OLG Frankfurt: Aussonderungsrecht am Kapitalanlagekonto
OLG Frankfurt, Urteil vom 18.2.2010 - 16 U 176/09
Leitsatz
Bei Einzahlungs- und Brokerkonten einer Kapitalanlagegesellschaft handelt es sich um Treuhandkonten, die der Aussonderung der Anleger nach § 47 S. 1 InsO unterliegen.
Sachverhalt
A) Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 1. Juli 2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH Gesellschaft für die Durchführung und Vermittlung von Vermögensanlagen (im Folgenden: Schuldnerin).
Die Schuldnerin bot mit dem 1992 eingeführten A X (X) ihren Kunden die Möglichkeit an, am Erfolg oder Nichterfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen, die sie im eigenen Namen auf Rechnung der Anlegergemeinschaft durchführte. Im Rahmen dieser Anlagen zahlten die Anleger Geldbeträge auf Einzahlungskonten, die die Schuldnerin bei anderen Kreditinstituten unterhielt, wobei nicht jedem Anleger ein eigenes Konto zugewiesen wurde, sondern die Gelder verschiedener Anleger auf „Omnibuskonten", also Sammelkonten, verwahrt wurden. Bereits zwischen 1992 und 1997 erlitt die Schuldnerin bei den Termingeschäften hohe Verluste, die sie den Anlegern durch manipulierte Buchungen verschwieg. In der Folge baute die Schuldnerin ein Schneeballsystem auf, bei dem sie die Einlagen von Neukunden dazu verwendete, Auszahlungen an Altkunden sowie Zahlungen für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten der Schuldnerin und ihrer Vertriebspartner vorzunehmen.
Die Beklagte beteiligte sich mit von Oktober 2003 bis März 2005 erfolgten Einzahlungen auf ein US$ - Einzahlungskonto bei der ... B-Kasse in einer Gesamthöhe von 11.130.000,- US-$ an dem X.
Die Parteien streiten im Wege wechselseitiger Feststellungsklagen darüber, ob der Beklagten im Hinblick auf ihre Einzahlungen ein Aussonderungsrecht zusteht.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 234 bis 237 d. A.) Bezug genommen, der hinsichtlich der Konten der Schuldnerin zur Verwaltung eingezahlter Gelder und zur Geschäftsausübung wie folgt ergänzt wird:
Die Schuldnerin unterhielt zum einen eigene Geschäftskonten, die sie in ihren Büchern als „Nostro"-Konten führte und die dem „Mandant ... (TH = Terminhandel)" zugeordnet waren. Sie dienten der Begleichung der Geschäftsunkosten und laufenden Betriebsausgaben.
Daneben eröffnete die Schuldnerin bei verschiedenen Banken Konten im eigenen Namen zur Einzahlung durch die Anleger, sogenannte Einzahlungskonten, die in der Buchhaltung dem „Mandant ... (MA = X )" zugeordnet waren. Die Schuldnerin hatte 43 Einzahlungskonten angelegt; auf 33 dieser Konten sind Kundeneinzahlungen zu verzeichnen. Innerhalb dieser Einzahlungskonten kam es zu Querüberweisungen. Die Schuldnerin nahm zudem Überweisungen von den Einzahlungskonten auf ihre Geschäftskonten für Verwaltungs- und Vertriebsgebühren, Gewinnbeteiligungen, Kommission und Agio vor und tätigte von diesen Konten die Auszahlungen - inklusive fiktiven Gewinnanteil - an die Anleger. Außerdem kam es zu Überweisungen von den Geschäftskonten auf die Einzahlungskonten. Schließlich unterhielt die Schuldnerin bei verschiedenen Brokern Konten zur Durchführung der Termingeschäfte.
Das Landgericht hat die negative Feststellungsklage des Klägers als unzulässig abgewiesen und auf die Widerklage der Beklagten festgestellt, dass ihr im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin dem Grunde nach ein Aussonderungsrecht an ihren eingezahlten Kundengeldern zustehe.
Zur Begründung hat es ausgeführt:
Die von der Beklagten auf das Konto der Schuldnerin eingezahlten Gelder stünden der Beklagten zu, da sie treuhänderisch übergeben worden seien. Die Treuhandabrede ergäbe sich bereits kraft Gesetzes daraus, dass die Schuldnerin als Finanzdienstleisterin nach § 34 a WpHG gehandelt habe. Insofern bestünde die Vermutung für eine treuhänderische Verwaltung des Vermögens, die nicht widerlegt sei.
Eine - zumindest konkludente - Treuhandabrede ergebe sich weiterhin aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen und der Broschüre „X " der Schuldnerin. Dass keine Kennzeichnung als Treuhand erfolgt sei, stünde der Annahme einer Treuhandvereinbarung nicht entgegen.
Unerheblich sei auch die Behauptung des Klägers, dass sich die Schuldnerin bereits ab 1997 nicht an die Treuhandabrede habe halten wollen. In Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 116 BGB sei ein derartiger geheimer Vorbehalt nicht geeignet, die Nichtigkeit einer Willenserklärung herbeizuführen. Zudem habe sich die Schuldnerin trotz ihres Verhaltens immer noch so geriert, als sei sie Treuhänderin und handele nur im Interesse der Treugeber. Andernfalls würde man es der Schuldnerin ermöglichen, durch ihren eigenen geheimen Willensentschluss etwaige Aussonderungsrechte zunichte zu machen.
Die der Aussonderung unterfallenden Gelder der Beklagten seien auch hinreichend bestimmbar. Das Konto, auf das die Beklagte die Anlagegelder eingezahlt habe, habe allgemein der Einzahlung von Kundengeldern gedient. Andere Einzahlungen oder die Verwahrung von Vermögen der Schuldnerin seien nicht dargelegt oder sonst substantiiert nachweisbar.
Die Beklagte könne das Aussonderungsrecht alleine geltend machen. Jeder Berechtigte am Aussonderungsgut könne die Aussonderung fordern. Der Beklagten stünde jedenfalls zumindest ein Mitaussonderungsrecht zu, da zwischen den Anlegern eine Gemeinschaft im Sinne der §§ 741 ff. BGB entstanden sei.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 237 - 242 d. A.) Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 4. Dezember 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am 17. Dezember 2008 eingegangenen anwaltlichen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 4. März 2009 fristgerecht begründet hat.
Der Kläger verfolgt die Abweisung der von der Beklagten widerklagend erhobenen Feststellungsklage weiter und argumentiert wie folgt:
Eine Treuhandabrede ergebe sich nicht bereits kraft Gesetzes daraus, dass die Schuldnerin als Finanzdienstleisterin nach § 34 a WpHG gehandelt habe. Mit § 34 a WpHG werde lediglich eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung begründet, welche durch die Aufsichtsbehörde umzusetzen sei. Auch im Übrigen fehle es an einer Treuhandabrede zwischen der Schuldnerin und der Beklagten.
Der von der Schuldnerin übernommene Geschäftsbesorgungsvertrag begründe für sich allein kein Treuhandverhältnis. Zudem sei nach dem Geschäftsmodell des X ein „Parken" der Anlegergelder auf Bankkonten nicht vorgesehen gewesen; die Gelder der Anleger hätten vielmehr zu ausländischen Brokern transferiert werden sollen.
Weiterhin fehle es an der äußerlichen Umsetzung der Treuhand. Zum einen habe die Schuldnerin seit 1997 den weit überwiegenden Teil der eingenommenen Anlegergelder tatsächlich nicht mehr für Börsengeschäfte eingesetzt, andererseits sich aus den Kundengeldern bedient, um Geschäftskosten zu bezahlen und ein Vermögen aufzubauen. Die Schuldnerin habe die Kundengelder nicht als Treugut verstanden, sondern als Eigenvermögen betrachtet, über das sie jederzeit im eigenen Interesse habe verfügen können und verfügt habe. Diese tatsächliche Handhabung habe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Treuhandbindung aufgelöst. Die fehlende Umsetzung zeige sich zudem darin, dass das von der Beklagten benutzte „Einzahlungskonto" von der Schuldnerin gegenüber der ... B-Kasse nicht als Treuhandkonto deklariert worden sei.
Das Urteil enthalte auch keine Feststellung dazu, welche Konten konkret der Aussonderung unterlägen. Letztlich würde ein vermeintlicher Aussonderungsanspruch der Beklagten an der fehlenden Bestimmbarkeit ihrer Forderung scheitern, da vollkommen unklar sei, wie ein Aussonderungsanspruch zu berechnen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28. November 2008, Az. 2-21 O 298/07, abzuändern und die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen,
hilfsweise, das angefochtene Urteil mit der Maßgabe aufrechtzuerhalten, dass festgestellt wird, dass der Beklagten im Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH Gesellschaft für die Durchführung und Vermittlung von Vermögensanlagen dem Grunde nach ein Mitaussonderungsrecht an den sog. Kundengeldern zusteht.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Sie bestreitet zunächst das Fehlen eines Treuhandwillens oder eine kriminelle Absicht der Schuldnerin in Bezug auf das gesamte Vermögen und trägt vor, dass das Schneeballsystem allein der Verschleierung und dem Interesse gedient habe, die Vertriebsmaschinerie solange am Laufen zu halten, bis durch erfolgreiche Handelsstrategien die Basis für eine Rückkehr in die Legalität geschaffen sei. Da die Schuldnerin seit Jahren vermögenslos gewesen sei, seien alle Gelder und sonstigen Vermögenswerte ausschließlich dem X zuzurechnen. Dieses gesamte X unterliege der Aussonderung. Das Bestehen eines Treuhandverhältnisses zwischen der Schuldnerin und den Anlegern - das sich bereits aus der gesetzlichen Regelung des § 34 a WpHG herleiten ließe - sei auch von der Schuldnerin selbst niemals in Zweifel gezogen worden. Eine Offenlegung des Treuhandverhältnisses den Banken gegenüber sei nicht erforderlich gewesen. Der Kläger übersehe, dass die Schuldnerin als Finanzkommissionärin aufgetreten sei und ein Kommissionsgeschäft betrieben habe. Entgegen der Annahme des Klägers sei in der vertragswidrigen Entnahme von Kundengeldern kein Grund zu sehen, der ein Treuhandverhältnis ausschlösse. Gleiches gelte hinsichtlich des Verstoßes gegen die Pflicht, die Kundengelder untereinander auf getrennten Konten zu verwalten. Dass eine Vermischung mit eigenem Geld der Schuldnerin stattgefunden habe, habe der Kläger nicht vorgetragen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Aus den Gründen
B) Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.
I. Die im Wege der Hilfswiderklage erhobene Feststellungsklage ist, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Grundsätzlich kann, wenn die Aussonderung im Klagewege geltend gemacht werden soll, eine Leistungs- oder eine Feststellungsklage erhoben werden (MünchKomm / Ganter, InsO, 2. A., § 47 Rn. 479). Der Vorrang einer Leistungs- oder auch Stufenklage scheidet vorliegend aus, da der Kläger seinerseits eine - negative - bezifferte Feststellungsklage erhoben hatte und deshalb das Interesse der Beklagten anzuerkennen ist, das Bestehen des von ihr reklamierten, derzeit aber nicht bezifferbaren Aussonderungsrechts der Sache nach festzustellen.
II. Das Landgericht hat zutreffend angenommen, dass der Beklagten gegen den Kläger aufgrund einer treuhänderischen Bindung der von ihr geleisteten Einzahlungen ein - der Höhe nach noch nicht feststehendes - Aussonderungsrecht nach § 47 S. 1 InsO zusteht .
1. Die Beklagte hat ihre Feststellungsklage zutreffend gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter erhoben. Ein Aussonderungsanspruch ist gegen den Insolvenzverwalter als Partei kraft Amtes zu richten, da dieser allein über die Masse verfügen kann und die Guthaben auf den Konten für die Masse beansprucht (vgl. MünchKomm/Ganter, a.a.O., § 47 Rn. 478).
2. Die Beklagte ist nach § 47 S. 1 InsO aussonderungsberechtigt, da sie geltend machen kann, dass der Einzahlung der Gelder eine echte Treuhand zugrunde liegt.
a) Für die echte Treuhand ist typisch, dass sie eine schuldrechtliche und eine dingliche Komponente aufweist (BGHZ 155, 227). Für die schuldrechtliche Seite ist erforderlich, dass sich die Beteiligten darüber einig sind, dass ein bestimmter Vermögenswert, der rechtlich dem Treuhänder gehören soll, wirtschaftlich dem Vermögen des Treugebers zuzuordnen ist und dass der Treuhänder mit seiner auf diesen Vermögenswert bezogenen Rechtsmacht so umgehen soll, wie es seine objektbezogene Verantwortlichkeit gegenüber dem Treugeber gebietet. Die dingliche Komponente erfordert, dass diese schuldrechtliche Vereinbarung auch äußerlich umgesetzt ist: das Treugut muss, damit es nicht auch wirtschaftlich in dem Vermögen des Treuhänders aufgeht, von dessen Vermögen gesondert werden (MünchKomm/Ganter, a.a.O., § 47 Rn. 356 c).
Nach Auffassung des Senats handelt es sich bei den Einzahlungs- und den Brokerkonten um Treuhandkonten, die der Aussonderung der Anleger unterliegen.
aa) Dabei folgt die Behandlung der eingezahlten Gelder als Treugut und eine Verpflichtung zur Aussonderung entgegen der Auffassung der Beklagten noch nicht bereits zwingend aus § 34 a WpHG. § 34 a Abs. 1 WpHG stellt für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die keine Einlagenkreditinstitute sind, die Verpflichtung auf, die Kundengelder, die sie entgegennehmen und im eigenen Namen und auf Rechnung der Kunden verwenden, unverzüglich getrennt von den Geldern des Unternehmens oder von anderen Kundengeldern auf Trauhandkonten zu verwahren, bis die Gelder zum vereinbarten Zweck verwendet werden. Verstößt ein Unternehmen schuldhaft gegen diese Pflicht, stellt sich dies als Ordnungswidrigkeit nach § 39 Abs. 2 Ziff. 13 WpHG dar und löst entsprechende Sanktionen aus. Zwar mag § 34 a WpHG nicht nur aufsichtsrechtlicher Natur sein, sondern auch anlegerschützende Funktionen haben (so BGHZ 175, 276 allgemein für §§ 31 ff. WpHG). Daraus folgt jedoch nicht, dass Kundengelder selbst dann als Treugut anzusehen wären, wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen seiner Verpflichtung zur getrennten Aufbewahrung nicht nachkommt. Allerdings dürfte bei einer formal getrennten Aufbewahrung im Zweifel von einer Treuhandabrede auszugehen sein, da davon auszugehen ist, dass ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen seiner Verpflichtung nach § 34 a WpHG nachkommen will.
bb) Unabhängig davon liegt zwischen der Schuldnerin und den einzelnen Anlegern nicht nur ein Geschäftsbesorgungsvertrag (Anlage der Geldbeträge der Kunden in Termingeschäften für gemeinsame Rechnung zu Spekulationszwecken mit Vorrang von Stillhaltergeschäften) vor, sondern darüber hinaus hinsichtlich der Einzahlungskonten und der Brokerkonten auch eine zumindest stillschweigende Treuhandabrede. Dies folgt, wie das Landgericht zutreffend dargelegt hat, aus den Prospektangaben zum X und den dazugehörigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Diese Unterlagen enthalten zunächst in Ziff. 6 des Prospekts „Rechtliche Abwicklung und Gebühren" unter „Kontoführung" in Verbindung mit Ziff. 5.1 der AGB den Hinweis, dass bei den Ausführungsbrokern und Instituten, bei denen die Gelder und Positionen des A X deponiert bzw. gehalten werden, Konten ausschließlich für diesen Zweck eingerichtet und als Treuhandkonten für das X ausgewiesen werden. Der Kläger hält dem zwar entgegen, aus dem Wortlaut ergebe sich lediglich, dass es sich um Treuhandkonten handele, bei denen die Schuldnerin selbst Treugeberin sei und der jeweilige Broker die Vermögenswerte treuhänderisch für die Schuldnerin halte.
Diese Argumentation greift nach Auffassung des Senats aber nicht durch. Unter einem Treuhandkonto versteht man ein Konto bei einem Kreditinstitut, das jemand zu dem Zweck errichtet, auf diesem Konto Geldbeträge gutgeschrieben zu erhalten, die ihm als Kontoinhaber von einem oder mehreren Dritten anvertraut worden sind (Hadding/Häuser, in: Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrecht, Band I, 3. A., § 37 Rn. 2). Wenn also ein Konto als Treuhandkonto geführt wird, dann wird damit deutlich, dass der Kontoinhaber zwar rechtlich, nicht aber wirtschaftlich an dem Guthaben berechtigt ist, das Guthaben also treuhänderisch verwaltet. Demzufolge hat die Schuldnerin mit dem entsprechenden Passus den Anlegern zu erkennen gegeben, die eingezahlten Gelder als Treuhänderin zu verwalten und anzulegen. Diese Regelung erfasst zumindest die sogenannten Broker- bzw. Anlagekonten. Darüber hinaus ergibt sich eine jedenfalls stillschweigende, auch die Einzahlungskonten erfassende Treuhandabrede auch aus dem Zusammenhang der vorbenannten Unterlagen. So heißt es in dem Prospekt unter Ziff. 6 „Rechtliche Abwicklung und Gebühren" in Verbindung mit Ziff. 1.2 der AGB, dass das für A X verwaltete Vermögen gesondert vom übrigen Vermögen der A und der anderen Kundengelder gehalten und überwacht wird. Die Konzeption der Anlage sieht also keine Vermischung der eingezahlten Gelder mit dem Vermögen der Schuldnerin vorsieht; vielmehr sollte eine äußerliche, dingliche Separierung der Gelder im Sinne der dinglichen Umsetzung einer Treuhand vorgenommen werden. Diesbezüglich sind die Rechtbeziehungen im Prospekt weiter dahingehend konkretisiert, dass „Inhaberin des Vermögens im A X zwar wirtschaftlich die Gemeinschaft der Kunden, rechtlich jedoch A" ist. Dies stellt aber gerade die Situation einer Vollrechtstreuhand dar, bei der das Treugut rechtlich komplett übertragen wird, wirtschaftlich aber den Treugebern zusteht. Damit ist zugleich die Annahme einer Treuhandabrede verbunden, die sich auch auf die Einzahlungskonten bezieht, und zwar unabhängig davon, ob - wie der Kläger mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2009 ausführt - ein „Parken" der Anlegergelder auf den Einzahlungskonten vorgesehen war oder nicht.
Letztlich sei auch auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. April 2002 (BB 2002, 1985) hingewiesen, mit der ein Bescheid des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel bestätigt wurde, der beanstandet hatte, dass die Schuldnerin im Rahmen des X alle Konten als „Gemeinschaftstreuhandkonten" führte, obwohl für jeden Kunden ein gesondertes Treuhandkonto hätte angelegt werden müssen. Im Rahmen dieses Rechtsstreits bestand über die Treuhandeigenschaft und damit über das Vorhandensein einer Treuhandabrede - auch hinsichtlich der Einzahlungskonten - kein Streit. Eine andere Beurteilung folgt dabei nicht daraus, dass zum damaligen Zeitpunkt das Schneeballsystem der Schuldnerin noch nicht bekannt war. Fakt ist vielmehr, dass sich die Schuldnerin nach außen als Treuhänderin der Kundengelder gerierte.
Gegen das Vorhandensein einer Treuhandabrede spricht schließlich auch nicht der Umstand, dass die Schuldnerin etwa ab 1997 nicht mehr beabsichtigte, sich in vollem Umfang an die Abrede zu halten. Unabhängig davon, dass die Beklagte das Fehlen eines Treuhandwillens mit der Begründung bestreitet, das Schneeballsystem habe allein der Verschleierung und dem Interesse gedient, durch Abbau der Scheinkonten in die Legalität zurückzukehren, wird - wie das Landgericht zutreffend argumentiert - eine Willenerklärung nach § 116 S. 1 BGB nicht dadurch nichtig, dass sich der Erklärende insgeheim vorbehält, das Erklärte nicht zu wollen. Außerdem kommt es nach Auffassung des Senats nicht allein darauf an, ob sich die Schuldnerin nicht daran halten wollte , sondern wie sie tatsächlich die Sache gehandhabt hat, insbesondere, ob die Treuhand dinglich umgesetzt worden ist.
cc) Die Treuhand erfordert grundsätzlich die getrennte Aufbewahrung des Treuguts vom Eigenvermögen des Treuhänders. Für ein Treuhandkonto bedeutet dies nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass es sich um ein ausschließlich zur Aufnahme von treuhänderisch gebundenen Fremdgeldern bestimmtes Konto handeln muss (BGH, NJW-RR 2003, 1375; NJW 1996, 1543). Nicht erforderlich ist, dass bei mehreren Treugebern das Treugut für jeden einzelnen Treugeber getrennt gehalten wird; vielmehr ist anerkannt, dass die Einrichtung eines einzigen Treuhandkontos für mehrere Treugeber zulässig ist, sofern das Konto als Ganzes von der Treuhandbindung erfasst wird (BGH, NJW-RR 2003, 1375).
Festzustellen ist zunächst, dass die Kunden ihre Gelder ausschließlich auf bestimmte Einzahlungskonten leisteten, die die Schuldnerin wie auch die Brokerkonten von den eigenen Geschäftskonten getrennt hielt und einem eigenen „Mandanten" zugeordnet hatte. Der Kläger will allerdings aus dem Umstand, dass die Schuldnerin aus den Einzahlungskonten Auszahlungen - einschließlich Scheingewinne - an (Alt-)Anleger vorgenommen und auf Scheingewinnen beruhende und damit ungerechtfertigte Abbuchungen von Bestands- und Vertriebsprovisionen sowie Gewinnanteilen vorgenommen hat, auf den kompletten Wegfall der Treuhandbindung schließen. Dem vermag sich der Senat nicht anzuschließen.
Formal betrachtet entsprachen die Abbuchungen von Provisionen, Gebühren, Einlagen und Gewinnen dem - nach außen hin zum Schein aufrechterhaltenen - Treuhandauftrag. Der Sache nach hat sich allerdings die Schuldnerin - darin ist dem Kläger zuzustimmen - letztlich nach Gutdünken von den Einzahlungskonten bedient, indem sie Scheingewinne an Anleger auszahlte und auf Scheingewinnen beruhende Provisionen, Gebühren u. ä. abbuchte. In diesem Zusammenhang hat der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 1959 angedeutet (BGH NJW 1959, 1223), dass die fortdauernde Eigenschaft als Treugut gefährdet sein könnte, wenn dem Treuhänder in Wirklichkeit der Wille fehlt, das Guthaben auf einem Konto für den Treugeber zu verwalten, er es vielmehr wie eigenes, ihm zustehendes Geld behandelt. Der Bundesgerichtshof hat insoweit ausgeführt, dass das Treugut aus dem Vermögen des Treugebers ausscheidet, wenn der Treuhänder unrechtmäßig über das Treugut verfügt, und dass die Interventionsmöglichkeit des Treugebers nur so lange besteht, als der Treuhänder mit dem Treugut dem Treuhandverhältnis entsprechend verfährt. Daraus folgt nach Auffassung des Senats jedoch nicht, dass die gesamte treuhänderische Bindung auch des noch vorhandenen Treuguts bzw. treuhänderisch gehaltenen Guthabens allein dadurch entfällt, dass der Treuhänder (möglicherweise) beabsichtigt(e), auch diesen Rest noch zu veruntreuen (a. A. Holzer, ZIP 2009, 2324). Der Bundesgerichtshof hat die Frage der Voraussetzungen im Einzelnen für den Wegfall der treuhänderischen Bindung in der angeführten Entscheidung letztlich nicht entscheiden müssen. Insoweit ist aber zum einen zu berücksichtigen, dass die Schuldnerin bei ihren Abbuchungen und Auszahlungen jedenfalls in formaler Kongruenz mit der Treuhandabrede handelte, nach außen hin also formal die Treuhandbindung des Treuguts weiterhin anerkannte. Zum anderen würde die Annahme, die treuhänderische Bindung entfiele durch die fortwährende Veruntreuung der eingezahlten Gelder auch für die noch vorhandenen Gelder, die Anleger schutzlos stellen; dies widerspräche jedoch insbesondere dem Rechtsgedanken des § 34 a WpHG. § 34 a WpHG hat die Gefahr im Auge, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen in Insolvenz geraten und Gläubiger auf die Kundengelder zugreifen (Assmann/Schneider/Koller, WpHG, 5. A., § 34 a Rn. 1); deshalb sollen die Kundengelder - wie es hier formal geschehen ist - auf Treuhandkonten angelegt werden. Zwar soll - und kann - die Vorschrift nicht die Gefahr bannen, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen Kundengelder für vertragswidrige Zwecke verwenden (Assmann / Schneider / Koller, a.a.O.). Wenn dies geschieht, besteht aber vor dem Hintergrund des Schutzgedankens des § 34 a WpHG keine Veranlassung, den Treugeber insgesamt gegenüber den Gläubigern des Wertpapierdienstleistungsunternehmens schutzlos zu stellen.
Der Senat folgt deshalb der auch von Prof. SV1 in seinem Gutachten vom Februar 2006 vertretenen Auffassung, dass der Umstand, dass der Treuhänder einen Teil des Vermögens vertragswidrig verwendet und / oder in das eigene Vermögen überführt, nichts an der treuhänderischen Bindung des verbleibenden Treuguts ändert, solange aus dem Verhalten des Treuhänders nicht nach außen erkennbar zu schließen ist, dass er das Treugut nunmehr insgesamt als eigenes, nicht mehr treuhänderisch gebundenes Vermögen betrachtet. Das war aber nicht der Fall, da die Schuldnerin formal in Kongruenz zu der Treuhandabrede handelte.
Weitere konkrete Umstände einer zum Wegfall der Treuhandbindung führenden Vermischung von Eigenvermögen und Treuhandgeldern hat der Kläger nicht dargelegt; insbesondere ist er nicht den Ausführungen des von ihm selbst zur Akte gereichten Privatgutachtens von Prof. SV1 entgegengetreten, der auch aus dem sonstigen Buchungsverhalten der Schuldnerin eine Vermischung nicht hergeleitet hat.
Unerheblich ist schließlich, ob die Konten als Treuhandkonten gekennzeichnet waren oder nicht. Auch das Guthaben auf einem „verdeckten" Treuhandkonto zählt vollstreckungs- und insolvenzrechtlich zum Vermögen des Treugebers (vgl. Hadding/Häuser, a.a.O., § 37 Rn. 43).
dd) Zu Unrecht rügt der Kläger schließlich, dass die Annahme einer Treuhand an der fehlenden Bestimmbarkeit scheitern würde.
Eine Aussonderung setzt voraus, dass die auszusondernden Gegenstände bestimmt oder bestimmbar sind. Aus dem Bestimmtheitserfordernis folgt, dass die Treuhand dinglich umgesetzt und das Treugut vom eigenen Vermögen getrennt gehalten werden muss (MünchKomm/Ganter, a.a.O., § 47 Rn. 358a). Bei der Bestimmbarkeit handelt es sich also nicht um eine weitere, zusätzliche Voraussetzung für die Annahme einer Treuhand. Der Umstand, dass bislang nicht geklärt ist, wie sich das Aussonderungsrecht der Höhe nach berechnen lässt, steht demgegenüber dem Vorliegen einer Treuhand nicht entgegen. Insofern kommen verschiedene Modelle in Betracht, die hier jedoch nicht streitgegenständlich sind.
ee) Nicht zu folgen vermag der Senat der Auffassung der Beklagten, dass auch die Guthaben der Geschäftskonten von der Treuhandbindung erfasst seien. Soweit die Beklagte dies daraus schließen will, dass die Schuldnerin nicht über eigenes Vermögen verfügte, lässt sie den Umstand außer Acht, dass die Schuldnerin die Geschäftskonten als Eigenkonten getrennt von den Einzahlungs- und Brokerkonten führte und sich über - auch unrechtmäßige - Abbuchungen von den Einzahlungskonten auf ihre Geschäftskonten ein eigenes Vermögen aufbaute, wobei durch die Abbuchungen von den Einzahlungskonten auf die Eigenkonten die abgebuchten Beträge ihre Eigenschaft als Treugut verloren (vgl. BGH, NJW 1959, 1223). Dem steht auch der Rechtsgedanke des § 392 Abs. 2 HGB nicht entgegen, auf den die Beklagte verweist. Geht man mit der Beklagten davon aus, dass die Schuldnerin als Kommissionärin tätig geworden ist, gelten zwar Forderungen aus einem Ausführungsgeschäft im Verhältnis zwischen Schuldnerin und Anleger auch ohne Abtretung als Forderungen der Anleger. Dies gilt aber nicht für das in Erfüllung der Forderung aus dem Ausführungsgeschäft Geleistete selbst (vgl. zum Nachweis der insoweit herrschenden Meinung Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, § 392 Rn. 7), so dass Guthaben auf den Einzahlungs- und Brokerkonten, die aus Ausführungsgeschäften stammen, durch Abbuchung auf die Geschäftskonten ihre Eigenschaft als treuhänderisch verwaltete Guthaben verlieren.
b) Das der Beklagten zustehende Aussonderungsrecht bezieht sich allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten - und wohl auch des Landgerichts - nicht lediglich allein und speziell auf die auf dem von der Beklagten bedienten Einzahlungskonto noch vorhandenen Gelder.
Der Senat ist vielmehr der Auffassung, dass es sich bei den Treuhandkonten um ein einheitliches Treugut handelt, das von der Schuldnerin für alle Anleger gemeinsam treuhänderisch gehalten werden sollte. Ziff. 6 des Anlageprospekts sieht unter „Rechtsbeziehungen" vor, dass der Kunde mit der Schuldnerin einen Vertrag über die Beteiligung am A X schließt, das unter Ziff. 1.1. der AGB auch als Kollektivanlage und Finanzpool bezeichnet wird und das aus den Einzahlungen mehrerer Kunden bestehen sollte, die miteinander in einem Ausführungskonto vermischt werden. Daraus folgt, dass es sich um eine Sammeltreuhand handeln sollte, bei der alle Einzahlungen treuhänderisches Gesamtgut werden.
c) Schließlich steht der Beklagten nicht nur ein Mitaussonderungsrecht, sondern ein eigener, individueller Aussonderungsanspruch zu. Nach § 47 S. 2 InsO bestimmt sich der Anspruch auf Aussonderung nach den außerhalb des Insolvenzverfahrens geltenden Gesetzen. Das Landgericht - das sich in den Entscheidungsgründen bei der Frage des Einzel- oder Mitaussonderungsrechts nicht festgelegt hat - verweist insoweit auf den Gedanken der §§ 948, 947 BGB, demzufolge die Ansprüche auf Auszahlung der Treuhandgelder allen auf das jeweilige Konto einzahlenden Gläubigern gemeinschaftlich zustünden, so dass die Verteilung der Gesamtsumme nach den Regeln der Auseinandersetzung erfolgen würde. Die §§ 948, 947 BGB finden allerdings keine unmittelbare Anwendung. Deshalb ist es nach Auffassung des Senats gerechtfertigt, sich daran zu orientieren, was die Schuldnerin mit den Anlegern konkret vereinbart hatte. Insoweit ist festzustellen, dass die Anleger lediglich in Einzelrechtsbeziehungen zur Schuldnerin standen. Zwar bilden sie miteinander einen (Finanz-) Pool; insofern ergibt sich aber aus Ziff. 12.2 i.V.m. Ziff. 13.1 der AGB, dass der Kunde die Beteiligung nach 6 Monaten schriftlich kündigen konnte mit der Folge der Ausbezahlung seines Guthabens bei Vertragsbeendigung. Dies muss sich nach Überzeugung des Senats auch auf die Frage der Aussonderung dahingehend auswirken, dass jeder Anleger ein eigenes, individuelles und nicht gemeinschaftsgebundenes Aussonderungsrecht hat.
C) Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO.
Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und der Fortbildung des Rechts sowie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dient. Insbesondere der Einfluss der Veruntreuung von Teilbeträgen auf das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses ist - angesichts konkret auf den Fall bezogener, divergierender Entscheidungen - grundsätzlich klärungsbedürftig.
Der Streitwert wird in Höhe des von der Beklagten außergerichtlich mit 8.932.666,70 € bezifferten Aussonderungsrechts festgesetzt.