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Wirtschaftsrecht
21.06.2023
Wirtschaftsrecht
EuGH: Ausgleich für Verbraucher bei Nichtigerklärung eines missbräuchliche Klauseln enthaltenden Hypothekendarlehensvertrags

EuGH, Urteil vom 15.6.2023 – C-520/21, Arkadiusz Szcześniak gegen Bank M. SA

ECLI:EU:C:2023:478

Volltext: BB-Online BBL2023-1473-1

unter www.betriebs-berater.de

 

Tenor

Im Kontext der vollständigen Nichtigerklärung eines Hypothekendarlehensvertrags mit der Begründung, dass er nach Aufhebung der missbräuchlichen Klauseln nicht fortbestehen kann, sind Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen dahin auszulegen, dass

-           sie einer gerichtlichen Auslegung des nationalen Rechts nicht entgegenstehen, wonach der Verbraucher von dem Kreditinstitut einen Ausgleich verlangen darf, der über die Erstattung der gezahlten monatlichen Raten und der zur Erfüllung dieses Vertrags gezahlten Kosten sowie die Zahlung von Verzugszinsen zum gesetzlichen Satz ab dem Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung hinausgeht, sofern die Ziele der Richtlinie 93/13 und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sind, und

-           sie einer gerichtlichen Auslegung des nationalen Rechts entgegenstehen, wonach das Kreditinstitut von dem Verbraucher einen Ausgleich verlangen darf, der über die Erstattung des zur Erfüllung dieses Vertrags gezahlten Kapitals sowie die Zahlung von Verzugszinsen zum gesetzlichen Satz ab dem Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung hinausgeht.

 

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29) sowie der Grundsätze der Effektivität, der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit.

 

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Arkadiusz Szcześniak (im Folgenden: A. S.) und der Bank M. SA wegen einer Klage zur Beitreibung einer Forderung, die sich aus der Nutzung von Geldern ergeben soll, die aus einem Hypothekendarlehensvertrag stammen, der für nichtig zu erklären ist, weil der Vertrag nach der Aufhebung missbräuchlicher Klauseln nicht fortbestehen kann.

 

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3          Die Erwägungsgründe 10 und 24 der Richtlinie 93/13 sehen vor:

„Durch die Aufstellung einheitlicher Rechtsvorschriften auf dem Gebiet missbräuchlicher Klauseln kann der Verbraucher besser geschützt werden. …

Die Gerichte oder Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten müssen über angemessene und wirksame Mittel verfügen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verbraucherverträgen ein Ende gesetzt wird“.

 

4          Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 lautet:

„Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass missbräuchliche Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit einem Verbraucher geschlossen hat, für den Verbraucher unverbindlich sind, und legen die Bedingungen hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest; sie sehen ferner vor, dass der Vertrag für beide Parteien auf derselben Grundlage bindend bleibt, wenn er ohne die missbräuchlichen Klauseln bestehen kann.“

 

5          Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass im Interesse der Verbraucher und der gewerbetreibenden Wettbewerber angemessene und wirksame Mittel vorhanden sind, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch einen Gewerbetreibenden in den Verträgen, die er mit Verbrauchern schließt, ein Ende gesetzt wird.“

 

Polnisches Recht

6          Art. 5 der Ustawa – Kodeks cywilny (Gesetz über das Zivilgesetzbuch) vom 23. April 1964 (Dz. U. 1964, Nr. 16) in ihrer auf den Ausgangsrechtsstreit anwendbaren Fassung (im Folgenden: Zivilgesetzbuch) lautet:

„Die Ausübung eines eigenen Rechts ist unzulässig, wenn sie mit der sozio-ökonomischen Zweckbestimmung dieses Rechts oder mit den Grundsätzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens unvereinbar ist. Eine solche Handlung oder Unterlassung durch den Berechtigten gilt nicht als Rechtsausübung und genießt keinen Schutz.“

 

7          Art. 222 § 1 des Zivilgesetzbuchs sieht vor:

„Der Eigentümer kann von einer Person, die eine ihm gehörende Sache tatsächlich besitzt, verlangen, dass ihm die Sache ausgehändigt wird, es sei denn, diese Person hat gegenüber dem Eigentümer ein wirksames Recht zum Besitz der Sache.“

 

8          Art. 3581 §§ 1 bis 4 des Zivilgesetzbuchs lautet:

„§ 1. Ist der Gegenstand des Schuldverhältnisses vom Zeitpunkt seiner Entstehung an ein Geldbetrag, so erfolgt die Erfüllung durch Zahlung des Nennbetrags, sofern nicht besondere Vorschriften etwas anderes bestimmen.

§ 2. Die Parteien können im Vertrag vereinbaren, dass die Höhe der Geldleistung nach einem anderen Wertmaßstab als Geld bestimmt wird.

§ 3. Bei einer wesentlichen Änderung der Kaufkraft des Geldes nach Entstehung des Schuldverhältnisses kann das Gericht nach Abwägung der Interessen der Parteien entsprechend den Grundsätzen des gesellschaftlichen Zusammenlebens die Höhe oder die Art und Weise der Erbringung der Geldleistung ändern, auch wenn diese in einer Gerichtsentscheidung oder einem Vertrag festgelegt sind.

§ 4. Wer ein Unternehmen betreibt, kann keine Änderung der Höhe oder der Art und Weise der Erbringung der Geldleistung verlangen, wenn die Leistung im Zusammenhang mit dem Betrieb dieses Unternehmens steht.“

 

9          Art. 361 §§ 1 und 2 des Zivilgesetzbuchs lautet:

„§ 1. Der zum Schadensersatz Verpflichtete haftet nur für die normalen Folgen der Handlung oder Unterlassung, die zu dem Schaden geführt hat.

§ 2. Innerhalb der oben genannten Grenzen und sofern gesetzlich oder vertraglich nichts anderes bestimmt ist, umfasst der Schadensersatz die Einbußen, die der Geschädigte erlitten hat, und die Vorteile, die er ohne den Schaden hätte erzielen können.“

 

10        Art. 3851 §§ 1 und 2 des Zivilgesetzbuchs lautet:

„§ 1. Die Bestimmungen eines mit einem Verbraucher geschlossenen Vertrags, die nicht individuell vereinbart worden sind, sind für ihn unverbindlich, wenn sie seine Rechte und Pflichten in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise gestalten und seine Interessen grob verletzen (unzulässige Vertragsbestimmungen). Dies gilt nicht für Bestimmungen, die die Hauptleistungen der Parteien, darunter den Preis oder die Vergütung, festlegen, wenn sie eindeutig formuliert worden sind.

§ 2. Ist eine Vertragsbestimmung nach § 1 für den Verbraucher unverbindlich, so sind die Parteien an den Vertrag in seinem übrigen Umfang gebunden.“

 

11        Art. 405 des Zivilgesetzbuchs sieht vor:

„Wer einen Vermögensvorteil auf Kosten einer anderen Person ohne rechtlichen Grund erlangt hat, ist verpflichtet, den Vorteil in Natur herauszugeben und, falls dies unmöglich ist, seinen Wert zu erstatten.“

 

12        Art. 410 §§ 1 und 2 des Zivilgesetzbuchs lautet:

„§ 1. Die Vorschriften der vorstehenden Artikel werden insbesondere auf eine nicht geschuldete Leistung angewandt.

§ 2. Eine Leistung ist nicht geschuldet, wenn derjenige, der sie erbracht hat, nicht oder nicht gegenüber der Person, an die er geleistet hat, leistungsverpflichtet war oder wenn die Grundlage der Leistung entfallen ist oder der beabsichtigte Zweck der Leistung nicht erreicht worden ist oder wenn das zur Leistung verpflichtende Rechtsgeschäft unwirksam war und nicht nach Erbringung der Leistung wirksam geworden ist.“

 

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

13        Am 25. Juli 2008 schlossen A. S. und seine Ehefrau E. S. mit der Bank M. einen Vertrag über ein Hypothekendarlehen mit einer Laufzeit von 336 Monaten über 329 707,24 polnische Zloty (PLN) (etwa 73 000 Euro) und einem variablen Zinssatz (im Folgenden: Hypothekendarlehensvertrag). Die Klauseln dieses Vertrags waren nicht einzeln ausgehandelt worden. Das Darlehen war an den Schweizer Franken (CHF) gekoppelt, und der Vertrag sah vor, dass die monatlichen Darlehensraten nach Umrechnung auf der Grundlage des in der am Tag der Zahlung der jeweiligen Monatsrate geltenden Devisenkurstabelle der Bank M. veröffentlichten CHF‑Verkaufskurses in polnischen Zloty zu zahlen waren. Infolge des Abschlusses einer Zusatzvereinbarung zu diesem Vertrag am 6. September 2011 wurde A. S. und E. S. die Möglichkeit eingeräumt, die monatlichen Darlehensraten unmittelbar in Schweizer Franken zu zahlen.

 

14        Mit einer am 31. Mai 2021 erhobenen Klage verlangte A. S. von der Bank M. die Zahlung von 3 660,76 PLN (etwa 800 Euro) zuzüglich Verzugszinsen zum gesetzlichen Zinssatz ab dem 8. Juni 2021 bis zum Zeitpunkt der Zahlung. Zur Stützung seiner Klage machte A. S. geltend, der Hypothekendarlehensvertrag enthalte missbräuchliche Klauseln und sei aus diesem Grund nichtig, so dass die Bank M. die monatlichen Darlehensraten ohne Rechtsgrund erhalten habe.

 

15        A. S. vertritt die Ansicht, dass die Bank M. dadurch, dass sie den Betrag von 7 769,06 PLN (etwa 1 700 Euro), der den im Zeitraum von Juni 2011 bis September 2011 gezahlten monatlichen Raten entspreche, vom 1. Oktober 2011 bis zum 31. Dezember 2020 genutzt habe, einen Gewinn von 7 321,51 PLN (etwa 1 600 Euro) erzielt habe. Daher verlangte A. S. von der Bank M. die Zahlung der Hälfte dieses Betrags, d. h. 3 660,76 PLN (etwa 800 Euro), wobei die andere Hälfte seiner Ehefrau E. S. zustand, die nicht Partei des Ausgangsverfahrens ist.

 

16        In ihrer am 1. Juli 2021 eingereichten Klagebeantwortung beantragte die Bank M., die Klage von A. S. abzuweisen, und machte geltend, dass der Hypothekendarlehensvertrag nicht für nichtig zu erklären sei, da er keine missbräuchlichen Klauseln enthalte, und dass im Fall der Nichtigerklärung dieses Vertrags jedenfalls ausschließlich die Bank M. und nicht A. S. die Begleichung einer Forderung aufgrund der ohne Rechtsgrund erfolgten Nutzung des Kapitals verlangen könne.

 

17        Der Sąd Rejonowy dla Warszawy – Śródmieścia w Warszawie (Rayongericht Warschau – Śródmieście, Warschau, Polen), das vorlegende Gericht, weist darauf hin, dass A. S. die Klauseln in § 2 Abs. 2 und § 7 Abs. 1 des Hypothekendarlehensvertrags anfechte, wonach das Darlehenskapital und die monatlichen Darlehensraten von Schweizer Franken in polnische Zloty bzw. von polnischen Zloty in Schweizer Franken unter Verwendung des von der Bank M. bestimmten Wechselkurses umgerechnet würden (sogenannte „Umrechnungsklauseln“).

 

18        Das vorlegende Gericht führt zum einen aus, dass Umrechnungsklauseln wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden von polnischen Gerichten einheitlich als unzulässige Vertragsklauseln angesehen würden und in das vom Präsidenten des Urząd Ochrony Konkurencji i Konsumentów (Amt für Wettbewerbs- und Verbraucherschutz, Polen) geführte Register unzulässiger Klauseln eingetragen worden seien.

 

19        Zum anderen weist das vorlegende Gericht darauf hin, dass es zur Frage der Auswirkungen des Vorliegens solcher missbräuchlicher Umrechnungsklauseln in einem Hypothekendarlehensvertrag noch keine einheitliche nationale Rechtsprechung gebe. Gleichwohl überwiege in der nationalen Rechtsprechung seit dem am 3. Oktober 2019 ergangenen Urteil Dziubak (C‑260/18, EU:C:2019:819) eindeutig der Standpunkt, dass die Aufnahme derartiger Klauseln in einen Darlehensvertrag zur Nichtigkeit dieses Vertrags führe.

 

20        Zu den Folgen der Nichtigerklärung eines Vertrags nach nationalem Recht führt das vorlegende Gericht aus, dass ein für nichtig erklärter Vertrag als niemals geschlossen gelte (Nichtigkeit ex tunc). Wenn die Parteien auf der Grundlage dieses Vertrags bestimmte Leistungen erbracht hätten, könnten sie deren Erstattung verlangen, da es sich um nicht geschuldete Leistungen handele.

 

21        Im Einzelnen erläutert das vorlegende Gericht, dass zum einen die Bank vom Darlehensnehmer die Erstattung des Gegenwerts des ihm gewährten Darlehenskapitals verlangen könne und zum anderen der Darlehensnehmer von der Bank die Erstattung des Gegenwerts der gezahlten monatlichen Darlehensraten sowie der von der Bank erhobenen Entgelte verlangen könne. Das vorlegende Gericht führt aus, dass jede Partei auch die Zahlung von Verzugszinsen zum gesetzlichen Satz ab dem Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung verlangen könne.

 

22        Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass es zu der Frage, ob die Parteien eines nichtigen Darlehensvertrags zusätzlich zur Zahlung der in Rn. 21 des vorliegenden Urteils aufgeführten Beträge die Zahlung weiterer Beträge wegen der während eines bestimmten Zeitraums erfolgten rechtsgrundlosen Nutzung von Geldern verlangen könnten, noch keine einheitliche nationale Rechtsprechung gebe. Die von den Parteien zur Stützung solcher Ansprüche zumeist geltend gemachten Rechtsgrundlagen seien die ungerechtfertigte Bereicherung und die Erstattung einer nicht geschuldeten Leistung.

 

23        Das vorlegende Gericht meint, dass sich der Gerichtshof im Hinblick auf die Richtlinie 93/13 noch nicht dazu geäußert habe, ob die Parteien eines für nichtig erklärten Darlehensvertrags die Erstattung von Beträgen verlangen könnten, die über die von ihnen zur Erfüllung dieses Vertrags jeweils gezahlten Beträge hinausgingen.

 

24        Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts kann keine über die Erstattung des an den Verbraucher gezahlten Kapitals (sowie gegebenenfalls der Verzugszinsen zum gesetzlichen Satz ab dem Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung) hinausgehende Forderung der Bank zulässig sein, da andernfalls die mit der Richtlinie 93/13 verfolgten Ziele gefährdet würden. Da die Nichtigkeit des Hypothekendarlehensvertrags auf das Verhalten der Bank zurückgehe, die missbräuchliche Klauseln verwendet habe, müsse verhindert werden, dass sie von ihrem Verhalten profitiere, das nicht nur gegen die Richtlinie 93/13, sondern auch gegen Treu und Glauben verstoße und sittenwidrig sei. Würde den Gewerbetreibenden, die missbräuchliche Klauseln verwendet hätten, ein Vorteil belassen, widerspräche dies auch der Anforderung, den Abschreckungseffekt des in der Richtlinie 93/13 vorgesehenen Verbots solcher Klauseln aufrechtzuerhalten.

 

25        Würde eine solche Lösung zugelassen, liefe dies nach Ansicht des vorlegenden Gerichts darauf hinaus, dass ein Verbraucher, der Kenntnis vom Vorliegen einer missbräuchlichen Klausel erlangt habe, es vorziehe, die Erfüllung des Vertrags fortzusetzen, statt seine Rechte geltend zu machen, da für ihn die Nichtigkeit des Vertrags zu negativen finanziellen Folgen wie der Zahlung einer Vergütung für die Nutzung des Kapitals führen könnte.

 

26        In Bezug auf den Verbraucher weist das vorlegende Gericht hingegen darauf hin, dass für ihn die Möglichkeit, die Zahlung von Beträgen zu verlangen, die über die von ihm an die Bank gezahlten monatlichen Raten und gegebenenfalls Verzugszinsen zum gesetzlichen Zinssatz ab dem Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung, sowie die Gebühren, Provisionen und Versicherungsbeiträge hinausgingen, nicht gegen den Effektivitätsgrundsatz verstoße.

 

27        Jedoch würde, wenn es Verbrauchern gestattet würde, von Gewerbetreibenden die Zahlung solcher Beträge wegen rechtsgrundloser Nutzung der monatlichen Raten zu verlangen, dies nach Ansicht des vorlegenden Gerichts darauf hinauslaufen, den Gewerbetreibenden eine unverhältnismäßige Sanktion aufzuerlegen.

 

28        Des Weiteren vertritt das vorlegende Gericht die Ansicht, dass sich die möglichen Rechtsgrundlagen solcher Ansprüche der Verbraucher sehr ähnelten, so dass es nicht gerechtfertigt sei, die Möglichkeit zu eröffnen, so viele Forderungen gleichzeitig geltend zu machen, da andernfalls der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt würde. Würde diese Möglichkeit bejaht, verstieße dies auch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, der so zu verstehen sei, dass dann, wenn ein Darlehensvertrag vollständig für nichtig erklärt werde, beide Parteien verpflichtet seien, alle zur Erfüllung dieses Vertrags erbrachten Geldleistungen zurückzuzahlen, und alle weiteren Ansprüche ausgeschlossen seien.

 

29        Unter diesen Umständen hat der Sąd Rejonowy dla Warszawy – Śródmieścia w Warszawie (Rayongericht Warschau – Śródmieście, Warschau) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Sind Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sowie die Grundsätze der Effektivität, der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit dahin auszulegen, dass sie einer gerichtlichen Auslegung nationaler Vorschriften entgegenstehen, nach der dann, wenn ein zwischen einer Bank und einem Verbraucher geschlossener Darlehensvertrag wegen darin enthaltener missbräuchlicher Klauseln als von Anfang an nichtig befunden wird, die Parteien neben der Erstattung der in Erfüllung dieses Vertrags gezahlten Beträge (seitens der Bank – des Darlehensbetrags, seitens des Verbrauchers – der Raten, Gebühren, Provisionen und Versicherungsprämien) und der gesetzlichen Verzugszinsen ab dem Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung auch jegliche andere Leistungen verlangen können, einschließlich Forderungen (insbesondere Vergütung, Schadensersatz, Aufwendungsersatz oder Valorisierung der Leistung) auf der Grundlage, dass:

1. dem Erbringer der Geldleistung die Möglichkeit zur Nutzung seines Geldes vorübergehend entzogen wurde, so dass er keine Möglichkeit hatte, dieses zu investieren und daraus Gewinn zu erzielen,

2. der Erbringer der Geldleistung die Kosten für die Abwicklung des Darlehensvertrags und die Übermittlung des Geldes an die andere Partei getragen hat,

3. der Empfänger der Geldleistung einen Vorteil erlangt hat, da er vorübergehend über fremdes Geld verfügen, es u. a. investieren und daraus Gewinn erzielen konnte,

4. der Empfänger der Geldleistung vorübergehend kostenlos über fremdes Geld verfügen konnte, was unter Marktbedingungen unmöglich gewesen wäre,

5. die Kaufkraft des Geldes durch Zeitablauf gesunken ist, was für den Erbringer der Geldleistung einen realen Verlust bedeutet,

6          die vorübergehende Überlassung von Geld zur Nutzung als Dienstleistung behandelt werden kann, für die der Erbringer der Geldleistung keine Vergütung erhalten hat?

 

Zum Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens

30        Nach Verlesung der Schlussanträge des Generalanwalts hat die Bank M. mit Schriftsätzen, die am 10. März 2023 und am 26. April 2023 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen sind, gemäß Art. 83 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beantragt.

 

31        Zur Stützung ihres Antrags trägt die Bank M. als Erstes vor, dass sich den Schlussanträgen des Generalanwalts und insbesondere seinen Ausführungen in den Nrn. 17, 19, 28, 29, 61, 62 und 66 nicht entnehmen lasse, was der Umfang der Forderungen des Gewerbetreibenden und des Verbrauchers sei, so dass es nicht möglich sei, die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Effektivität ordnungsgemäß anzuwenden.

 

32        Als Zweites fragt sich die Bank M., ob Verbraucher, die in Polen ein Hypothekendarlehen aufgenommen hätten, in eine günstigere Lage als Verbraucher, die ein solches Darlehen in einem anderen Mitgliedstaat aufgenommen hätten, versetzt würden, wenn ihnen das Recht gewährt würde, über die Erstattung der monatlichen Raten und der Kosten hinaus weitere Ansprüche gegenüber der Bank geltend zu machen.

 

33        Als Drittes beanstandet die Bank M. bestimmte Ausführungen in den Schlussanträgen des Generalanwalts.

 

34        Als Viertes macht die Bank M. schließlich geltend, das mündliche Verfahren müsse wiedereröffnet werden, damit der Gerichtshof klären könne, welche Auswirkungen das Urteil vom 21. März 2023, Mercedes-Benz Group (Haftung der Hersteller von Fahrzeugen mit Abschalteinrichtungen) (C‑100/21, EU:C:2023:229), auf das Ausgangsverfahren habe.

 

35        Hierzu ist zum einen festzustellen, dass die Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und die Verfahrensordnung keine Möglichkeit für die in Art. 23 der Satzung bezeichneten Beteiligten vorsehen, eine Stellungnahme zu den Schlussanträgen des Generalanwalts einzureichen (Urteil vom 21. März 2023, Mercedes-Benz Group [Haftung der Hersteller von Fahrzeugen mit Abschalteinrichtungen], C‑100/21, EU:C:2023:229, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

36        Zum anderen stellt der Generalanwalt nach Art. 252 Abs. 2 AEUV öffentlich in völliger Unparteilichkeit und Unabhängigkeit begründete Schlussanträge zu den Rechtssachen, in denen nach der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union seine Mitwirkung erforderlich ist. Der Gerichtshof ist weder an diese Schlussanträge noch an deren Begründung gebunden. Dass ein Beteiligter nicht mit den Schlussanträgen des Generalanwalts einverstanden ist, kann folglich unabhängig von den darin untersuchten Fragen für sich genommen kein Grund sein, der die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens rechtfertigt (Urteil vom 21. März 2023, Mercedes-Benz Group [Haftung der Hersteller von Fahrzeugen mit Abschalteinrichtungen], C‑100/21, EU:C:2023:229, Rn. 44 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

37        Zwar kann der Gerichtshof gemäß Art. 83 der Verfahrensordnung jederzeit nach Anhörung des Generalanwalts die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens beschließen, insbesondere wenn er sich für unzureichend unterrichtet hält, wenn eine Partei nach Abschluss des mündlichen Verfahrens eine neue Tatsache unterbreitet hat, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung des Gerichtshofs ist, oder wenn ein zwischen den in Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union bezeichneten Beteiligten nicht erörtertes Vorbringen entscheidungserheblich ist.

 

38        Im vorliegenden Fall verfügt der Gerichtshof jedoch über alle Informationen, die für seine Entscheidung erforderlich sind, und es ist kein Vorbringen entscheidungserheblich, das zwischen den Beteiligten nicht erörtert worden wäre. Der in Rn. 30 des vorliegenden Urteils genannte Antrag auf Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens enthält auch keine neue Tatsache, die von entscheidender Bedeutung für die Entscheidung wäre, die der Gerichtshof in der vorliegenden Rechtssache zu treffen hat.

 

39        Der Gerichtshof gelangt deshalb nach Anhörung des Generalanwalts zu der Auffassung, dass kein Grund besteht, die Wiedereröffnung des mündlichen Verfahrens zu beschließen.

 

Zur Vorlagefrage

Zur Zulässigkeit der Vorlagefrage und zur Zuständigkeit des Gerichtshofs für ihre Beantwortung

40        In seinem Vorabentscheidungsersuchen hat das vorlegende Gericht die Zulässigkeit der dem Gerichtshof vorgelegten Frage angesprochen, da diese Frage sowohl die Ansprüche des Verbrauchers als auch die der Bank für den Fall betreffe, dass ein Hypothekendarlehensvertrag für nichtig erklärt werde, obgleich dieses Gericht nur mit einem Antrag des Verbrauchers befasst ist.

 

41        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass es im Rahmen der durch Art. 267 AEUV geschaffenen Zusammenarbeit zwischen dem Gerichtshof und den nationalen Gerichten allein Sache des nationalen Gerichts ist, das mit dem Rechtsstreit befasst ist und in dessen Verantwortungsbereich die zu erlassende Entscheidung fällt, anhand der Besonderheiten der Rechtssache sowohl die Erforderlichkeit einer Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils als auch die Erheblichkeit der dem Gerichtshof vorzulegenden Fragen zu beurteilen. Daher ist der Gerichtshof grundsätzlich gehalten, über ihm vorgelegte Fragen zu befinden, wenn diese die Auslegung des Unionsrechts betreffen (Urteil vom 13. Oktober 2022, Baltijas Starptautiskā Akadēmija und Stockholm School of Economics in Riga, C‑164/21 und C‑318/21, EU:C:2022:785, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

42        Somit spricht eine Vermutung für die Entscheidungserheblichkeit von Fragen, die das Unionsrecht betreffen. Der Gerichtshof kann die Beantwortung einer Vorlagefrage eines nationalen Gerichts nur ablehnen, wenn die erbetene Auslegung des Unionsrechts offensichtlich in keinem Zusammenhang mit den Gegebenheiten oder dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, wenn der Gerichtshof nicht über die tatsächlichen und rechtlichen Angaben verfügt, die für eine zweckdienliche Beantwortung der ihm vorgelegten Fragen erforderlich sind, oder wenn das Problem hypothetischer Natur ist (Urteil vom 13. Oktober 2022, Baltijas Starptautiskā Akadēmija und Stockholm School of Economics in Riga, C‑164/21 und C‑318/21, EU:C:2022:785, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

43        Soweit im vorliegenden Fall die Vorlagefrage zum Teil die Ansprüche des Gewerbetreibenden gegenüber dem Verbraucher betrifft, die Bank M. zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorabentscheidungsersuchens aber keinen entsprechenden Antrag gestellt hatte, vertritt das vorlegende Gericht als Erstes die Ansicht, dass die Zulässigkeit dieses Teils der Vorlagefrage dadurch gerechtfertigt sei, dass die Nichtigerklärung ex tunc eines Vertrags die Rückgewähr nicht geschuldeter Leistungen impliziere, die jeder der beiden Vertragspartner erbracht habe, so dass es die Antwort auf die gesamte Vorlagefrage benötige, um über etwaige Einreden des Gewerbetreibenden gegen die Forderung des Verbrauchers zu entscheiden.

 

44        Als Zweites teilt das vorlegende Gericht dem Gerichtshof mit, dass nach der in der nationalen Rechtsprechung vorherrschenden Auslegung dann, wenn beide Vertragspartner nicht geschuldete Leistungen gleicher Art erbracht hätten und sich ihre Leistungen aus demselben Rechtsverhältnis ergäben, nur die Partei, die die Leistung von größerem Umfang erhalten habe, als ungerechtfertigt bereichert angesehen werden könne. Folglich sei das vorlegende Gericht im Ausgangsverfahren auf jeden Fall verpflichtet, die Begründetheit der Ansprüche beider Vertragspartner zu prüfen.

 

45        Als Drittes vertritt das vorlegende Gericht schließlich die Ansicht, dass eine Nichtbeantwortung der gesamten Vorlagefrage den Abschreckungseffekt der Richtlinie 93/13 beeinträchtigen würde, da die in Polen tätigen Banken den Verbrauchern öffentlich mit schwerwiegenden Folgen drohten, wenn diese sich dafür entschieden, die Nichtigkeit ihres Hypothekendarlehensvertrags geltend zu machen, weil diese Gewerbetreibenden dann gegenüber den Verbrauchern Forderungen wegen deren ohne vertragliche Grundlage erfolgter Nutzung des Kapitals geltend machen würden.

 

46        Zudem hat die Bank M. dem Gerichtshof in der am 12. Oktober 2022 vor ihm abgehaltenen mündlichen Verhandlung mitgeteilt, dass sie ein gesondertes Verfahren angestrengt habe, das darauf gerichtet sei, von A. S. einen Ausgleich für die ohne vertragliche Grundlage erfolgte Nutzung des Darlehenskapitals zu verlangen. Dieses Verfahren sei jedoch bis zum Abschluss des vorliegenden Verfahrens vor dem Gerichtshof ausgesetzt.

 

47        Wie der Generalanwalt in den Nrn. 31 bis 33 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, liegt in der vorliegenden Rechtssache keiner der in Rn. 42 des vorliegenden Urteils aufgeführten Fälle vor, in denen die Vermutung der Entscheidungserheblichkeit einer Vorlagefrage widerlegt werden kann. Denn aus den beim Gerichtshof eingereichten und in den Rn. 43 bis 46 des vorliegenden Urteils zusammengefassten Erklärungen geht hervor, dass die erbetene Auslegung des Unionsrechts, soweit sie die Ansprüche der Bank – im Fall der Nichtigkeit eines Hypothekendarlehensvertrags – auf einen Ausgleich über die Erstattung des Darlehenskapitals hinaus betrifft, in Zusammenhang mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits steht, da das vorlegende Gericht veranlasst sein kann, solche Ansprüche – gegebenenfalls von Amts wegen – zu prüfen. Zudem verfügt der Gerichtshof über die rechtlichen und tatsächlichen Angaben, die für eine zweckdienliche Beantwortung der Vorlagefrage erforderlich sind. Daher ist die Vorlagefrage zulässig.

 

48        Ferner ist darauf hinzuweisen, dass das nationale Gericht die Parteien im Rahmen der nationalen Verfahrensvorschriften und im Hinblick auf den Grundsatz der Billigkeit in Zivilverfahren objektiv und erschöpfend auf die Rechtsfolgen hinzuweisen hat, die die Aufhebung der missbräuchlichen Klausel nach sich ziehen kann, und zwar unabhängig davon, ob sie durch einen professionellen Bevollmächtigten vertreten sind oder nicht (Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH, C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 97).

 

49        Eine solche Information ist insbesondere dann umso wichtiger, wenn die Nichtanwendung der missbräuchlichen Klausel zur Nichtigerklärung des gesamten Vertrags führen kann, was den Verbraucher möglicherweise Erstattungsansprüchen aussetzt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2021, Bank BPH, C‑19/20, EU:C:2021:341, Rn. 98).

 

50        Im vorliegenden Fall geht aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte hervor, dass der Rechtsstreit vor dem vorlegenden Gericht gerade die Rechtsfolgen betrifft, die die vollständige Nichtigerklärung des Hypothekendarlehensvertrags mit sich bringen kann, weil er nach Aufhebung der missbräuchlichen Klauseln nicht fortbestehen kann, so dass die Beantwortung des Teils der Vorlagefrage, der die Ansprüche des Gewerbetreibenden gegenüber dem Verbraucher betrifft, erforderlich ist, damit das vorlegende Gericht seine Pflicht erfüllen kann, A. S. über diese Folgen zu unterrichten.

 

51        Des Weiteren hat die Bank M. geltend gemacht, der Gerichtshof sei zur Beantwortung dieser Frage nicht zuständig, da die Frage die Auswirkungen der Nichtigerklärung eines Vertrags betreffe, die nicht in der Richtlinie 93/13, sondern in verschiedenen Bestimmungen des nationalen Rechts geregelt seien, für deren Auslegung ausschließlich die nationalen Gerichte zuständig seien.

 

52        Insoweit steht zwar fest, dass der Gerichtshof nicht befugt ist, im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens darüber zu entscheiden, wie nationale Vorschriften auszulegen sind oder ob ihre Auslegung durch das vorlegende Gericht richtig ist – diese Auslegung fällt nämlich in die ausschließliche Zuständigkeit der nationalen Gerichte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juli 2019, UniCredit Leasing, C‑242/18, EU:C:2019:558, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung) –, doch betrifft die Vorlagefrage – wie der Generalanwalt in Nr. 35 seiner Schlussanträge festgestellt hat – nicht die Auslegung des polnischen Rechts, sondern die Auslegung von Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 sowie der Grundsätze der Effektivität, der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit.

 

53        Folglich ist der Gerichtshof für die Beantwortung der Vorlagefrage zuständig, und diese ist zulässig.

 

Zur Beantwortung der Frage

Vorbemerkungen

54        Nach ständiger Rechtsprechung beruht das durch die Richtlinie 93/13 eingeführte Schutzsystem auf dem Gedanken, dass sich der Verbraucher gegenüber dem Gewerbetreibenden in einer schwächeren Verhandlungsposition befindet und einen geringeren Informationsstand besitzt, was dazu führt, dass er den vom Gewerbetreibenden vorformulierten Bedingungen zustimmt, ohne auf deren Inhalt Einfluss nehmen zu können (Urteil vom 26. März 2019, Abanca Corporación Bancaria und Bankia, C‑70/17 und C‑179/17, EU:C:2019:250, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

55        In Anbetracht dieser Position der Unterlegenheit verpflichtet die Richtlinie 93/13 die Mitgliedstaaten, ein Verfahren vorzusehen, das gewährleistet, dass bei jeder nicht im Einzelnen ausgehandelten Vertragsklausel geprüft werden kann, ob sie möglicherweise missbräuchlich ist. In diesem Rahmen ist es Sache des nationalen Gerichts, unter Berücksichtigung der in Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 der Richtlinie 93/13 aufgestellten Kriterien zu ermitteln, ob eine solche Klausel in Anbetracht der jeweiligen Umstände des Einzelfalls den in dieser Richtlinie aufgestellten Anforderungen an Treu und Glauben, Ausgewogenheit und Transparenz genügt (Urteil vom 26. März 2019, Abanca Corporación Bancaria und Bankia, C‑70/17 und C‑179/17, EU:C:2019:250, Rn. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

56        Die Richtlinie 93/13 verpflichtet, wie sich aus ihrem Art. 7 Abs. 1 in Verbindung mit ihrem 24. Erwägungsgrund ergibt, die Mitgliedstaaten im Hinblick auf Natur und Bedeutung des öffentlichen Interesses am Schutz der Verbraucher, angemessene und wirksame Mittel vorzusehen, damit der Verwendung missbräuchlicher Klauseln in Verträgen zwischen Gewerbetreibenden und Verbrauchern ein Ende gesetzt wird. Hierfür haben die nationalen Gerichte missbräuchliche Klauseln für unanwendbar zu erklären, damit sie den Verbraucher nicht binden, sofern der Verbraucher dem nicht widerspricht (Urteil vom 10. Juni 2021, BNP Paribas Personal Finance, C‑776/19 bis C‑782/19, EU:C:2021:470, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung, in diesem Sinne auch Urteil vom 8. September 2022, D.B.P. u. a. [Auf eine Fremdwährung lautendes Hypothekendarlehen], C‑80/21 bis C‑82/21, EU:C:2022:646, Rn. 58 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

57        Eine für missbräuchlich erklärte Vertragsklausel ist grundsätzlich als von Anfang an nicht existent anzusehen, so dass sie gegenüber dem Verbraucher keine Wirkungen haben kann. Folglich muss die gerichtliche Feststellung der Missbräuchlichkeit einer solchen Klausel grundsätzlich dazu führen, dass die Sach- und Rechtslage wiederhergestellt wird, in der sich der Verbraucher ohne diese Klausel befunden hätte (Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a., C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 61).

 

58        Insoweit hat der Gerichtshof klargestellt, dass die Verpflichtung des nationalen Gerichts, eine missbräuchliche Vertragsklausel, nach der Beträge zu zahlen sind, die sich als rechtsgrundlos herausstellen, für nichtig zu erklären, im Hinblick auf diese Beträge grundsätzlich Restitutionswirkung entfaltet, da ohne diese Restitutionswirkung der Abschreckungseffekt in Frage gestellt werden könnte, der sich nach Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit deren Art. 7 Abs. 1 an die Feststellung der Missbräuchlichkeit von Klauseln in Verträgen, die ein Gewerbetreibender mit Verbrauchern geschlossen hat, knüpfen soll (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a., C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 62 und 63).

 

59        Ferner ist darauf hinzuweisen, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 von den Mitgliedstaaten verlangt, vorzusehen, dass missbräuchliche Klauseln für die Verbraucher gemäß den „Bedingungen[, die sie] hierfür in ihren innerstaatlichen Rechtsvorschriften fest[legen]“, unverbindlich sind (Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a., C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 64 und die dort angeführte Rechtsprechung).

 

60        Jedoch kann durch die Einbettung des den Verbrauchern durch die Richtlinie 93/13 gewährten Schutzes in das nationale Recht nicht die Tragweite und folglich das Wesen dieses Schutzes geändert und somit die vom Unionsgesetzgeber ausweislich des zehnten Erwägungsgrundes der Richtlinie 93/13 angestrebte Verbesserung des Schutzes durch die Aufstellung einheitlicher Rechtsvorschriften auf dem Gebiet missbräuchlicher Klauseln in Frage gestellt werden (Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a., C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 65).

 

61        Folglich obliegt es den Mitgliedstaaten zwar, durch ihr nationales Recht die Bedingungen festzulegen, unter denen die Feststellung der Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel erfolgt und die konkreten Rechtswirkungen dieser Feststellung eintreten, doch ändert dies nichts daran, dass eine solche Feststellung die Wiederherstellung der Sach‑ und Rechtslage, in der sich der Verbraucher ohne die missbräuchliche Klausel befände, ermöglichen muss, und zwar insbesondere durch Begründung eines Anspruchs auf Rückgewähr der Vorteile, die der Gewerbetreibende aufgrund der missbräuchlichen Klauseln zulasten des Verbrauchers rechtsgrundlos erhalten hat (Urteil vom 21. Dezember 2016, Gutiérrez Naranjo u. a., C‑154/15, C‑307/15 und C‑308/15, EU:C:2016:980, Rn. 66).

 

62        Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen ist die Vorlagefrage zu prüfen.

 

Zur Vorlagefrage

63        Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob im Kontext der vollständigen Nichtigerklärung eines Hypothekendarlehensvertrags mit der Begründung, dass er nach Aufhebung der missbräuchlichen Klauseln nicht fortbestehen kann, Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass

–          sie einer gerichtlichen Auslegung des nationalen Rechts entgegenstehen, wonach der Verbraucher von dem Kreditinstitut einen Ausgleich verlangen darf, der über die Erstattung der gezahlten monatlichen Raten und der zur Erfüllung dieses Vertrags gezahlten Kosten sowie die Zahlung von Verzugszinsen zum gesetzlichen Satz ab dem Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung hinausgeht, und

–          sie einer gerichtlichen Auslegung des nationalen Rechts entgegenstehen, wonach das Kreditinstitut von dem Verbraucher einen Ausgleich verlangen darf, der über die Erstattung des zur Erfüllung dieses Vertrags gezahlten Kapitals sowie die Zahlung von Verzugszinsen zum gesetzlichen Satz ab dem Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung hinausgeht.

 

64        Es ist festzustellen, dass die Richtlinie 93/13 nicht ausdrücklich die Folgen regelt, die sich aus der Unwirksamkeit eines zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher geschlossenen Vertrags nach Aufhebung der darin enthaltenen missbräuchlichen Klauseln ergeben, wie der Generalanwalt in Nr. 44 seiner Schlussanträge ausgeführt hat. Folglich obliegt es den Mitgliedstaaten, zu bestimmen, welche Folgen diese Feststellung hat, wobei die von ihnen insoweit aufgestellten Rechtsvorschriften mit dem Unionsrecht und insbesondere mit den mit dieser Richtlinie verfolgten Zielen vereinbar sein müssen.

 

65        Ferner ist – wie in Rn. 57 des vorliegenden Urteils ausgeführt – eine für „missbräuchlich“ erklärte Vertragsklausel grundsätzlich als von Anfang an nicht existent anzusehen, so dass sie gegenüber dem Verbraucher keine Wirkungen haben kann. Folglich muss die gerichtliche Feststellung der Missbräuchlichkeit einer solchen Klausel grundsätzlich dazu führen, dass die Sach- und Rechtslage wiederhergestellt wird, in der sich der Verbraucher ohne diese Klausel befunden hätte, und zwar insbesondere durch Begründung eines Anspruchs auf Rückgewähr der Vorteile, die der Gewerbetreibende aufgrund der missbräuchlichen Klauseln zulasten des Verbrauchers rechtsgrundlos erhalten hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 31. März 2022, Lombard Lízing, C‑472/20, EU:C:2022:242, Rn. 50 und 55 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

 

66        Da – wie sich aus der in Rn. 58 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt – ohne eine solche Wirkung der Abschreckungseffekt in Frage gestellt werden könnte, den Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit deren Art. 7 Abs. 1 an die Feststellung der Missbräuchlichkeit von Klauseln in Verträgen eines Gewerbetreibenden mit Verbrauchern knüpfen soll, ist eine ähnliche Restitutionswirkung anzuerkennen, wenn die Missbräuchlichkeit von Klauseln eines zwischen einem Verbraucher und einem Gewerbetreibenden geschlossenen Vertrags nicht nur zur Nichtigkeit dieser Klauseln, sondern auch zur vollständigen Unwirksamkeit dieses Vertrags führt.

 

67        Ferner ergibt sich aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 in Verbindung mit ihrem 24. Erwägungsgrund, dass diese Richtlinie Gewerbetreibende auch davon abschrecken soll, in Verbraucherverträgen missbräuchliche Klauseln zu verwenden.

 

68        Folglich hängt die Vereinbarkeit nationaler Rechtsvorschriften zur Regelung der praktischen Folgen der Nichtigkeit eines Hypothekendarlehensvertrags wegen des Vorliegens missbräuchlicher Klauseln mit dem Unionsrecht von der Frage ab, ob diese Rechtsvorschriften es zum einen ermöglichen, die Sach‑ und Rechtslage des Verbrauchers wiederherzustellen, in der er sich ohne diesen Vertrag befunden hätte, und zum anderen den mit der Richtlinie 93/13 angestrebten Abschreckungseffekt nicht gefährden.

 

69        Was im vorliegenden Fall als Erstes die Möglichkeit betrifft, dass ein Verbraucher im Fall der Nichtigerklärung eines Hypothekendarlehensvertrags Forderungen geltend macht, die über die Erstattung der gezahlten monatlichen Raten und der zur Erfüllung dieses Vertrags gezahlten Kosten sowie gegebenenfalls die Zahlung von Verzugszinsen zum gesetzlichen Satz ab dem Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung hinausgehen, ist vorbehaltlich einer Überprüfung durch das vorlegende Gericht nicht ersichtlich, dass eine solche Möglichkeit die in Rn. 68 des vorliegenden Urteils genannten Ziele gefährdet.

 

70        Insoweit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände der bei ihm anhängigen Rechtssache zu prüfen, ob die einschlägigen nationalen Rechtsvorschriften es ermöglichen, die Sach- und Rechtslage wiederherzustellen, in der sich der Verbraucher ohne den genannten Vertrag befunden hätte.

 

71        In Bezug auf den mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 angestrebten Abschreckungseffekt ist festzustellen, dass die in Rn. 69 des vorliegenden Urteils genannte Möglichkeit dazu beitragen kann, Gewerbetreibende davon abzuhalten, in Verbraucherverträge missbräuchliche Klauseln aufzunehmen, da die zur vollständigen Nichtigkeit eines Vertrags führende Aufnahme solcher Klauseln finanzielle Folgen haben könnte, die über die Erstattung der von dem Verbraucher gezahlten Beträge und gegebenenfalls die Zahlung von Verzugszinsen hinausgehen.

 

72        Hinzuzufügen ist, dass der vom zuständigen Gericht vorgenommene Erlass von Maßnahmen wie den in Rn. 69 des vorliegenden Urteils genannten nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit angesehen werden kann, da er die konkrete Umsetzung des in der Richtlinie 93/13 vorgesehenen Verbots missbräuchlicher Klauseln darstellt.

 

73        Ferner verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, dass die nationale Regelung, mit der dieser Grundsatz umgesetzt wird, nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung der angestrebten Ziele erforderlich ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 14. März 2013, Aziz, C‑415/11, EU:C:2013:164, Rn. 74, und vom 8. Dezember 2022, BTA Baltic Insurance Company, C‑769/21, EU:C:2022:973, Rn. 34). Daher ist es Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller Umstände des Ausgangsrechtsstreits zu beurteilen, ob und inwieweit es über das zur Erreichung der in Rn. 68 des vorliegenden Urteils genannten Ziele Erforderliche hinausgeht, wenn Forderungen des Verbrauchers wie den in Rn. 69 des vorliegenden Urteils genannten stattgegeben wird.

 

74        Folglich steht im Kontext der vollständigen Nichtigerklärung eines Hypothekendarlehensvertrags mit der Begründung, dass er nach Aufhebung der darin enthaltenen missbräuchlichen Klauseln nicht fortbestehen kann, die Richtlinie 93/13 einer Auslegung des nationalen Rechts nicht entgegen, wonach der Verbraucher von dem Kreditinstitut einen Ausgleich verlangen darf, der über die Erstattung der gezahlten monatlichen Raten und der zur Erfüllung dieses Vertrags gezahlten Kosten sowie die Zahlung von Verzugszinsen zum gesetzlichen Zinssatz ab dem Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung hinausgeht, sofern die Ziele der Richtlinie 93/13 und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sind.

 

75        Als Zweites ist in Bezug auf die Ansprüche des Gewerbetreibenden gegenüber dem Verbraucher festzustellen, dass – ebenso wie die Möglichkeit eines Verbrauchers, aufgrund der Nichtigkeit des Hypothekendarlehensvertrags Forderungen geltend zu machen – solche Ansprüche nur zulässig sein können, wenn sie die in Rn. 68 des vorliegenden Urteils genannten Ziele nicht gefährden.

 

76        Würde einem Kreditinstitut aber das Recht eingeräumt, vom Verbraucher einen Ausgleich zu verlangen, der über die Erstattung des zur Erfüllung des genannten Vertrags gezahlten Kapitals sowie gegebenenfalls die Zahlung von Verzugszinsen hinausgeht, könnte der mit der Richtlinie 93/13 angestrebte Abschreckungseffekt beeinträchtigt werden, wie der Generalanwalt in Nr. 60 seiner Schlussanträge ausgeführt hat.

 

77        Der Gerichtshof hat in einem anderen Zusammenhang bereits ausgeführt, dass, wenn es dem nationalen Gericht freistünde, den Inhalt der missbräuchlichen Klauseln in solchen Verträgen abzuändern, eine derartige Befugnis die Verwirklichung des langfristigen Ziels gefährden könnte, das mit Art. 7 der Richtlinie 93/13 verfolgt wird. Diese Befugnis trüge nämlich dazu bei, den Abschreckungseffekt zu beseitigen, der für die Gewerbetreibenden darin besteht, dass solche missbräuchlichen Klauseln gegenüber dem Verbraucher schlicht unangewendet bleiben; die Gewerbetreibenden blieben nämlich versucht, die betreffenden Klauseln zu verwenden, wenn sie wüssten, dass, selbst wenn die Klauseln für unwirksam erklärt werden sollten, der Vertrag gleichwohl im erforderlichen Umfang vom nationalen Gericht angepasst werden könnte, so dass das Interesse der Gewerbetreibenden auf diese Art und Weise gewahrt würde (Urteil vom 14. Juni 2012, Banco Español de Crédito, C‑618/10, EU:C:2012:349, Rn. 69).

 

78        Desgleichen würde eine Auslegung des nationalen Rechts, wonach das Kreditinstitut von dem Verbraucher einen über die Erstattung des zur Erfüllung des genannten Vertrags gezahlten Kapitals hinausgehenden Ausgleich verlangen und damit eine Vergütung für die Nutzung dieses Kapitals durch den Verbraucher erhalten dürfte, dazu beitragen, den Abschreckungseffekt zu beseitigen, den die Nichtigerklärung des Vertrags für die Gewerbetreibenden hat.

 

79        Ferner würde die Wirksamkeit des den Verbrauchern durch die Richtlinie 93/13 gewährten Schutzes gefährdet, wenn die Verbraucher bei der Geltendmachung ihrer Rechte aus dieser Richtlinie Gefahr liefen, einen solchen Ausgleich zahlen zu müssen. Wie der Generalanwalt in Nr. 61 seiner Schlussanträge betont hat, bestünde bei einer solchen Auslegung die Gefahr, dass Situationen geschaffen würden, in denen es für den Verbraucher günstiger wäre, die Erfüllung des eine missbräuchliche Klausel enthaltenden Vertrags fortzusetzen, als seine Rechte aus dieser Richtlinie auszuüben.

 

80        Diese Erwägungen lassen sich nicht mit dem Vorbringen der Bank M. in Frage stellen, dass dann, wenn für Gewerbetreibende nicht die Möglichkeit bestünde, einen Ausgleich zu verlangen, der über die Erstattung des zur Erfüllung des genannten Vertrags gezahlten Kapitals und gegebenenfalls die Zahlung von Verzugszinsen hinausgehe, Verbraucher ein „kostenloses“ Darlehen erhielten. Ebenso wenig lässt es sich durch das Vorbringen der Bank M. und des Przewodniczący Komisji Nadzoru Finansowego (Vorsitzender der Finanzaufsichtskommission, Polen) in Frage stellen, dass die Stabilität der Finanzmärkte gefährdet wäre, wenn es Banken nicht gestattet wäre, von Verbrauchern einen solchen Ausgleich zu verlangen.

 

81        Insoweit ist als Erstes festzustellen, dass nach dem Grundsatz nemo auditur propriam turpitudinem allegans (niemand kann sich auf sein eigenes rechtswidriges Verhalten berufen) weder zugelassen werden kann, dass eine Partei aus ihrem rechtswidrigen Verhalten wirtschaftliche Vorteile zieht, noch, dass sie für die durch ein solches Verhalten verursachten Nachteile entschädigt wird.

 

82        Wie der Generalanwalt in Nr. 58 seiner Schlussanträge im Wesentlichen ausgeführt hat, ist im vorliegenden Fall die etwaige Nichtigerklärung des Hypothekendarlehensvertrags eine Folge der Verwendung missbräuchlicher Klauseln durch die Bank M. Daher kann sie nicht für den Verlust eines Gewinns entschädigt werden, der dem entspricht, den sie aus diesem Vertrag zu ziehen erwartete.

 

83        Als Zweites ist entsprechend den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 63 seiner Schlussanträge festzustellen, dass dem die Stabilität der Finanzmärkte betreffenden Argument im Kontext der Auslegung der Richtlinie 93/13, deren Ziel der Schutz der Verbraucher ist, kein Gewicht zukommt. Ferner kann es nicht zulässig sein, dass Gewerbetreibende die mit der Richtlinie 93/13 verfolgten Ziele aus Gründen der Wahrung der Finanzmarktstabilität umgehen können. Denn es ist Sache der Bankinstitute, ihre Tätigkeiten im Einklang mit dieser Richtlinie zu organisieren.

 

84        Folglich steht die Richtlinie 93/13 im Kontext der vollständigen Nichtigerklärung eines Hypothekendarlehensvertrags mit der Begründung, dass er nach Aufhebung der darin enthaltenen missbräuchlichen Klauseln nicht fortbestehen kann, einer Auslegung des nationalen Rechts entgegen, wonach das Kreditinstitut von dem Verbraucher einen Ausgleich verlangen darf, der über die Erstattung des zur Erfüllung dieses Vertrags gezahlten Kapitals sowie die Zahlung von Verzugszinsen zum gesetzlichen Zinssatz ab dem Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung hinausgeht.

 

85        Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass im Kontext der vollständigen Nichtigerklärung eines Hypothekendarlehensvertrags mit der Begründung, dass er nach Aufhebung der missbräuchlichen Klauseln nicht fortbestehen kann, Art. 6 Abs. 1 und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 dahin auszulegen sind, dass

–          sie einer gerichtlichen Auslegung des nationalen Rechts nicht entgegenstehen, wonach der Verbraucher von dem Kreditinstitut einen Ausgleich verlangen darf, der über die Erstattung der gezahlten monatlichen Raten und der zur Erfüllung dieses Vertrags gezahlten Kosten sowie die Zahlung von Verzugszinsen zum gesetzlichen Satz ab dem Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung hinausgeht, sofern die Ziele der Richtlinie 93/13 und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sind, und

–          sie einer gerichtlichen Auslegung des nationalen Rechts entgegenstehen, wonach das Kreditinstitut von dem Verbraucher einen Ausgleich verlangen darf, der über die Erstattung des zur Erfüllung dieses Vertrags gezahlten Kapitals sowie die Zahlung von Verzugszinsen zum gesetzlichen Satz ab dem Zeitpunkt der Zahlungsaufforderung hinausgeht.

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