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Wirtschaftsrecht
07.03.2014
Wirtschaftsrecht
EuGH: Auslegung von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 KMU-Empfehlung betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der KMU

EuGH, Urteil vom 27.2.2014 - Rs. C‑110/13


Tenor


Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen ist dahin auszulegen, dass Unternehmen als „verbunden" im Sinne dieses Artikels angesehen werden können, wenn die Prüfung der zwischen ihnen bestehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen ergibt, dass sie, vermittels einer natürlichen Person oder einer gemeinsam handelnden Gruppe natürlicher Personen, eine einzige wirtschaftliche Einheit bilden, auch wenn sie formal nicht in einer der in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs aufgeführten Beziehungen zueinander stehen.


Als gemeinsam handelnd im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs sind natürliche Personen anzusehen, wenn sie sich abstimmen, um Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen der betreffenden Unternehmen auszuüben, so dass diese Unternehmen nicht als wirtschaftlich voneinander unabhängig angesehen werden können. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, und es ist nicht zwingend erforderlich, dass zwischen den fraglichen Personen vertragliche Beziehungen bestehen oder dass sie auch nur die Absicht haben, die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen im Sinne der genannten Empfehlung zu umgehen.


aus den Gründen


1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124, S. 36, im Folgenden: KMU-Empfehlung).



2 Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der HaTeFo GmbH (im Folgenden: HaTeFo) und dem Finanzamt Haldensleben wegen der Berechnung einer Investitionszulage.



 Rechtlicher Rahmen



 Unionsrecht



3 Im neunten Erwägungsgrund der KMU-Empfehlung heißt es:



„Damit sich die wirtschaftliche Realität der [Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)] besser erfassen lässt und aus dieser Kategorie die Unternehmensgruppen ausgeklammert werden können, die über eine stärkere Wirtschaftskraft als ein KMU verfügen, empfiehlt es sich, die verschiedenen Unternehmenstypen danach zu unterscheiden, ob es sich um eigenständige Unternehmen handelt, ob sie über Beteiligungen verfügen, mit denen keine Kontrollposition einhergeht (Partnerunternehmen), oder ob sie mit anderen Unternehmen verbunden sind. ..."



4 Der elfte Erwägungsgrund der Empfehlung enthält folgende Ausführungen:



„Aus Gründen der Vereinfachung, vor allem für die Mitgliedstaaten und die Unternehmen, ist es zum Zwecke der Definition der verbundenen Unternehmen angezeigt, jene Voraussetzungen zu übernehmen, die in Artikel 1 der [Siebenten] Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluss [ABl. L 193, S. 1], zuletzt geändert durch die Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 27. September 2001 (ABl. L 283, S. 28)], festgelegt sind, sofern sie dem Zweck dieser Empfehlung entsprechen. ..."



5 Der zwölfte Erwägungsgrund der Empfehlung lautet:



„Damit der Nutzen der verschiedenen Regelungen oder Maßnahmen zur Förderung der KMU nur den Unternehmen zugutekommt, bei denen ein entsprechender Bedarf besteht, ist es gleichermaßen wünschenswert, die Beziehungen zu berücksichtigen, die gegebenenfalls durch natürliche Personen zwischen den Unternehmen bestehen. Damit sich die Prüfung dieser Situation auf das unbedingt Notwendige beschränkt, gilt es, diese Beziehungen nur bei den Unternehmen zu berücksichtigen, die Tätigkeiten auf dem gleichen relevanten Markt oder auf benachbarten Märkten nachgehen, indem man sich erforderlichenfalls auf die von der Kommission gegebene Definition des relevanten Marktes bezieht, die Gegenstand der Mitteilung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft [(ABl. 1997, C 372, S. 5)] ist."



6 Art. 3 der KMU-Empfehlung bestimmt:



„Die vorliegende Empfehlung ersetzt die Empfehlung 96/280/EG [der Kommission vom 3. April 1996 betreffend die Definition der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 107, S. 4)] ab 1. Januar 2005."



7 In Art. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung heißt es:



„Als Unternehmen gilt jede Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. ..."



8 Art. 3 des Anhangs der KMU-Empfehlung betrifft die bei der Berechnung der Mitarbeiterzahlen und der finanziellen Schwellenwerte, die für die verschiedenen in Art. 2 der Empfehlung definierten Unternehmensklassen maßgebend sind, berücksichtigten Unternehmenstypen.



9 Art. 3 Abs. 1 des Anhangs lautet:



„Ein ‚eigenständiges Unternehmen‘ ist jedes Unternehmen, das nicht als Partnerunternehmen im Sinne von Absatz 2 oder als verbundenes Unternehmen im Sinne von Absatz 3 gilt."



10 Art. 3 Abs. 3 des Anhangs lautet:



„‚Verbundene Unternehmen‘ sind Unternehmen, die zueinander in einer der folgenden Beziehungen stehen:



a) Ein Unternehmen hält die Mehrheit der Stimmrechte der Aktionäre oder Gesellschafter eines anderen Unternehmens;



b) ein Unternehmen ist berechtigt, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsgremiums eines anderen Unternehmens zu bestellen oder abzuberufen;



c) ein Unternehmen ist gemäß einem mit einem anderen Unternehmen abgeschlossenen Vertrag oder aufgrund einer Klausel in dessen Satzung berechtigt, einen beherrschenden Einfluss auf dieses Unternehmen auszuüben;



d) ein Unternehmen, das Aktionär oder Gesellschafter eines anderen Unternehmens ist, übt gemäß einer mit anderen Aktionären oder Gesellschaftern dieses anderen Unternehmens getroffenen Vereinbarung die alleinige Kontrolle über die Mehrheit der Stimmrechte von dessen Aktionären oder Gesellschaftern aus.



Es besteht die Vermutung, dass kein beherrschender Einfluss ausgeübt wird, sofern sich die in Absatz 2 Unterabsatz 2 genannten Investoren nicht direkt oder indirekt in die Verwaltung des betroffenen Unternehmens einmischen - unbeschadet der Rechte, die sie in ihrer Eigenschaft als Aktionäre oder Gesellschafter besitzen.



Unternehmen, die durch ein oder mehrere andere Unternehmen, oder einen der in Absatz 2 genannten Investoren, untereinander in einer der in Unterabsatz 1 genannten Beziehungen stehen, gelten ebenfalls als verbunden.



Unternehmen, die durch eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen miteinander in einer dieser Beziehungen stehen, gelten gleichermaßen als verbundene Unternehmen, sofern diese Unternehmen ganz oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig sind.



Als benachbarter Markt gilt der Markt für ein Produkt oder eine Dienstleistung, der dem betreffenden Markt unmittelbar vor- oder nachgeschaltet ist."



 Deutsches Recht



11 Nach § 1 Abs. 1 des Investitionszulagengesetzes 2005 vom 17. März 2004 (BGBl. I S. 438) haben Steuerpflichtige, die in den fünf neuen Ländern und Berlin (Deutschland) bestimmte Arten von Investitionen vornehmen, Anspruch auf eine Investitionszulage.



12 Das Gesetz sieht vor, dass sich die Zulage, wenn solche Investitionen von einem KMU im Sinne der KMU-Empfehlung vorgenommen werden, unter bestimmten Voraussetzungen erhöht.



 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen



13 Das 1999 gegründete Unternehmen HaTeFo stellt Platten, Folien, Schläuche und Profile aus Kunststoff her. Anteilseigner der Gesellschaft sind mit Beteiligungen in Höhe von 24,8 %, 62,8 % und 12,4 % drei natürliche Personen: A, dessen Ehefrau B und C. Geschäftsführer sind A und C. A und seine Mutter D sind zudem zu gleichen Teilen Gesellschafter der Gesellschaft X, deren Geschäftsführer wiederum A und C sind.



14 In der Vorlageentscheidung heißt es, dass X für HaTeFo in deren Anfangsphase Bürgschaften übernommen habe und dass die beiden Gesellschaften einen Geschäftsbesorgungsvertrag geschlossen hätten, nach dem HaTeFo sämtliche Aufträge von X erhalte und nur Letztere auf dem Markt in Erscheinung trete. Der Vertrag sehe weiter vor, dass ein Vertreter von X die fachliche Betriebsleitung von HaTeFo übernehme. HaTeFo habe ferner ihre Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten und ihre EDV auf X ausgelagert und nutze eine Bankverbindung von X für ihre Zwecke.



15 Für sich betrachtet kann HaTeFo als KMU eingestuft werden. Anders wäre es aber wegen der Mitarbeiterzahl und des Jahresumsatzes von X, wenn die beiden Gesellschaften als verbundene Unternehmen anzusehen wären.



16 Das Finanzamt Haldensleben ging aufgrund der Verflechtungen mit X davon aus, dass es sich bei HaTeFo nicht um ein KMU handele, und gewährte dieser Gesellschaft für das Jahr 2006 nicht die erhöhte Zulage, sondern die Grundzulage gemäß dem Investitionszulagengesetz 2005.



17 Es führte u. a. aus, dass bei der Beurteilung der Frage, ob formal eigenständige Unternehmen gleichwohl als wirtschaftliche Einheit anzusehen seien, nicht nur die formalen Kriterien der KMU-Empfehlung zu beachten seien, sondern auch eine wirtschaftliche Betrachtung erfolgen müsse. Wegen des Geschäftsbesorgungsvertrags und der Aufgabenteilung von Produktion und Vertrieb und weil Gesellschaftsanteile und Geschäftsführung in der Hand von nur vier Personen lägen, von denen drei eng miteinander verwandt seien, stellten die beiden in Rede stehenden Unternehmen eine solche Einheit dar.



18 Im ersten Rechtszug wies das Finanzgericht die von HaTeFo erhobene Klage mit der Begründung ab, eine rein formale Anwendung der durch die KMU-Empfehlung definierten Kriterien für die Eigenständigkeit eines Unternehmens dürfe nicht dazu führen, dass diese manipuliert oder umgangen würden. Bei der Beurteilung der Eigenständigkeit eines Unternehmens müssten auch die anderen Geschäftsbeziehungen zwischen den betreffenden Unternehmen berücksichtigt werden, insbesondere was die Geschäftsführung, die Lieferanten- und Kundenkontakte und die gemeinsam verwendete Logistik angehe.



19 HaTeFo hat beim Bundesfinanzhof Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts eingelegt; sie macht u. a. geltend, die in Art. 3 des Anhangs der KMU-Empfehlung genannten Kriterien für „verbundene" Unternehmen im Sinne dieser Empfehlung seien als abschließend anzusehen.



20 Der Bundesfinanzhof ist der Ansicht, dass der Gerichtshof für die Auslegung des Begriffs der KMU zuständig sei, da dieser in einer nationalen Regelung übernommen worden sei, die auf die Definition in der KMU-Empfehlung verweise. Er stützt sich dabei auf das Urteil vom 18. Oktober 1990, Dzodzi (C‑297/88 und C‑197/89, Slg. 1990, I‑3763).



21 Die KMU-Empfehlung habe das Kriterium der Erstellung eines konsolidierten Abschlusses aus Art. 1 der Richtlinie 83/349 teilweise übernommen, so dass Unternehmen, die nach dieser Richtlinie zur Erstellung eines konsolidierten Abschlusses verpflichtet seien, als verbunden im Sinne der KMU-Empfehlung angesehen werden könnten. Erstelle ein Unternehmen - wie im Ausgangsverfahren - keinen konsolidierten Abschluss, sei gleichwohl zu prüfen, ob es nach den im Anhang der KMU-Empfehlung genannten Kriterien als mit einem anderen Unternehmen verbunden angesehen werden könne.



22 Der Bundesfinanzhof setzt sich zunächst mit dem Tatbestandsmerkmal „gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen" in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung auseinander. Insoweit stelle sich insbesondere die Frage, ob bereits jegliche unternehmensbezogene Kooperation solcher Personen genüge oder ob auch ein abgestimmtes Verhalten und eine vertragliche Bindung erforderlich seien.



23 Weiter stelle sich die Frage, ob über die in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung aufgeführten Arten von Beziehungen, die für verbundene Unternehmen charakteristisch seien, hinaus im Wege einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung der betreffenden Unternehmen, bei der die Zugehörigkeit der Anteilseigner zu einer Familie oder die Identität der Geschäftsführer berücksichtigt werde, angenommen werden könne, dass diese Unternehmen über eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen verbunden seien. Schließlich stelle sich die Frage, ob eine solche wirtschaftliche Gesamtbetrachtung auf Fälle zu beschränken sei, in denen die genannten Personen die Absicht gehabt hätten, die KMU-Definition zu umgehen.



24 Der Bundesfinanzhof hat das Verfahren daher ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:



1. a) Welche Anforderungen sind an die Annahme eines gemeinsamen Handelns im Sinne des Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung zu stellen: Genügt insoweit bereits jegliche unternehmensbezogene Kooperation der an beiden Unternehmen beteiligten natürlichen Personen, die ohne Streitigkeiten oder zu Tage tretende Interessengegensätze stattfindet, oder ist vielmehr ein erkennbar abgestimmtes Verhalten dieser Personen erforderlich?



b) Falls ein abgestimmtes Verhalten erforderlich ist: Folgt dieses bereits aus einer rein tatsächlichen Kooperation?



2. Ist, wenn kein Fall der Verpflichtung zu einem konsolidierten Abschluss besteht, bei der Frage, ob ein Unternehmen mit einem anderen Unternehmen über eine Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen verbunden ist, über die in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung aufgeführten „Beziehungen" hinaus weiterhin eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung vorzunehmen, bei der Aspekte wie die Eigentumsverhältnisse - hierbei insbesondere die Zugehörigkeit der Anteilseigner zu einer Familie -, die Beteiligungsstruktur und die wirtschaftliche Integration - insbesondere auch die Identität der Geschäftsführer - der betroffenen Unternehmen zu untersuchen sind?



3. Für den Fall, dass auch unter der Geltung der KMU-Empfehlung eine über die formale Betrachtung hinausgehende wirtschaftliche Gesamtbetrachtung möglich ist: Setzt dies die Absicht oder zumindest das Risiko der Umgehung der KMU-Definition voraus?



 Zu den Vorlagefragen



25 Mit seinen drei Fragen, die zusammen zu prüfen sind, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung dahin auszulegen ist, dass nur Unternehmen, die vermittels einer natürlichen Person oder einer gemeinsam handelnden Gruppe natürlicher Personen zueinander in einer der in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs aufgeführten Beziehungen stehen, als „verbundene Unternehmen" im Sinne dieses Artikels anzusehen sind, oder ob sich eine solche Verbindung auch aus einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung ergeben kann, bei der u. a. die Absicht der betreffenden Personen zur Umgehung der KMU-Definition geprüft wird. Das vorlegende Gericht möchte ferner wissen, unter welchen Voraussetzungen natürliche Personen als gemeinsam handelnd im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung anzusehen sind und ob dafür insbesondere zwischen ihnen vertragliche Beziehungen bestehen müssen.



26 Nach Art. 1 des Anhangs der KMU-Empfehlung gilt als Unternehmen jede Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt.



27 Art. 3 Abs. 3 des Anhangs enthält die Kriterien, die es ermöglichen, Unternehmen zur Klärung der Frage, ob es sich bei ihnen um KMU handelt, als „verbunden" einzustufen.



28 Wie sich bereits aus dem Wortlaut von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 und 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung ergibt, zielen diese Bestimmungen grundsätzlich nur auf den Fall ab, dass Unternehmen zueinander in einer der in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. a bis d des Anhangs aufgezählten Beziehungen stehen.



29 Daraus darf aber nicht geschlossen werden, dass eine Einstufung der betreffenden Unternehmen als verbundene Unternehmen stets ausscheidet, wenn diese Voraussetzung formal nicht erfüllt ist.



30 Die KMU-Empfehlung ist nämlich unter Berücksichtigung der Gründe auszulegen, die zu ihrem Erlass geführt haben (vgl. entsprechend Urteil vom 29. April 2004, Italien/Kommission, C‑91/01, Slg. 2004, I‑4355, Rn. 49).



31 Hierzu geht aus den Erwägungsgründen 9 und 12 der KMU-Empfehlung hervor, dass die Definition der verbundenen Unternehmen dazu dient, die wirtschaftliche Realität der KMU besser zu erfassen und aus dieser Kategorie die Unternehmensgruppen auszuklammern, die über eine stärkere Wirtschaftskraft als ein KMU verfügen, damit der Nutzen der verschiedenen Regelungen oder Maßnahmen zur Förderung der KMU nur Unternehmen zugutekommt, bei denen ein entsprechender Bedarf besteht. Wie in den genannten Erwägungsgründen weiter ausgeführt wird, gilt es, damit sich die Prüfung der Beziehungen, die durch natürliche Personen zwischen den Unternehmen bestehen, auf das unbedingt Notwendige beschränkt, diese Beziehungen nur bei Unternehmen zu berücksichtigen, die Tätigkeiten auf dem gleichen relevanten Markt oder auf benachbarten Märkten nachgehen.



32 Die Vorteile, die den KMU gewährt werden, stellen nämlich meist Ausnahmen von allgemeinen Regeln, z. B. im Bereich der staatlichen Beihilfen, dar, so dass der Begriff der KMU eng auszulegen ist.



33 Damit nur Unternehmen erfasst werden, die tatsächlich unabhängige KMU darstellen, ist daher die Struktur von KMU zu untersuchen, die eine wirtschaftliche Gruppe bilden, deren Bedeutung über die eines solchen Unternehmens hinausgeht, und es ist darauf zu achten, dass die Definition der KMU nicht durch eine rein formale Erfüllung der Kriterien umgangen wird (vgl. Urteil Italien/Kommission, Rn. 50).



34 Im Hinblick auf dieses Ziel ist Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung somit dahin auszulegen, dass Unternehmen, die zueinander in keiner der in Rn. 28 des vorliegenden Urteils genannten Beziehungen stehen, aber wegen der Rolle, die eine natürliche Person oder eine gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen spielt, gleichwohl eine einzige wirtschaftliche Einheit darstellen, als verbundene Unternehmen im Sinne dieser Bestimmung anzusehen sind, sofern sie ganz oder teilweise in demselben Markt oder in benachbarten Märkten tätig sind (vgl. entsprechend Urteil Italien/Kommission, Rn. 51).



35 Im Übrigen ist die Voraussetzung des gemeinsamen Handelns natürlicher Personen erfüllt, wenn sich solche Personen abstimmen, um Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen der betreffenden Unternehmen auszuüben, so dass diese nicht als wirtschaftlich voneinander unabhängige Unternehmen angesehen werden können. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an; es ist nicht zwingend erforderlich, dass zwischen den genannten Personen vertragliche Beziehungen bestehen oder dass sie auch nur die Absicht haben, die KMU-Definition zu umgehen.



36 Hinsichtlich der wirtschaftlichen und finanziellen Beziehungen zwischen HaTeFo und X lässt sich der Vorlageentscheidung entnehmen, dass X die gesamte Produktion von HaTeFo vertreibt, die selbst am Markt nicht in Erscheinung tritt, das ein Vertreter von X für die technischen Aspekte der Produktion von HaTeFo verantwortlich ist, dass HaTeFo ihre EDV, ihren Einkauf und ihre Forschung auf X ausgelagert hat und dass sie eine Bankverbindung von X für ihre Zwecke nutzt.



37 Außerdem geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen A, B und D, denen beide Unternehmen gehören, besteht und dass A und C zugleich die Geschäftsführer dieser Unternehmen sind. Aufgrund solcher Beziehungen dürften die genannten Personen in der Lage sein, sich abzustimmen, um Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen der betreffenden Unternehmen auszuüben, so dass diese nicht als wirtschaftlich voneinander unabhängig angesehen werden können.



38 Bei zwei Gesellschaften, die sich in einer vergleichbaren Situation wie die Gesellschaften des Ausgangsverfahrens befinden, kann nach dem Vorstehenden davon ausgegangen werden, dass sie in Wirklichkeit vermittels einer gemeinsam handelnden Gruppe natürlicher Personen eine einzige wirtschaftliche Einheit bilden, so dass sie als verbundene Unternehmen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung anzusehen sind. Dies zu beurteilen ist allerdings Sache des vorlegenden Gerichts, wobei für die Betroffenen die Möglichkeit bestehen muss, den Gegenbeweis zu erbringen.



39 Nach alledem ist auf die Vorlagefragen zu antworten, dass Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der KMU-Empfehlung dahin auszulegen ist, dass Unternehmen als „verbunden" im Sinne dieses Artikels angesehen werden können, wenn die Prüfung der zwischen ihnen bestehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen ergibt, dass sie, vermittels einer natürlichen Person oder einer gemeinsam handelnden Gruppe natürlicher Personen, eine einzige wirtschaftliche Einheit bilden, auch wenn sie formal nicht in einer der in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs aufgeführten Beziehungen zueinander stehen. Als gemeinsam handelnd im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs sind natürliche Personen anzusehen, wenn sie sich abstimmen, um Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen der betreffenden Unternehmen auszuüben, so dass diese Unternehmen nicht als wirtschaftlich voneinander unabhängig angesehen werden können. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, und es ist nicht zwingend erforderlich, dass zwischen den fraglichen Personen vertragliche Beziehungen bestehen oder dass sie auch nur die Absicht haben, die KMU-Definition im Sinne der genannten Empfehlung zu umgehen.



 Kosten



40 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

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