EuGH: Ausschließliches Recht aus und Nichtbenutzung einer Unternehmensbezeichnung
EuGH, Urteil vom 10.7.2025 – C-365/24, Purefun Group AB gegen Doggy AB
ECLI:EU:C:2025:558
Volltext: BB-Online BBL2025-1729-1
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Tenor
Die Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken sowie die Art. 34 und 36 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die zum einen vorsieht, dass das ausschließliche Recht aus einer Unternehmensbezeichnung seinem Inhaber ermöglicht, einem Dritten die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens als Handels- oder Domainnamen für Waren oder Dienstleistungen zu verbieten, die mit denjenigen Waren oder Dienstleistungen identisch oder ihnen ähnlich sind, die unter Tätigkeiten fallen, für die seine Unternehmensbezeichnung eingetragen ist, und zum anderen, dass die Nichtbenutzung der Unternehmensbezeichnung unter bestimmten Voraussetzungen zum Verfall des ausschließlichen Rechts führen kann und dass der Inhaber der Unternehmensbezeichnung verpflichtet ist, die Art der Tätigkeiten, die zu seinem Unternehmensgegenstand gehören, so genau zu beschreiben und einzugrenzen, dass Dritte hierüber wirksam informiert werden können.
Aus den Grüden
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 und Art. 5 Abs. 4 der Richtlinie (EU) 2015/2436 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. 2015, L 336, S. 1) sowie der Art. 34 und 36 AEUV.
2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Purefun Group AB und der Doggy AB wegen einer Markenrechtsverletzung.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
AEU-Vertrag
3 Art. 34 AEUV bestimmt:
„Mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung sind zwischen den Mitgliedstaaten verboten.“
4 Art. 36 AEUV lautet:
„Die Bestimmungen der Artikel 34 und 35 stehen Einfuhr‑, Ausfuhr- und Durchfuhrverboten oder ‑beschränkungen nicht entgegen, die aus Gründen der öffentlichen Sittlichkeit, Ordnung und Sicherheit, zum Schutze der Gesundheit und des Lebens von Menschen, Tieren oder Pflanzen, des nationalen Kulturguts von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gerechtfertigt sind. Diese Verbote oder Beschränkungen dürfen jedoch weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen.“
Richtlinie 2015/2436
5 Im 41. Erwägungsgrund der Richtlinie 2015/2436 heißt es:
„Die Mitgliedstaaten sind durch die [am 20. März 1883 in Paris unterzeichnete Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums, zuletzt revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 und geändert am 28. September 1979 (United Nations Treaty Series, Bd. 828, Nr. 11851, S. 305)], (im Folgenden ‚Pariser Verbandsübereinkunft‘) und durch das [Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums in Anhang 1 C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO), das durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche genehmigt wurde (ABl. 1994, L 336, S. 1, im Folgenden: TRIPS-Übereinkommen)] gebunden. Es ist erforderlich, dass sich diese Richtlinie mit der Pariser Verbandsübereinkunft und dem TRIPS-Übereinkommen in vollständiger Übereinstimmung befindet. Die Verpflichtungen der Mitgliedstaaten, die sich aus der Pariser Verbandsübereinkunft und … jenem Übereinkommen ergeben, sollten durch diese Richtlinie nicht berührt werden. Gegebenenfalls sollte Artikel 351 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union Anwendung finden.“
6 Art. 1 („Anwendungsbereich“) der Richtlinie 2015/2436 bestimmt:
„Diese Richtlinie findet auf Individual‑, Garantie‑, Gewährleistungs- oder Kollektivmarken für Waren oder Dienstleistungen Anwendung, die in einem Mitgliedstaat oder beim Benelux-Amt für geistiges Eigentum eingetragen oder angemeldet oder mit Wirkung für einen Mitgliedstaat international registriert worden sind.“
7 Art. 5 („Relative Eintragungshindernisse oder Nichtigkeitsgründe“) Abs. 4 der Richtlinie 2015/2436 sieht vor:
„Jeder Mitgliedstaat kann vorsehen, dass eine Marke von der Eintragung auszuschließen ist oder im Falle der Eintragung der Nichtigerklärung zu unterliegen hat, wenn und soweit
a) Rechte an einer nicht eingetragenen Marke oder einem sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Zeichen vor dem Tag der Anmeldung der jüngeren Marke oder gegebenenfalls vor dem Tag der für die Anmeldung der jüngeren Marke in Anspruch genommenen Priorität erworben worden sind und diese nicht eingetragene Marke oder dieses sonstige Zeichen dem Inhaber das Recht verleiht, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen;
b) die Benutzung der Marke aufgrund eines älteren, nicht in Absatz 2 genannten Rechts … oder aufgrund von Buchstabe a des vorliegenden Absatzes untersagt werden kann, insbesondere aufgrund eines
i) Namensrechts;
ii) Rechts an der eigenen Abbildung;
iii) Urheberrechts;
iv) gewerblichen Schutzrechts;
c) die Marke mit einer älteren, im Ausland geschützten Marke verwechselt werden kann, sofern der Anmelder die Anmeldung bösgläubig eingereicht hat.“
8 In Art. 10 („Rechte aus der Marke“) der Richtlinie 2015/2436 heißt es:
„(1) Mit der Eintragung der Marke erwirbt ihr Inhaber ein ausschließliches Recht an ihr.
(2) Der Inhaber einer eingetragenen Marke hat unbeschadet der von Inhabern vor dem Zeitpunkt der Anmeldung oder dem Prioritätstag der eingetragenen Marke erworbenen Rechte das Recht, Dritten zu verbieten, ohne seine Zustimmung im geschäftlichen Verkehr, in Bezug auf Waren oder Dienstleistungen, ein Zeichen zu benutzen, wenn
a) das Zeichen mit der Marke identisch ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke eingetragen ist;
b) das Zeichen mit der Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch oder ihnen ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, und für das Publikum die Gefahr einer Verwechslung besteht, die die Gefahr einschließt, dass das Zeichen mit der Marke gedanklich in Verbindung gebracht wird;
c) das Zeichen mit der Marke identisch oder ihr ähnlich ist, unabhängig davon, ob es für Waren oder Dienstleistungen benutzt wird, die mit denjenigen identisch sind oder denjenigen ähnlich sind oder nicht ähnlich sind, für die die Marke eingetragen ist, wenn diese in dem betreffenden Mitgliedstaat bekannt ist und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt.
(3) Sind die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt, so kann insbesondere verboten werden,
a) das Zeichen auf Waren oder deren Verpackung anzubringen;
b) unter dem Zeichen Waren anzubieten, in den Verkehr zu bringen oder zu den genannten Zwecken zu besitzen oder unter dem Zeichen Dienstleistungen anzubieten oder zu erbringen;
c) Waren unter dem Zeichen einzuführen oder auszuführen;
d) das Zeichen als Handelsnamen oder Unternehmensbezeichnung oder als Teil eines Handelsnamens oder einer Unternehmensbezeichnung zu benutzen;
e) das Zeichen in den Geschäftspapieren und in der Werbung zu benutzen;
f) das Zeichen in der vergleichenden Werbung in einer der [Richtlinie 2006/114/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über irreführende und vergleichende Werbung (ABl. 2006, L 376, S. 21)] zuwiderlaufenden Weise zu benutzen.
…“
9 Art. 16 („Benutzung der Marke“) Abs. 1 der Richtlinie 2015/2436 bestimmt:
„Hat der Inhaber der Marke diese für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen ist, innerhalb von fünf Jahren nach Abschluss des Eintragungsverfahrens nicht ernsthaft in dem Mitgliedstaat benutzt oder wurde eine solche Benutzung während eines ununterbrochenen Zeitraums von fünf Jahren ausgesetzt, so unterliegt die Marke den in Artikel 17, Artikel 19 Absatz 1, Artikel 44 Absätze 1 und 2 und Artikel 46 Absätze 3 und 4 vorgesehenen Beschränkungen und Sanktionen, es sei denn, dass berechtigte Gründe für die Nichtbenutzung vorliegen.“
Schwedisches Recht
Markengesetz
10 Das Varumärkeslag (2010:1877) (Markengesetz [2010:1877], im Folgenden: Markengesetz) wurde geändert, um die Richtlinie 2015/2436 in die schwedische Rechtsordnung umzusetzen. Kapitel 1 § 8 des Markengesetzes sieht vor, dass der Inhaber einer Unternehmensbezeichnung oder eines sonstigen Handelsnamens das ausschließliche Recht an dem Zeichen als Marke hat.
11 Kapitel 1 § 10 des Markengesetzes bestimmt, dass das ausschließliche Recht an einer Marke gemäß Kapitel 1 § 8 des Markengesetzes beinhaltet, dass niemand anderes als der Markeninhaber ohne dessen Genehmigung ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen im geschäftlichen Verkehr verwenden darf, wenn das Zeichen mit der Marke identisch oder ihr ähnlich ist und für identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen verwendet wird, sofern Verwechslungsgefahr besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Verwendung des Zeichens den Eindruck erweckt, dass zwischen dem Verwender des Zeichens und dem Inhaber der Marke ein Zusammenhang bestehe.
12 Gemäß Kapitel 8 § 3 des Markengesetzes kann das Gericht auf Antrag des Inhabers einer Marke dem Verletzer unter Androhung einer Geldbuße verbieten, die Markenrechtsverletzung fortzusetzen.
Gesetz über die Unternehmensbezeichnung
13 Kapitel 1 § 1 des Lag (2018:1653) om företagsnamn (Gesetz über die Unternehmensbezeichnung [2018:1653], im Folgenden: Gesetz über die Unternehmensbezeichnung) definiert die Unternehmensbezeichnung als die Bezeichnung, unter der ein Unternehmen seine Tätigkeit betreibt, wobei „Handelsname“ die gemeinsame Bezeichnung für eine Unternehmensbezeichnung und sonstige Zeichen ist.
14 Kapitel 1 § 2 des Gesetzes über die Unternehmensbezeichnung sieht vor, dass ein Unternehmen das ausschließliche Recht an einer Unternehmensbezeichnung durch Eintragung oder durch den Erwerb von Verkehrsgeltung erwirbt. Wer Inhaber einer Marke oder eines anderen Zeichens ist, hat gemäß Kapitel 1 § 3 des Gesetzes über die Unternehmensbezeichnung ein ausschließliches Recht an dem Zeichen als Handelsnamen.
15 Kapitel 2 § 1 des Gesetzes über die Unternehmensbezeichnung bestimmt, dass eine Unternehmensbezeichnung nur eingetragen werden darf, wenn sie die Tätigkeit des Inhabers von der anderer zu unterscheiden vermag. Aus dieser Vorschrift geht hervor, dass bei der Beurteilung, ob eine Unternehmensbezeichnung Unterscheidungskraft hat, zu berücksichtigen ist, wie lange und in welchem Umfang die Unternehmensbezeichnung angewandt worden ist. Des Weiteren ist eine Unternehmensbezeichnung als solche nicht als unterscheidungskräftig anzusehen, wenn sie lediglich aus einer allgemeinen Benennung der Art der Tätigkeit oder einer Ware oder Dienstleistung, die im Rahmen der Tätigkeit angeboten wird, oder lediglich aus einem allgemein verwendeten Ortsnamen o. Ä. besteht. Enthält die Unternehmensbezeichnung eine Bezeichnung wie Aktiengesellschaft, Handelsgesellschaft, wirtschaftliche Vereinigung oder eine Abkürzung einer solchen Bezeichnung, bleibt dies bei der Beurteilung außer Betracht.
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen
16 Die Gesellschaft schwedischen Rechts Doggy produziert u. a. Hundefutter. Ihr Unternehmensgegenstand ist die Herstellung von Futtermitteln und anderen Produkten für Tiere sowie der Handel mit diesen Produkten und damit zusammenhängende Tätigkeiten. Die Gesellschaft ist Inhaberin der Unternehmensbezeichnung „Doggy AB“ und der Wortmarke DOGGY, die in Schweden für Futtermittel der Klasse 31 des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken vom 15. Juni 1957 in revidierter und geänderter Fassung eingetragen ist.
17 Die Purefun Group AB (im Folgenden: Purefun) ist eine Gesellschaft schwedischen Rechts, die im Einzelhandel u. a. mit Hundefutter- und Hundeleckerli tätig ist. Sie verkauft ihre Produkte auf ihrer Website unter dem Domainnamen „doggie.se“ und benutzt bei der Ausübung ihrer Tätigkeiten das Zeichen „DOGGIE“.
18 Im November 2021 verklagte Doggy Purefun zum einen auf Unterlassung der Benutzung des Zeichens „DOGGIE“ und zum anderen auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 150 000 schwedischen Kronen (SEK) (etwa 13 000 Euro). Doggy machte geltend, Purefun benutze dieses Zeichen sowie die Marke und die Unternehmensbezeichnung, deren Inhaberin Doggy sei, ohne ihre Zustimmung.
19 Das erstinstanzliche Gericht gab den Anträgen von Doggy mit der Begründung statt, dass zwischen der Marke und der Unternehmensbezeichnung von Doggy einerseits und dem von Purefun benutzten Zeichen „DOGGIE“ andererseits Verwechslungsgefahr bestehe.
20 Gegen diese Entscheidung legte Purefun beim Svea hovrätt, Patent- och marknadsöverdomstolen (Patent- und Marktobergericht, Schweden), dem vorlegenden Gericht, Berufung ein.
21 Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass das Gesetz über die Unternehmensbezeichnung in Schweden zum einen vorsehe, dass die Unternehmensbezeichnung eines Unternehmens diesem ein ausschließliches Recht an dieser Bezeichnung einräume, sofern das Zeichen, das diese Bezeichnung bilde, es ermögliche, die Tätigkeiten ihres Inhabers von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Der Umfang dieses Rechts sei mit dem Umfang des ausschließlichen Rechts vergleichbar, das seinem Inhaber durch eine Marke verliehen werde. Zum anderen werde nach dem Markengesetz auch dem Inhaber einer Marke oder eines anderen Zeichens, das als Unternehmensbezeichnung benutzt werde, ein ausschließliches Recht an dieser Marke eingeräumt. Somit genieße der Inhaber einer Unternehmensbezeichnung nach diesen nationalen Bestimmungen einen „Kreuzschutz“, der es ihm erlaube, Dritten zu verbieten, im geschäftlichen Verkehr ein mit dieser Unternehmensbezeichnung identisches oder dieser Bezeichnung ähnliches Zeichen für identische oder ähnliche Arten von Waren oder Dienstleistungen zu benutzen, sofern Verwechslungsgefahr bestehe, insbesondere wenn die Benutzung des Zeichens den Eindruck erwecken könnte, dass eine Verbindung zwischen seinem Benutzer und dem Inhaber dieser Unternehmensbezeichnung bestehe.
22 Das vorlegende Gericht wirft die Frage auf, ob dieser sich aus den Bestimmungen des Markengesetzes und des Gesetzes über die Unternehmensbezeichnung ergebende Schutz mit der Richtlinie 2015/2436 und ganz allgemein mit dem Grundsatz des freien Warenverkehrs vereinbar ist. Es ist im Wesentlichen der Ansicht, dass dieser „Kreuzschutz“ dem Inhaber einer Unternehmensbezeichnung zwar einen Schutz biete, der dem der Marke entspreche, dass er aber keinen so strengen Voraussetzungen unterliege, wie sie bei der Marke gälten. Das vorlegende Gericht weist insoweit auf zwei Unterschiede hin.
23 Erstens könne das Fehlen einer ernsthaften Benutzung einer Marke für die Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen sei, zum Verfall des ausschließlichen Rechts ihres Inhabers führen, doch sehe das schwedische Recht keine entsprechende Bestimmung für eine Unternehmensbezeichnung vor.
24 Zweitens sei für die Feststellung, ob ein Zeichen für Waren oder Dienstleistungen benutzt werde, die mit denjenigen identisch seien, für die eine Marke eingetragen sei, auf das durch das Abkommen von Nizza festgelegte Klassifikationssystem abzustellen, während für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr bei der Unternehmensbezeichnung auf die Tätigkeiten abgestellt werde, auf die sich der Unternehmensgegenstand beziehe, der weit gefasst sein könne.
25 In Anbetracht dieser Unterschiede hält es das vorlegende Gericht für möglich, dass der Schutz, den das schwedische Recht Unternehmensbezeichnungen gewähre, über den in der Richtlinie 2015/2436 für Marken vorgesehenen Schutz hinausgehe, was den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr beeinträchtigen könnte. Dieser Schutz könnte nämlich den grenzüberschreitenden Verkauf von Waren oder das grenzüberschreitende Erbringen von Dienstleistungen behindern.
26 Unter diesen Umständen hat das Svea hovrätt, Patent- och marknadsöverdomstolen (Patent- und Marktobergericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Ist eine nationale Regelung mit den Bestimmungen der Richtlinie 2015/2436, insbesondere deren Art. 1 und Art. 5 Abs. 4 in Verbindung mit dem AEU-Vertrag und dem grundlegenden unionsrechtlichen Prinzip des freien Waren- und Dienstleistungsverkehrs vereinbar, die vorsieht, dass ein älteres Recht an einer Unternehmensbezeichnung das Verbot der Benutzung einer jüngeren Marke in dem gesamten Tätigkeitsbereich, für den die Unternehmensbezeichnung eingetragen ist, begründen kann, ohne zu verlangen, dass die Unternehmensbezeichnung zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen benutzt worden sein muss?
2. Falls Frage 1 verneint wird: Ist es mit der Richtlinie 2015/2436 und dem Unionsrecht im Übrigen vereinbar, dass eine Unternehmensbezeichnung, die in dem Tätigkeitsbereich, für den die Unternehmensbezeichnung eingetragen ist, als solche als Zeichen zur Unterscheidung bestimmter Arten von Waren oder Dienstleistungen verwendet wird, das Verbot der Benutzung einer jüngeren Marke für andere Arten von Waren oder Dienstleistungen als diejenigen begründet, für die die Unternehmensbezeichnung als Zeichen verwendet wird?
Zu den Vorlagefragen
27 Nach ständiger Rechtsprechung ist es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof dessen Aufgabe, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits zweckdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat der Gerichtshof die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteile vom 17. Juli 1997, Krüger, C‑334/95, EU:C:1997:378, Rn. 22 und 23, sowie vom 29. April 2025, Prezydent Miasta Mielca, C‑453/23, EU:C:2025:285, Rn. 38 und die dort angeführte Rechtsprechung).
28 Im vorliegenden Fall geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass das vorlegende Gericht sich die Frage stellt, ob die im schwedischen Recht aufgestellten Voraussetzungen für den Schutz einer Unternehmensbezeichnung, insofern sie weniger streng sind als die bei Marken geltenden, mit der Richtlinie 2015/2436 sowie den Grundsätzen des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs vereinbar sind.
29 Aus den Angaben des vorlegenden Gerichts ergibt sich zum einen, dass die Benutzung des Zeichens durch Purefun, die der Inhaber der eingetragenen Unternehmensbezeichnung, nämlich das Unternehmen Doggy, verbieten möchte, u. a. den Verkauf von Hundefutter- und Hundeleckerli betrifft, und zum anderen, dass zum Gegenstand dieses Unternehmens der Verkauf von Futtermitteln und anderen Produkten für Tiere sowie damit zusammenhängende Tätigkeiten gehören. Folglich betrifft die Benutzung des Zeichens, gegen die sich der Inhaber der eingetragenen Unternehmensbezeichnung wendet, nur Arten von Waren oder Dienstleistungen, für die diese Unternehmensbezeichnung eingetragen wurde.
30 Somit möchte das vorlegende Gericht mit seinen beiden Fragen, die zusammen zu prüfen sind, im Wesentlichen wissen, ob die Richtlinie 2015/2436 sowie die Art. 34 und 36 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der das ausschließliche Recht aus einer Unternehmensbezeichnung seinem Inhaber ermöglicht, einem Dritten die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens als Handels- oder Domainnamen für Waren oder Dienstleistungen zu verbieten, die mit denjenigen Waren oder Dienstleistungen identisch oder ihnen ähnlich sind, die unter Tätigkeiten fallen, für die seine Unternehmensbezeichnung eingetragen ist, auch wenn diese Regelung weder vorsieht, dass die Nichtbenutzung der Unternehmensbezeichnung zum Verfall des ausschließlichen Rechts führen kann, noch für die Eintragung der Unternehmensbezeichnung die Angabe der Waren oder Dienstleistungen verlangt, die zum Unternehmensgegenstand ihres Inhabers gehören.
31 Zur Beantwortung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass die Richtlinie 2015/2436 auf die Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften über Marken abzielt, nicht aber auf die Angleichung der Rechtsvorschriften über den Handelsnamen, worunter eine Unternehmensbezeichnung fallen kann. In Ermangelung einer Harmonisierung auf der Ebene der Europäischen Union unterliegt der Schutz des Handelsnamens dem nationalen Recht.
32 Der Handelsname als Recht des geistigen Eigentums ist dem Unionsrecht jedoch nicht fremd. So sind einige Bestimmungen der Pariser Verbandsübereinkunft, die von allen Mitgliedstaaten, nicht aber von der Union geschlossen wurde, in das von der Union geschlossene TRIPS-Übereinkommen aufgenommen worden, so dass diese Bestimmungen in der Unionsrechtsordnung die gleichen Wirkungen wie das TRIPS-Übereinkommen haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. Februar 2024, EUIPO/The KaiKai Company Jaeger Wichmann, C‑382/21 P, EU:C:2024:172, Rn. 59 bis 62).
33 Zu den Bestimmungen, die auf diese Weise in das TRIPS-Übereinkommen aufgenommen wurden, gehört Art. 8 dieses Übereinkommens, wonach „[d]er Handelsname … in allen Verbandsländern, ohne Verpflichtung zur Hinterlegung oder Eintragung, geschützt [wird], gleichgültig, ob er einen Bestandteil einer Fabrik- oder Handelsmarke bildet oder nicht“.
34 Diese Gesichtspunkte spiegeln sich in der Richtlinie 2015/2436 wider, in deren 41. Erwägungsgrund betont wird, dass es „erforderlich“ ist, dass sich die Richtlinie mit der Pariser Verbandsübereinkunft und dem TRIPS-Übereinkommen „in vollständiger Übereinstimmung“ befindet. Somit ermöglicht Art. 10 Abs. 3 Buchst. d der Richtlinie 2015/2436 – als eines der Rechte aus der Marke – dem Markeninhaber, sein ausschließliches Recht für ein Verbot zu verwenden, „das Zeichen als Handelsnamen oder Unternehmensbezeichnung oder als Teil eines Handelsnamens oder einer Unternehmensbezeichnung zu benutzen“. Diese Bestimmung ist Ausdruck des grundsätzlichen Vorrangs des älteren ausschließlichen Rechts, der einen der Grundsätze des Markenrechts und allgemeiner des gesamten Rechts des gewerblichen Eigentums bildet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 2. Juni 2022, Classic Coach Company, C‑112/21, EU:C:2022:428, Rn. 40 und die dort angeführte Rechtsprechung).
35 Dieser Grundsatz gilt auch für bestimmte Konflikte zwischen einem älteren Handelsnamen und einer jüngeren Marke. So geht aus Art. 5 Abs. 4 Buchst. a der Richtlinie 2015/2436 hervor, dass „[j]eder Mitgliedstaat … vorsehen [kann], dass eine Marke von der Eintragung auszuschließen ist oder im Falle der Eintragung der Nichtigerklärung zu unterliegen hat, wenn und soweit … Rechte an einer nicht eingetragenen Marke oder einem sonstigen im geschäftlichen Verkehr benutzten Zeichen … erworben worden sind und diese nicht eingetragene Marke oder dieses sonstige Zeichen dem Inhaber das Recht verleiht, die Benutzung einer jüngeren Marke zu untersagen“.
36 Im vorliegenden Fall betrifft der Konflikt im Ausgangsverfahren zwischen dem in einer älteren Unternehmensbezeichnung verwendeten Zeichen „Doggy“ und dem Zeichen „DOGGIE“, das als Handels- oder Domainname benutzt wird, überhaupt keine Marken. Da die Richtlinie 2015/2436 nur auf die Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften über Marken abzielt, ist sie aber nicht einschlägig, wenn es um die Lösung eines Konflikts zwischen zwei Handelsnamen geht. Die Vereinbarkeit nationaler Maßnahmen, die solche Konflikte regeln, ist daher nicht anhand dieser Richtlinie, sondern anhand des Primärrechts zu beurteilen.
37 In diesem Zusammenhang hat das vorlegende Gericht Zweifel, ob die sich aus dem Markengesetz in Verbindung mit dem Gesetz über die Unternehmensbezeichnung ergebende schwedische Regelung zum Schutz von Unternehmensbezeichnungen mit den Grundsätzen des freien Warenverkehrs und des freien Dienstleistungsverkehrs vereinbar ist.
38 Nach den Angaben des vorlegenden Gerichts gilt diese Regelung für die Unternehmensbezeichnungen aller schwedischen Unternehmen, unabhängig davon, welche Waren oder Dienstleistungen zu ihren Tätigkeiten gehören.
39 Außerdem geht es dem vorlegenden Gericht zufolge im Ausgangsrechtsstreit um das Recht des Inhabers einer Unternehmensbezeichnung, dessen Tätigkeit darin besteht, bestimmte Futtermittel und Produkte für Tiere herzustellen und zu verkaufen, einer anderen Gesellschaft zu verbieten, solche Waren unter einem Handelsnamen zu verkaufen, der dieser Unternehmensbezeichnung ähnlich oder mit ihr identisch ist. Da dieser Rechtsstreit vorwiegend den freien Warenverkehr betrifft und das vorlegende Gericht keine Angaben zum freien Dienstleistungsverkehr gemacht hat, ist die Vereinbarkeit dieser Regelung mit Art. 56 AEUV nicht eigenständig zu prüfen.
40 Der freie Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten ist ein grundlegendes Prinzip des AEU-Vertrags, das seinen Ausdruck in Art. 34 AEUV findet, der es den Mitgliedstaaten verbietet, untereinander mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung zu erlassen. Nach ständiger Rechtsprechung ist diese Vorschrift auf alle nationalen Maßnahmen anwendbar, die geeignet sind, den Handel innerhalb der Union unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 1974, Dassonville, 8/74, EU:C:1974:82, Rn. 5, und vom 29. Juli 2024, BP France, C‑624/22, EU:C:2024:640, Rn. 61). Eine nationale Regelung oder Praxis, die eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen darstellt, kann jedoch durch einen der in Art. 36 AEUV genannten Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, zu denen der Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums gehört.
41 In Ermangelung einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Handelsnamen kann es zwar eine gegen Art. 34 AEUV verstoßende Beschränkung des freien Warenverkehrs darstellen, wenn einem Unternehmen untersagt wird, für den Vertrieb bestimmter Waren in einem Mitgliedstaat dieselben Handelsnamen zu verwenden, die es in anderen Mitgliedstaaten benutzt. Eine solche Beschränkung ist jedoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt, die mit dem Schutz des gewerblichen und kommerziellen Eigentums zusammenhängen, nämlich dem Schutz von Handelsnamen vor Verwechslungsgefahr (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Mai 1999, Pfeiffer, C‑255/97, EU:C:1999:240, Rn. 26 bis 29).
42 Eine solche Beschränkung darf aber auch nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
43 Ohne ausdrücklich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu erwähnen, vertritt das vorlegende Gericht im Wesentlichen die Auffassung, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung zum Nachteil der Inhaber von Handelsnamen anderer Mitgliedstaaten wirke, indem sie dem Inhaber einer Unternehmensbezeichnung eines nach schwedischem Recht gegründeten Unternehmens ein Schutzniveau biete, das dem einer Marke vergleichbar sei, ohne Bedingungen vorzuschreiben, die mit den in der Richtlinie 2015/2436 vorgesehenen Voraussetzungen in Bezug auf die ernsthafte Benutzung der Marke und die Beschreibung der Waren oder Dienstleistungen, für die sie eingetragen sei, gleichwertig seien.
44 Wie in Rn. 31 des vorliegenden Urteils ausgeführt, zielt die Richtlinie 2015/2436 jedoch nicht auf eine Angleichung der Rechtsvorschriften über den Handelsnamen ab. In Ermangelung einer solchen Harmonisierung und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Funktionen von Marken und Handelsnamen können die Art. 34 und 36 AEUV nicht dahin ausgelegt werden, dass der Schutz von Handelsnamen denselben Anforderungen unterliegen müsste, wie sie für Marken gelten.
45 Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass im Markengesetz das Fehlen einer ernsthaften Benutzung einer Unternehmensbezeichnung nicht denselben Beschränkungen oder Sanktionen unterliegt, die in Art. 16 der Richtlinie 2015/2436 vorgesehen sind. Außerdem ergibt sich aus den Erklärungen, die die schwedische Regierung und die Europäische Kommission beim Gerichtshof eingereicht haben, dass nach dem Gesetz über die Unternehmensbezeichnung die Nichtbenutzung einer Unternehmensbezeichnung unter bestimmten Voraussetzungen zum Verfall des ausschließlichen Rechts aus dieser Unternehmensbezeichnung führen kann, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.
46 Was die vom vorlegenden Gericht angeführte Gefahr betrifft, dass Unternehmensbezeichnungen einen umfassenderen Schutz vor Verwechslungsgefahr genössen als Marken, weil die Definition der Tätigkeiten, die zum Gegenstand eines Unternehmens gehörten, weniger streng geregelt sei als die Abgrenzung der Klassen von Waren oder Dienstleistungen, für die eine Marke gemäß der Richtlinie 2015/2436 eingetragen sei, ist erstens darauf hinzuweisen, dass der Gegenstand eines Unternehmens nicht dazu dient, alle Waren oder Dienstleistungen, die zu den Tätigkeiten dieses Unternehmens gehören können, genau oder erschöpfend zu beschreiben. Dagegen ist diese Genauigkeit bei einer Marke erforderlich, um etwaige absolute oder relative Nichtigkeitsgründe zu beurteilen und das ausschließliche Recht aus dieser Marke auszuüben, das es ihrem Inhaber ermöglicht, das eingetragene Zeichen als Marke für bestimmte Waren oder Dienstleistungen zu monopolisieren.
47 Zweitens ergibt sich aus den Erläuterungen des vorlegenden Gerichts, dass das ausschließliche Recht des Inhabers einer eingetragenen Unternehmensbezeichnung nach schwedischem Recht zwar in den von seinem Unternehmensgegenstand erfassten Tätigkeitsbereichen gültig ist, dass es aber den Inhaber verpflichtet, die Art dieser Tätigkeiten so genau zu beschreiben und einzugrenzen, dass Dritte hierüber wirksam informiert werden können.
48 Unter diesen Umständen ist vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Prüfungen festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung, die dem Inhaber einer Unternehmensbezeichnung ein ausschließliches Recht einräumt, offenbar nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung des im Allgemeininteresse liegenden Ziels des Schutzes des gewerblichen und kommerziellen Eigentums erforderlich ist.
49 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass die Richtlinie 2015/2436 sowie die Art. 34 und 36 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die zum einen vorsieht, dass das ausschließliche Recht aus einer Unternehmensbezeichnung seinem Inhaber ermöglicht, einem Dritten die Benutzung eines identischen oder ähnlichen Zeichens als Handels- oder Domainnamen für Waren oder Dienstleistungen zu verbieten, die mit denjenigen Waren oder Dienstleistungen identisch oder ihnen ähnlich sind, die unter Tätigkeiten fallen, für die seine Unternehmensbezeichnung eingetragen ist, und zum anderen, dass die Nichtbenutzung der Unternehmensbezeichnung unter bestimmten Voraussetzungen zum Verfall des ausschließlichen Rechts führen kann und dass der Inhaber der Unternehmensbezeichnung verpflichtet ist, die Art der Tätigkeiten, die zu seinem Unternehmensgegenstand gehören, so genau zu beschreiben und einzugrenzen, dass Dritte hierüber wirksam informiert werden können.