OLG Karlsruhe: Auslegung der Vertriebsvereinbarung eines Handelsvertreters
OLG Karlsruhe, Urteil vom 6.11.2014 – 9 U 58/14, rkr.
Amtliche Leitsätze
1. Wird dem Handelsvertreter in einer Vertriebsvereinbarung ein bestimmtes Gebiet „exklusiv“ zugewiesen, handelt es sich in der Regel um einen Bezirksschutz im Sinne von § 87 Abs. 2 HGB.
2. Ein Wettbewerbsverbot für den Unternehmer ist möglich, bedarf aber einer eindeutigen vertraglichen Vereinbarung. Die Interessenlage des Handelsvertreters mit Bezirksschutz lässt eine solche Vereinbarung nicht naheliegend erscheinen, anders als beispielsweise bei einem Vertragshändler, der nicht selten darauf angewiesen ist, dass der Unternehmer einen Wettbewerb durch einen Parallelvertrieb unterlässt.
HGB § 86 a, § 87 Abs. 2
Sachverhalt
I .Die Verfügungsbeklagte (im Folgenden: Beklagte) stellt unter anderem sogenannte Personenführungssysteme her. Dabei handelt es sich um transportable Sende- und Empfangsgeräte, welche der Kommunikation in Gruppen beispielsweise bei Werksführungen oder Städtetouren dienen. Die Verfügungsklägerin (im Folgenden: Klägerin) war als Handelsvertreterin von der Beklagten damit betraut, den Verkauf dieser Systeme an Endkunden zu vermitteln.
Am 26.01.2012 schlossen die Parteien für die Zeit ab dem 01.04.2012 eine „Provisions- und Vertriebsvereinbarung“ (Anlage A 2) ab. Der Vertrag enthält u. a. folgende Regelungen:
„2. Exklusiv und somit in jedem Fall verprovisionierungspflichtig werden als Verkaufsgebiet folgende Gebiete festgelegt:
- Das Gebiet in Deutschland erstreckt sich linksseitig der Autobahn A 81 bis Heilbronn von dort nördlich der Autobahn A 6 bis zur Grenze Tschechei. Nördliche Grenze ist der Verlauf der Autobahn A 4 (Details sind der beigefügten Grafik zu entnehmen)
- Schweiz
3. Andere Regionen können auf nicht-exklusiver Grundlage betreut werden.
…
5. Provisionen werden wie im folgenden Beispiel gezahlt.
- 20 % Provision auf alle Listenpreise bzw. Endpreise bei Rabatten bis zu 4 %. Alle Rabatte oberhalb von 4 % werden zur Hälfte der Provision belastet.
…
7. Bei Verkauf über Amazon.de wird eine Provision von 8 % dem jeweiligen Vertriebsgebiet zugeordnet.
…
11. Die Vertragslaufzeit beträgt 18 Monate, besonders im Hinblick auf die Exklusivität. Nach der Laufzeit von 18 Monaten ist der Vertrag mit einer Frist von drei Monaten auf das Quartalsende kündbar. Während der Vertragslaufzeit dürfen ausschließlich nur Produkte der Firma M. (Beklagte) angeboten und vermittelt werden.“
Mit Schreiben vom 24.06.2014 wurde der Vertrag von der Beklagten ordentlich zum 30.09.2014 gekündigt.
Ende 2013/Anfang 2014 entstanden zwischen den Parteien Meinungsverschiedenheiten über die Frage, ob und inwieweit die Beklagte berechtigt war, Produkte im Verkaufsgebiet der Klägerin direkt - ohne Vermittlung der Klägerin - zu vertreiben, und inwieweit daraus ein Provisionsanspruch der Klägerin entstehen sollte. Die Beklagte vertrat die Auffassung, sie sei jedenfalls nach Ablauf der Vertragslaufzeit von 18 Monaten zu eigenen Vertriebstätigkeiten im Verkaufsgebiet der Klägerin berechtigt, ohne dass daraus Provisionsansprüche der Klägerin resultieren würden.
Mit Urteil vom 17.04.2014 hat das Landgericht auf Antrag der Klägerin eine einstweilige Verfügung gegen die Beklagte erlassen mit folgendem Inhalt:
1. Der Verfügungsbeklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu Euro 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, von Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, wobei die Ordnungshaft an den Mitgliedern des Vorstands der Verfügungsbeklagten zu vollziehen ist und insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf, untersagt,
a) ihre Eigenprodukte (Baureihen Führungsfunkanlage DFA, TourGuide und TravelGuide, inkl. erforderlichem Zubehör) den Kunden im Vertragsgebiet der Antragstellerin in Deutschland von der Schweiz bis Heilbronn westlich der Autobahn A 81, von Heilbronn bis Tschechien nördlich der Autobahn A 6, im Norden begrenzt von West nach Ost durch die Autobahn A 4, und in der gesamten Schweiz, selbst, durch Mitarbeiter oder durch andere beauftragte Handelsvertreter oder Händler oder sonstige Geschäftspartner auf gleicher Handelsstufe zum Verkauf, zur Miete oder zum Leasing anzubieten,
b) Anfragen von Kunden oder Interessenten aus dem in lit. a) bezeichneten Vertragsgebiet hinsichtlich der in lit. a) bezeichneten Eigenprodukte, die bei der Verfügungsbeklagten über Telefon, Telefax, die Homepage, per Email oder mündlich (z. B. auf Messen) eingehen, selbst, durch Mitarbeiter oder beauftragte Handelsvertreter oder Händler oder Geschäftspartner zu bearbeiten, insbesondere Angebote zu unterbreiten oder Termine zur Vorführung zu vereinbaren oder durchzuführen.
Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, aus der Provisions- und Vertriebsvereinbarung vom 26.01.2012 ergebe sich ein Alleinvertriebsrecht der Klägerin für ihr Verkaufsgebiet. Der Beklagten sei es daher untersagt, im vertraglich festgelegten Verkaufsgebiet der Klägerin durch einen Direktvertrieb oder einen Parallelvertrieb in Konkurrenz zur Klägerin zu treten. Daraus ergebe sich der von der Klägerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch. Ein Verfügungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Verfügung sei gegeben.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Berufung der Beklagten. Sie hält die Entscheidung des Landgerichts aus verschiedenen Gründen für unzutreffend. Zum einen ergebe sich aus der Provisions- und Vertriebsvereinbarung kein Wettbewerbsverbot für die Beklagte, sondern nur eine der Klägerin günstige Provisionsregelung für ihr Verkaufsgebiet. Daher habe die Beklagte schon seit Beginn der vertraglichen Zusammenarbeit ihre Produkte auch ohne Mitwirkung der Klägerin an Händler im Verkaufsgebiet der Klägerin geliefert. Zum anderen sei jede Exklusivitätsregelung für das Verkaufsgebiet der Klägerin ohnehin nach der Vertragslaufzeit von 18 Monaten - auch ohne Kündigung des Vertrages - abgelaufen. Eine Beschränkung der Exklusivitätsregelung in Ziff. 2 der Provisions- und Vertriebsvereinbarung auf 18 Monate habe dem Willen der Klägerin und des damaligen Geschäftsführers der Beklagten bei Abschluss des Vertrages entsprochen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 17.04.2014 verkündeten Urteils des Landgerichts Konstanz - 7 O 11/14 KfH - die Verfügungsklage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, und zwar mit der Maßgabe, dass die Untersagung in Ziffer 1 a) und b) des erstinstanzlichen Urteils auf die Zeit bis zum 30.09.2014 befristet wird.
Für die Zeit nach dem 30.09.2014 haben die Parteien den Rechtsstreit im Senatstermin übereinstimmend für erledigt erklärt.
Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts. Insbesondere habe das Landgericht zutreffend festgestellt, dass sich aus dem Vertrag ein Wettbewerbsverbot der Beklagten für das Verkaufsgebiet der Klägerin ergebe. Die Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zum 30.09.2014 ändere nichts daran, dass die Klägerin ein Interesse an der Aufrechterhaltung der einstweiligen Verfügung habe. Denn die Beklagte habe nach dem Urteil des Landgerichts mehrfach gegen ihre Unterlassungsverpflichtung verstoßen; die Entscheidung des Landgerichts bilde für die Zeit bis zum 30.09.2014 die rechtliche Grundlage für bereits eingeleitete Vollstreckungsmaßnahmen.
Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
Aus den Gründen
II. Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Der Antrag der Klägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zurückzuweisen. Der Klägerin steht der im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Beklagte nicht zu.
1. Es bestehen keine Bedenken gegen einen Verfügungsgrund im Sinne von § 935, 940 ZPO. Bei einem Wettbewerbsverbot ist in der Regel ein Verfügungsgrund für eine sofortige einstweilige Regelung anzunehmen (vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Auflage 2014, § 940 ZPO Rn. 8 „Wettbewerbsrecht“). Die Beendigung des Vertragsverhältnisses zwischen den Parteien für die Zeit nach dem 30.09.2014 lässt Verfügungsgrund und Verfügungsanspruch nur für die Zukunft (ab dem 01.10.2014) entfallen. Die Klägerin weist jedoch zu Recht darauf hin, dass für die Zeit bis Ende September 2014 in einem solchen Fall weiterhin ein Bedürfnis zur Aufrechterhaltung der Unterlassungsverfügung besteht – bzw. bestünde –, wenn die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch gegeben wären. (Vergleiche zu den Auswirkungen des Zeitablaufs bei einer befristeten Unterlassungsverpflichtung BGH, NJW 1990, 117, 119; OLG Nürnberg, Beschluss vom 20.10.1995 – 3 W 2862/95 –, zitiert nach Juris.)
2. Der Klägerin steht jedoch der geltend gemachte Verfügungsanspruch – entgegen der Auffassung des Landgerichts – nicht zu. Ein Unterlassungsanspruch – für den im Berufungsverfahren maßgeblichen Zeitraum bis zum 30.09.2014 – wäre nur dann gegeben, wenn die Parteien für das Verkaufsgebiet der Klägerin ein Wettbewerbsverbot der Beklagten vereinbart hätten. Eine solche vertragliche Vereinbarung lässt sich dem Vertrag vom 26.01.2012 jedoch nicht entnehmen. Aus dem Vertrag ergibt sich nicht, dass die Beklagte jeglichen Direkt- oder Parallelvertrieb unterlassen müsste.
Entscheidend ist die Regelung in Ziff. 2 des Vertrages, wonach ein bestimmtes Verkaufsgebiet zu Gunsten der Klägerin als „exklusiv“ bezeichnet wird. Der Begriff „exklusiv“ bedeutet, dass der Klägerin für das bezeichnete Gebiet ein bestimmter Vorrang eingeräumt werden soll. Welcher Art dieser Vorrang ist, ergibt sich aus der Formulierung „Exklusiv und somit in jedem Fall verprovisionierungspflichtig“. Es handelt sich um eine Provisionsregelung, durch die sichergestellt werden sollte, dass die Klägerin bei jedem Vertragsabschluss mit Kunden aus ihrem Verkaufsgebiet eine Provision erhalten sollte und zwar - mit Ausnahme des in Ziff. 7 geregelten Verkaufs über Amazon.de - die volle Provision gemäß Ziff. 5 des Vertrages, mit den dort angegebenen Prozentsätzen, die sich danach richten, welche Rabatte bei einem Verkauf gewährt werden. Es handelt sich mithin um einen Bezirksschutz im Sinne von § 87 Abs. 2 HGB.
Aus einem Bezirksschutz gemäß § 87 Abs. 2 HGB ergibt sich kein „Alleinvertrieb“ im Sinne des juristischen Sprachgebrauchs, der mit einem Wettbewerbsverbot für die Beklagte als Unternehmerin verbunden wäre. Vielmehr wäre ein mit einem Wettbewerbsverbot verbundener „Alleinvertrieb“ nur dann anzunehmen, wenn dies - über den Bezirksschutz gemäß § 87 Abs. 2 HGB hinaus - im Vertrag ausdrücklich vereinbart wäre (vgl. Baumbach/Hopt, HGB, 36. Auflage 2014, § 86 a HGB, RdNr. 17 und § 87 HGB, RdNr. 24). Da eine Provisionsabrede gemäß § 87 Abs. 2 HGB (Bezirksschutz) einem Handelsvertreter bereits einen weitreichenden Schutz vermittelt, wäre ein darüber hinausgehendes Wettbewerbsverbot für den Unternehmer nur dann anzunehmen, wenn der Vertrag eine klare und eindeutige Regelung dazu enthält (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.1964 - IVV ZR 31/63 - zitiert nach Juris; von Hoyningen-Huene im MünchKomm., HGB, 3. Auflage 2010, § 87 HGB, RdNr. 81; Emde in Staub, HGB, 5. Auflage 2008, § 84 HGB, RdNr. 97, 100; Emde, Parallelvertrieb zwischen Unternehmer und Vertriebsmittler, VersR 2012, 536, 539). Eine solche eindeutige Regelung eines „Alleinvertriebs“ im juristisch-technischen Sinne fehlt in dem Vertrag zwischen den Parteien.
3. Es gibt keine Umstände, die im vorliegenden Fall zu einer vom Wortlaut abweichenden Interpretation des Vertrages - Wettbewerbsverbot der Beklagten für das Verkaufsgebiet der Klägerin - führen könnten.
a) Die Mitarbeiter der Beklagten, D. S. und M. F., haben in ihren von der Beklagten vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen, jeweils vom 01.04.2014 (Anlage B 7 und B 11), angegeben, sie seien von einem „Alleinvertriebsrecht“ der Klägerin und einem daraus „resultierenden Wettbewerbsverbot“ der Beklagten während der Vertragslaufzeit ausgegangen. Es kann dahinstehen, welche Umstände für diese Auffassung der beiden Mitarbeiter maßgeblich waren. Denn eine möglicherweise unzutreffende – nachträgliche – Interpretation der Vereinbarungen durch diese beiden Personen hat keine rechtlichen Wirkungen zugunsten der Klägerin. Für eine Schlussfolgerung aus den Erklärungen der Mitarbeiter, die bei der Vorbereitung und beim Abschluss des Vertrages vom Januar 2012 nicht beteiligt waren, die Klägerin und der Geschäftsführer seien sich - abweichend vom Wortlaut des Vertrages – im Januar 2012 über ein Wettbewerbsverbot im juristischen Sinn einig gewesen, sind die Erklärungen nicht ausreichend. Denn die maßgeblichen Umstände des Sachverhalts legen einen solchen Schluss nicht nahe. Insbesondere sind von der Klägerin keine mündlichen Erklärungen der Beteiligten bei Vertragsabschluss im Januar 2012 – bzw. für die Zeit vor Vertragsabschluss – vorgetragen, wonach man abweichend vom Vertragswortlaut (siehe oben) ein Wettbewerbsverbot gewollt habe.
b) Die Vereinbarung vom Januar 2012 schloss sich nach dem insoweit übereinstimmenden Vorbringen beider Parteien an eine gleichartige (frühere) vertragliche Regelung zwischen dem Handelsvertreter D.R. und der Beklagten an. Für eine abweichende Auslegung des Vertrages zwischen den Parteien lässt sich daraus nichts herleiten. Denn auch der Vertrag zwischen D.R. und der Beklagten vom 01.04.2011 (vgl. die Anlage B 3), welcher den Parteien des Rechtsstreits im Januar 2012 als Muster diente, enthält keine Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots für die Beklagte. Die Erklärung von D.R. in seiner E-Mail vom 19.08.2014 (II 237) „Ob M. daneben auch selber im Vertragsgebiet tätig sein durfte, war nebensächlich“ spricht dagegen, dass die Parteien - abweichend von der Vertragsbeziehung zwischen D.R. und der Beklagten – im Januar 2012 ein Wettbewerbsverbot zulasten der Beklagten vereinbaren wollten.
c) Für die Auslegung des Vertrages kommt es auch nicht darauf an, wie die Beklagte ihren Vertrieb ab Vertragsbeginn (01.04.2012) zunächst gestaltet hat. Wenn und soweit die Beklagte zunächst den Vertrieb ausschließlich der Klägerin für ihr Verkaufsgebiet überlassen hat, lässt sich daraus nicht schließen, dass ein Alleinvertriebsrecht der Klägerin von der Beklagten verbindlich zugesagt sein sollte. Denn zum einen konnte die Beklagte selbst im Hinblick auf die Provisionsregelung gemäß § 87 Abs. 2 HGB (Bezirksschutz) aus wirtschaftlichen Gründen nicht ohne Weiteres an einem Parallelvertrieb interessiert sein. Zum anderen muss es dem Unternehmer auch bei einem bestehenden Handelsvertretervertrag grundsätzlich gestattet sein, seine Vertriebsorganisation nachträglich zu ändern, soweit dies nicht unmittelbar verbindlichen Vereinbarungen mit dem Handelsvertreter zuwider läuft (vgl. BGH, Urteil vom 21.12.1964 - VII ZR 31/63 -, zitiert nach Juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 14.09.2012, zitiert nach Juris; Emde, VersR 2012, 536). Soweit die Beklagte nach Abschluss des Vertrages im Januar 2012 einen Parallelvertrieb im Verkaufsgebiet der Klägerin (durch eigenen Verkauf oder durch Händler) unterließ – was zwischen den Parteien streitig ist –, ergibt sich aus einer solchen Praxis kein Rückschluss auf eine vertraglich bindende Verpflichtung der Beklagten.
d) Gegen die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots spricht zudem das eigene Verhalten der Klägerin nach Abschluss des Vertrages. Aus dem von der Klägerin vorgelegten E-Mail-Verkehr vom 06.05.2013 (Anlage A 7) ergibt sich, dass die Klägerin nichts dagegen einzuwenden hatte, dass mögliche Neukunden im Verkaufsgebiet der Klägerin von Mitarbeitern der Beklagten unmittelbar angesprochen werden sollten. Auch der letzte Absatz der eidesstattlichen Versicherung der Klägerin vom 20.03.2014 (Anlage A 5) legt nahe, dass die Klägerin für ihr Verkaufsgebiet nicht jegliche Akquisitationsmaßnahmen der Beklagten ausschließen wollte, sondern dass es ihr um Provisionsschutz gemäß § 87 Abs. 2 HGB und im Übrigen um ausreichende Informationen durch die Beklagte ging.
e) Die dem Wortlaut entsprechende Interpretation der Provisions- und Vertriebsvereinbarung (siehe oben) ist interessengerecht. Es ist kein durchgreifendes wirtschaftliches Interesse der Klägerin ersichtlich, welches ein vertragliches Wettbewerbsverbot der Beklagten nahelegen würde. Denn aus der Sicht der Klägerin war entscheidend, dass sie für sämtliche Verkaufsfälle in ihrem Bezirk die im Vertrag festgelegte Provision bekommen sollte, und dass sie zudem von der Beklagten über deren Kommunikation mit Kunden oder Interessenten vollständig informiert wurde. Im Hinblick auf die Vereinbarung gemäß § 87 Abs. 2 HGB hätte ein zusätzliches Wettbewerbsverbot für die Klägerin - wenn überhaupt - allenfalls marginale Bedeutung im Hinblick auf einen möglichen späteren Ausgleichsanspruch gemäß § 89 b HGB haben können (vgl. zu diesem Gesichtspunkt Baumbach/Hopt, HGB, 36. Auflage 2014, § 86 a HGB, RdNr. 17). Dass dieser Gesichtspunkt für die Klägerin bei Abschluss des Vertrages von besonderer Bedeutung gewesen wäre, ist nicht ersichtlich.
Demgegenüber hatte die Beklagte erhebliche Interessen, die gegen ein Wettbewerbsverbot im Verkaufsgebiet der Klägerin sprachen, um als Unternehmerin die Möglichkeit von Änderungen der Vertriebsstrukturen zu behalten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin nach dem Inhalt des mit der Beklagten abgeschlossenen Vertrages keinerlei Verpflichtungen im Hinblick auf den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Tätigkeit (beispielsweise im Zusammenhang mit Umsatzzahlen) hatte. Die Klägerin hatte - wie bei Handelsvertretern üblich - lediglich die Verpflichtung, sich um die Vermittlung von Geschäften zu „bemühen“ (§ 86 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz HGB). Da die Beklagte den Erfolg der Tätigkeit der Klägerin im Vorhinein nicht sicher absehen konnte, hätte sie sich bei der Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots in ungewöhnlichem Maß von ihrer Handelsvertreterin abhängig gemacht. Wenn im Laufe eines Vertragsverhältnisses Streitigkeiten entstehen (die vorliegend eine große Zahl verschiedener Punkte betreffen und über den vorliegenden Rechtstreit hinausgehen), könnte ein Wettbewerbsverbot für den Unternehmer existenzgefährdend werden. Die Vereinbarung eines Wettbewerbsverbots für den Unternehmer zugunsten des Handelsvertreters ist rechtlich zwar möglich, in der Praxis aber, wenn gleichzeitig ein Bezirksschutz gemäß § 87 Abs. 2 HGB vereinbart ist, äußerst ungewöhnlich.
f) Die Klägerin hat auf nach ihrer Meinung vergleichbare Fälle hingewiesen, in welchen die Rechtsprechung ein Alleinvertriebsrecht des Handelsvertreters oder - auch ohne Alleinvertriebsrecht - ein Wettbewerbsverbot des Unternehmers angenommen habe (beispielsweise BGHZ 124, 354 sowie OLG Köln, NJW-RR 2001, 1178). Die zitierten Entscheidungen sind jedoch nicht vergleichbar, da es dort - anders als vorliegend - nicht um Handelsvertreter, sondern um Vertragshändler ging. Bei Vertragshändlerfällen ist - im Vergleich zum Handelsvertreter - eine wesentlich andere wirtschaftliche Interessenlage gegeben, die ein Alleinvertriebsrecht im juristischen Sinne oder die Annahme eines Wettbewerbsverbots wesentlich näherliegend erscheinen lässt. Denn bei Vertragshändlern gibt es in der Regel keine § 87 Abs. 2 HGB entsprechenden Vereinbarungen, die den Vertragshändler gegenüber dem Unternehmer beim Aufbau eines Parallelvertriebs schützen würden. Die Kommentierung bei Baumbach/Hopt, HGB, 36. Auflage 2014, § 36 a HGB, RdNr. 17 ist insofern ungenau, als die dort für die Vereinbarung von Wettbewerbsverboten zitierten Fälle überwiegend Vertragshändler bzw. Eigenhändler betrafen und keine Handelsvertreter. Auch die Kommentierung von Emde (in Staub, HGB, Band 2, 5. Auflage 2008, § 84 HGB Rn. 95 ff.) zur Vereinbarung eines „Alleinvertriebs“ für einen Handelsvertreter passt zum großen Teil nicht auf Handelsvertreter, die einen Bezirksschutz gemäß § 87 Abs. 2 HGB genießen.
4. Entgegen der Auffassung der Klägerin gibt es kein „Geständnis“ der Beklagten, im Sinne von § 288 ZPO, welches der Entscheidung des Senats entgegenstehen würde. Die von der Klägerin angenommene Vereinbarung eines vertraglichen Wettbewerbsverbots war erstinstanzlich weder unstreitig noch zugestanden im Sinne von § 288 Abs. 1 ZPO. Denn die Frage nach dem Inhalt der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien ist – auf der Basis des beiderseitigen Sachvortrags – eine Rechtsfrage, die vom Gericht unabhängig von den Rechtsauffassungen der Parteien zu entscheiden ist. Wesentlicher Teil des beiderseitigen Sachvortrags war erstinstanzlich u.a. der Text der Vereinbarung vom 26.01.2012. Dass die Beklagte den Text des Vertrages in einem für die Entscheidung wesentlichen rechtlichen Punkt nicht problematisiert hat, ändert nichts an der Verpflichtung des Gerichts, diese Rechtsfrage ohne Bindung an die erstinstanzliche Rechtsauffassung der Beklagten zu entscheiden. Eine andere Vereinbarung mit der der Vertrag vom 26.01.2012 später geändert worden wäre, hat weder die Klägerin noch die Beklagte im Rechtsstreit vorgetragen. Schriftsätzliche Hinweise der Beklagten auf ein „exklusives Vertriebsrecht“ sind kein geständnisfähiger Sachvortrag, sondern vom Senat von Amts wegen zu prüfende Rechtsauffassungen.
5. Da sich aus den vertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien kein Wettbewerbsverbot für die Beklagte ergibt, kommt es für die Entscheidung des Senats nicht darauf an, ob das Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit von 18 Monaten Auswirkungen auf den Inhalt der für die anschließende Zeit weiter geltenden Vereinbarungen hatte.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 91a Abs. 1 ZPO. Eine Anwendung von § 97 Abs. 2 ZPO zu Gunsten der Klägerin kam nicht in Betracht, da der Erfolg der Berufung nicht auf neuem Tatsachenvortrag der Beklagten beruht (siehe oben).
7. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Ziff. 6 ZPO.