OLG Naumburg: Auflösung einer Zweipersonengesellschaft
OLG Naumburg, Urteil vom 05.04.2012 - 2 U 106/11
Leitsatz
1. Bei einer Zweipersonengesellschaft, die auf die persönliche Zusammenarbeit der Gesellschafter angelegt und angewiesen ist, kommt eine Auflösung der Gesellschaft durch Urteil auch in Betracht, wenn festgestellt werden kann, dass Zerwürfnisse zwischen den Gesellschaftern eine gedeihliche Zusammenarbeit unmöglich machen.
2. Die Auflösungsklage kann nur dann Erfolg haben, wenn der Gegner der Klage nicht darlegen und erforderlichenfalls beweisen kann, dass den Belangen des Auflösungsklägers in einer für ihn zumutbaren Weise durch eine für die anderen Gesellschafter weniger einschneidende Maßnahme Rechnung getragen werden kann (hier: abgelehnt für die Inanspruchnahme eines gesellschaftsvertraglichen Kündigungsrechts).
Sachverhalt
A. Der Kläger und der Streithelfer sind zu je 50 % Gesellschafter der mit notarieller Urkunde vom 28.09.1990 gegründeten Beklagten, deren Gegenstand gemäß § 2 der Satzung die umfassende finanz- und betriebswirtschaftliche Beratung kleiner und mittelständischer Unternehmen sowie die Übernahme der benötigten Dienstleistungen ist (Anlage K 1). Alleinige Geschäftsführerin ist zwischenzeitlich die Ehefrau des Klägers (vgl. Ziff. III des Gesellschaftsvertrags sowie Anlagen K 2 und K 3).
Anfang 2006 stellte der Streithelfer seine steuerberatende Tätigkeit, im Rahmen derer er die Beklagte mit notwendigen Vorarbeiten und Buchführungsarbeiten beauftragt hatte, ein. Bis Mai/Juni 2008 wurde diese Tätigkeit vom Steuerberater U. L. ausgeübt, hinsichtlich dessen Tätigkeit zwischen dem Kläger und dem Streithelfer ein Konflikt entstand.
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Auflösung der Beklagten, weil eine werbende Tätigkeit nicht mehr stattfinde, der Streithelfer zeitweise nicht erreichbar gewesen und eine gedeihliche Zusammenarbeit mit diesem nicht mehr möglich sei.
Der Kläger hat beantragt,
die im Handelsregister des Amtsgerichts Stendal unter der Registernummer HRB ... eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Firma K. GmbH aufzulösen.
Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
Der Streithelfer hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien in I. Instanz wird gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen (Bl. 106/107).
Mit am 17.06.2011 verkündeten Urteil hat das Landgericht Halle die Klage abgewiesen. Wegen der Gründe wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen (Bl. 107 - 111).
Hiergegen hat der Kläger Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt,
das am 17.06.2011 verkündete Urteil des Landgerichts Halle abzuändern und die im Handelsregister des Amtsgerichts Stendal unter der Registernummer HRB ... eingetragene Gesellschaft mit beschränkter Haftung in der Firma K. GmbH aufzulösen.
Die Beklagte stellt keinen Antrag.
Der Streithelfer beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf das Berufungsvorbringen der Parteien und des Streithelfers wird Bezug genommen.
Aus den Gründen
B. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
I. Eine Auflösung der Beklagten durch Urteil gemäß § 61 GmbHG scheitert nicht angesichts einer Zahlungsunfähigkeit der Beklagten.
1. Bei Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit - oder Überschuldung - ist die Durchführung eines Insolvenzverfahrens (vgl. § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG), nicht aber die Auflösungsklage das geeignete Instrumentarium zur Beendigung der Gesellschaft.
2. Dass eine Zahlungsunfähigkeit der Beklagten vorliegt, kann jedoch nicht festgestellt werden. Zwar hat der Kläger in der Berufungsbegründung (dort Seite 4) vorgetragen, dass kein Gesellschaftsvermögen mehr zur Verfügung stehe. Des Weiteren hat die Beklagte in Person mit Schreiben vom 28.10.2011, dessen Inhalt sich der Kläger zueigengemacht hat (Seite 1 des Schriftsatzes vom 13.12.2011), mitgeteilt, dass „die Gesellschaft über keine Mittel verfüge, eine Rechnung zu bezahlen", und sie hat ferner ausgeführt, dass die Beklagte über keine Mittel und Mitarbeiter mehr verfüge, die Betriebsmittel veräußert und das Büro aufgegeben worden sowie die Geschäftsführerin ohne Vergütung tätig sei. Der Kläger in Person hat jedoch im Senatstermin am 21.03.2012 unwidersprochen (§ 138 Abs. 3 ZPO) vorgetragen, dass laufende Rechnungen, wie etwa für Verbandsmitgliedsbeiträge, von ihm persönlich bezahlt würden, sodass bisher keine unbeglichenen Rechnungen bestünden und die Zahlungsfähigkeit der Beklagten weiterhin gegeben sei.
II. Die Klage ist begründet, weil die Voraussetzungen der Vorschrift des § 61 GmbHG, nach der die Auflösung einer Gesellschaft gemäß dem Grundsatz der Subsidiarität ausnahmsweise in Betracht kommt, gegeben sind.
1. Allerdings ist entgegen der klägerischen Auffassung die Erreichung des Gesellschaftszwecks nicht unmöglich i. S. d. § 61 Abs. 1 Alt. 1 GmbHG. Eine solche Unmöglichkeit folgt insbesondere nicht daraus, dass die Beklagte derzeit und bereits über einen längeren Zeitraum hinweg - unterstellt - nicht mehr werbend tätig ist. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Beklagte zukünftig - dem Unternehmensgegenstand entsprechend - Aufträge zur Durchführung finanzbetriebswirtschaftlicher Beratungen erhält. Denn die Beklagte ist hierbei nicht auf Auftragserteilungen durch den Streithelfer oder den Steuerberater L. beschränkt. Die unterstellt angespannte Lage in diesem Marktsegment, auf die der Kläger verweist, führt nicht zur Annahme einer dauerhaften Unmöglichkeit der Erreichung des Gesellschaftszwecks, zumal nach dem Vortrag des Klägers dieser und seine Ehefrau „in E. Personen des öffentlichen Interesses sind" (Seite 3 der Berufungsbegründung), die über weitgehendere Geschäftskontaktmöglichkeiten verfügen werden als vergleichbare Konkurrenzunternehmen.
2. Jedoch liegen andere, in den Verhältnissen der Gesellschaft liegende wichtige Gründe vor, die die Auflösung der Beklagten nach § 61 Abs. 1 Alt. 2 GmbHG ausnahmsweise rechtfertigen. Zwischen dem Kläger und dem Streithelfer besteht ein tiefgreifendes unheilbares Zerwürfnis, das eine Fortführung der Gesellschaft als ausgeschlossen erscheinen lässt. Andere Möglichkeiten als die Auflösung sind nicht gegeben. Insbesondere ist es dem Kläger nicht zumutbar, von seinem Kündigungsrecht Gebrauch zu machen.
a) aa) Ein tiefgreifendes unheilbares Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern kann einen wichtigen Grund zur Auflösung einer GmbH bilden. Nach § 61 Abs. 1 GmbHG müssen zwar die wichtigen Gründe, die eine Auflösung der Gesellschaft rechtfertigen sollen, in den Verhältnissen der Gesellschaft - nicht der Gesellschafter - liegen. Bei einer Zwei-Personen-GmbH, die auf die persönliche Zusammenarbeit aller Gesellschafter angelegt und angewiesen ist, sind diese Voraussetzungen jedoch auch dann gegeben, wenn Zerwürfnisse zwischen den Gesellschaftern eine gedeihliche Zusammenarbeit unmöglich machen (BGH, Urteil vom 23.02.1981, II ZR 229/79, NJW 1981, 2302; OLG München, Urteil vom 02.03.2005, 7 U 4759/04, BB 2005, 685).
bb) Bei der Beurteilung eines Auflösungsbegehrens sind die schutzwürdigen Interessen der anderen Gesellschafter mit zu berücksichtigen, was aus der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht, die auch zwischen den Gesellschaftern einer GmbH besteht, folgt. Die Auflösungsklage kann danach keinen Erfolg haben, wenn den Belangen des Auflösungsklägers in einer für ihn zumutbaren Weise durch eine für die anderen Gesellschafter weniger einschneidende Maßnahme Rechnung getragen werden kann. Hierfür trägt der Gegner der Auflösungsklage die Darlegungs- und Beweislast (BGH, a. a. O.; vgl. auch BGH, Urteil vom 15.04.1985, II ZR 274/83, NJW 1985, 1901).
cc) Einem Gesellschafter steht ein Recht, die Auflösung der Gesellschaft zu betreiben, dann zu, wenn er sich bei der Verwirklichung seines Kündigungsrechts Verzögerungsversuchen der anderen Gesellschafter oder anderen Schwierigkeiten ausgesetzt sieht (BGH, Urteil vom 26.10.1983, II ZR 87/83, BGHZ 88, 320 = NJW 1984, 489). Das setzt grundsätzlich voraus, dass der Gesellschafter überhaupt eine Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses erklärt hat (vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, 19. Aufl., § 34 Anh, Rn. 24, wonach das Recht zur Auflösungsklage dann angenommen wird, wenn nach erfolgter Kündigung die Zahlung der Abfindung für den Geschäftsanteil und die Verwertung nicht in angemessener Zeit vorgenommen werden; vgl. auch Scholz/H. Winter/Seibt, GmbHG, Anhang § 34, Rn. 14/16, wonach bei Undurchführbarkeit des erklärten Austritts ein Recht zur Auflösungsklage besteht).
b) Vorliegend ist es dem Kläger unter Anwendung der vorgenannten Kriterien unzumutbar, diesen Weg der Kündigung zu beschreiten. Denn in Anbetracht der Weigerungshaltung des Streithelfers erachtet es der Senat bereits jetzt als ausgeschlossen, dass eine Kündigung zu einer Beendigung der Gesellschaft führen wird. Nach der Überzeugung des Senats, die er angesichts der zur Akte gereichten Schriftsätze und Unterlagen sowie aufgrund der mündlichen Verhandlung am 21.03.2012 gewonnen hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass zwischen den Gesellschaftern zukünftig ein gedeihliches Zusammenwirken entstehen kann, das jedenfalls eine Umsetzung der Kündigung, geschweige denn einen Gesellschaftsbetrieb ermöglicht.
aa) Zwar hängt die Wirksamkeit einer Kündigung des Klägers als solche, anders als dieser wohl meint, nicht von einer - dem kündigenden Gesellschafter nach § 5 Abs. 5 der Satzung obliegenden - Übertragung seines Geschäftsanteils auf eine von der Gesellschafterversammlung zu bestimmende Person ab. Erst mit der Übertragung wird jedoch das Ausscheiden des Kündigenden aus der Gesellschaft vollzogen (vgl. Winter/Seibt in Scholz, GmbH-Gesetz, I. Bd., 10. Aufl., Anh $ 34, Rdn. 12). § 11 Abs. 1 der Satzung der Beklagten verlangt bei dieser Übertragung eines Geschäftsanteils Einstimmigkeit (vgl. auch § 8 Abs. 2 der Satzung, der zur Beschlussfähigkeit die Anwesenheit von Gesellschaftern verlangt, die 65 % des Gesellschafterkapitals vertreten), sodass eine Übertragung des Geschäftsanteils auch von dem Stimmverhalten des Streithelfers abhängt.
bb) Das bisherige Verhalten des Streithelfers lässt mit der erforderlichen Sicherheit erwarten, dass es nicht zu einer Übertragung des Gesellschaftsanteils des Klägers kommen wird. Der Streithelfer hat vielmehr gezeigt, dass ihm an einer einvernehmlichen Regelung nicht gelegen, sondern er ausschließlich bestrebt ist, die Versuche des Klägers und der Beklagten an einer Auseinandersetzung zu behindern und zu verzögern. Dies belegen die folgenden Umstände:
(1) Der Streithelfer hat entgegen der von ihm über einen Zeitraum von 15 Jahren geübten Praxis, an den Gesellschafterversammlungen der Beklagten in E. teilzunehmen, ab dem Jahre 2006 von einer Teilnahme abgesehen, obschon er zu den Gesellschafterversammlungen, wie das Anlagenkonvolut 2 zum Sitzungsprotokoll vom 21.03.2012 belegt, von der Geschäftsführerin der Beklagten ordnungsgemäß geladen worden war. Ferner hat der Streithelfer ab dem Jahre 2006 jegliche Aktivitäten für die Beklagte eingestellt. Er hat keinen erkennbaren Beitrag geleistet, um die Gesellschaft in die Lage zu versetzen, ihre anfänglich ausgeübte werbende Tätigkeit fortzusetzen. Im Gegenteil hat der Streithelfer aufgrund seiner Inaktivität, vor allem seiner fehlenden Teilnahme an Gesellschafterversammlungen, der Beklagten die Möglichkeit genommen, durch die Fassung von Gesellschafterbeschlüssen geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um eine hinreichende Auftragslage und mithin einen Fortbestand der Beklagten zu sichern. Nachvollziehbare Gründe für sein Verhalten hat der Streithelfer nicht dargelegt. Von der von ihm verbüßten Strafhaft abgesehen, war ihm eine Mitwirkung an der Gesellschaft möglich und zumutbar. Eine ihm gegenüber erfolgte Nichtgewährung der Einsicht in die Geschäftsunterlagen kann er nicht mit Erfolg als Grund für seine Weigerungshaltung anführen. Der Streithelfer vermochte kein Schreiben vorzulegen, mit dem er zur Akteneinsichtsgewährung aufgefordert hätte. Selbst wenn es insoweit Gespräche zwischen ihm und dem Kläger gegeben haben sollte, wäre dies allein deshalb kein berechtigter Grund für seine Weigerungshaltung, weil der Kläger hinsichtlich des Akteneinsichtsgesuchs der falsche Adressat gewesen wäre. Derartige Gesuche wären ausschließlich an die Gesellschaft, mithin an die Beklagte zu richten gewesen. Hinzu kommt, dass es dem Streithelfer, sollte die fehlende Aktenkenntnis aus seiner Sicht tatsächlich die Ursache für sein Verhalten gewesen sein, frei gestanden hätte, gegen die Beklagte eine gerichtliche Entscheidung über das Einsichtsrecht zu beantragen (§§ 51 a f. GmbHG), anstatt über mehrere Jahre inaktiv zu bleiben und hierdurch eine Teilnahme der Beklagten am Geschäftsverkehr zu unterbinden. Die vom Prozessbevollmächtigten des Streithelfers im Senatstermin für ein Absehen von einem solchen Antrag angeführte Begründung, es habe der Streit zwischen den Gesellschaftern nicht verschärft werden sollen, vermag nicht zu überzeugen, weil dieser Streit bereits in massiver Form vorhanden war und selbst nach der Auffassung des Streithelfers allein durch eine Akteneinsicht hätte beseitigt werden können. Darüber hinaus hätte der Streithelfer auch die Möglichkeit nutzen müssen, durch eine Teilnahme an den Gesellschafterversammlungen sein - unterstellt gegebenes - Informationsinteresse zu befriedigen. In diesen Versammlungen hätte er jedenfalls Gelegenheit gehabt, die von der Beklagten veröffentlichten Bilanzen und die ihm von dieser übermittelten Kontendaten einer Erörterung zuzuführen und eine - soweit erforderlich - weitere Vereinzelung der Daten einzufordern.
(2) Das Verweigerungsverhalten des Streithelfers hat seine Fortsetzung in seiner Nichtteilnahme an der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gefunden. Hierdurch hat der - persönlich zum Termin geladene - Streithelfer deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er an der Fortführung der Beklagten kein nennenswertes Interesse hat. Seine Begründung im Schreiben ohne Datum, das er mit Telefax vom „24.01.2010" als Anlage zum Schreiben vom 26.03.2012 an den Senat übersandt hat, welches beim Oberlandesgericht jedoch nicht vor dem Verhandlungstermin eingegangen ist, ist weiterer Ausdruck seines Desinteresses. Denn dass der Streithelfer den Weg aus G. als unverhältnismäßig ansieht, belegt im Umkehrschluss, dass ihm selbst die Chance, im Rahmen einer Gerichtsverhandlung eine einvernehmliche Lösung des seit Jahren bestehenden Streits zu erzielen oder auch nur den eigenen Standpunkt den anderen Prozessbeteiligten zu vermitteln, keinen hinreichenden Anlass geboten hat, einen im Verhältnis zu dieser Chance überschaubaren finanziellen und zeitlichen Aufwand für die Anreise zu erbringen.
c) Aus den vorgenannten Gründen ist die Auflösungsklage, obwohl sie nur als ultima ratio in Betracht kommt, begründet, zumal der Kläger und der Streithelfer bislang nicht einmal in der Lage waren, sich auf einen Preis für den klägerischen Geschäftsanteil zu einigen.
C. I. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
II. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.
III. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert.
Beschluss
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 13.000,00 Euro festgesetzt.