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Wirtschaftsrecht
19.09.2019
Wirtschaftsrecht
OLG Frankfurt: Auskunftsanspruch des Handelsvertreters zur Konkretisierung der Höhe des Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB

OLG Frankfurt, Urteil vom 13.3.2019 – 12 U 37/18

ECLI:DE:OLGHE:2019:0313.12U37.18.00

Volltext: BB-ONLINE BBL2019-2260-1

unter www.betriebs-berater.de

Leitsatz

Der Handelsvertreter/Vertragshändler kann grundsätzlich zur Vorbereitung seines Ausgleichsanspruches vom Unternehmer Auskunft über die Vorteile verlangen, die dieser aus den im letzten Vertragsjahr mit den Neukunden abgeschlossenen Geschäften erzielt hat.

HGB § 89b

Sachverhalt

    I.

Die Parteien streiten über Ansprüche der Klägerin auf Rückkauf von Ersatzteilen sowie im Wege der Stufenklage auf Zahlung eines Vertragshändlerausgleichs, hier in erster Stufe auf Auskunft über die von der Beklagten erzielten Deckungsbeiträge aus dem Verkauf von Neufahrzeugen an Mehrfachkunden des letzten Vertragsjahres. Hilfsweise begehrt die Klägerin Zahlung eines Mindestausgleichs errechnet auf Basis ihrer Provisionsverluste.

Die Beklagte ist Generalimporteurin für Fahrzeuge der Marke1 für Deutschland. Sie schloss im Juni/Juli 2003 mit der Klägerin einen „Marke1-Händlervertrag Pkw" sowie einen „Marke1-Servicevertrag Pkw" (Anlagen K1, K2 - Sonderband Anlagen).

In Ziffer 7.6.1 des Servicevertrages (Anlage K2) heißt es:

„Der SERVICE-PARTNER ist gehalten, einen angemessenen Bestand an Marke1-ORIGINALTEILEN gemäß SERVICE-STANDARDS und gemäß Jahreszielsetzung (Anhang 4.2) zu führen.“

Anhang 10 zum Servicevertrag enthält folgende Depotvereinbarung:

„1. Allgemeiner Lagerbestand

Der Service-Partner richtet entsprechend den Service-Standards ein angemessenes Lager für Marke1-Originalteile (Vertragsware) ein und wird entsprechende Marke1-Originalteile auf Lager halten und seine Bestände bei Bedarf per Stock-Order ergänzen.

2. Empfohlene Bevorratung

Zur Bevorratung empfiehlt MMD lediglich die Teilepositionen, die in der MMD Ersatzteil-Preisliste (UPE = Unverbindliche Preisempfehlung) mit den Rabattgruppen A bis D und L geführt werden. Diese Teile sollten in wirtschaftlich vertretbaren Bestellmengen generell mit der rabattgünstigsten Auftragsart Stock-Order bezogen werden. Falls Marke1-Originalteile in eine ungünstigere Rabattgruppe zurückgestuft werden, bei der keine Stock-Orderrabattvorteile gewährt werden, werden diese Teile für die weitere Bevorratung beim Service-Partner von MMD nicht mehr empfohlen. Innerhalb einer Frist von vier Wochen ab Veröffentlichung kann der Service-Partner für die rabattmäßig zurückgestuften Marke1-Originalteilen einen Rückgabeantrag einreichen. Das Abwicklungsverfahren ist aus dem HIS (Händlerinformationssystem) zu ersehen. Soweit der Service-Partner innerhalb der Vierwochenfrist sein Rückgabebegehren nicht anmeldet, geht die Bevorratung der zurückgestuften Teilepositionen in die alleinige Dispositionsentscheidung des Service-Partners über; eine spätere Rückgabe der betroffenen Marke1-Originalteile ist danach nicht mehr möglich.

…“

Die Klägerin vertrieb neben den Produkten der Beklagten auch Fahrzeuge der Marke2 und schloss in der Folgezeit auch einen Vertragshändlervertrag mit Marke3 ab.

Die Beklagte kündigte die Verträge fristgemäß zum 31.07.2014 (Anlagen K3, K4 - Sonderband Anlagen).

Zum Zeitpunkt des Vertragsendes verfügte die Klägerin noch über Original-Ersatzteile der Beklagten (Liste Anlage A, Sonderband Anlagen), sie forderte die Beklagte mehrfach erfolglos zum Rückkauf dieser Ersatzteile auf.

Ferner meldete die Klägerin mit Schreiben vom 02.09.2014 gegenüber der Beklagten einen Ausgleichsanspruch gemäß § 89b HGB an, den sie auf 135.733,10 € bezifferte.

Hinsichtlich des begehrten Rückkaufs von Ersatzteilen ist die Klägerin erstinstanzlich der Auffassung gewesen, dass sie nach dem Servicevertrag zur Bevorratung eines angemessenen Bestands an Marke1-Originalersatzteilen verpflichtet gewesen sei. Betreffend den Ausgleichsanspruch hat sie sich darauf berufen, dass der Beklagten durch die von der Klägerin geworbenen Stammkunden ein Vorteil zufließe, der die Provisionsverluste der Klägerin übersteige. Sie ist der Ansicht, dass ihr, da sie von der Höhe dieses Vorteils keine Kenntnis habe, gemäß § 242 BGB ein entsprechender Auskunftsanspruch zustehe.

Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen für einen Rückkauf von Ersatzteilen lägen nicht vor. Ein Ausgleichsanspruch analog § 89b HGB bestehe schon dem Grunde nach nicht. Die Beklagte hat zudem bestritten, dass es sich bei den von der Klägerin für die Berechnung ihres Ausgleichsanspruchs herangezogenen Kunden um von dieser geworbene Neukunden handele. Hierzu hat sie behauptet, dass es sich bei diesen Kunden um Kunden des bis 31.05.2007 in Stadt1 tätigen Vertragshändlers X GmbH handele, dessen Kunden nach Schließung des Betriebs der Klägerin kostenfrei zur Verfügung gestellt worden seien. Die Klägerin sei auch nicht auf die Erteilung der begehrten Auskunft angewiesen, da sie einen eventuellen Ausgleichsanspruch nach der bisher üblichen Methode anhand ihrer Provisionsverluste errechnen könne.

Das Landgericht hat ein Teilurteil erlassen.

Die Klageanträge Ziffer 1 und 2, gerichtet auf Zahlung von 50.659,95 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe der in der Anlage A aufgeführten Ersatzteile nebst Feststellung des Annahmeverzugs, hat es zugesprochen. Die Rückkaufverpflichtung der Beklagten bestehe aus nachvertraglicher Treuepflicht, soweit eine Depotpflicht bestehe. Eine solche Lagerhaltungspflicht der Klägerin ergebe sich hier aus Ziffer 7.6.1 des Servicevertrages und Anhang 10 Ziffer 1, die nicht nur eine Empfehlung, sondern eine Verpflichtung begründeten. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass die „Angemessenheit“ des Lagerbestands sich auf den Umfang der in Anhang 10 Ziffer 2 empfohlenen Bevorratung und damit auf Teilepositionen beschränke, die mit den Rabattgruppen A bis D und L geführt werden.

Der mit dem Klageantrag Ziffer 3a geltend gemachte Auskunftsanspruch zur Konkretisierung der Höhe des der Klägerin zustehenden Ausgleichsanspruchs entsprechend § 89b HGB sei ebenfalls gemäß § 242 BGB begründet. Die Klägerin sei nach ihren vertraglichen Verpflichtungen vergleichbar einem Handelsvertreter in die Absatzorganisation der Beklagten eingegliedert. Die Änderung der Kfz-GVO 1400/2002, insbesondere die damit verbundene Möglichkeit eines Händlers, weitere Marken zu vertreiben, stehe dem nicht entgegen. Ein Ausgleichsanspruch der Klägerin sei auch nicht nach § 89b Abs. 3 Ziffer 1 HGB ausgeschlossen, da nicht die Klägerin, sondern die Beklagte das Vertragsverhältnis gekündigt habe.

Maßgeblich für die Höhe des Ausgleichsanspruchs seien gemäß § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB die Unternehmervorteile nach Beendigung des Vertragsverhältnisses aus der Geschäftsverbindung mit neuen Kunden, die der Handelsvertreter geworben habe, wobei der Ausgleichsanspruch nach der Neufassung des § 89b HGB nicht mehr durch die Höhe der Provisionsverluste des Handelsvertreters beschränkt sei, sondern diese Provisionsverluste nur noch ein Kriterium unter anderen im Rahmen der vorzunehmenden Billigkeitsprüfung darstellten.

Maßgeblich für die Berechnung seien die Unternehmervorteile aus den von der Klägerin im letzten Vertragsjahr mit von ihr geworbenen Stammkunden abgeschlossenen Geschäften, die die Klägerin anhand der von ihr als Anlage K10 vorgelegten Auflistung ausreichend nachvollziehbar dargelegt habe. Dem sei die Beklagte nicht substantiiert entgegengetreten. Es sei auch davon auszugehen, dass diese Stammkunden von der Klägerin geworben worden seien. Dafür spreche bei einem langjährigen Vertragshändler bereits eine Vermutung. Soweit die Beklagte pauschal behaupte, die Klägerin habe sämtliche von ihr benannten Kunden von der X GmbH, einem früheren Vertragshändler der Beklagten, der 2007 seinen Betrieb einstellte, übernommen, sei dies mangels konkreten Tatsachenvortrags ersichtlich eine Behauptung ins Blaue hinein und deshalb unbeachtlich.

Zu den hier maßgeblichen Unternehmervorteilen gehöre auch der mit den Stammkunden zu erzielende Umsatz aus dem Erwerb von Ersatzteilen. Hierzu habe die Klägerin in der Anlage B im Einzelnen aufgelistet, welche Stammkunden im letzten Vertragsjahr welche Ersatzteile erworben haben. Die Beklagte sei der Richtigkeit dieser Aufstellung nicht entgegengetreten.

Zur Ermittlung der Unternehmervorteile erscheine es angemessen, vom bilanzrechtlichen Deckungsbeitrag I, das heißt dem Rohertrag, errechnet aus der Differenz zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis, auszugehen. Dies gelte insbesondere deshalb, weil die Beklagte Importeurin der von der Klägerin vertriebenen Fahrzeuge sei. Dieser Wert sei hier auch ohne allzu großen Aufwand von der Beklagten zu ermitteln.

Unbegründet sei allerdings der hier gleichzeitig geltend gemachte Anspruch der Klägerin auf Vorlage „aller Unterlagen, die für die Entstehung, deren Fälligkeit und Berechnung der Deckungsbeiträge... wesentlich seien". Es könne dahinstehen, ob im Hinblick darauf, dass nicht ersichtlich sei, um welche konkreten Unterlagen es hier gehen solle, der Antrag überhaupt ausreichend bestimmt sei. Eine Pflicht zur Vorlage von Belegen bestehe bei einem Auskunftsanspruch grundsätzlich nicht. Ein Ausnahmefall, dass der Gläubiger auf die Vorlage von Belegen angewiesen und dem Schuldner die zusätzliche Verpflichtung zuzumuten sei, liege nicht vor.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das erstinstanzliche Teilurteil vom 06.03.2018, Bl. 363 ff. d.A., verwiesen.

Gegen dieses Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt.

Die Berufung der Beklagten rügt:

Es bestehe hinsichtlich der Ersatzteile keine Rücknahmeverpflichtung, da keine Depotpflicht bestanden habe. Im Anhang 10 zum Servicevertrag empfehle die Beklagte lediglich eine Bevorratung der Teilepositionen der Rabattgruppen A-D und L, darüber hinaus bestehe keine Lagerhaltungspflicht. Für eine über die Empfehlung hinausgehende Lagerhaltung habe auch kein Bedürfnis bestanden, die Beklagte halte ein Sortiment von über 120.000 Artikeln in ihren Ersatzteillagern bereit, 97 % dieser Artikel seien binnen 24 Stunden lieferbar. Die angeführte Jahreszielsetzung habe keine Verpflichtung zur Lagerung von Ersatzteilen enthalten, die dort genannten 30 % seien durch die konkret im Rahmen von Kundenaufträgen erforderlichen Teile zu erreichen gewesen. Die Marke1 Service-Standards sähen lediglich eine Mindestfläche zum Lagern von Ersatzteilen und eine Bevorratung entsprechend dem durchschnittlichen täglichen Teileumsatz vor. Die Anlage A sei außergerichtlich nicht vorgelegt worden. Zudem habe während der Vertragslaufzeit eine Rückgabemöglichkeit bestanden, die aus unverständlichen Gründen nicht wahrgenommen worden sei.

Ein Auskunftsanspruch bestehe ebenfalls mangels Ausgleichsanspruchs nach § 89b HGB nicht. Das Vertragshändlerrecht habe durch die Änderung der Kfz-GVO 2002 wesentliche Änderungen erfahren, aufgrund dieser Änderungen sei die frühere BGH-Rechtsprechung nicht mehr anwendbar, für eine analoge Anwendung des § 89b HGB sei kein Raum mehr. Es fehle an der erforderlichen engen Eingliederung des Vertragshändlers in die Absatzorganisation des Herstellers. Für den Vertragshändler bestehe die Möglichkeit, seinen Kundenstamm im Wege eines Serviceauftrags oder durch die Vermittlung von Kfz oder als zusätzliche Verkaufsstelle für einen anderen autorisierten Händler weiter zu bedienen. Auch bestehe (wie hier erfolgt) anders als beim Handelsvertreter die Möglichkeit, weitere Marken zu vertreiben und Kunden auf andere Marken umzuleiten. Auch habe sich das Käuferverhalten geändert. Dass ein Kunde einen bestimmten Pkw wegen der werbenden Tätigkeit eines bestimmten Händlers kaufe, sei heute die Ausnahme. Aber auch bei der Kundengruppe, die der Händler in seiner Kaufentscheidung beeinflussen könne, sei dem Händler in der Regel eine Umleitung auf seine neuen Marken möglich. Der Beklagten sei dadurch kein Vorteil erwachsen, sondern vielmehr ein Nachteil.

Zudem sei die Vertragsbeendigung von der Klägerin ausgegangen. Gemäß Schreiben vom 23.5.2012 (Anlage K15) habe die Klägerin vorgeschlagen, den Vertriebsvertrag im gegenseitigen Einvernehmen aufzuheben. Hierauf habe die Beklagte lediglich mit der Kündigung reagiert. Für den Ausschlusstatbestand des § 89b Abs. 3 Ziffer 1 HGB sei nicht entscheidend, von wem die Kündigung ausgesprochen werde. Wesentlich sei nur, dass die Beendigung des Vertrags auf den Willen des Handelsvertreters zurückzuführen sei.

Es fehle auch konkreter Vortrag der Klägerin zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 89b HGB, etwa dazu, warum die Kunden gemäß Anlage K10 Mehrfachkunden seien. Die Beklagte habe dies bestritten, Beweis dazu habe die Klägerin nicht angeboten. Die Stammkunden seien zudem nicht von der Klägerin geworben, sondern der Klägerin zur Verfügung gestellt worden von der X GmbH.

Der Klägerin fehle auch das Rechtsschutzbedürfnis, da die begehrte Auskunft nicht zur Berechnung eines Ausgleichsanspruchs § 89b HGB analog erforderlich sei. Es sei nicht ersichtlich, dass die Klägerin die zur Vorbereitung und Durchführung ihres Zahlungsanspruchs notwendige Auskunft nicht haben bzw. sich nicht selbst beschaffen können solle. Durch den Hilfsantrag auf Zahlung habe sie vielmehr deutlich gemacht, dass ihr sämtliche Informationen und Daten vorlägen. Das Landgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass die Berechnung eines Deckungsbeitrages für einzelne Pkw faktisch unmöglich, jedenfalls unverhältnismäßig sei. Die Auskünfte könnten daher nicht „unschwer gegeben werden“. Das Begehren der Klägerin laufe daher auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Rechtsprechung des EuGH und der daraufhin erfolgten Anpassung des § 89b HGB. Aus der Rechtsprechung ergebe sich nicht, dass die bisherige Rechtsprechung des BGH, wonach grundsätzlich anhand von Provisionsverlusten ermittelt werden könne, nicht mehr anwendbar sei. Die grundsätzliche Beschränkung sei in der Neuregelung des § 89b HGB nur für solche (Ausnahme-)Fälle aufgehoben, in denen der Handelsvertreter allein durch den Ausgleich der Provisionsverluste nicht adäquat abgefunden wäre. Es bedürfe daher konkreter, vom Anspruchsteller darzustellender Umstände, aufgrund derer im Einzelfall der Unternehmensvorteil höher sei als der beim Handelsvertreter eintretende Nachteil.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Darmstadt vom 06.03.2018 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen;

das Teilurteil des Landgerichts Darmstadt vom 06.03.2018 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die ihr mit Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 06.03.2018 auferlegte Auskunftspflicht durch Vorlage des Importeurvertrages mit Marke1 sowie sämtliche Anlagen des Importeurvertrags, welche die Einkaufskonditionen der Beklagten enthalten und der Einkaufsrechnungen für die in der Anlage K10 unter den laufenden Nummern 1, 5, 7, 9, 10, 13, 15, 16, 17, 18, 19 und 23 aufgeführten Verkäufe von Marke1 Neufahrzeugen sowie für die in der Anlage B aufgeführten Verkäufe von Ersatzteilen zu belegen;

die Beklagte zu verurteilen, die Auskunft durch Vorlage von gegebenenfalls noch zu bezeichnenden Belegen zu belegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin verteidigt zunächst das angefochtene Urteil, soweit sie es nicht selbst hinsichtlich der Belegvorlage angreift.

Die Lagerhaltungspflicht folge nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts aus 7.6 des Servicevertrages und Ziffer 1 des Anhangs 10. Eine Beschränkung hinsichtlich der Teile enthalte die Regelung nicht, gefordert sei ein „angemessenes Lager“. Ziffer 2 beschränke diese Pflicht nicht, sondern es handele sich nur um eine Empfehlung. Dem Grunde nach habe die Beklagte erstinstanzlich auch eine Depotverpflichtung - jedenfalls für die Rabattgruppen A-D und L - zugestanden.

Hinsichtlich des Vertragshändlerausgleichsanspruchs seien die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung des § 89b HGB gegeben, da die Klägerin in die Vertriebsorganisation der Beklagten eingebunden gewesen sei. Sie habe die Pflicht gehabt, der Beklagten sämtliche Kundendaten zu liefern (14.1 des Händlervertrages); ihr sei ein Marktverantwortungsgebiet zugewiesen gewesen (1.3), sie habe Verkaufsstandards einzuhalten gehabt (6), unentgeltliche Serviceleistungen erbringen müssen (7) und habe einer Verkaufsförderungspflicht unterlegen (8).

Eine auf Vertragsbeendigung zielende Erklärung der Klägerin liege nicht vor, so dass der Anspruch nicht nach § 89b Abs. 3 HGB ausgeschlossen sei. Die Kündigung sei durch die Beklagte ausgesprochen worden. Die bloße Absicht, ein Vertragsverhältnis einvernehmlich aufzulösen, führe nicht zu Ausschluss des Ausgleichsanspruchs.

Der Anspruch scheitere auch nicht an fehlendem Tatsachenvortrag. Mehrfachkunden seien konkret dargelegt und unter Beweis gestellt: Bei den mit Antrag 3a konkret benannten laufenden Nummern 1, 5, 7, 9, 10, 13, 15, 16, 17, 18, 19 und 23 der in der Anlage K10 benannten Kunden handele es sich um Mehrfachkunden, die entsprechenden Rechnungen seien als Anlage K 11 vorgelegt.

Die Klägerin habe diese Neukunden geworben, was die Beklagte nur pauschal bestritten habe. Insbesondere habe die Beklagte der Klägerin keine Stammkunden überlassen. Die Klägerin habe erstinstanzlich bestritten, dass sie die Kunden der X GmbH übernommen habe. Konkrete Darlegungen der Beklagten dazu hätten gefehlt, was das Landgericht zutreffend gewürdigt habe.

Eine Überleitung von Kunden auf die Marke3 sei von der Klägerin bestritten worden, konkreter Vortrag und Beweisantritt der Beklagten dazu fehle. Selbst wenn dies zuträfe, könne sich dies nur im Rahmen der Billigkeit auswirken und wäre daher erst nach Ermittlung der Unternehmervorteile relevant, also für den Auskunftsanspruch nicht entscheidungserheblich. Die Mehrfachkunden könne die Klägerin gerade nicht umgeleitet haben, da sie auch im letzten Vertragsjahr ein Marke1 Fahrzeug erworben hätten.

Der Auskunftsanspruch sei zutreffend bejaht worden, da sich der Ausgleichsanspruch nach den Unternehmervorteilen berechne, diese der Klägerin unbekannt seien und von der Beklagten unschwer errechnet werden könnten, da sich der Deckungsbeitrag I (Rohertrag) einer Importeurin durch Abzug des Einkaufspreises vom Verkaufspreis ergebe. Die Klägerin kenne weder den Deckungsbeitrag noch die Finanzstruktur der Beklagten.

Zu ihrer eigenen Berufung rügt die Klägerin, die Abweisung der Klage in Bezug auf die Belegvorlage sei zu Unrecht erfolgt.

Sie stellt insoweit einen im Vergleich zur ersten Instanz modifizierten Antrag (dort: „Vorlage aller Unterlagen, die für die Entstehung, deren Fälligkeit und Berechnung der Deckungsbeiträge [bilanzrechtlich Deckungsbeitrag I = Rohertrag] wesentlich sind“), in dem sie die Vorlage konkreter Unterlagen begehrt.

Das Landgericht setze sich bezüglich des Anspruchs auf Vorlage von Belegen nicht mit der geänderten Fassung des § 89b HGB und den darauf resultierenden Änderungen im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der Unternehmervorteile für den Ausgleichsanspruch auseinander. Da die Berechnung der Unternehmervorteile umstritten, umfangreich und komplex sei, müsse der Vertragshändler in der Lage sein, die ihm gegebenen Auskünfte anhand von belastbaren Unterlagen zu prüfen.

Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Klägerin selbst dargelegt habe, dass die Unternehmervorteile schlicht durch Abzug des Einkaufspreises vom Verkaufspreis an den Händler errechnet werden. Dies ändere nichts an der Tatsache, dass der Unternehmervorteil von den Wertungen der Beklagten abhängig sei (Definition Einkaufpreis; Berücksichtigung variabler Kosten, Frachtkosten, Zölle, Rabatte etc.).

Eine bloße Auskunft wäre daher für die Klägerin nicht nachvollziehbar und nicht auf Verlässlichkeit prüfbar. Beim Auskunftsanspruch des Vertragshändlers müsse daher die Belegvorlagepflicht regelmäßig bejaht werden. Die eidesstattliche Versicherung auf zweiter Stufe könne insoweit keinen effektiven Rechtsschutz bieten.

Die Vorlage von Belegen sei der Beklagten auch unschwer möglich, die Vorlage des Importeurvertrages nebst Anlagen betreffend Einkaufskonditionen und Einkaufsrechnungen sei nicht unzumutbar.

Zudem habe das Landgericht § 810, 2. Fall BGB nicht berücksichtigt, der ebenfalls ein Einsichtsrecht begründe.

Die Beklagte verteidigt das Urteil diesbezüglich. Sie ist schon der Auffassung, der Klägerin sei die Modifikation des Klageantrags in der Berufung verwehrt. Der erstinstanzliche Antrag sei mangels Bestimmtheit bereits unzulässig gewesen, worauf das Landgericht die Klägerin bereits mit Beschluss vom 18.7.2017 ausdrücklich hingewiesen habe (Bl. 259 d.A.). Neuer Vortrag in der Berufung sei daher nicht mehr zuzulassen. Es bestehe auch kein materieller Anspruch auf Belegvorlage. Mit der Auskunft seien Belege nur dann vorzulegen, sofern das vertraglich vereinbart oder gesetzlich festgelegt sei. Etwas anderes gelte nur, wenn der Gläubiger auf die Vorlage der Belege angewiesen sei und dem Schuldner die zusätzliche Verpflichtung zugemutet werden könne. Beides sei hier nicht der Fall. Die Klägerin verlange die Vorlage von Unterlagen, auf die sie in erster Instanz fehlerhaft ihren Auskunftsantrag nicht erstreckt habe. Daraus lasse sich eine Angewiesenheit auf Belegvorlage nicht begründen. Der Beklagten sei auch die Vorlage des Importeurvertrages nicht zuzumuten, da sie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse offenbaren müsste. Ihrem Schutz sei genereller Vorrang vor etwaigen Auskunftsansprüchen der Klägerin einzuräumen, zumal die Klägerin inzwischen eng mit Marke3, einem unmittelbaren Wettbewerber der Beklagten, zusammenarbeite.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens beider Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Aus den Gründen

  II.

Beide Berufungen sind zulässig, aber unbegründet.

Das Landgericht hat in seinem Teilurteil zutreffend eine Rückkaufspflicht der Beklagten aus nachvertraglicher Treuepflicht (dazu 1.) und einen Auskunftsanspruch der Klägerin (dazu 2.) bejaht. Eine Belegvorlagepflicht der Beklagten besteht hingegen nicht (dazu 3.).

1. Der aus der nachvertraglichen Treuepflicht des Herstellers hergeleitete Rücknahmeanspruch beschränkt sich nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 20.07.2005, VIII ZR 121/04, NJW-RR 2005, 1496, VI.4., m.w.N.) auf Warenbestände, deren Abnahme und Lagerung durch den Eigenhändler im Interesse ordnungsmäßiger Vertragserfüllung geboten war. Der Händler soll nur die Folgen seiner vertraglichen Verpflichtung gegenüber dem Hersteller, nicht auch das Risiko darüber hinausgehender eigener unternehmerischer Entscheidungen auf diesen abwälzen können.

Die Würdigung durch das Landgericht, dass die Klägerin hinsichtlich der streitgegenständlichen Ersatzteile zur Lagerhaltung verpflichtet war, ist nicht zu beanstanden.

Ziffer 7.6.1 des Servicevertrages sieht die Verpflichtung der Klägerin zur Haltung eines angemessenen Lagers gemäß SERVICE-STANDARDS und gemäß Jahreszielsetzung (Anhang 4.2) vor, ohne dies weiter zu konkretisieren.

Die Verpflichtung zur Haltung eines „angemessenen Lagers“ wird bestätigt durch Anhang 10 Ziffer 1 des Servicevertrages („Depotvereinbarung für Marke1-Originalteile", Anlage K2).

Zwar werden in Ziffer 2 des Anhangs 10 lediglich die Teilepositionen mit den Rabattgruppen A - D und L zur Bevorratung „empfohlen“. Anschließend findet sich eine Regelung, dass im Falle einer Rückstufung in eine ungünstigere Rabattgruppe diese Teile nicht mehr zur Bevorratung empfohlen werden. Hieran anschließend wird dem Service-Partner ein vierwöchiges Rückgaberecht insoweit eingeräumt.

Daraus lässt sich allerdings entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mit der erforderlichen Klarheit entnehmen, dass dies die Konkretisierung der Angemessenheit in Ziffer 7.6 und Anhang 10.1 bedeutet mit der Folge, dass alles darüber Hinausgehende von der Klägerin selbst zu verantworten ist.

7.6 und Anlage 10.1 sind allgemein gehalten und gerade nicht auf bestimmte Teilepositionen beschränkt, sie enthalten ausdrücklich Pflichten der Klägerin zur Vorhaltung eines „angemessenen Lagers“, welches nicht näher spezifiziert wird. Allein die „Bevorratungs“-Empfehlung in Anhang 10.2 enthält keine hinreichend klare Begrenzung dieser Verpflichtungen. Es ist nicht ersichtlich, dass sämtliche nicht diesen Rabattgruppen zugehörigen Teile auch nicht von einer angemessenen Lagerhaltung umfasst würden. Die unklare Formulierung der „angemessenen Lagerhaltung“ oder „empfohlenen“ Lagerhaltung geht zu Lasten der Beklagten (§ 305c Abs. 2 BGB).

Dementsprechend enthält auch das vertraglich vereinbarte Rückkaufsrecht (Ziffer 18.4.1. und Anhang 9 zum Servicevertrag) der Beklagten keine Beschränkung auf bestimmte Teile. Die Regelungen lassen keine Verknüpfung des Rückkaufsangebots an die „angemessene“ oder „empfohlene“ Lagerhaltung nach Anhang 10 des Servicevertrags erkennen. Beim Ankauf der Teile musste die Klägerin daher davon ausgehen, hinsichtlich aller Ersatzteile dazu verpflichtet zu sein, diese bei Vertragsbeendigung für die Beklagte aufzulisten und ihr zum Rückkauf anzubieten. Wie auch bei der Lagerhaltungspflicht findet sich auch hier keine weitere Differenzierung nach bestimmten Teilen.

Auch der Hinweis der Beklagten darauf, dass die meisten Ersatzteile kurzfristig hätten geliefert werden können, gibt keinen aussagekräftigen Hinweis über die Angemessenheit der Lagerhaltung.

Etwas anderes folgt auch nicht aus dem von der Beklagtenseite im Termin vor dem Landgericht am 24.01.2017 vorgelegten Auszug aus den Marke1 Service-Standards (Bl. 214 d.A.). Insbesondere ist das dort in I.4 und 5 in Bezug genommene Teilelager (Anlage 12) nicht vorgelegt.

Eine Rückkaufverpflichtung der Beklagten scheitert entgegen der Auffassung der Beklagten auch nicht daran, dass die Anlage A außergerichtlich nicht vorgelegt worden sei. Gegen die Richtigkeit dieser Liste hat die Beklagte keine substantiierten Einwände erhoben.

Auch der Umstand, dass bestimmte Ersatzteile gemäß Anhang 10 Ziffer 2 des Servicevertrages bereits während der Vertragslaufzeit hätten zurückgegeben werden können, schließt nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts eine Rückkaufverpflichtung der Beklagten ebenfalls nicht aus.

Dass eine Rückgabe gemäß Anhang 10 Ziffer 2 am Ende deshalb ausgeschlossen war, weil die Teile in eine ungünstigere Rabattgruppe eingestuft wurden und deshalb eine Rückgabe der Teile ausgeschlossen war, ist nicht dargetan, zumal sich die Klausel ohnehin nur auf die Rabattgruppen A-D und L bezieht.

Schließlich steht auch das im Termin am 20.02.2019 übergebene Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29.03.2012 - 22 U 63/10 - dieser Auslegung nicht entgegen. Das Urteil enthält keine Entscheidung über die Lagerhaltungspflicht. Das vorangegangene und ebenfalls vorgelegte Urteil des Landgerichts Darmstadt ist durch die Entscheidung vom 29.03.2012 aufgehoben worden.

2. Das Landgericht geht auch zutreffend von einem Auskunftsanspruch zur Konkretisierung der Höhe des der Klägerin zustehenden Ausgleichsanspruchs gemäß § 89b HGB entsprechend aus.

a) Ein Auskunftsanspruch scheitert zunächst nicht schon daran, dass eine analoge Anwendung von § 89b HGB nach Änderung der Kfz-GVO 2002 nicht mehr in Betracht kommt.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist die auf Handelsvertreter zugeschnittene Bestimmung des § 89b HGB auf einen Vertragshändler entsprechend anzuwenden, wenn sich das Rechtsverhältnis zwischen ihm und dem Hersteller oder Lieferanten nicht in einer bloßen Käufer-Verkäufer-Beziehung erschöpft, sondern der Vertragshändler so in die Absatzorganisation des Herstellers oder Lieferanten eingegliedert war, dass er wirtschaftlich in erheblichem Umfang dem Handelsvertreter vergleichbare Aufgaben zu erfüllen hatte, und der Händler zum anderen verpflichtet ist, dem Hersteller oder Lieferanten seinen Kundenstamm zu übertragen, so dass sich dieser bei Vertragsende die Vorteile des Kundenstamms sofort und ohne weiteres nutzbar machen kann (vgl. etwa BGH, Urteil vom 06.10.2010 - VIII ZR 209/07, juris; ebenfalls Kfz-Vertragshändler).

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist § 89b HGB auch nach der Änderung der Kfz-GVO 2002 auf Kfz-Vertragshändler entsprechend anwendbar. Allein entscheidend ist, ob der Kfz-Vertragshändler wie ein Handelsvertreter in die Absatzorganisation des Herstellers eingegliedert ist und einen von ihm für den Hersteller neu geworbenen sowie an den Hersteller zu überlassenden Mehrfachkundenstamm aufbaut (EBJS/Löwisch HGB § 89b Rn. 220, beck-online m.N.). Der BGH berücksichtigt die eventuelle Überleitung von Kunden durch den Kfz-Vertragshändler nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts lediglich bei der Höhe des Ausgleichsanspruchs im Rahmen eines Billigkeitsabzuges (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.2011 - VIII ZR 17/09, juris).

b) Dass die Klägerin hier in die Absatzorganisation der Beklagten eingegliedert war, folgt nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts aus der Pflicht zur Übertragung des Kundenstamms, der Zuordnung eines Marktverantwortungsgebietes, den Jahreszielvereinbarungen, den Verkaufsförderungspflichten, der Verpflichtung zur Einhaltung von Verkaufsstandards sowie der Serviceleistungspflicht (i. E. S. 9 des Urteils, Bl. 404 d.A.).

c) Die Beklagte kann sich nach den weiter zutreffenden Ausführungen des Landgerichts auch nicht darauf berufen, die Vertragsbeendigung sei von der Klägerin ausgegangen mit der Folge, dass der Ausschlusstatbestand des § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB vorliege. Der Handelsvertreterausgleichsanspruch besteht danach nicht, wenn der Handelsvertreter das Vertragsverhältnis gekündigt hat, es sei denn, dass ein Verhalten des Unternehmers hierzu begründeten Anlass gegeben hat oder dem Handelsvertreter eine Fortsetzung seiner Tätigkeit wegen seines Alters oder wegen Krankheit nicht zugemutet werden kann.

Wird der Vertrag ohne eine vom Handelsvertreter ausgesprochene Kündigung oder eine ihr gleichstehende Verhaltensweise beendet, greift § 89b Abs. 3 Nr. 1 HGB nicht ein, selbst wenn das Vertragsende vom Handelsvertreter veranlasst oder verursacht worden ist. Das betrifft z.B. das Vertragsende infolge einvernehmlicher Vertragsaufhebung zur Vermeidung einer Kündigung, selbst wenn die Initiative vom Handelsvertreter ausgeht (vgl. EBJS/Löwisch HGB § 89b Rn. 49, beck-online m.N.).

Zwar hatte die Klägerin mit Schreiben vom 23.05.2012 (Anlage K15) zunächst eine einvernehmliche Vertragsaufhebung vorgeschlagen. Allein hierin ist aber keine einer Kündigung gleichstehende, auf Vertragsbeendigung zielende Erklärung zu sehen. Zu einer einvernehmlichen Vertragsaufhebung kam es auch tatsächlich nicht, sondern die Beklagte hat unstreitig die Verträge gekündigt.

d) Es fehlt entgegen der Auffassung der Beklagten auch kein konkreter Vortrag der Klägerin zu den Anspruchsvoraussetzungen des § 89b HGB.

Darzulegen sind nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts nach der Rechtsprechung des BGH die Vergütungen, die die Klägerin im letzten Vertragsjahr (01.08.2013 bis 30.07.2014) für Umsätze mit von ihr (während der Vertragslaufzeit) neu geworbenen Stammkunden erhalten hat (vgl. nur BGH, Urteil vom 13.01.2010 - VIII ZR 25/08, juris Rn. 16).

Um welche konkreten Stammkunden es dabei geht, hat die Klägerin anhand der Anlage K10 ausreichend nachvollziehbar dargelegt. Es wird sowohl dargestellt, wann der jeweilige Fahrzeugerwerb im letzten Vertragsjahr war und wann innerhalb der maßgeblichen Fünfjahresfrist ein Vorkauf stattgefunden hat. Sie hat ferner mit dem Anlagenkonvolut K 11 (Anlagenordner) Kopien der Verkaufs- und Einkaufsrechnungen des letzten Vertragsjahres sowie Vorkaufsrechnungen zu den Mehrfachkunden vorgelegt. Dem ist die Beklagte auch in der Berufungsbegründung nicht - jedenfalls nicht substantiiert - entgegengetreten.

Es bleibt auch bei der lediglich pauschalen und mangels konkreten Tatsachenvortrags unbeachtlichen Behauptung, die Klägerin habe sämtliche von ihr benannten Kunden von der XGmbH, einem früheren Vertragshändler der Beklagten, der 2007 seinen Betrieb einstellte, übernommen. Der Erhebung des angebotenen Beweises (Zeuge A) bedurfte es nicht, weil dies eine unzulässige Ausforschung bedeutet hätte. Dieser war nur dafür benannt, dass Kunden der Klägerin zur Verfügung gestellt worden seien. Auch in der Berufungsbegründung behauptet die Beklagte nicht etwa, dass der Zeuge bestätigen könne, dass die in der Anlage K10 genannten Stammkunden der Klägerin bereits Kunden der X GmbH gewesen seien.

Ob die Klägerin vor Beendigung des Händlervertrages Kunden auf die Marke „Marke1" umgeleitet hat, ist nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts hier ebenfalls nicht relevant. Jedenfalls bei den hier von der Klägerin der Ausgleichsberechnung und dem Auskunftsanspruch zugrunde gelegten Kunden war dies offensichtlich nicht der Fall, da diese im letzten Vertragsjahr ein Marke1 Fahrzeug erworben haben. Im Übrigen wirkt sich eine etwaige Kundenüberleitung nach den obigen Ausführungen (2.a) allenfalls im Rahmen der Billigkeitserwägungen aus, nicht schon auf den Auskunftsanspruch.

e) Die Klägerin ist entgegen der Auffassung der Beklagten für den Ausgleichsanspruch auf die Auskunft angewiesen.

Maßgeblich sind gemäß § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB die Unternehmervorteile, und zwar nach der Neufassung des § 89b Abs. 1 HGB nicht mehr durch die Höhe der Provisionsverluste des Handelsvertreters beschränkt. Die Provisionsverluste stellen nur noch ein Kriterium im Rahmen der Billigkeitsprüfung gemäß § 89b Abs. 1 Nr. 1 HGB dar.

Da die Klägerin über eine entsprechende Kenntnis der Unternehmensvorteile nicht verfügt, steht ihr der Auskunftsanspruch zu.

Der grundsätzliche Verweis auf die Berechnung anhand der Provisionsverluste, wenn nicht im Einzelfall besondere Umstände dafür sprechen, dass die Unternehmervorteile die Provisionsverluste übersteigen (so OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.01.2017 - 16 U 171/15), widerspricht nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Sinn und Zweck der mit der Neufassung des § 89b HGB vorgenommenen Gesetzesänderung als Reaktion auf die EuGH-Rechtsprechung (Semen-Urteil vom 26.03.2009, C-348/07, Celex-Nr. 62007CJ0348). Danach ist gerade die Höhe der Unternehmervorteile maßgeblich und der Handelsvertreter nicht auf die Höhe der ihm entgehenden Provisionsansprüche beschränkt. Beide Kriterien sind grundsätzlich voneinander unabhängig und müssen sich nicht entsprechen. Da in der Praxis es dem Handelsvertreter kaum möglich sein wird darzulegen, dass die Unternehmervorteile die Provisionsverluste übersteigen, da dafür gerade Kenntnisse der internen Kalkulation und der internen Unternehmenssteuerung notwendig sind, würde so die europarechtskonforme Neufassung von § 89b HGB ausgehöhlt (vgl. auch Thume, BB 2017, 468).

f) Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, die Auskunft sei ihr unmöglich bzw. unzumutbar. Die Beklagte kann als Importeurin unschwer ihre Unternehmervorteile errechnen, indem sie den Deckungsbeitrag I (Rohertrag) durch Abzug des Einkaufspreises vom Verkaufspreis der benannten Neufahrzeuge errechnet. Soweit die Beklagte sich darauf beruft, zu berücksichtigen seien auch der Stromverbrauch, Mitarbeiterkosten, Service, IT-Kosten etc., macht dies den Auskunftsanspruch jedenfalls nicht von vornherein unzumutbar.

3. Einen darüber hinausgehenden Anspruch auch auf Vorlage von Belegen hat die Klägerin hingegen nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts nicht. Der insoweit in der Berufung neu gestellte Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

a) Die Klägerin hat die vorzulegenden Belege in der Berufung konkretisiert. Hierbei handelt es sich nicht um eine nach § 533 ZPO zu behandelnde Klageänderung oder um neues Angriffsvorbringen, welches nach § 531 Abs. 2 ZPO zu beurteilen wäre, sondern um eine auch in der Berufung noch zulässige bloße Ergänzung der tatsächlichen Anführungen gemäß § 264 Nr. 1 ZPO (vgl. auch OLG München, Urteil vom 31. Juli 2018 - 28 U 3161/16,, juris Rn. 248).

b) Nach den zutreffenden Ausführungen des Landgerichts ist die Beklagte aber - unabhängig von der Konkretisierung des Antrags - nicht zur Vorlage von Belegen verpflichtet.

Eine solche Belegvorlagepflicht mit der Auskunft ist weder vertraglich vereinbart noch gesetzlich bestimmt. Insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 810, 2. Fall BGB nicht vor. Die Klägerin verlangt keine Einsichtnahme in Urkunden, die ein zwischen ihr und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkunden, sondern Einsichtnahme in Urkunden, die ein zwischen der Beklagten und einem anderen bestehendes Rechtsverhältnis beurkunden.

Im Übrigen besteht eine Pflicht zur Vorlage von Belegen grundsätzlich nicht (vgl. Palandt/Grüneberg, BGB, 78. Aufl. 2019, § 260, Rn. 15 m.N.). Nur ganz ausnahmsweise wird in der Rechtsprechung eine Belegvorlagepflicht gemäß § 242 BGB zur Ergänzung einer zu erteilenden Auskunft angenommen, wenn der Gläubiger auf die Vorlage von Belegen angewiesen ist, weil die Erteilung einer Auskunft der Sache nach nicht geeignet ist, dem Berechtigten die erforderliche Klarheit zu verschaffen und dem Schuldner die zusätzliche Verpflichtung zugemutet werden kann (etwa OLG Düsseldorf, Urteil vom 15.09.1995, 7 U 119/94, NJW-RR 1996, 1464 m.N.).

Allerdings kann nach § 810 BGB - und Entsprechendes muss in besonderem Maß für einen aus § 242 BGB hergeleiteten Vorlageanspruch gelten - Einsichtnahme in Urkunden nur von demjenigen verlangt werden, der unter Abwägung der beiderseitigen schutzwürdigen Belange ein berechtigtes Interesse an einer derartigen Urkundeneinsicht hat. Das setzt aber voraus, dass der Vorlegungssucher diese Einsichtnahme zur Förderung, Einhaltung und Verteidigung seiner rechtlich geschützten Interessen benötigt (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O. m.w.N.).

Dies wurde in dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall angenommen, in dem bereits erteilte Auskünfte lückenhaft waren, der Auskunftsverpflichtete trotz entsprechender Hinweise zur Erteilung einer erschöpfenden Auskunft nicht bereit war und der Auskunftsberechtigte hinreichende Anhaltspunkte vorgetragen hatte, die einen höheren Anspruch wahrscheinlich erscheinen ließen.

Ein vergleichbarer Ausnahmefall liegt hier nicht vor. Eine Auskunft wurde seitens der Beklagten noch nicht erteilt, entsprechend fehlt ein Vortrag zur Lückenhaftigkeit der Auskunft und einer Wahrscheinlichkeit, dass höhere Ansprüche bestehen. Eine Belegvorlagepflicht besteht daher jedenfalls derzeit nicht.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Die Beklagte unterlag mit der Berufung in Bezug auf den Antrag zu 1, bezogen auf den Antrag Ziffer 3a unterlagen beide Parteien, die Beklagte im Hinblick auf die Auskunft, die Klägerin in Bezug auf die Belegvorlage.

Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO im Hinblick auf die Abweichung von der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 27.01.2017 - 16 U 171/15) zugelassen, soweit die Beklagte gemäß Ziffer 3 des landgerichtlichen Urteils verurteilt wird, der Klägerin für die Zeit des letzten Vertragsjahres vom 01.08.2013 bis 30.07.2014 Auskunft zu erteilen über die von ihr realisierten Deckungsbeiträge (bilanzrechtlicher Deckungsbeitrag I = Rohertrag) für die in der Anlage K 10 unter den laufenden Nummern 1, 5, 7, 9, 10, 13, 15, 16, 17, 18, 19 und 23 aufgeführten Verkäufe von Marke1-Neufahrzeugen sowie für die in der Anlage B aufgeführten Verkäufe von Ersatzteilen.

Im Übrigen ist die Revision nicht zuzulassen, weil die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.

Der Wert des Berufungsverfahrens wird festgesetzt auf             75.659,95 €

Antrag Ziffer 1:                                                            50.659,95 €

Antrag Ziffer 2 (Annahmeverzug):                                              0,00 € (wirts. Identität)

Antrag Ziffer 3a) (Auskunft und Belegvorlage):              25.000,00 € (§ 3 ZPO).

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