68 Würde nämlich der bloße Umstand, dass die Nutzung einer Lautsprecheranlage und gegebenenfalls einer Software erforderlich ist, damit die Öffentlichkeit das Werk tatsächlich empfangen kann, automatisch dazu führen, dass das Tätigwerden des Betreibers dieser Einrichtung als „Handlung der Wiedergabe“ einzustufen wäre, würde jede „Bereitstellung der Einrichtungen, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken“ eine solche Handlung darstellen, und zwar auch dann, wenn solche Einrichtungen nach den die Tätigkeit des Beförderungsunternehmens regelnden nationalen Rechtsvorschriften vorgeschrieben sind; dies schließt der 27. Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/29 jedoch explizit aus (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Juni 2021, YouTube und Cyando, C‑682/18 und C‑683/18, EU:C:2021:503, Rn. 79).
69 In Anbetracht dieser Erwägungen ist davon auszugehen, dass es keine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 darstellt, wenn an Bord eines Beförderungsmittels eine Lautsprecheranlage und gegebenenfalls eine Software zur Verfügung stehen, die die Ausstrahlung von Hintergrundmusik ermöglichen, da es sich um eine bloße Bereitstellung von Einrichtungen handelt, die eine Wiedergabe ermöglichen oder bewirken.
70 Zwar hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass die Betreiber einer Gastwirtschaft, eines Hotels oder einer Kureinrichtung eine Handlung der Wiedergabe vornehmen, wenn sie für ihre Kunden absichtlich geschützte Werke übertragen, indem sie willentlich ein Signal über von ihnen installierte Fernseh- oder Radioempfänger verbreiten (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 7. Dezember 2006, SGAE, C‑306/05, EU:C:2006:764, Rn. 47, vom 4. Oktober 2011, Football Association Premier League u. a., C‑403/08 und C‑429/08, EU:C:2011:631, Rn. 196, und vom 27. Februar 2014, OSA, C‑351/12, EU:C:2014:110, Rn. 26). Ebenso nimmt der Betreiber eines Rehabilitationszentrums, der für seine Patienten absichtlich geschützte Werke über Fernsehapparate überträgt, die an mehreren Orten des Zentrums installiert sind, eine Wiedergabe vor (Urteil vom 31. Mai 2016, Reha Training, C‑117/15, EU:C:2016:379, Rn. 55 und 56).
71 Die bloße Einrichtung einer Lautsprecheranlage in einem Beförderungsmittel lässt sich jedoch nicht mit Handlungen gleichsetzen, mit denen Dienstleistungserbringer für ihre Kunden absichtlich geschützte Werke übertragen, indem sie ein Signal über Empfänger, die sie in ihrem Betrieb installiert haben, ausstrahlen und den Zugang zu solchen Werken ermöglichen.
72 Da die Einrichtung einer Lautsprecheranlage und gegebenenfalls einer Software an Bord eines Beförderungsmittels, die die Ausstrahlung von Hintergrundmusik ermöglichen, keine „Handlung der Wiedergabe“ darstellt, ist nicht zu prüfen, ob eine öffentliche Wiedergabe im Sinne der Rechtsprechung erfolgt ist.
73 Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage in der Rechtssache C‑775/21 und auf die erste Frage in der Rechtssache C‑826/21 zu antworten, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 und Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 dahin auszulegen sind, dass die Einrichtung einer Lautsprecheranlage und gegebenenfalls einer Software an Bord eines Beförderungsmittels, die die Ausstrahlung von Hintergrundmusik ermöglichen, keine öffentliche Wiedergabe im Sinne dieser Bestimmungen darstellt.
Zur zweiten Frage in der Rechtssache C‑826/21
74 Um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, ist in Anbetracht der Erwägungen in Rn. 60 des vorliegenden Urteils davon auszugehen, dass es mit seiner Frage im Wesentlichen wissen möchte, ob Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte entgegensteht, wonach das Vorhandensein von Lautsprechersystemen in Beförderungsmitteln eine widerlegliche Vermutung der öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken begründet.
75 Vorab ist festzustellen, dass die rumänische Regierung in ihren schriftlichen Erklärungen die Prämisse des vorlegenden Gerichts, dass das Vorhandensein von Lautsprechersystemen in Beförderungsmitteln eine widerlegliche Vermutung der öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken begründe, in Abrede stellt.
76 Hierzu ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs im Rahmen des Verfahrens nach Art. 267 AEUV die Aufgaben des Gerichtshofs und die des vorlegenden Gerichts klar getrennt sind und es ausschließlich Sache des vorlegenden Gerichts ist, das nationale Recht auszulegen (Urteil vom 17. März 2022, Daimler, C‑232/20, EU:C:2022:196, Rn. 91 und die dort angeführte Rechtsprechung).
77 Es ist also nicht Sache des Gerichtshofs, im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens über die Auslegung nationaler Vorschriften zu befinden. Der Gerichtshof hat im Rahmen der Verteilung der Zuständigkeiten zwischen den Unionsgerichten und den nationalen Gerichten in Bezug auf den tatsächlichen und rechtlichen Rahmen, in den sich die Vorlagefragen einfügen, von den Feststellungen in der Vorlageentscheidung auszugehen (Urteil vom 17. März 2022, Daimler, C‑232/20, EU:C:2022:196, Rn. 92 und die dort angeführte Rechtsprechung).
78 Insoweit geht insbesondere aus den Erwägungsgründen 1, 6 und 7 der Richtlinie 2001/29 hervor, dass deren Zielsetzung vor allem darin besteht, die rechtlichen Unterschiede und Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Schutz des Urheberrechts zu beseitigen, da diese Unsicherheit den Binnenmarkt in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigen und die Informationsgesellschaft in Europa in ihrer Entwicklung behindern kann, sowie ein uneinheitliches Vorgehen der Mitgliedstaaten gegenüber technischen Entwicklungen zu vermeiden. In diesen Erwägungsgründen heißt es weiter, dass ohne Harmonisierung auf Unionsebene erhebliche Unterschiede im Rechtsschutz auftreten könnten, was zu einer Zersplitterung des Binnenmarkts und zu rechtlicher Inkohärenz führen würde, und dass erhebliche rechtliche Unterschiede und Unsicherheiten in Bezug auf den Rechtsschutz die Erzielung von Größenvorteilen für neue Produkte und Dienstleistungen mit urheber- und leistungsschutzrechtlichem Gehalt beschränken könnten.
79 Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, entstünden aber rechtliche Unterschiede und somit für Dritte Rechtsunsicherheit, wenn ein Mitgliedstaat einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorsehen dürfte, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe auch andere als die in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 vorgesehenen Handlungen umfasst (Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C‑466/12, EU:C:2014:76, Rn. 34).
80 Hieraus folgt, dass Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 dahin auszulegen ist, dass er es einem Mitgliedstaat verbietet, einen weiter gehenden Schutz der Inhaber eines Urheberrechts vorzusehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über diese Bestimmung hinausgehen (Urteil vom 13. Februar 2014, Svensson u. a., C‑466/12, EU:C:2014:76, Rn. 41).
81 Diese Auslegung ist unter Berücksichtigung der in Rn. 65 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung auf den Begriff „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne der Richtlinie 2006/115 entsprechend anwendbar.
82 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Antwort auf die erste Frage in der Rechtssache C‑826/21, dass Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 dahin auszulegen ist, dass die Einrichtung einer Lautsprecheranlage und gegebenenfalls einer Software an Bord eines Beförderungsmittels, die die Ausstrahlung von Hintergrundmusik für Reisende ermöglichen, die diese Musik unabhängig von ihrem Willen empfangen, keine „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt.
83 Diese Bestimmung steht daher einer nationalen Regelung entgegen, wonach das Vorhandensein derartiger Lautsprechersysteme in Beförderungsmitteln eine widerlegliche Vermutung der öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken begründet. Eine solche Regelung kann nämlich dazu führen, dass unter Verstoß gegen diese Bestimmung die Zahlung einer Vergütung für die bloße Einrichtung dieser Lautsprechersysteme geschuldet wird, und zwar auch dann, wenn es an einer Handlung der öffentlichen Wiedergabe fehlt.
84 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2006/115 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationalen Gerichte entgegensteht, wonach das Vorhandensein von Lautsprechersystemen in Beförderungsmitteln eine widerlegliche Vermutung der öffentlichen Wiedergabe von Musikwerken begründet.