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Wirtschaftsrecht
13.10.2011
Wirtschaftsrecht
BGH: Ausschluss des Rücktritts vom Kaufvertrag bei behebbarem Mangel

BGH, Urteil vom 29.6.2011 - VIII ZR 201/10

Leitsätze

1. Der Rücktritt vom Kaufvertrag ist bei einem behebbaren Mangel ausgeschlossen, wenn die Kosten seiner Beseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind. Das ist - auch im gehobenen Preissegment - jedenfalls dann der Fall, wenn die Mängelbeseitigungskosten ein Prozent des Kaufpreises nicht übersteigen.

2. Für die Frage der Erheblichkeit der Pflichtverletzung im Sinne von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB kommt es auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung nur dann an, wenn der Mangel nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar oder die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungewiss ist, etwa weil auch der Verkäufer sie nicht feststellen konnte.

BGB § 323 Abs. 5 S. 2

Sachverhalt

Die Parteien streiten um die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über ein Wohnmobil. Der Rechtsvorgänger der Klägerinnen erwarb von der Beklagten ein von der Streithelferin der Beklagten hergestelltes Wohnmobil C. zum Preis von 134 437 Euro. Die Übergabe erfolgte am 23.8.2006. Anschließend war das Wohnmobil insgesamt vier Mal zwecks Nachbesserungsarbeiten in der Werkstatt der Beklagten. Mit Schreiben vom 1.6.2007 erklärte der Rechtsvorgänger der Klägerinnen den Rücktritt vom Kaufvertrag.

Die Klägerinnen haben Zahlung von 127 715,15 Euro nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe des Wohnmobils, Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten bezüglich der Rücknahme des Fahrzeugs sowie Zahlung vorgerichtlicher Anwaltskosten nebst Zinsen begehrt. Die Vorinstanzen haben der Klage überwiegend stattgegeben und von der Klagesumme lediglich den Nutzungswertersatz abgesetzt; nach dem Berufungsurteil hat die Beklagte Zug-um-Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs 118 437 Euro nebst Zinsen zu zahlen. Die vom vom Senat zugelassene Revision hatte Erfolg.

Aus den Gründen

8          II. ... Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein Anspruch auf Rückgewähr des Kaufpreises nach § 346 Abs. 1, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, §§ 437, 440 BGB nicht bejaht werden.

9          1. Die Würdigung des Berufungsgerichts, dass das von der Beklagten an den Rechtsvorgänger der Klägerinnen verkaufte Wohnmobil Sachmängel insoweit aufweist, als ein Reifen Druck verliert und die Eingangstür sich mit normalem Kraftaufwand nicht vollständig schließen lässt, ist frei von Rechtsfehlern und wird von der Revision auch nicht angegriffen.

►     Kein Sachmangel in der Anordnung von Eingangstür und Ausstellfenster

10        2. Zu Recht beanstandet die Revision hingegen die Annahme des Berufungsgerichts, ein weiterer Mangel liege darin, dass sich die Eingangstür bei geöffnetem Aufstellfenster nicht bis zum Anschlag an die Wand öffnen lasse. Das Berufungsgericht begründet dies damit, dass es zur gewöhnlichen Verwendung einer Tür gehöre, dass sie sich bis zum Anschlag an die Wand öffnen lasse, und der Käufer eines Wohnmobils erwarten könne, dass er die Eingangstür auch bei geöffnetem Fenster um 180 Grad öffnen könne. Dies trifft nicht zu.

11        a) Nach § 434 Abs. 1 S. 1 BGB ist die Sache mangelfrei, wenn sie bei Gefahrübergang die vereinbarte Beschaffenheit hat. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Anordnung von Ausstellfenster und Eingangstür Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung war, etwa aufgrund einer dem Kaufvertrag zugrunde liegenden Modellbeschreibung. Sollte dies der Fall sein, läge in der gewählten Konstruktion, die bei geöffnetem Ausstellfenster nur eine Öffnung der Eingangstür bis zu 100 Grad erlaubt, schon aus diesem Grund kein Sachmangel.

12        b) Soweit die Beschaffenheit einer Sache nicht vereinbart ist und sie sich - was hier nicht in Frage steht - für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet, ist eine Sache mangelfrei, wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet und eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Danach liegt in der Anordnung von Eingangstür und Ausstellfenster kein Sachmangel. Denn die Funktion der Tür und des Ausstellfensters sind in vollem Umfang gegeben, so dass die Eignung des Wohnmobils zur gewöhnlichen Verwendung - als Fahrzeug und zum Wohnen - nicht in Frage steht. Hinsichtlich der Beschaffenheit, die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann, kommt es auf die objektiv berechtigte Käufererwartung an, die sich in Ermangelung abweichender Anhaltspunkte jedenfalls im Regelfall an der üblichen Beschaffenheit gleichartiger Sachen orientiert (Senatsurteile vom 7.2.2007 - VIII ZR 266/06, NJW 2007, 1351 Rn. 21, sowie vom 20.5.2009 - VIII ZR 191/07, BGHZ 181, 170, BB 2009, 1943 mit BB-Komm. von Bodungen/Hesse, BB 2009, 1945, Rn. 14). Tatsächliche Feststellungen zur üblichen Beschaffenheit von Wohnmobilen in der hier gegebenen Klasse hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Dass es zum allgemeinen und deshalb von Käufern berechtigterweise erwarteten Ausstattungsstandard von Wohnmobilen gehört, dass die Eingangstür zum Wohnbereich um 180 Grad geöffnet werden kann, erscheint schon deshalb fern liegend, weil dies für einen problemlosen Ein- und Ausstieg nicht erforderlich ist. Entsprechendes gilt für den Umstand, dass das neben der Eingangstür liegende Fenster als Ausstellfenster und nicht als Schiebefenster ausgestaltet ist und deshalb die Eingangstür mit dem ausgeklappten Fenster kollidieren kann, wenn sie um mehr als 100 Grad geöffnet wird. Ohne besondere Beschaffenheitsvereinbarung kann der Käufer auch bei einem Wohnmobil aus dem oberen Preissegment eine unter Gesichtspunkten des Komforts in jeder Hinsicht optimale Konstruktionsweise nicht erwarten.

►     Fristsetzung war nicht aufgrund ernsthafter und endgültiger Nachbesserungsverweigerung entbehrlich

13        3. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht ferner angenommen, dass die Beklagte bezüglich der von ihm angenommenen Mängel die Nachbesserung endgültig verweigert habe und eine Fristsetzung zur Nachbesserung deshalb entbehrlich gewesen sei.

14        a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an das Vorliegen einer ernsthaften und endgültigen Erfüllungsverweigerung im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB strenge Anforderungen zu stellen. Eine Erfüllungsverweigerung liegt nur vor, wenn der Schuldner unmissverständlich und eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen. Dafür reicht das bloße Bestreiten des Mangels oder des Klageanspruchs nicht aus. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Schuldner seinen Vertragspflichten unter keinen Umständen nachkommen will und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich von einer Fristsetzung werde umstimmen lassen (Senatsurteil vom 21.12.2005 - VIII ZR 49/05, BB 2006, 686, NJW 2006, 1195 Rn. 25).

15            Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt deshalb in der mit Schreiben der Beklagten vom 8.6.2007 erfolgten Mitteilung, alle Mängel seien behoben, keine endgültige Erfüllungsverweigerung. Die Beklagte hat damit zwar zum Ausdruck gebracht, dass sie sämtliche nach ihrer Auffassung bestehenden Mängel beseitigt habe und folglich das Vorhandensein weiterer Mängel in Abrede gestellt. Dass dies das letzte Wort der Beklagten darstellte und eine Fristsetzung deshalb sinnlos war, lässt sich daraus nicht entnehmen.

16        b) Zwar ist eine Fristsetzung zur Nacherfüllung auch dann entbehrlich, wenn die dem Käufer zustehende Art der Nachbesserung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist (§ 440 S. 1, 2 BGB). Ein Fehlschlagen der Nachbesserung kommt nach den Feststellungen des Berufungsgerichts aber lediglich bezüglich der schwergängigen Eingangstür in Betracht, weil insoweit bereits zwei vergebliche Nachbesserungsversuche stattgefunden haben; für die übrigen vom Berufungsgericht angenommenen Mängel gilt dies nicht.

17        Der Umstand, dass die Beklagte bereits wegen verschiedener anderer Mängel Nachbesserungsarbeiten vorgenommen hat, führt entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung nicht dazu, dass den Klägerinnen wegen der weiteren noch im Streit befindlichen Mängel eine Nachbesserung durch die Beklagte nicht mehr zumutbar wäre, denn der Käufer hat dem Verkäufer grundsätzlich wegen jedes einzelnen Mangels Gelegenheit zur Nachbesserung zu geben (vgl. Reinking/Eggert, Der Autokauf, 10. Aufl., Rn. 477).

►     Ein behebbarer Mangel ist jedenfalls dann unerheblich, wenn die Mangelbeseitigungskosten nicht mehr als 1 % des Kaufpreises betragen

18        4. Von Rechtsfehlern beeinflusst ist ferner die Auffassung des Berufungsgerichts, die von ihm angenommenen Sachmängel seien ungeachtet der unterhalb von einem Prozent des Kaufpreises liegenden Mängelbeseitigungskosten nicht unerheblich und hätten deshalb den Rechtsvorgänger der Klägerinnen zum Rücktritt berechtigt.

19        a) Nach § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn die in der Mangelhaftigkeit der Kaufsache liegende Pflichtverletzung unerheblich ist, das heißt, wenn der Mangel geringfügig ist. Das ist nach der Rechtsprechung des Senats der Fall, wenn der Mangel behebbar und die Kosten der Mangelbeseitigung im Verhältnis zum Kaufpreis geringfügig sind. Bei welchem Prozentsatz die Geringfügigkeitsgrenze überschritten ist, hat der Senat bislang offen gelassen. Die Frage bedarf auch hier keiner Entscheidung; denn jedenfalls Mängel, deren Beseitigung - wie hier - Aufwendungen in Höhe von nur knapp einem Prozent des Kaufpreises erfordern, sind nach der Rechtsprechung des Senats unzweifelhaft als unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB einzustufen, so dass auf sie ein Rücktritt nicht gestützt werden kann (Senatsurteil vom 14.9.2005 - VIII ZR 363/04, BB 2005, 2654, NJW 2005, 3490 unter II 2).

20        b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist diese Grenze hier nicht deshalb anders zu ziehen, weil Gegenstand des Kaufvertrages ein Fahrzeug der „Luxusklasse" ist. Für die Erheblichkeit eines behebbaren Mangels im Rahmen des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB kommt es regelmäßig auf die Relation zwischen den Kosten der Mängelbeseitigung und dem Kaufpreis an, denn das Gewicht der dem Verkäufer insoweit zur Last fallenden Pflichtverletzung lässt sich nur unter Berücksichtigung des Umfangs der geschuldeten Leistung insgesamt bewerten. Dies gilt auch für Güter aus einem höheren Preissegment wie im vorliegenden Fall.

21        c) Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung ist für die Frage der Erheblichkeit der Pflichtverletzung im Sinne des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB bei behebbaren Mängeln grundsätzlich auf die Kosten der Mängelbeseitigung und nicht auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung abzustellen. Auf das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung kommt es vielmehr nur dann entscheidend an, wenn der Mangel nicht oder nur mit hohen Kosten behebbar oder die Mangelursache im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung ungeklärt ist, etwa weil auch der Verkäufer sie nicht feststellen konnte, wie es bei dem Sachverhalt der Fall war, der dem von der Revisionserwiderung zitierten Senatsurteil vom 5. November 2008 (VIII ZR 166/07, NJW 2009, 508) zugrunde lag. Die Behebbarkeit der hier vom Berufungsgericht bejahten Mängel steht hingegen nicht in Frage.

22        d) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts können die mit einem verhältnismäßig geringen Kostenaufwand zu beseitigenden Mängel auch nicht deshalb als erheblich angesehen werden, weil sich das Wohnmobil insgesamt vier Mal zur Nachbesserung in der Werkstatt der Beklagten befunden hat und dies für den Käufer mit nicht unerheblichen Lästigkeiten verbunden gewesen ist. Denn die Erheblichkeit eines (fortbestehenden) Mangels hat nichts damit zu tun, in welchem Umfang der Verkäufer zuvor andere Mängel beseitigt hat und wie lästig dies gegebenenfalls für den Käufer gewesen ist.

23        III. Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif, da das Berufungsgericht keine Feststellungen zu den weiteren von den Klägerinnen geltend gemachten Mängeln getroffen hat. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).

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