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Wirtschaftsrecht
17.03.2009
Wirtschaftsrecht
OLG München: Auslegung von Unternehmensverträgen durch das Registergericht

OLG München, Urteil vom 9.12.2008 - 31 Wx 106/08

Leitsatz

1. Das Registergericht hat die Wirksamkeit der zur Eintragung angemeldeten außerordentlichen Kündigung eines Unternehmensvertrages zu prüfen, wenn Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass ein Kündigungsgrund nicht vorliegt.

2. Die in einem Unternehmensvertrag getroffenen Regelungen zum Vertragsbeginn sind objektiv auszulegen.

AktG § 291, § 297

Sachverhalt

Gegenstand des Verfahrens ist der Antrag auf Eintragung der Kündigung eines Beherrschungsvertrags. Die beteiligte Gesellschaft, die B. Holding AG, schloss am 26.4.2007 mit ihrer Alleinaktionärin, der B. Group Beteiligungs GmbH, als herrschender Gesellschaft einen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag. In § 5 Abs. 2 des Vertrags ist u.a. bestimmt, dass dieser hinsichtlich der Gewinnabführungs- und der Verlustausgleichsverpflichtung erstmalig für das gesamte am 1.1.2007 beginnende Geschäftsjahr der Organgesellschaft gilt. Eine körperschaftsteuerliche und gewerbesteuerliche Organschaft besteht nach § 6 Abs. 2 des Vertrags erst ab 1.1.2008. Unter dem 28.9.2007 vereinbarten die am Vertrag beteiligten Gesellschaften eine Schreibfehlerberichtigung in § 5 Abs. 2 des Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages (EAV) dahin vorzunehmen, dass es für den Zeitpunkt des Beginns „1.1.2008" heißen müsse, denn es sei beabsichtigt gewesen, dass handels- und steuerrechtlicher Beginn gleichlaufend sein sollten. Mit Schreiben vom 10.12.2007 erklärte die herrschende Gesellschaft unter Hinweis auf die mögliche Formunwirksamkeit der Schreibfehlerberichtigung die außerordentliche Kündigung mit sofortiger Wirkung, die beherrschte Gesellschaft erklärte sich am selben Tag damit einverstanden.

Das Registergericht lehnte den Antrag auf Eintragung der Kündigung des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags zum 10.12.2007 ab, da ein tragfähiger Grund für eine außerordentliche Kündigung im Hinblick auf die konkreten Umstände (nicht nachvollziehbarer Wille des Abschlusses für einen späteren Zeitpunkt, Kündigung erst Monate nach behauptetem Entdecken des Versehens, fehlende steuerliche Auswirkungen, interne Freistellung von den Vertragspflichten) nicht ersichtlich sei. Die gegen diese Entscheidung von der beteiligten Gesellschaft eingelegte Beschwerde wies das LG zurück. Auch die weitere Beschwerde blieb in der Sache ohne Erfolg.

Aus den Gründen

II. Das Registergericht hat es zu Recht abgelehnt, die Beendigung des eingetragenen Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages aufgrund der außerordentlichen Kündigung vom 10.12.2007 in das Handelsregister einzutragen.

1. ... 2. Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht frei von Rechtsfehlern (

§ 27 Abs. 1 FGG

,

§ 546 ZPO

), erweist sich aber im Ergebnis als richtig.

            Umfang der Prüfungspflicht des Registergerichts

a) Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass das Registergericht bzw. das an seine Stelle tretende Beschwerdegericht in die materielle Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung eintreten muss, wenn Anhaltspunkte für das Fehlen eines wichtigen Grundes im Sinne des

§ 297 Abs. 1 AktG

 bestehen (vgl.

OLG Düsseldorf NJW-RR 1995, 233

/234; Hüffer AktG 8. Aufl. § 298 Rn. 5; Emmerich/Habersack Aktien- und GmbH-Konzernrecht 5. Aufl. § 298 Rn. 9; MünchKommAktG/Altmeppen 2. Aufl. § 298 Rn. 13). Dass die Eintragung der unverzüglich anzumeldenden Beendigung des Unternehmensvertrages nur deklaratorische Bedeutung hat (

§ 298 AktG

; vgl. Hüffer aaO), ändert nichts am Umfang der Prüfung des Registergerichts, dessen Pflicht es ist, unrichtige Eintragungen in das Handelsregister zu verhindern (vgl. Krafka/Willer Registerrecht 7. Aufl. Rn. 153).

            Zwar hat das LG die zeitliche Unstimmigkeit zu Unrecht als versehentliche Falschbezeichnung ausgelegt, ...

b) Rechtsfehlerhaft ist die Auffassung des Landgerichts, dem Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag vom 26.4.2007 könne nach dem Grundsatz „falsa demonstratio non nocet" im Wege der Auslegung entnommen werden, dass Vertragsbeginn auch in handelsrechtlicher Hinsicht der 1.1.2008 sei. Das Landgericht hat zum einen die für die Auslegung von Unternehmensverträgen geltenden Maßstäbe verkannt, zum anderen die Anforderungen an den Nachweis eines bei Vertragsabschluss vorhandenen, vom Wortlaut des förmlichen Vertrages abweichenden übereinstimmenden Willens der Vertragsparteien zu niedrig angesetzt.

aa) Unternehmensverträge, insbesondere Beherrschungsverträge, reichen in ihren Wirkungen über diejenigen schuldrechtlicher Austauschverträge hinaus. Sie sind zugleich Organisationsverträge, denn sie führen bei äußerlich unveränderter Fortgeltung der Satzung der beherrschten Gesellschaft zu einer Strukturänderung, die sich in der Weisungsbefugnis des herrschenden Unternehmens und in der Maßgeblichkeit des Konzerninteresses niederschlägt (vgl. Hüffer § 291 Rn. 17). Dementsprechend sehen die gesetzlichen Vorschriften für die Wirksamkeit eines Unternehmensvertrages Form- und Zustimmungserfordernisse vor. So bedarf der Unternehmensvertrag der schriftlichen Form (

§ 293 Abs. 3 AktG

), mündliche Abreden sind formnichtig (

§ 125 Abs. 1 BGB

). Der Vertrag ist der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister beizufügen (

§ 294 Abs. 1 Satz 2 AktG

) und wird erst mit der Eintragung wirksam (

§ 294 Abs. 2 AktG

). Die Formerfordernisse dienen der Rechtsklarheit und der Gewährleistung der Publizität, die eine ausreichende Unterrichtung der Gläubiger und der Öffentlichkeit, namentlich künftiger Aktionäre, sicherstellen soll (vgl. Hüffer § 293 Rn. 26; KK AktG/Koppensteiner 3. Aufl. § 294 Rn. 2; MünchKommAktG/Altmeppen § 293 Rn. 16). Der Vertrag wird ferner nur mit Zustimmung der Hauptversammlung wirksam (

§ 293 Abs. 1 AktG

). Der Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung ist notariell zu beurkunden (

§ 293

Abs. 1 Satz 1 und 2,

§ 130 Abs. 1 AktG

). Gegenstand des Beschlusses der Hauptversammlung ist der Vertrag und nur das, was ihr als Vertrag und als dessen Inhalt vorgelegt worden ist (MünchKommAktG/Altmeppen § 293 Rn. 56). Was nicht vom Zustimmungsbeschluss der Hauptversammlung gedeckt ist, kommt auch nicht als Interpretations- und Auslegungshilfe in Betracht (MünchKommAktG/Altmeppen § 293 Rn. 62). Vertragsteile, die nicht zum Gegenstand des Hauptversammlungsbeschlusses gemacht wurden, können nicht wirksam werden (Hüffer § 293 Rn. 12; KK AktG/Koppensteiner § 293 Rn. 36).
bb) Für die in Unternehmensverträgen enthaltenen körperschaftlichen Regelungen gilt hinsichtlich der Auslegung nichts anderes als für Satzungen. Sie sind objektiv auszulegen, denn sie wenden sich - im Gegensatz zu individualrechtlichen Bestimmungen - an einen unbestimmten Personenkreis, insbesondere künftige Gesellschafter und Gläubiger. Die Auslegung hat deshalb einheitlich und gleichmäßig allein aufgrund des Vertrages zu erfolgen, wobei im Rahmen der Vertragsbestimmungen Sinnzusammenhang und erkennbarer Zweck berücksichtigt werden können. Außer Betracht zu bleiben haben Umstände, die außerhalb der Vertragsurkunde liegen und nicht allgemein erkennbar sind; dazu gehören die Entstehungsgeschichte, Vorentwürfe sowie Vorstellungen und Äußerungen von Personen, die an der Abfassung des Vertrages mitgewirkt haben (vgl. Palandt/Ellenberger BGB 68. Aufl. § 133 Rn. 12; MünchKommAktG/ Altmeppen § 291 Rn. 33 f.; Passarge

BB 2006, 2769

/2770 zum Unternehmensvertrag;

BGHZ 123, 347

/351;

BGH WM 1989, 1809

;

OLG Hamm NZG 2003, 545

 jeweils zur Satzung; MünchKommBGB/Busche 5. Aufl. § 133 Rn. 37; Staudinger/Singer BGB Bearbeitungsstand 2004 § 133 Rn. 72 f. zu Gesellschaftsvertrag und Satzung).
cc) Den vertraglichen Bestimmungen über das Wirksamwerden eines Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrages kommt körperschaftsrechtliche Bedeutung zu, denn sie legen fest, wann die mit dem Unternehmensvertrag einhergehende Strukturänderung eintritt. Sie sind deshalb einheitlich und aus sich heraus auszulegen. Eine unabsichtliche Falschbezeichnung, die auch bei formbedürftigen Erklärungen unschädlich ist (vgl.

BGH NJW 2008, 1658

 m. w. N.; Palandt/Ellenberger § 133 Rn. 19), kann daher nur angenommen werden, wenn sich aus der Vertragsurkunde selbst oder allgemein erkennbaren Umständen außerhalb der Urkunde ergibt, dass es sich um eine solche handelt. Das ist hier nicht der Fall; aus der Urkunde selbst ergibt sich kein Anhaltspunkt dafür, dass der in § 5 Abs. 2 festgelegte Vertragsbeginn zum 1.1.2007 nicht der von den Parteien auch tatsächlich gewollte ist. Die übereinstimmende nachträgliche Behauptung der Vertragsparteien, tatsächlich gewollt sei der 1.1.2008 gewesen, kann im Rahmen der gebotenen objektiven Auslegung nicht berücksichtigt werden.
dd) Selbst wenn die Auslegung der fraglichen Bestimmung uneingeschränkt wie bei rein schuldrechtlichen Vereinbarungen nach

§§ 133

,

157 BGB

 vorgenommen werden könnte, würde dies zu keinem anderen Ergebnis führen. Denn im Interesse der durch die Formvorschriften bezweckten Ziele der Rechtssicherheit und Beweisbarkeit sind strenge Anforderungen zu stellen an den Nachweis dessen, was entgegen der in der gesetzlich vorgeschriebenen Form niedergelegten Erklärung von den Parteien tatsächlich gewollt war. Für die Urkunde streitet die Vermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit; die Last der Widerlegung obliegt dem, der einen abweichenden Geschäftsinhalt behauptet (Staudinger/Singer § 133 Rn. 34). Der Sachvortrag der beteiligten Gesellschaft widerlegt diese Vermutung nicht...

            ... jedoch ist der Hinweis auf den fehlenden Kündigungsgrund zutreffend

3. Die Entscheidung des Landgerichts erweist sich jedoch aus anderen Gründen als richtig, denn der von der beteiligten Gesellschaft vorgetragene Sachverhalt ist nicht geeignet, ein Recht der herrschenden Gesellschaft zur Kündigung des Unternehmensvertrags aus wichtigem Grund (

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