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Wirtschaftsrecht
30.07.2015
Wirtschaftsrecht
OLG München: Aufrechnung im Vollstreckbarerklärungsverfahren eines Schiedspruchs

OLG München, Beschluss vom 19.5.2015 – 34 Sch 24/14

Volltext: BB-Online BBL2015-1857-6

unter www.betriebs-berater.de

Amtliche Leitsätze

1. Zur Aufrechnung im Vollstreckbarerklärungsverfahren.

2. Auch wenn die zur Aufrechnung gestellte - bestrittene - Gegenforderung durch Abtretung erst nach Schluss der Schiedsverhandlung erworben wurde und nicht der Schiedsklausel unterfiele, sofern sie der Zedent geltend gemacht hätte, kann ihr die Schiedseinrede entgegenstehen, wenn die Auseinandersetzung der Schiedsvertragsparteien über deren Berechtigung sich als Streitigkeit im Sinne der Schiedsklausel darstellt.

Sachverhalt

I.

Der Antragsteller und der Antragsgegner, beide Rechtsanwälte, hatten sich mit

Sozietätsvertrag vom 28.12.2001 zum Zweck der gemeinsamen Berufsausübung als Rechtsanwälte zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) zusammengeschlossen. Der Gesellschaftsvertrag (GV) enthält unter § 18 eine Schiedsklausel, wonach "alle Streitigkeiten aus und im Zusammenhang mit diesem Vertrag einschließlich Streitigkeiten über seinen Bestand oder seine Beendigung, die zwischen den Partnern und/oder zwischen einem Partner oder mehreren Partnern einerseits und der Sozietät andererseits entstehen, ... unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges von einem Schiedsgericht endgültig und verbindlich entschieden (werden)".

Nach dem mit Schreiben vom 13.8.2007 bewirkten Ausschluss des Antragsgegners aus der GbR erhob der Antragsteller, auf den gemäß § 16 Abs. 2 GV das Gesellschaftsvermögen als Gesamtrechtsnachfolger übergegangen ist, im schiedsgerichtlichen Verfahren Klage gegen den Antragsgegner wegen eines behaupteten Anspruchs auf Verlustausgleich und wegen behaupteter Aufwendungsersatzansprüche. Das Schiedsgericht gab mit Schiedsspruch vom 21.8.2012 dem Klageantrag teilweise statt und verurteilte den Schiedsbeklagten zur Zahlung von 2.929,49 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.1.2011.

Unter Vorlage des Schiedsspruchs im Original hat der Antragsteller am 27.8.2014 beantragt, diesen Schiedsspruch im Hauptsacheausspruch für vollstreckbar zu erklären.

Der hierzu angehörte Antragsgegner hat am 19.9.2014 die Aufrechnung mit einer nach seiner Behauptung an ihn am 18.12.2012 abgetretenen und gegen die GbR bzw. den Antragsteller als deren Rechtsnachfolger gerichteten Forderung auf Aufwendungsersatz erklärt und auf dieser Grundlage Zurückweisung beantragt. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Auf einem Kontokorrentkonto der GbR war dieser ein Verfügungsrahmen von 25.000 € eingeräumt. Mit Vertrag vom 23.2.2005 trat der Vater des Antragsgegners seine Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs der Stadtsparkasse aus dem Kontokorrentkreditvertrag an diese ab. Im April 2009 wurden die Sicherheit verwertet und dem Kontokorrentkonto der erzielte Erlös in Höhe von 28.556,63 € gutgeschrieben.

Der Antragsgegner behauptet unter Verweis auf die ihm gemäß § 9 Abs. 2 GV eingeräumte Alleinvertretungsberechtigung, der Aufwendungsersatzanspruch des Sicherungsgebers richte sich gegen den Antragsteller als Rechtsnachfolger der GbR, weil er - der Antragsgegner - den Sicherungsgeber in Vertretung der GbR darum ersucht habe, die Sicherheit für den Kontokorrentkredit zur Verfügung zu stellen.

Der Antragsteller rügt, dass über die behauptete Forderung im Schiedsverfahren zu befinden wäre. Außerdem bestreitet er ein Handeln des Antragsgegners in fremdem Namen und meint, dass der Aufwendungsersatzanspruch des Drittsicherungsgebers gegen den Antragsgegner selbst gerichtet sei. Sei der Antragsgegner aber tatsächlich im Namen der GbR aufgetreten, so habe er sich über die aus der gemeinsamen Geschäftsführungszuständigkeit gemäß § 9 Abs. 1 GV folgende interne Beschränkung seiner Vertretungsmacht hinweggesetzt. Zur Beschaffung einer Sicherheit sei der Antragsgegner persönlich als Verursacher des Negativsaldos auf dem Kontokorrentkonto verpflichtet gewesen. Am 31.12.2005 habe sich das Kontokorrentkonto der GbR wegen unberechtigter Entnahmen des Antragsgegners aus dem Gesellschaftsvermögen mit 28.893,00 € im Minus befunden.

Aus den Gründen

II.

Dem Antrag ist stattzugeben. Einer mündlichen Verhandlung bedarf es hierzu nicht, weil es an der begründeten Geltendmachung von Aufhebungsgründen fehlt (vgl. BGHZ 142, 204/207) und auch kein ausdrücklicher Parteiantrag gestellt wurde (vgl. Zöller/Geimer ZPO 30. Aufl. § 1063 ZPO Rn. 2).

1. Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts München folgt aus § 1062 Abs. 1 Nr. 4 , Abs. 5 ZPO i.V.m. § 7 GZVJu vom 11.6.2012 (GVBl S. 295).

2. Die formellen Voraussetzungen für die Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs sind durch dessen Vorlage im Original erfüllt (§ 1064 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

3. Der Antrag auf Vollstreckbarerklärung des - inländischen - Schiedsspruchs (§§ 1060 , 1054 ZPO ) ist zulässig und begründet.

a) Aufhebungsgründe (siehe § 1059 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 ZPO ), welche der Vollstreckbarerklärung entgegenstünden (§ 1060 Abs. 2 ZPO ), sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

b) Die vom Antragsgegner erklärte Aufrechnung (§§ 387 , 389 BGB ) mit einer Gegenforderung kann im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden.

Richtet sich die bestrittene Gegenforderung nicht gegen den Antragsteller, so liegt schon keine Aufrechnungslage vor.

Richtet sie sich aber gegen den Antragsteller als Rechtsnachfolger der GbR, so ist der Streit über die behauptete Forderung aufgrund der geschlossenen Schiedsvereinbarung dem Schiedsgericht zugewiesen. Der Antragsteller hat die Schiedseinrede erhoben.

(1) Auch nach der Neugestaltung des Schiedsverfahrensrechts durch das Schiedsverfahrens -Neuregelungsgesetz vom 22. Dezember 1997 (BGBl. I 3224) ist es im Interesse der Verfahrenskonzentration geboten, im Vollstreckbarerklärungsverfahren Einwendungen gegen den im Schiedsspruch zuerkannten Anspruch zuzulassen, die an sich zum Anwendungsbereich der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO gehören. Als eine solche nach Schluss der Schiedsverhandlung (§ 767 Abs. 2 ZPO ) entstandene und daher im Verfahren der Vollstreckbarerklärung grundsätzlich berücksichtigungsfähige Einwendung kommt auch eine Aufrechnung in Betracht (BGH SchiedsVZ 2008, 40 Rn. 31 f.), hier mit einer Forderung, welche der Antragsgegner seiner Behauptung zufolge erst nach Abschluss des Schiedsverfahrens erworben hat, so dass sie im Schiedsverfahren nicht geltend gemacht werden konnte und Präklusion nicht eingetreten ist.

(2) Die Aufrechnung mit einer Gegenforderung, die mit einer rechtswirksamen Schiedsabrede versehen ist, darf im Rechtsstreit vor dem staatlichen Gericht jedoch nicht beachtet werden (BGHZ 60, 85/89; BGH NJW-RR 2008, 556 Rn. 10). Die Schiedsvereinbarung enthält das vertragliche Verbot, einem staatlichen Gericht durch Geltendmachung des Aufrechnungseinwandes die Prüfung zu unterbreiten, ob eine dem Schiedsvertrag unterfallende Forderung besteht, über die nach dem Willen der Parteien das Schiedsgericht entscheiden sollte.

aa) Die Parteien streiten nicht nur darüber, ob die an den Antragsgegner abgetretene und gemäß § 670 BGB auf die Leistung von Aufwendungsersatz gerichtete (ursprüngliche Dritt -) Forderung gegen die GbR als angebliche Auftraggeberin gerichtet ist, sondern auch darüber, ob der Antragsgegner auf der Grundlage seines Vorbringens infolge der Abtretung Inhaber einer Forderung geworden ist, zu deren Begründung er im Innenverhältnis der Gesellschafter untereinander nicht berechtigt gewesen sei und von der er deshalb die GbR im Wege des Schadensersatzes freizustellen habe. Er bringt nämlich vor, der Antragsgegner habe im Falle einer Auftragserteilung namens der GbR die im Innenverhältnis zu beachtenden Grenzen seiner Vertretungsbefugnis überschritten. Sein Vorgehen sei nicht von einem Beschluss der die Geschäftsführung gemeinschaftlich ausübenden (§ 9 Abs. 1 GV) Gesellschafter gedeckt gewesen. Gesellschaftsintern sei der Antragsgegner persönlich als Urheber der Kontoüberziehung zur Beibringung einer Sicherheit verpflichtet gewesen, denn er habe in strafrechtlich relevanter Weise der Gesellschaft Vermögen entzogen und auf diese Weise die Inanspruchnahme des Kontokorrentkredits notwendig gemacht.

bb) Der Streit über die zur Aufrechnung gestellte Forderung hat mithin seinen Kern im gesellschaftsrechtlichen Verbund der Parteien. Die Auseinandersetzung hierüber haben die Parteien gemäß § 18 GV den staatlichen Gerichten entzogen und auf private Schiedsgerichte übertragen, denn die weit formulierte Schiedsklausel erstreckt sich ausdrücklich auf "alle Streitigkeiten ... im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvertrag", somit auch auf die hier zu klärende Meinungsverschiedenheit über eine aus dem Gesellschaftsverhältnis resultierende Beschränkung des Antragsgegners bei der Aufrechnung. Dass Rechtsinhaber der - behaupteten - zedierten Forderung ursprünglich ein durch die Schiedsklausel nicht gebundener Dritter war, führt zu keiner anderen Würdigung. Ob dem Antragsgegner als Zessionar die Aufrechnung der zedierten Forderung zu versagen ist, beurteilt sich allein nach den im Zusammenhang mit der Durchführung des Gesellschaftsvertrages geschaffenen tatsächlichen und rechtlichen Umständen und stellt sich daher als Streitigkeit im Sinne der Schiedsklausel dar (zur Auslegung vgl. BGHZ 99, 143/149).

(3) Eine Konstellation, in der ausnahmsweise die Aufrechnung dennoch im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung berücksichtigungsfähig ist, liegt nicht vor.

Das Verbot, eine schiedsbefangene Gegenforderung vor dem staatlichen Gericht geltend zu machen, besteht nicht mehr, wenn das Schiedsverfahren durchgeführt und mit einem abschließenden Schiedsspruch über die schiedsbefangene (Gegen-) Forderung beendet wurde; denn bei einer solchen Sachlage wird die von den Parteien gewollte Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts gewahrt (BGH NJW-RR 2008, 556 Rn. 10). Entsprechendes gilt, wenn über einen vor dem Schiedsgericht erhobenen Einwand keine Entscheidung ergangen ist, weil das Schiedsgericht seine Unzuständigkeit angenommen hat. In diesem Fall kann der Einwand vor dem staatlichen Gericht geltend gemacht werden (BGH SchiedsVZ 2014, 31 Rn. 5). Letzteres gilt auch dann, wenn der Einwand zwar vor dem Schiedsgericht nicht erhoben wurde, aber feststeht, dass das Schiedsgericht sich damit mangels Zuständigkeit nicht befasst hätte (BGH a. a. O.).

In dem zwischen den Parteien durchgeführten Schiedsverfahren ist eine Entscheidung über die erst nach den Erlass des Schiedsspruchs abgetretene und aufgerechnete Gegenforderung nicht ergangen. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass das Schiedsgericht seine Zuständigkeit für die zur Aufrechnung gestellte Forderung ablehnen würde. Der Vorrang des Schiedsgerichts ist daher im vorliegenden Verfahren zu beachten. Eine Beweisaufnahme über die behauptete Gegenforderung und die Berechtigung zur Aufrechnung hat vor dem staatlichen Gericht deshalb zu unterbleiben.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO . Die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach § 1064 Abs. 2 ZPO anzuordnen. Der Streitwert entspricht dem Wert der hiesigen Hauptsache. Der Wert der Gegenforderung bleibt gemäß § 45 Abs. 3 GKG unberücksichtigt.

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